XVII

18:30
Ich war zu Fuß gegangen.
Zu "Granny's Kitchen", einem durchaus modernen Restaurant, welches allerdings dennoch mit einem älteren Look gezeichnet war. Meine Füße taten jetzt weh und ich hatte absolut keine Lust mehr, den Weg später wieder nach haus gehen zu müssen, allerdings bestand die Hoffnung, dass ich mit den beiden Turteltäubchen ein Taxi nehmen könnte. Da war jedoch die Frage, ob ich das wollte...
Ohne einen weiteren Gedanken an irgendetwas zu verschwenden betrat ich das Restaurant. Ich hatte die achtzig Pfund aus Mr Holmes' Akte mitgenommen, da ich ja auch irgendwie das Essen bezahlen musste.
"Guten Abend, Miss. Was kann ich für Sie tun?" wurde ich sofort angesprochen, als ich das Restaurant betrat.
"Guten Abend. Ich, ähm... hätte gerne einen Tisch."
"Für Sie allein?" fragte der Kellner, der neben der Türe postiert war.
"Ja, genau." Ich blickte mich um und scannte das Restaurant nach Sherlock und John ab. Der Raum war ein wenig verwinkelt, weshalb ich sie nicht sofort fand, außerdem war das Restaurant zum platzen voll. An jedem Tisch saßen Menschen und unterhielten sich lautstark miteinander, was die Gesamtlautstärke nahezu unerträglich machte.
"Dann folgen Sie mir bitte."
Ich nickte und folgte dem Kellner der mich zielstrebig durch den Raum, zu einem kleinen Abschnitt, der auf einem ca zehn Zentimeter hohen Podest, führte. Ich folgte ihm einfach und sah mich dabei weiterhin nach Sherlock und John um. Kurz bevor wir meinen Platz, direkt neben einem Notausgang, erreichten, entdeckte ich die zwei schließlich. Sie saßen etwa zehn Meter vor mir, mitten im Raum mit dem perfekten Blick zur Bar und der Küche. Ein sehr intelligent gewählter Platz, aber immerhin ging es hier um Sherlock Holmes. Alles andere hätte mich auch schwer enttäuscht.
"Bitte, nehmen Sie platz. Was möchten Sie trinken?"
"Ähm, ein Wasser bitte."
"Alles klar." Und mit diesen Worten verschwand der Kellner wieder und ich ließ mich grinsend auf meinen Platz sinken. Da mein Tisch auf dem Podest stand, konnte ich Sherlock und John perfekt sehen. Allerdings waren die beide so sehr mit ihrem "gestellten gay sein" (Was gar nicht so gestellt aussah) beschäftigt, dass ich tatsächlich unbemerkt blieb.
"Und die wollen mir allen ernstes erzählen, sie wären nur Mitbewohner. Klar. Und ich bin die Königin von England." murmelte ich.
"Ach, tatsächlich?", erklang plötzlich eine männliche Stimme etwas neben mir und verwirrt drehte ich mich um. Neben meinem Tisch stand ein junger Mann in Anzug und fliege und hielt ein Tablett vor sich. "Dann ist es mir eine Ehre, eure Majestät. Wer geht Ihnen denn fremd?" lächelte er charmant und stellte ein Glas Wasser vor mich.
"Oh, nein, keine Sorge. Mir geht keiner fremd. Ich beobachte nur meinen Bruder, der ein Date mit seinem Mitbewohner hat." lächelte ich und musterte den jungen Mann. Er hatte breite Schultern, ein hübsches Gesicht und strahlende blaue Augen. Seine Haare waren ebenso lockig wie Sherlocks, allerdings etwas heller.
"Also sind Sie nicht vergeben?" fragte er vorsichtig.
"Nein, bin ich nicht." antwortete ich wahrheitsgemäß und spürte, wie auf einmal Hitze in meine Wangen stieg. Warum sprach der Typ mich ausgerechnet heute an, wo ich einfach nur ein Auge auf jemanden haben wollte?
"Wie heißen Sie, wenn ich Fragen darf. Ich heiße Charles Cortell."
Meine Augen weiteten sich. Offenbar war der Kerl, mit dem ich mich hier unterhielt, der Sohn unseres Verdächtigen. "Ähm, Lilith."
"Und-"
"Sie ist nicht interessiert. Auf Wiedersehen, Mr Cortell.", wurde er von einer mir seltsam vertrauten Stimme unterbrochen. "Tochter, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht einfach mit irgendwelchen Kerlen sprechen sollst?"
Einen Moment starrte ich Mr Holmes einfach nur perplex an, dann verstand mein langsamer Geist endlich. "V-Verzeihung, Vater. I-Ich..."
"Nein, ist schon in Ordnung.", er ließ sich neben mir auf dem zweiten Stuhl nieder und schickte Charles Cortell mit einem Handwink davon. Dann blickte er sich einen Moment um und wandte sich wieder lächelnd mir zu. "Sehr schön reagiert, Lilith. Es tut mir leid, dass ich Sie hier so überfalle, allerdings konnte ich nicht zulassen, dass Sie hier alleine sitzen. Selbstverständlich hätte ich auch einen meiner Agenten schicken können, allerdings würde mir dann die Chance entgehen, meinem Bruder bei seinem Date zuzugucken. Und das möchte ich unbedingt sehen."
Ich grinste. "Na dann, haben wir jetzt wohl eine Undercover Mission. Finde ich völlig in Ordnung. Das nächste Mal, wäre es allerdings nett, wenn Sie mich vorher einweihen. Damit ich nicht aussehe, wie ein Ochs vorm Berg."
"Oh, keine Sorge. Sie haben das tatsächlich hervorragend gelöst." er grinste ebenfalls und winkte sich dann einen Kellner herbei, bei dem er einen Brandy bestellte. Dann herrschte etwas peinliche Stille, während wir beide Sherlock und John beobachteten, die inzwischen offensichtlich wärmer mit der Situation geworden waren, denn inzwischen hielten sie über den Tisch Händchen und lachten ständig.
"Die beiden würden gut zueinander passen. Doktor Watson tut ihm ausgesprochen gut und hält ihn am Boden. Das ist... gut." sagte Mr Holmes plötzlich und ich sah ihn skeptisch von der Seite an.
"Wie meinen Sie, "er tut ihm gut"? Geht es Sherlock nicht gut?"
Mr Holmes seufzte. "Er hat ein Trauma aus der Kindheit und außerdem diverse Drogenprobleme. Nicht nur, dass er mit Menschen nicht sonderlich gut auskommt, er geht auch mit sich selber nicht sonderlich pfleglich um. Aber seit er mit Doktor Watson zusammen lebt, ist er... verändert. Er gibt sich tatsächlich Mühe. In all seinen Problemen. Und das hoffe ich, bleibt auch noch so."
Ich nickte langsam. "Sie machen sich große Sorgen, um Ihren Bruder, stimmt's?"
Jetzt wandte er sich zu mir. "Ja... Ja, mache ich. Er ist ein Sturkopf und hat scheinbar mit der Zeit sämtlichen Anstand und Benehmen verlernt, aber ja. Er ist mein kleiner Bruder. Und das wird er wohl auch immer bleiben, richtig?"
"Wohl wahr.", ich wandte mich wieder zurück und sah gerade noch, wie ein Mann, der Charles Cortell doch ziemlich ähnlich sah, zu John und Sherlock an den Tisch trat. "Oh, ich glaube, unser Mann hat gerade angebissen..."
"Das ist Henning Cortell...?" Mr Holmes sah mich tatsächlich so an, als würde er mir nicht ganz folgen können. Und irgendetwas in seinem Blick sah aus wie... Besorgnis.
"Ja, genau. Er ist der Hauptverdächtige in dem Fall mit der queeren Leiche."
"Dann..." seine Miene verfinsterte sich schlagartig. "Dann müssen Sie die Sache sofort abblasen. Das ist eine Falle!"

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