Thomas konnte wirklich wahnsinnig gut schreiben. Ich war schon nach wenigen Minuten so sehr von seinen Geschichten und seinem Schreibstil überzeugt, dass ich gar nicht wusste, was ich ihm überhaupt für Tipps geben sollte. Das konnte meiner Meinung nach nur ein anderer Autor, denn ich sah rein gar nichts, was man verbessern könnte.

„Jetzt sage bitte, wie es dir gefällt. Du brauchst keine Rücksicht auf mich oder meine Gefühle nehmen, das werde ich schon verkraften. Keine Sorge. Ich kann es nicht glauben, wenn ich nur positives Feedback von meiner Familie und meinen Freunden bekomme, weil sie das ja nur sagen, um mich glücklich zu machen. aber May, weißt du, was mich wirklich glücklich macht? Etwas zu finden, an dem ich arbeiten kann und wie ich mich verbessern kann. Es ist echt ein sehr großer Wunsch von mir, mal berühmt zu werden, aber da muss ich in der Welt der Autoren bestehen können und muss dafür wirklich viel draufhaben."

Thomas kratzte sich im Nacken. Ich sah ihm an, wie nervös er wegen meiner Meinung war. Aber wie blind konnte man denn sein? Wieso erkannte er nicht, dass es einfach superklasse war, was er da schrieb?

Alle, die ihm bisher Feedback gegeben hatten, hatten das nicht nur getan, weil sie ihn nicht verletzten wollten, sondern weil es der puren Wahrheit entsprach. Das musste ihm jemand mal wirklich klar machen.

Ich löste widerwillig meinen Blick von Thomas' Computer und den Worten, die mich förmlich nicht loslassen wollten und wandte mich Thomas zu. „Thomas, du musst ihnen allen einfach glauben. Das ist so genial, wirklich. Ich würde keine Sekunde daran zweifeln, dass du ein erfolgreicher Autor bist, wenn ich ein Buch von dir im Buchladen entdecken würde. Du musst wirklich einfach etwas von dir drucken lassen oder als E-Book veröffentlichen und dann wirst du uns auch glauben können, dass du erfolgreich sein wirst."

Thomas sah mich echt ungläubig an, als hätte er damit gerechnet, dass ich ihn jetzt mit einer Menge Schreibtipps vollreden würde. Ich verstand es wirklich nicht, wie man das eigene Talent so sehr verleugnen konnte.

„Okay ... Wenn du meinst. Vielen Dank, May. Das bedeutet mir echt viel und wer weiß, vielleicht bist du jetzt diejenige gewesen, die mich dazu überreden konnte, etwas drucken zu lassen. Ich gebe dir jetzt mal den Anfang meines neuen Buches zu lesen, das am besten dazu in Frage kommen würde, veröffentlicht zu werden. Du kannst in Ruhe lesen, ich gehe solange duschen. Wenn du willst, können wir uns danach darüber unterhalten und ich erzähle dir, was ich noch geplant hatte."

Er schien gerade wirklich Feuer und Flamme zu sein und wirklich total begeistert zu sein, was mich wahnsinnig freute.

Ich hielt das für eine gute Idee und hätte sicherlich auch großen Spaß daran, mich mit ihm über sein Buch zu unterhalten. Ich hatte mir auch schon ein paar Mal überlegt, selbst ein Buch zu schreiben und hatte es allerdings nie durchgezogen. Wenn ich jetzt Thomas mit seinem Buch etwas helfen konnte, dann hätte ich immerhin doch etwas für diesen Traum von mir getan.

„Okay, dann bekommst du jetzt das zu lesen, was noch niemand vorher zu lesen bekommen hat. Es ist erst frisch geschrieben worden und auch noch nicht überarbeitet, doch du siehst, an welchem Projekt ich jetzt gerade arbeite."

Ich trat ein Stück zur Seite, als Thomas das Dokument öffnete. Ich konnte es kaum glauben, dass ich wirklich die erste sein würde! Bestimmt hatte es Sarah auch schon gelesen. Das wäre sonst zu komisch. Ich hoffte auch mal, dass sie ihn in diesem Hobby unterstützte und nichts dagegen hatte, das würde meinen Hass auf sie sonst noch viel größer machen.

Ich sah Thomas lächelnd nach, als er sein Zimmer verließ, um Duschen zu gehen. Er war wirklich super nett und ich konnte mich so glücklich schätzen, dass ich bei einer Familie mit so netten Kindern untergekommen war. Es war fast so, als wenn ich mir Thomas freiwillig als Kumpel ausgesucht hätte, denn genau so war er vom Charakter. Er war einfach wahnsinnig lieb, hatte tolle Interessen, verhielt sich mir gegenüber sehr nett und dazu kam noch, dass er eigentlich echt gut aussah. An das durfte ich natürlich nicht denken, schließlich wohnte ich bei diese Familie und er hatte eine Freundin.

Ich fühlte mich echt glücklich, als mir völlig bewusst wurde, dass er mich komplett allein in seinem Zimmer gelassen hatte. Eigentlich war ich ja noch eine völlig Fremde und er dürfte mir in dieser Sache noch gar nicht vertrauen, vor allem mit meiner Vorgeschichte. Es sei denn, er wollte mich hier gerade auf die Probe stellen, doch das dachte ich nicht wirklich. Thomas war nicht so einer.

Ich könnte hier alles Mögliche machen, mich in seinem ganzen Zimmer umsehen, an sein Handy gehen oder private Dateien auf seinem Computer öffnen. Was ich natürlich nicht tun würde, aber wie gesagt, er konnte es eigentlich gar nicht wissen.

Nachdem ich auch in diesem Buch nach weniger als einer Minute schon völlig versunken war, kehrte ich wieder aus meiner Trance in die Realität zurück, als ich am Ende des Geschriebenem ankam. Es war bisher noch nicht so viel, doch es war so gut und es steckte so viel Potential darin, dass ich es kaum erwarten konnte, endlich zu wissen, wie es weiterging.

Thomas musste sich wohl mit Absicht ziemlich viel Zeit lassen, damit ich in Ruhe zu Ende lesen konnte, denn eigentlich müsste er schon längst wieder hier sein. Ich wollte gerade aufstehen, um ihm Bescheid zu geben, dass ich fertig war, als mich eine Nachricht in der unteren Ecke des Computers aufmerksam werden ließ. Die Nachricht verschwand schnell, doch Sekunden darauf folgte schon die nächste und nächste. Ich wusste ja nicht, um was es ging, doch es schien mir so, als würden Leute positive Kritiken über Thomas' Geschriebenes äußern. Und zwar kam es mir so vor, als würde es über das gehen, was ich gerade erst gelesen hatte.

Das war äußerst merkwürdig, denn Thomas hatte mir mehrmals gesagt, dass er das hier neu geschrieben hatte und es nicht im Internet veröffentlicht war, da er dieses Mal an einem wirklichen Buch arbeiten würde, wie wir es vorhin ja erst darüber gehabt hatten. Dann würde es ja gar keinen Sinn ergeben, das hier zu posten oder?