Kapitel 7
Als ich sah in die Gesichter meiner Geschwister, wurde mir klar, wie sehr wir unserem Vater doch ähnelten. Die Vorstellung, nur an das nächste Saufgelage zu denken, traf mich wie ein Schlag. Es fühlte sich an, als würde ich in die Fußstapfen meines Vaters treten, und der Gedanke daran ließ mich erschaudern.
Mein Vater war der Auslöser für meine Flucht in den Alkohol. Seine ständige Wutausbrüche, sein aggressives Verhalten und die unerträgliche Atmosphäre zu Hause trieben mich regelmäßig dazu, mir die Kante zu geben. Aber jetzt wurde mir klar, dass ich genauso geworden war wie er - ein Säufer mit gerade einmal fünfzehn Jahren.
Ein bitterer Geschmack lag auf meiner Zunge, als ich diese Erkenntnis schluckte. Doch ich konnte nicht zulassen, dass meine Geschwister denselben Weg gingen. "Ihr könnt saufen gehen. Ich gehe zurück zu Noah. Da sind die Eltern wenigstens normal", brachte ich schwerfällig heraus, bevor ich in mein Zimmer stürmte.
Dort angekommen, durchsuchte ich meine Tasche und zog sämtliche Klamotten aus meinem Schrank. Ich spürte die dringende Notwendigkeit, von diesem Ort wegzukommen, bevor mich die Dunkelheit verschluckte. Plötzlich ging die Tür auf, und Adley trat ein, ihr besorgter Blick auf mir ruhend.
"Bist du dir sicher? Nicht dass Vater das mitbekommt und... naja, du weißt schon", sagte sie mitfühlend. Ihre Worte trafen mich wie ein Stich ins Herz, aber ich konnte nicht mehr zurück. "Soll er doch. Dann sieht er mich nie wieder", murmelte ich verbittert, während ich meine Schuhe und Jacke anzog.
Mit einem letzten Blick auf mein Zimmer und meine Geschwister verließ ich so schnell wie möglich das Haus, den festen Entschluss fassend, nie wieder zurückzukehren.
Als ich die Straße entlang lief, fühlte ich die Last meiner Entscheidung auf meinen Schultern ruhen. Der Gedanke, zu Noah zu gehen, war verlockend, aber ich wusste, dass ich etwas anderes tun musste. Ein unerklärliches Gefühl trieb mich weiter, bis ich vor einem beeindruckenden Anwesen stehen blieb.
Das große Haus ragte majestätisch vor mir auf, und ich spürte einen Kloß im Hals, als ich mich der Tür näherte und die Klingel drückte. Ein eleganter Mann öffnete die Tür, und ich erkannte sofort Mister Hills, Graces Vater.
"Guten Tag, Mister Hills. Ist Ihre Tochter Grace zuhause?" fragte ich vorsichtig, während ich versuchte, meine Nervosität zu verbergen. Mister Hills musterte mich skeptisch, seine Augen durchbohrten mich förmlich. "Ist alles in Ordnung, Kilian? Du siehst so mitgenommen aus", erkundigte er sich besorgt und ließ mich schließlich hinein.
"Ja, alles in Ordnung, danke", log ich, obwohl ich wusste, dass es nicht stimmte. Ich folgte Mister Hills langsam die imposante Treppe hinauf, mein Herzschlag beschleunigte sich bei jedem Schritt. Die Pracht und der Reichtum, die Graces Familie umgaben, waren offensichtlich, und ich fühlte mich plötzlich unbehaglich in meiner eigenen Haut. Ihr Vater war ein erfolgreicher Immobilienmarkler und ihre Mutter war eine Schauspielerin am Broadway. Irgendwie hatten alle meine Freunde tolle und erfolgreiche Eltern und dann kam ich.
Als ich schließlich vor Graces Tür stand, drückte ich meine Zweifel und Ängste beiseite und klopfte zaghaft an.
Der sanfte Duft von Rosen und frischer Wäsche umgab mich, als ich den Raum betrat. Die Luft in Graces Haus war so anders als zu Hause. Hier gab es keinen Geruch von Alkohol und Zigaretten, keine lauten Streitereien. Es war ein Ort der Ruhe und des Friedens, an dem ich mich sofort wohl fühlte.
Jedes Mal, wenn ich hier war, fühlte es sich an wie ein Kurzurlaub für meine Seele. Die sauberen und ordentlichen Räume strahlten eine beruhigende Atmosphäre aus, die mir half, mich zu entspannen und den Stress des Alltags hinter mir zu lassen. Es war ein Ort, an dem ich einfach ich selbst sein konnte, ohne mich verstellen zu müssen.
Grace drehte sich vom Schminktisch zu mir, und ihr strahlendes Lächeln wich einem besorgten Ausdruck, als sie mich sah. "Oh Gott, was ist passiert?" Schnell sprang sie auf und umarmte mich fest. Ihre Nähe allein brachte schon etwas Ruhe in mein aufgewühltes Gemüt. Sie war wirklich eine gute Freundin, und manchmal fragte ich mich, wie ich das verdient hatte.
"Es gab wieder Streit, nichts Schlimmes", murmelte ich, und sie ließ mich langsam los. Ein prüfender Blick von ihr bestätigte wohl den Zustand meiner Kleidung und meines Aussehens. "Ja, das riecht man", stellte sie fest und schüttelte leicht den Kopf. "Du gehst jetzt duschen und ziehst etwas Neues an. So kannst du doch nicht bleiben." Ihr Ton ließ keinen Widerspruch zu, und ich konnte ihr auch nicht widersprechen. Mit einem Seufzen sah ich sie an und nickte, bevor ich ins Badezimmer ging und die Tür hinter mir schloss.
Langsam entkleidete ich mich, meine Gedanken wirbelten umher, beladen mit dem Gewicht des Streits zuhause. Jedes Kleidungsstück, das zu Boden fiel, schien eine Last abzuwerfen. Als ich unter den warmen Strahl der Dusche trat, fühlte es sich an, als würde eine unsichtbare Bürde von meinen Schultern gleiten.
Das Wasser prasselte auf meine Haut, eine wohltuende Symphonie der Reinigung und Erleichterung. Die Hitze durchdrang meine Poren und schien die Spannung aus meinen Muskeln zu lösen. Für einen Moment konnte ich alles um mich herum vergessen, eingehüllt in die beruhigende Stille des Badezimmers.
In der Schule mochte ich wie der Starke erscheinen, aber hier, unter dem Wasserfall der Dusche, war ich einfach nur ich selbst - verletzlich, menschlich, und auf der Suche nach einem Moment der Ruhe. Jeder Tropfen schien meine Gedanken zu klären, und ich ließ mich von der Wärme umarmen, während ich mich langsam entspannte. Es war ein Augenblick der Flucht aus der Realität, ein Moment des Friedens inmitten des Sturms.
Nachdem das heiße Wasser meine Haut berührt und meinen Körper von all dem Stress des Tages befreit hatte, umhüllte mich ein angenehmes Gefühl der Entspannung. Ich trocknete mich ab und zog meine neue Jogginghose und meinen Hoodie an, die Grace mir vor ein paar Tagen geschenkt hatte. Sie saßen bequem und fühlten sich wie eine Umarmung an. Als ich aus dem Badezimmer trat, breitete sich ein vertrautes Bild vor mir aus. Grace hatte den Couchtisch liebevoll mit Essen gedeckt und Kissen sowie eine Decke bereitgestellt, um eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen.
Ich konnte nicht anders, als zu grinsen, als ich mich neben Grace setzte. "Hör auf, mich immer so zu bemuttern, Grace", sagte ich spielerisch und stupste sie leicht an. Ihr Lachen war wie Musik in meinen Ohren, als sie durch meine nassen Haare wuschelte. "Für dich würde ich das immer tun, naja, und für Noah auch, aber naja", erwiderte sie mit einem Augenzwinkern und reichte mir eine Tasse Tee. Wir stießen an und genossen den beruhigenden Geschmack des heißen Getränks.
Gemeinsam lehnten wir uns zurück, die Sorgen des Tages für einen Moment vergessen, während wir die wohlverdiente Ruhe und Gesellschaft des anderen genossen.
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