1. Kapitel

"Hast du heute Zeit?" frage ich meinen besten Freund, weswegen dieser von seinem Handy zu mir hoch sieht, mich kurz mustert.
"Ich bin heute zum Tanzen mit Hyunjin und Seungmin verabredet..Sorry, Sungie. Vielleicht morgen?"
Ich nicke nur, ignoriere den Schmerz in meiner Brust. Das Gefühl der Enttäuschung sollte ich doch schon längst gewohnt sein.
Wieso frage ich ihn überhaupt noch? Es bringt ja eh nichts.
"Hey, sieh nicht so traurig aus.."
Minho legt sein Handy weg, streicht sanft über meine Wange, entlockt mir ein leichtes lächeln.
"Ich werde morgen mit dir etwas machen. Das verspreche ich dir, Sungie."
"Versprich nichts, was du nicht halten kannst." murmle ich.
Hoffnung mache ich mir deswegen schon gar nicht mehr, spätestens morgen Mittag, hat er eine neue Ausrede parat um seine Zeit nicht mit  mir verbringen zu müssen.
Wann haben wir das letzte mal etwas zusammen gemacht? Also so wirklich etwas zusammen gemacht?
Ich weiß es gar nicht mehr...
Es ist viel zu lange her.
"Sungie, du bist meine Nummer eins. Ich werde morgen mit dir Zeit verbringen. Versprochen."
Er drückt mir ein Kuss auf die Stirn, eh er aufsteht, seine Tasche nimmt und mich alleine lässt.
Nummer eins...
Wer es glaubt.
Das bin ich schon lange nicht mehr.
Seufzend lasse ich den Kopf auf dem Tisch fallen, verzweifle an mir selbst.
Ich bräuchte ihn...
Grade jetzt brauche ich meinen besten Freund...aber er kapiert es nicht, oder es interessiert ihn einfach nicht.
"Hay Sungie."
Chan setzt sich zu mir an den Tisch, weshalb ich meinen Kopf wieder anhebe, den älteren an sehe, jedoch ohne ein Lächeln im Gesicht.
Das lächeln habe ich schon vor langer Zeit verloren...der einzige der mich noch halbwegs zum lächeln bringen kann, ist Minho.
"Hay Chan-Hyung."
"Du wirkst traurig, ist alles okay?"
Ich nicke nur, sehe auf meinen Lernzettel, versuche Physik und Chemie in meinen Kopf zu hämmern. Vielleicht hätte ich nicht erst gestern Abend anfangen mich lernen sollen, aber naja, ändern werde ich es sowieso nicht.
"Brauchst du Hilfe?" fragt der ältere, beugt sich zu mir.
"Ich bin nicht für Naturwissenschaften gemacht." murmle ich, bringe Chan zum lachen.
"Das ist ganz einfach, warte ich erkläre es dir kurz."
Chan nimmt mein lernzettel, liest es sich kurz durch, eh er mir damit hilft es besser zu verstehen, wenigstens ein wenig in meinen Kopf zu bekommen.
"Danke, Hyung."
"Kein Problem." schmunzelt mein Hyung, wuschelt mir durch die Haare.
"Hyung?"
"Ja?"
"Kann ich heute bei dir schlafen?" frage ich leise. Chan ist einer der wenigen, welche nicht nach fragen, was los sei, es einfach stumm hin nehmen und trotzdem für einen da sind.
Ich liebe diese Eigenschaft an ihm und nach Minho ist er der einzige, welchem ich voll und ganz vertrauen kann.
"Natürlich. Felix schläft aber auch bei mir. Wenn du damit kein Problem hast, dann kannst du ruhig bei mir schlafen."
"Lixie ist in Seoul?"
"Ja, er hat grade Ferien und ist her gekommen, aber erst heute früh..also?"
Ich nicke nur, freue mich schon auf Felix.
"Gut, dann warte ich nachher auf dich."
Chan steht mit dem Klingelzeichen der Pause auf, wuschelt mir durch die Haare, eh er geht.
Seufzend nehme ich mein Lernzettel.
Dann wollen wir mal...

"Brauchst du noch ein paar Klamotten?" fragt Chan, hält sein Skateboard fest.
"Ja, wäre es okay, wenn wir erst zu mir gehen?"
"Natürlich."
Chan setzt seine Kopfhörer auf, was ich ihm gleich tue, meiner Musik lausche, während ich versuche mein zittern zu ignorieren, meine Panik vor Zuhause zu unterdrücken. Die meiste Zeit bin ich zwar in meinen Zimmer, aber ich höre alles. Höre wie mein Vater ausrastet, wenn sein Alkoholpegel überschritten ist. Ein paar mal, hat er mich auch schon geschlagen, aber wirklich böse bin ich ihm nicht...Ich fühle mich eher schlecht ihm gegenüber. Ich kann ihm einfach nicht helfen und es tut weh. Es tut weh zu sehen, wie auch sein anderes Elternteil sich langsam umbringt, weil es mit der Trauer nicht umgehen kann.
Tief atme ich durch, bleibe vor meinem Zuhause stehen, sehe es mir an.
Vor ein paar Jahren war es noch wunderschön, alles hat so bunt gestrahlt und je älter ich geworden bin um so grauer wurde es. Es ist jetzt einfach nur noch schwarz weiß...hat keinen Glanz und keine Farbe mehr...
Es war ein Haus voller schöner Erinnerungen, welche von Tag zu Tag immer mehr verblassen.
Ich hole mein Schlüssel hervor, sehe zu Chan, nehme meine Kopfhörer ab.
"Wartest du hier? Bin gleich zurück."
Wie unser Haus aussieht muss jetzt auch niemand wissen.
Mein Hyung nickt nur, lehnt sich gegen den Zaun, während ich ins Haus gehe, über ein paar Schuhe stolpere.
"Dad?" rufe ich leise, hebe ein paar Alkoholflaschen auf, werfe sie in den Müll.
Als ich keine Antwort bekomme, gehe ich in mein Zimmer, sehe auf die ganzen Bilder mit Minho, weshalb ich kurz lächeln muss, packe dann jedoch schnell das nötigste zusammen, stopfe alles in einen Rucksack.
"Wo willst du hin?"
Erschrocken sehe ich zu meinem Vater, welcher eine Wodka Flasche in der Hand hält, welche noch zu ist. In der anderen seine Gin Flasche.
"Ich schlafe heute bei Chan-Hyung. Du kennst ihn Dad."
Er lacht sarkastisch auf. "Lässt du dich von jedem ficken? Du kleiner Schwanzlutscher."
"Dad..."
"Du bist so eklig."
Ich weiß das er es nicht so meint. Es ist der Alkohol der aus ihm spricht.
Es ist nicht Dad...
"Du solltest schlafen, Dad. Du..."
Er schleudert seine Gin Flasche zu mir, jedoch knapp an mir vorbei.
Tief atme ich durch, versuche nicht in Panik aus zu brechen.
"Ich gehe jetzt Dad und du solltest schlafen...wenn Mom..."
"Sprich nicht über sie!"
Wütend kommt er mir näher, jedoch habe ich ein Talent entwickelt ihm aus zu weichen, seinen Schlägen aus zu weichen.
"Bitte Dad...werde endlich wieder du." flüstere ich, verschwinde dann aus unserem Haus, aus dem Haus, welches früher ein Schutz für mich war, jetzt die pure Hölle ist.
"Können wir?" frage ich Chan, welcher mich mustert.
"Du blutest." sagt er, dreht mein Gesicht zu sich.
Was?
Hab ich doch etwas abbekommen?
"Ich werde dich jetzt nicht fragen, weil ich weiß, dass du mir darauf nicht antworten wirst, aber weiß Minho davon?"
Ich schüttle nur den Kopf.
Wie soll er das auch wissen? Er geht mir seit Ewigkeiten aus dem Weg und wenn er dies nicht tut, dann reden wir nicht wirklich darüber was uns belastet. Eigentlich reden wir so gut wie gar nicht mehr miteinander. Ich weiß nicht einmal, ob er weiß, dass meine Mom gestorben ist...
Ich schlucke den Kloß herunter, versuche den starken Druck auf meiner Brust zu ignorieren.
"Zuhause werde ich mich um deine Wunde kümmern..und was hälst du von Käsekuchen? Ich denke, den brauchst du grade."
Das einzige was ich brauche ist Minho...
Ich vermisse ihn so sehr, obwohl er grade mal nur eine Straße weiter wohnt. Und trotzdem fühlt es sich so an, als wäre er weit weg.
Sind wir überhaupt noch beste Freunde?
"Komm."
Chan nimmt meine Hand, zieht mich mit, während er auf seinem Handy herum tippt.

"Okay...fertig." murmelt Chan, macht ein Pflaster auf meine Schläfe..
"Danke." murmle ich.
"Kein Problem. Felix müsste auch gleich zurück sein."
Kaum hatte er den Satz beendet, geht die Haustür auf. "Ich habe Käsekuchen gekauft, so wie du es wolltest. Und übrigens auch noch ein oder zwei Bubble Teas von deinem Geld gekauft, aber es tut mir nicht leid, Hyung."
Chan lacht leise, packt den erste Hilfe Kasten wieder weg, während Felix zu uns ins Wohnzimmer kommt.
"Sungie!"
"Lixie"
Der ein Tag jüngere stellt alles auf dem Tisch ab, kommt breit grinsend zu mir und wirft sich dann auf mich.
"Hab ich dich vermisst, Sungie."
"Ich dich erst." murmle ich, schlinge meine Arme um den Sonnenschein, ziehe seinen vertrauten Geruch ein, unterdrücke die Tränen.
Aus irgendeinem Grund ist mir grade alles zu viel.
Wieso fällt es mir heute nur so schwer, meine Gefühle zu unterdrücken? Sonst kann ich es doch auch die ganze Zeit.
"Also habe ich den Käsekuchen für dich gekauft...und ich habe mich schon gewundert seid wann Chan so viel Käsekuchen isst."
Felix lässt mich los, streicht über meine Wangen, mustert mich.
"Was ist da passiert?"
Sanft streicht er über das Pflaster.
"Du kennst doch Jisung. Er ist so tollpatschig wie eh und je, stößt sich einfach seinen Kopf am Tisch und holt sich eine Verletzung dabei." sagt Chan, lügt extra für mich, obwohl er selbst nicht weiß, was passiert ist.
"Ach Hannie." kichert Felix, haucht ein Kuss auf meine Schläfe.
"Dann lasst uns mal essen! Ich habe Hunger!"
Felix setzt sich neben mich, öffnet die Packung.
Während wir Essen, redet Felix ununterbrochen von Australien und seiner Familie von Schule und ein paar grauenhaften Dates.
"Kannst du nicht einfach her ziehen?" frage ich leise, unterbreche ihn damit, bringe ihn zum lachen.
"Ich würde gerne, aber meine Mom würde mich umbringen, aber ich habe mich hier an Colleges beworben. Ich weiß, dass wir noch anderthalb Jahre Zeit haben, aber besser zu früh, als zu spät."
"Kannst ja dann zu mir ziehen." grinst Chan, wuschelt dem blondhaarigen durch die Haare.
"War der Plan." grinst Felix, gähnt dann aber.
"Wo schläfst du Sungie?"
"Couch." murmle ich, sehe auf mein Handy, gehe kurz auf Instagram, wo ich die Storys von Minho sehe. Zögerlich gehe ich drauf, sehe sie mir an.
Minho im Tanzstudio.
Minho umgeben von anderen, sieht genervt aus, aber gleichzeitig doch am lächeln.
Minho zwischen Seungmin und Hyunjin.
Seufzend lege ich mein Handy weg, nehme ein Kissen, drücke es an mich.
"Ich geh schlafen..seid mir bitte nicht böse."
"Geh ruhig schlafen, Felix..ich denke, dass Hannie auch ziemlich müde ist und etwas Schlaf braucht."
Felix nickt, drückt uns beiden jeweils ein Kuss auf die Wange, eh er ins Gästezimmer verschwindet.
Ich lege mich auf die Couch, decke mich zu.
Chan streicht durch meine Haare, bleibt einfach neben mir sitzen.
"Du solltest mit Minho darüber reden."
"Als ob es ihn interessiert...seid der High school bin ich Luft für ihn geworden. Vor allem in den letzten zwei Jahren." murmle ich, schließe die Augen.
"Ich denke nicht, dass du ihm egal bist, Sungie."
"Ich bin nicht Hyunjin und auch nicht Seungmin oder Yuta oder wie auch die anderen alle heißen. Er ist einer der coolen, während ich unsichtbar bin.."
Er seufzt leise auf, sagt jedoch nichts mehr dazu, streicht durch meine Haare.
Kurz darauf bin ich schon eingeschlafen.

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