𝖛. Ein bisschen blass ums Näschen







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KAPITEL FÜNF
Ein bisschen blass ums Näschen
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ELOISE HATTE NICHT DAMIT GERECHNET, DASS IHR VATER SIE TATSÄCHLICH ZUM BAHNHOF BEGLEITEN WÜRDE. Es war in den letzten Jahren nur hin und wieder vorgekommen, zumindest seit er vor dem Start ihres zweiten Schuljahres zum Zaubereiminister geworden war. Und natürlich, sie verstand es, sie hatte nichts dagegen, von ihm am Vorabend verabschiedet zu werden, aber als er an diesem 1. September mit ihrer Mum neben ihr herging, konnte Eloise ein glückliches Lächeln nicht unterdrücken.

Im Tropfenden Kessel war heute Morgen ein riesiges Chaos gewesen. Sie hatte überhaupt nicht gewusst, dass so viele Schüler die Nacht in der Winkelgasse verbracht hatten, um einen kürzeren Weg nach Kings Cross zu haben. Es war auch das erste Mal für Eloise gewesen. Normalerweise waren es hauptsächlich Muggelstämmige, die nicht die Möglichkeit hatten, Seit-an-Seit mit ihren Eltern zu apparieren, so wie sie es für gewöhnlich tat — und auch für die Weasleys war es natürlich einfacher, mit dem Auto zu fahren, das sie zur Verfügung gestellt bekommen hatten. Sie vermutete, dass ihr Dad gewollt hatte, dass sie den letzten Tag dort verbrachte, um sich von ihr verabschieden zu können, falls er sie am nächsten Morgen nicht begleiten konnte. Doch wie er heute angekündigt hatte, konnte er es.

Eloise beobachtete neugierig die Muggel, die über die Bahnsteige liefen. Viele trugen Anzüge, manche redeten mit sehr großen klobigen Geräten am Ohr, über die sie schon einmal in Muggelkunde kurz gehört hatte und sie fragte sich, wohin sie sich wohl auf den Weg machten. Manchmal war es für sie ein seltsamer Gedanke, dass jeder Mensch seine eigene Geschichte, seine eigene Motivation und Beschäftigung hatte, von der sie nie erfahren würde, weil sie nie jeden von ihnen kennenlernen konnte. In einer belebten Stadt wie London zu apparieren war nicht einfach, aber den meisten Muggeln fiel Magie nicht einmal vor ihrer Nase auf. Es war ein Jammer. Sie schienen überhaupt nichts Besonderes in ihrem Leben haben zu wollen. Viel mehr fürchteten sie sich vor den Dingen, die sie nicht haben konnten, und bekämpften sie.

Wendy quiekte in ihrem Käfig und Eloise streckte die Hand nach ihrem Meerschweinchen aus, um es zu beruhigen. Sie hoffte, dass die ganzen Menschen sie nicht verängstigten. Einmal hatte Eloise einen Zauber in ihrem Schlafsaal geübt und da nur Funken aus ihrem Zauberstab gekommen waren, hatte Wendy sich auf ihrem Schoß so erschreckt, dass sie in eine Angststarre verfallen war. Und Eloise hatte gehört, dass der Kreislauf von Meerschweinchen zusammenbrechen konnte, wenn sie zulange in dieser Starre blieben. Sie wollte nicht herausfinden, ob es wahr war oder nicht.

Als sie beiläufig und damit so unauffällig wie möglich in der Wand zwischen Gleis 9 und 10 verschwanden, war Eloise beinahe ein wenig enttäuscht, dass sie die Muggel nicht länger hatte beobachten können. „Ich schreibe euch jede Woche." versprach sie ihren Eltern, nachdem sie sich kurz am Bahnhof umgesehen hatte. Ihr Dad nickte ein paar Leuten zu, die er kannte und ihr Blick blieb an Lucius Malfoy hängen, der mit seiner Frau seine Kinder zum Bahnhof brachte.

Ihrer Meinung nach war Draco Malfoy ein kleiner Scheißer. Eloise hatte manchmal wirklich die größte Mühe, sich zurückzuhalten, aber sie wollte keine Szene machen. Doch im letzten Jahr hatte er sich mit ihr, wenn auch unbemerkt, alles verdorben. Ihr viertes Schuljahr war nicht einfach gewesen. Als immer mehr Muggelstämmige versteinert worden war, hatte Eloise ihre beste Freundin gar nicht mehr aus den Augen lassen wollen. Doch Draco-Ich-bin-besser-als-ihr-alle-Malfoy hatte sich offen lustig darüber gemacht, dass Penelope Clearwater, Ophelias große Schwester, Opfer des Monsters aus der Kammer des Schreckens geworden war.

Und vielleicht war Eloise jemand, der Menschen zweite Chancen gab und das Gute in jedem sah, aber bei Rassisten, die sich auch noch über das Leid von anderen amüsierten, war es für sie vorbei. Sie lebten in keiner Welt mehr, in der solche Ansichten weitergegeben werden sollten. Sie musste zugeben, auch sie hatte vor ihrem ersten Schuljahr nicht viel Gedanken an Muggel verschwendet. Sie waren nie wirklich in ihrer Welt präsent gewesen, alles hatte sonnig für sie ausgesehen und ihre Eltern hatten sie in einer rosaroten Blase aufwachsen lassen. Sie hatte von Vorurteilen nicht wirklich eine Ahnung gehabt. Vermutlich hatte sie sie trotzdem gehabt und vielleicht waren auch einige andere Gedanken, mit denen sie über Muggel nachdachte, in ihrem Kopf zu fest verankert. In Hogwarts hatte sie jedoch viele Menschen kennengelernt: Personen aus anderen Ländern, Zauberer mit Muggeln in ihren Stammbäumen... Sie hatte erkannt, dass es nichts an ihnen gab, das anders war. Sie hatte die Wahl gehabt, ignorant und in ihrer Welt zu bleiben oder Vorbehalte abzulegen und sich zu informieren. Sie hatte sich für letzteres entschieden und Draco hatte genau die gleiche Wahl gehabt und ersteres gewählt.

Doch ihr Dad sah nichts Schlechtes an den Malfoys — sie waren dem Ministerium treu verpflichtet und er pflegte ein gutes Verhältnis zu ihnen. Die Sache war die: Sie konnte ihm nicht vorwerfen, dass er weiterhin den Kontakt zu ihnen pflegte und nichts Böses sehen wollte, um den Frieden zu wahren. Eloise war in vielerlei Hinsicht genauso. Selbst wenn sie Menschen nicht leiden konnte, würde sie ihnen vermutlich noch die Hand schütteln, um keinen schlechten Eindruck zu hinterlassen.

„Es ist nicht schlimm, wenn du dafür mal keine Zeit findest. Konzentrier dich auf deine ZAGs und dich selbst, wenn du eine Auszeit brauchst." sagte ihre Mutter mit einem sanften Lächeln und Eloise nickte.

Ihr Dad sah stolz bei dem Gedanken daran aus, dass sie bereits im fünften Schuljahr war. „Ich freue mich schon, dich an Weihnachten wiederzusehen." meinte er. „Und pass auf dich auf."

Eloise nickte ernst und sah sich kurz darauf weiter am Bahnhof um, wo sie die Weasleys sah. Mrs Weasley sammelte gerade ihre Kinder um sich und sagte ihnen etwas, das sie aufgrund der Entfernung und des pfeifenden Zugs nicht hören konnte. Percy war der erste, der sich von der Gruppe löste und sie musste wirklich ein Lachen unterdrücken, als sie sein Ziel sah.

Er strahlte förmlich, als er Penelope am Bahnhof erblickte. Eloises Augenmerk lag bei seiner Begrüßung eher auf Ophelia, die offensichtlich versuchte, unbeteiligt auf den Boden zu sehen und eine Grimasse schnitt, die deutlich machte, dass sie überall sein wollte außer neben den beiden. Sie hatte sich ihre schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, durch den sie gedankenverloren mit den Fingern fuhr. Penelope jedoch warf ihre Locken über ihre Schultern und lachte über etwas, bevor sie ihm scheinbar das Schulsprecher-Abzeichen auf ihrer Brust präsentierte. Percy sah aus, als könnte er sie gleich hier küssen, beherrschte sich aber offensichtlich. Was ein Paar.

Ophelia bemerkte Eloises Blick schließlich und strahlte breit. Ebenso aufgeregt umarmte Eloise ihre Eltern ein letztes Mal, bevor sie ihren Koffer und ihr Meerschweinchen nahm, um auf sie zuzugehen. Ihre Freundin riss die Augen auf und presste die Lippen zusammen, um spaßhaft den Gräul zu imitieren, der sie bei Percys und Penelopes Begrüßung scheinbar über sie gekommen war.

„So schlimm?" fragte Eloise mit einem leichten Lachen, als Ophelia vor ihr stehenblieb und sie fest in die Arme schloss. Sie war eine der besten Umarmerinnen, die sie je getroffen hatte. Ophelia war ein Mensch, den man stundenlang umarmen konnte.

„Hab ich dir nicht erzählt, als du bei mir warst, dass Penelope immer auf Spaziergänge verschwindet?" fragte sie, als sie sich löste. Ophelia war nicht Penelopes leibliche Schwester und wie Eloise fand, war es ein ziemlich großer Zufall, dass sie beide Magie in ihren Adern hatten, obwohl ihre Eltern Muggel waren. Glücklicherweise glaubte sie nicht an etwas wie Zufall. Ophelias Eltern waren vietnamesischer Herkunft und ihre Mum war die beste Freundin von Penelopes geworden — sie hatten so ein gutes Verhältnis zueinander, dass sie sich gegenseitig zu den Patentanten ihrer jeweiligen Töchter gemacht hatten. Sie waren bei einem Autounfall gestorben, als Ophelia ein Jahr alt gewesen war. Seitdem lebte sie bei Penelopes Eltern, die für sie wie ihre leibliche Familie waren. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass unser guter neuer Schulsprecher bei diesen Spaziergängen dabei war. Seit die beiden offiziell sind... Penelope redet ja von nichts anderem mehr. Sie ist absolut in ihn verknallt — und du hättest seinen Blick sehen sollen, als er erfahren hat, dass sie Schulsprecherin ist. Sie hat es ihm nicht erzählt, weil sie ihn überraschen wollte. Er hat es ihr auch nicht erzählt. Als ob man das nicht einfach in einem Brief erwähnen kann."

„Oder auf den geheimnisvollen Spaziergängen." warf Eloise ein.

„Keine so blöde Strategie, wenn man drüber nachdenkt." Bei der neuen Stimme, die sich eingemischt hatte, drehten sich sowohl Eloise als auch Ophelia zur Seite und standen Grace gegenüber, die bei dieser Begrüßung die Augenbrauen hob. Ihre hellbraunen Haare waren über den Sommer bis über ihre Schulterblätter gewachsen und ihre blauen Augen strahlten froh gelaunt wie immer. „Ich meine, das ist eine recht einfache Überlegung: Du hast eine gute Nachricht, du erzählst Freund von guter Nachricht, Freund freut sich, Freund ist stolz auf dich, Freund will dir zeigen, dass er stolz auf dich ist. Erzählst du es aber in einem Brief, sieht er dich später und hat vergessen, dass er stolz auf dich war, wenn er dich sieht." Sie zuckte bedauernd mit den Schultern. „Jetzt brauchen wir nur noch einen Freund."

„Naja, was das angeht..." Ophelia hob eine Augenbraue. „Ich dachte mir, dass das kein Thema für einen Brief ist, also... Scheinbar ist meine Schwester ja nicht die einzige, die sich für einen Weasley interessiert."

„Bei Helgas Honigtöpfen." murmelte Eloise und Grace hielt derweil ihren Finger zu Wendy, die an ihr schnupperte. „Wir gehen am besten in den Zug dafür."

„Also ist ein Thema, bei dem wir uns setzen müssen?" fragte Grace und Eloise warf ihr einen kurzen Blick zu. „Hey, ich hab' dich in meinem Brief gefragt und du hast die Frage galant ignoriert."

„Ich hab' die gar nicht ignoriert." beschwerte sich Eloise leise.

„Nein." sagte Grace übertrieben. „Nur nicht drauf geantwortet."

Eloise drehte sich ein letztes Mal zu ihren Eltern um, bevor sie in den Zug stieg, um ihnen zuzuwinken und sie erwiderten ihre Geste. Ophelia schüttelte erneut mit dem Kopf, als sie ihre Schwester mit Percy beobachtete und als sie im ersten freien Abteil ankamen, schleppte Grace alle Koffer in die Gepäckablage, die die beiden nicht hochgehievt bekamen. „Ihr kennt doch Rita Kimmkorn, oder nicht?" begann Eloise, als sie sich auf einen der Plätze neben der Abteiltür setzte. „Die Journalistin, die immer ein bisschen übertreibt."

Die beiden nickten, auch wenn Ophelia länger überlegte. „Wollen wir damit nicht warten, bis Arwen kommt?" fragte Grace schließlich und setzte sich ans Fenster neben sie. „Die will bestimmt an dem Klatsch teilhaben."

Ophelia sah aus der Abteiltür, um zu sehen, wann sie auftauchen würde. „Ach so, ich hab' ganz vergessen, dir was zu erzählen." sagte sie plötzlich und ein begeistertes Grinsen legte sich auf ihr Gesicht. „Eloise weiß es schon. Arwen auch."

„Ich erfahre immer alles als letzte, oder?" fragte Grace seufzend und legte sich eine Hand ans Herz. „Verletzend."

    „Ich trete in die Fußstapfen meiner großen Schwester." meinte Ophelia fröhlich grinsend und holte ein Abzeichen aus ihrer Hosentasche hervor. „Solange ich nicht— Oh Mann, was ist denn mit dir passiert?"

    Ophelias Ausruf beschrieb wohl so ziemlich die Reaktion von allen im Abteil, als Arwen vor der Abteiltür auftauchte. Sie runzelte die Stirn. Sie hatte gedacht, dass sich ihre beiden anderen Freundinnen über die Ferien verändert hatten, aber Arwen hatte ja eine komplette Typveränderung durchgemacht. Ihre blonden Haare waren stark gelockt, sie trug eine Lederjacke über einem schwarzen schulterfreien T-Shirt mit langen mehrreihigen Silberketten um ihren Hals und hatte ihre Augen dunkel geschminkt. Fast lenkte Eloise das von ihren tiefen Augenringen ab.

    „Was denn?" fragte Arwen müde, als würde ihr wirklich nichts auffallen. Eloise war immer noch ein wenig sprachlos. Arwen war immer unauffällig gewesen, die ruhigste der Gruppe, die aber aufmerksam zuhörte und eine zuverlässige Freundin und Schülerin war. Jetzt sah sie aus, als wäre sie einer Rockergang beigetreten.

    „Willst du einen Vampir vertreiben?" fragte Grace und bekam einen finsteren Blick von ihr.

    „Ich habe meine Tage." murrte Arwen und setzte sich auf den Platz am Fenster gegenüber von Grace, um ihre Füße auf ihrem Schoß abzulegen. Sie schloss die Augen und lehnte ihren Kopf gegen das kühle Fenster neben ihr.

    „Ach, dann ist das ganz spontan nur für heute?" fragte Grace wenig überzeugt. „Ich hab' einen Trank gegen die Krämpfe dabei."

    „Hilft nicht." sagte Arwen knapp und rieb sich über die Stirn. „Nichts hilft."

    „Aber... das ist Magie. Der hilft immer." Grace sah verwirrt aus. Arwen zuckte mit den Schultern.

    „Ich war die ganze Nacht mit dem Nachtzug unterwegs, um nach London zu kommen. Ich bin echt müde." sagte sie und ihr walisischer Akzent kam extrem durch bei ihren Worten.

    „Aber wieso haben dich denn deine Eltern nicht gebracht?" fragte Eloise verwundert und Arwen hielt kurz inne bei dieser Frage.

    „Sie... ähm...hatten keine Zeit dafür." antwortete sie ruhig und die drei tauschten fragende Blicke untereinander aus.

    „Keine Zeit, dich an den Bahnhof zu bringen?" fragte Ophelia. „Oder wenigstens mit dem Flohnetzwerk? Seit-An-Seit-Apparieren?"

    „Ich bin ja angekommen, oder nicht?" fragte Arwen, beinahe genervt. Die vier verfielen in ein betroffenes Schweigen, als der Zug losfuhr und Eloise warf Ophelia und Grace fragende Blicke zu, doch sie schienen genauso ahnungslos.

    „Gibt es nichts Lustiges zu erzählen?" fragte Ophelia schließlich nach einer Weile. „Ihr habt immer etwas Lustiges zu erzählen. Ich brauche jetzt etwas Lustiges. Eloise, was ist das jetzt mit Fred Weasley?"

    „Hat das denn wirklich jeder gelesen?" fragte sie ein wenig verzweifelt. „Ich glaube, ich muss die Schule wechseln."

    „Beste Option." stimmte Ophelia lachend zu.

    „Also... wir haben uns durch reinen Zufall im Urlaub getroffen. Mum hat sie gesehen und war so: ‚Wie toll, bla bla, lasst uns was zusammen unternehmen!' und dann waren wir bei den Pyramiden zusammen." Als sie nur Schweigen als Antwort bekam, runzelte sie die Stirn. Grace und Ophelia machten eine auffordernde Geste. „Was? Da war nicht viel mehr. Okay, also..." Sie zögerte kurz. „Wir haben uns unterhalten. Ihr wisst ja, wie die beiden sind und eigentlich habe ich auch in keiner Weise einen bevorzugt. Kimmkorn war nur sauer, weil Mum ihr keine Fragen über die ganzen neuen Gesetze stellen wollte. Zu denen gab es ja ein paar Kontroversen."

    Ophelia sah verwirrt aus. „Ich weiß, ich bin echt uninformiert, aber was für Gesetze?"

    „Naja, einige, die das Leben von magischen Wesen ziemlich beeinflussen. Zum Beispiel das Anti-Werwolf-Gesetz und auch eines, das Vampire und Zentauren betrifft." erklärte Eloise sachlich. Arwen rückte sich in ihrem Platz zurecht. „Wie auch immer, zumindest musste ich die beiden davon abhalten, Percy in die Pyramiden einzumauern."

Grace lachte. „Ich liebe die beiden." sagte sie. „Bomben Humor."

„Ein bisschen makaber hin und wieder." gab Ophelia zu bedenken. „Letztes Jahr fanden sie es ziemlich lustig, Witze über die Gerüchte um Harry zu machen, als alle dachten, er wäre der Erbe Slytherins."

„Ja, aber das war doch auch nötig." meinte Grace. „Alle haben ihn behandelt, als wäre er Du-weißt-schon-wer höchstpersönlich, dabei ist er es, der uns in erster Linie gerettet hat. Und wie sie ihn durch die Schule eskortiert haben, war schon witzig."

Eloise musste zustimmen, auch wenn sie wusste, wie Ophelia das letzte Jahr mitgenommen hatte. Bei dem Gedanken an die beiden lächelte sie jedoch leicht in sich hinein. „Ja, und nach dem Urlaub haben wir uns dann nur gestern gesehen. Gestern Mittag. Und gestern Abend und Nacht."

„Nacht?" fragte Grace. „Welchen Teil haben wir bitte übersprungen?"

„Nein." Eloise verdrehte die Augen. „Wir sind uns beim Bücher kaufen über den Weg gelaufen. Und am Abend haben sie mich dann die Treppe runtergetragen, damit ich—"

„Sie haben was?" fragte Ophelia mit leuchtenden Augen.

„Ich habe nur mit der Familie Abend gegessen. Dad musste arbeiten. Und dann kamen sie nochmal abends vorbei und... hey, die Ferien sind vorbei, wir sind jetzt wieder komplett getrennt voneinander. Auch wenn es gestern ganz lustig war. Fred und George kamen vorbei — sie machen immer Namenswitze und es ist echt schwer, sie auseinanderzuhalten — aber dann haben sie mich irgendwie dazu gekriegt, Percy sein Schulsprecherabzeichen wegzunehmen. Das war ziemlich aufregend, um ehrlich zu sein, aber gleichzeitig habe ich mich auch schlecht gefühlt. Trotzdem..." Sie senkte den Blick und zuckte mit geröteten Wangen mit den Schultern. „Es war schon spannend." Als sie die Blicke sah, ruderte sie zurück. Selbst Arwen tauschte einen Blick mit Grace aus. „Es war ziemlich neutral alles. Gut, da gab es so einen Moment, da hat er plötzlich meine Haare..." Sie machte eine hilflose Geste.

Ophelia klappte der Mund auf. „Oh mein Gott." quietschte sie.

„Wer jetzt von beiden?"

„Na, Fred." antwortete Eloise bei Graces Frage.

„Ich dachte, du kannst sie nicht unterscheiden." merkte Ophelia an.

„Er hat es mir doch gesagt."

„Und darauf ist Verlass?"

„Wie auch immer..." fuhr Eloise fort und schüttelte irritiert mit dem Kopf. „Das ist einfach denen ihr Humor. Und Lee war auch da."

„Lee Jordan?" fragte Arwen.

„Ach, den mag ich." sagte Ophelia zufrieden. „Er macht Quidditch halbwegs erträglich."

„Ja, es war schon ein witziger Abend."

„Können wir darüber reden, dass unsere Eloise den ganzen Tag mit Fred und George Weasley verbracht hat?" fragte Ophelia, immer noch voller Begeisterung. Eloise wollte die Augen verdrehen, doch sie machte ein verlegenes Gesicht.

„So wild war das auch nicht." redete sie sich heraus. „Und es war kein ganzer Tag. Und ich meine, Fred ist ja ganz nett und—"

„Oh Mann, Eloise, du bist ja jetzt schon voll in ihn verschossen." rief Ophelia laut lachend aus und Eloise murrte etwas.

„Man bemerke den Fakt, dass Eloise immer nur über Fred redet." warf Grace ein.

„Das ist sowas von unwahr." verteidigte Eloise sich sofort und wandte sich an Ophelia. „Ich beweise es dir. Wann immer er ankommt, verbringe ich Zeit mit ihm und du wirst sehen, mit mir ändert sich rein gar nichts. Mal davon abgesehen, dass ich sowieso nicht diejenige sein werde, mit denen die beiden viel Zeit verbringen werden."

Grace hob eine Augenbraue. „Klar doch." meinte sie trocken. „Tu uns einen Gefallen und vergiss nicht zu verhüten. Ellie Junior kann warten."

Eloise schnitt eine Grimasse, die Grace nur süffisant grinsend erwiderte. „Was ist denn mit dir?" fragte sie. „Irgendetwas Spannendes passiert?"

„Oh, unser Nachbar hat geheiratet. Der mit dem Besenladen neben unserer Eisdiele. Sie ist ein Muggel und hat einen Sohn in unserem Alter, der jetzt da wohnt. Und dieser Typ..." Grace atmete tief durch. „Ihr könnt euch das nicht vorstellen. Er ist so anstrengend."

„Was hat er gemacht?" fragte Eloise.

„Kommt jeden Tag in unsere Eisdiele und stellt mir Fragen über Zauberer und alles. Er wohnt jetzt in der Winkelgasse — er kann wirklich genug Leute fragen. Zum Beispiel seinen eigenen Stiefvater, was sich ja wohl am meisten anbietet. Aber ich bin sein Opfer, wie es scheint."

Ophelia kicherte leicht. „Ist das nicht süß, dass er gerade dich fragt? Ich glaube, er flirtet."

„Ich will meinem Vater aushelfen, nicht jemanden an einem Tisch sitzen haben, der mir Fragen stellt und mich nicht mehr weglässt. Harry Potter zum Beispiel war ja noch ein echt süßer Gast. Hat jeden Tag seine Hausaufgaben bei uns gemacht und Dad hat darauf bestanden, dass er Gratis-Eisbecher bekommt. Ich hab ihm natürlich ganz große mit vielen Streuseln gemacht — versteht sich von selbst, er verdient jeden einzelnen. Ihm helfe ich ja auch gerne mit den Hausaufgaben oder rede mit ihm. Aber dieser Typ, Will, denkt ja auch noch, er wäre so charmant und lustig und ein Oberflieger." Grace verdrehte die Augen.

„Ich wollte dich gestern besuchen." merkte Eloise an. „Gerade als ich aus Flourish und Blotts kam, aber du warst nicht da."

Grace nickte. „Wartet bis zum Ende der Geschichte." meinte sie. „Also... gestern war es wieder ganz anstrengend. Er meinte, er könnte mir ja auch mal die Muggelwelt zeigen und mich mit ihrer Kultur bekannt machen. Er dachte, es war ein Flirt, als ich meinte, ich könnte ihn mit ein paar Flüchen bekannt machen."

        Eloise warf Ophelia einen Blick zu und riss die Augen auf, als Grace das sagte. Sie wusste nicht, ob sie Angst um den Kerl haben sollte oder nicht.

        „Also sind wir um die Ecke gegangen, um das zu klären." Als sie nicht weitersprach, sahen alle sie erwartungsvoll an. Ophelia schraubte ihre Wasserflasche auf und setzte zum Trinken an. „Naja, und dann haben wir irgendwie rumgemacht."

        Mit einem lauten Prusten spuckte Ophelia ihr Wasser auf Eloise, die heftig zusammenzuckte und versuchte, es sich wieder aus den Augen zu wischen. Selbst Arwen lachte vor sich hin, als sie ihren Zauberstab hervorholte, um Eloise wieder zu trocknen. „Sitzt die Frisur noch?" fragte Eloise lachend und Ophelia zupfte ungeschickt an ihrem Haarreif herum.

„Hm." meinte sie. „Ja, schon."

Eloise sah sie wenig überzeugt an. „Aha." entgegnete sie. „Sehr überzeugend." Mit einem Seufzen stand sie auf. „Ich geh mal auf Toilette."

    „Warte, warte." sagte Ophelia völlig energisch und zog sie zurück. „Weißt du nicht, was das heißt?" Alle warfen ihr fragende Blicke zu. „Grace ist die erste aus unserer Gruppe, die geküsst wurde."

    „Ich dachte, es ist der letzte Tag und wir sehen uns höchstens an Weihnachten, also..." Grace zuckte mit den Schultern, auch wenn sie leicht rot um die Nase wurde.

    „Wie fühlst du dich?" fragte Ophelia.

    „Äh... ziemlich normal?" meinte Grace und zog die Augenbrauen zusammen.

    „Aber dein Mund wurde doch quasi entjungfert."

    Arwen fuhr sich hilflos lachend über die Stirn, als sie das hörte. „Ah ja." murmelte sie amüsiert und schüttelte den Kopf.

    „War es gut?" fragte Ophelia weiter.

    „Ja..." entgegnete Grace langsam. „Er ist trotzdem ein Idiot."

    „Und du wusstest, was du tun musst?" fragte nun auch Eloise unsicher.

    „Das kam recht von selbst." meinte Grace.

    Ophelia schien zufrieden zu sein. „Jetzt darfst du gehen, Ellie." meinte sie und Eloise hob die Augenbrauen.

    „Danke, das ist zu freundlich von dir." sagte sie, bevor sie sich auf den Weg zur Zugtoilette machte. Sie summte gedankenverloren vor sich hin, als sie plötzlich von einer gedämpften Stimme wieder in die Gegenwart zurückgeholt wurde.

„Oi, Miss Fudge!" hörte sie jemanden rufen und als sie sich zur Seite umdrehte, sah sie einen der Weasley-Zwillinge am Fenster des Abteils, der sie grinsend zu sich winkte, als sie seinen Blick erwiderte. Sie konnte nicht anders, als zu erröten. Scheinbar hatte sie doch falsch gelegen, als sie geglaubt hatte, dass die kurzen Treffen in den Ferien etwas waren, was sie wieder vergessen würden. Mit einem kurzen Zögern zog sie die Abteiltür auf und setzte ein fragendes Gesicht auf. Lee und sein Bruder saßen ihm gegenüber und zwei Mädchen richteten ebenfalls ihre Blicke auf sie. Eloise kannte sie und sie fühlte sich beinahe schlecht dafür, dass sie sich nur an ihre Nachnamen vom Quidditch erinnern konnte: Johnson und Spinnet.

    „Ja?" fragte sie und räusperte sich, als ihre Stimme abbrach. Sie musterte denjenigen, der sie gerufen hatte und ohne, dass sie genau wusste, wie sie darauf kam, dachte sie über ihn als Fred. Ob es richtig war... wer wusste das schon. Doch sie war sich beinahe sicher. In diesem Moment fiel ihr einer der Namen der beiden Mädchen ein: Alicia. Alicia Spinnet. Und sie war sich sicher, dass der andere Name auch mit A anfing.

    „Wir brauchen deinen Wetteinsatz." kündigte der andere von ihnen an, vermutlich George, wenn sie recht hatte. Sie konnte spüren, wie Johnson von ihr zu Fred neben ihr sah und anschließend einen Blick mit Alicia austauschte.

    „Meinen Wetteinsatz?" fragte sie verwirrt.

    „Deine Wette, was mit dem Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste dieses Jahr passieren wird." erklärte Fred.

    „Verliert er den Verstand wie Lockhart?"

    „Verschwindet er plötzlich wie Quirrel?"

    „Oder wird er plötzlich von—"

    „Okay, ich verstehe schon." unterbrach sie die beiden, immer noch ein wenig überrumpelt. „Ja, also... Vielleicht bleibt er oder sie ja mal länger als ein Jahr. Ich muss sagen, ich hätte auch gern mal eine Lehrerin."

    „Wirklich jetzt?" fragte Lee. „Seit Harry auf Hogwarts ist, passiert jedes Jahr irgendwas Aufregendes und bisher ist kein Lehrer länger als ein Jahr geblieben."

    „Letztes Jahr hätten Leute sterben können." meinte Eloise schockiert. „Das ist nicht gerade aufregend."

    Fred und George machten eine Blabla-Geste mit ihren Händen. „Ich hab dir gesagt, dass sie sowas sagen würde, George." meinte Fred und sie wäre glücklich darüber gewesen, dass sie sie erkannt hatte, wenn sie nicht über ihre Antwort die Augenbrauen zusammengezogen hätte. „Wir sagen, er wird von einem Vampir verwandelt."

    „Oder von Peeves in den Wahnsinn getrieben." warf Lee ein.

    „Solange nicht wieder alle auf ihn stehen wie auf Lockhart." meinte Alicia. Sie hatte schöne dunkelbraune Locken, die bis zu ihren Schultern geschnitten waren. Sommersprossen zierten ihre gebräunte Haut. Bei ihren Worten errötete Eloise und Fred bemerkte es sofort.

    „Das kannst du mir doch nicht antun!" sagte er und stand auf, um einen Arm um sie zu legen. „Du standest auch auf Lockhart?"

    „Ich..." begann sie und versuchte, die plötzliche Nähe zu ihm zu ignorieren. Sie bekam das Gefühl, sich mit der Hand verlegen über den Nacken zu fahren, unterdrückte es aber. „Ich stand ja nicht auf ihn. Aber ich meine, alle dachten, er wäre ein Genie und deswegen habe ich ihn bewundert."

    „Klar." warf George ein. „So sehr, wie Percy Penelope für ihr Schulsprecher-Abzeichen bewundert."

    Eloise warf ihm einen kurzen Blick zu und versuchte möglichst unbeteiligt aus dem Fenster zu sehen, als Fred immer noch neben ihr stand und in die Runde sah. „Alicia, Angelina, das ist übrigens Eloise." verkündete er. „Oder Ellie, Elle, Wüstenröschen—" Sie sah zu ihm auf und verengte die Augen.

    „Oder einfach Eloise." beendete sie seinen Satz und Angelina lachte leicht. Fred tätschelte ihr den hochgesteckten Dutt auf dem Kopf und Eloise schlug ihm auf die Finger, um ihren blauen Haarreif wieder zu richten. Er grinste in sich hinein.

    „Mädchen und ihre Haare." meinte er und bekam einen vorwurfsvollen Blick von Angelina zugeworfen.

    „Das ist Cinderellas Frisur vom Ball." erklärte sie knapp und George hob die Augenbrauen an.

    „Wer ist Cinderella?"

    „Und was für ein Ball?"

    Bei den Fragen der Zwillinge atmete sie tief durch. „Das ist im Grunde ein Märchen der Muggel, das verfilmt wurde." meinte sie und bei den fragenden Blicken, die sich auf sie richteten, begann sie weiter zu erklären. Auch Alicia und Angelina schienen nicht zu wissen, wovon sie redete. „Ich interessiere mich sehr für Muggel, müsst ihr wissen."

    „Wirklich?" fragte Fred und sie rückte ein wenig von ihm weg, um sich aus seinem Griff zu lösen.

    „Das kam jetzt aber überraschend." meinte auch George.

    Sie ignorierte ihre ironischen Erwiderungen. „Cinderellas Eltern sind beide tot und sie lebt bei ihrer Stiefmutter und Stieftochter, die sie wie eine Hausangestellte behandeln. Sie muss alles machen, vor dem Ofen schlafen und hat daher auch immer Asche im Gesicht... deswegen der Name, versteht ihr? Naja, und dann gibt es diesen Ball, weil der Prinz eine Frau sucht und er lädt jede Frau des Landes dazu ein. Aber natürlich wird ihr verboten, hinzugehen. Dann kommt aber ihre gute Fee und verwandelt einen Kürbis in eine Kutsche und die Mäuse, ihre Freunde, in Pferde und sie kriegt ein wunderschönes blaues Kleid und Glasschuhe."

    „Aber Muggel wissen doch gar nichts von Magie." sagte Angelina verwundert und Eloise hielt kurz inne.

    „Naja, ich denke, für sie ist das nur Fantasie und sie finden es interessant." meinte sie. „Aber sie glauben nicht, dass es wahr ist. Und die gute Fee verwendet einen Zauberspruch namens Bibidi-Bobbidi-Boo, also haben sie nicht wirklich viel Ahnung davon, wie das wirklich funktioniert."

    Angelina nickte zufrieden mit dieser Antwort.

    „Zumindest endet der Zauber um Mitternacht und sie tanzt mit dem Prinzen, aber muss dann fort, weil sich sonst alles zurückverwandelt. Und dann sucht er sie im ganzen Reich mit dem Schuh, den sie auf der Treppe verloren hat. Und am Ende findet er sie auch und sie heiraten." Eloise lächelte bei ihrer Erzählung immer breiter. Sie konnte Filme immer nur bei Ophelia schauen, da sie die einzige mit einem Fernseher war, aber sie erinnerte sich an das letzte Mal, als sie das Märchen gesehen hatten.

    „Wie romantisch." riefen Fred und George übertrieben aus. Sie fragte sich, wie sie gleichzeitig das gleiche sagen konnten, ohne mehr darüber nachzudenken.

    „Aber der Prinz kannte sie nur diesen einen Abend?" fragte Alicia skeptisch und Eloise zuckte verlegen mit den Schultern.

    „Naja..." begann sie. „Es ist eben wahre Liebe." Sie sah langsam zu Fred neben ihr, der das Ganze viel zu amüsant zu finden schien.

    „Wie bei uns?" fragte er grinsend. Eloise sah ihn sprachlos an.

    „Also..." begann Angelina nach einer kurzen Pause, in der Eloise nicht antwortete. „Ist der Artikel wahr?"

    „Warum hast du uns nichts erzählt, Fred?" meinte Alicia.

    „Ich bin ein Mann voller Geheimnisse." sagte er dramatisch und sie schüttelte mit dem Kopf. Ihre Wangen waren gerötet.

    „Der Artikel ist nicht wahr." sagte sie fest und Fred winkte ab.

    „Noch nicht."

    „Hey, das ist ganz schön dreist von dir, anzu—" Ihr Satz wurde von einem Ruck unterbrochen und sie stieß heftig gegen Fred, als der Zug schlagartig bremste. Er reagierte so schnell wie möglich und als sie halb in seinen Armen hing, sah sie zu ihm auf.

„Wieso halten wir?" fragte Angelina und die Lichter über ihnen begannen zu flackern, bevor sie endgültig erloschen. Es war draußen bereits dunkel und als Eloise etwas von Fred zurücktrat, um zu verstehen, was da vor sich ging, fröstelte es ihr. Sie versuchte, ihr schnell schlagendes Herz zu beruhigen, doch irgendetwas sagte ihr, dass etwas... Finsteres bevorstand. Es beunruhigte sie, dass selbst Fred und George keine Witze machten. „Pass doch auf." hörte sie Angelina sagen, als Fred sich bewegte und sie unterdrückte den Impuls, wieder näher an ihn heranzurücken. Als sie einen Schritt nach vorne machte, stolperte sie über Alicias Füße und landete auf der Sitzbank zwischen ihr und Lee, mit dem Oberkörper auf Lee. Sie wisperte schnelle Entschuldigungen, aber keiner im Abteil sprach.

    „Draco, warte! Lass uns nicht allein!" hörte sie plötzlich jemanden hinter der Abteiltür rufen und ehe sie sich versah, hatte jemand die Tür aufgerissen. Alle Augen richteten sich auf Draco Malfoy, der in ihr Abteil geplatzt war und aussah, als würde er bald umkippen. Als er sah, dass das Abteil weder leer noch seins war, verfinsterte sich sein Gesicht, doch es konnte seine Hysterie nicht überspielen.

    Fred hob eine Augenbraue. „Malfoy, du siehst ein bisschen blass ums Näschen aus."

    „Die Toilette ist weiter vorne." warf George ein. „Aber du siehst aus, als wäre es dafür schon zu spät."

    „Weasley!" zischte Malfoy und schob Crabbe und Goyle zur Seite, die ihm gefolgt waren, um selbst als erstes wegrennen zu können.

    Eloise konnte nicht darüber lachen, denn in diesem Moment legte sich eine eisige Kälte über sie, die sich anfühlte, als würde sie eine Eisschicht über ihre Haut ziehen. Sie rückte näher an Lee neben sich heran und ihr Atem wurde immer flacher, während sie erschauderte. Sie hörte ein leichtes Knacken vom Fenster und stellte fest, dass sich tatsächlich Eis am Glas gebildet hatte. Auf einmal konnten sie beobachten, wie eine große, dunkle Gestalt an der Abteiltür vorbei schwebte und eine frostige Leere hinter sich herzog. Alles fühlte sich plötzlich so leer an.

    Ein heftiger Schmerz zuckte durch ihren Arm und sie fuhr automatisch mit der anderen Hand zu ihrem Handgelenk, von dem aus sich ein Stechen bis zu ihrer Schulter ausbreitete.

    „Ist das..." begann George.

    „Ein Dementor." wisperte Eloise und dachte an die Worte ihres Vaters. „Ja."

    Kaum, dass sie gesprochen hatte, hielt der Dementor inne und sie spürte, dass er nicht nur in das Abteil sah, sondern dass sie es war. Er sah sie an. Sie rückte etwas von Lee ab, als er die Abteiltür quälend langsam zur Seite schob. Ihre Finger tasteten zittrig nach dem Zauberstab an ihrer Seite, aber selbst wenn sie nach ihm gegriffen hätte, wäre ihr kein Zauber gegen einen Dementor eingefallen.

    „Eloise..." hörte sie Fred sagen. „Ich verstehe, dass du eine sehr betörende Wirkung hast, aber kannst du bitte aufhören, den Dementor zu verführen?" Er versuchte lustig zu sein, aber seine Stimme hörte sich ungewöhnlich flach an.

    Ihr entfuhr ein Lachen — eines, das die Angst überspielen sollte, die sie lähmte. Der Dementor schwebte auf sie zu und Eloise bemühte sich, zu schlucken und ruhig zu bleiben. War es nicht Angst, die sie anzog? Doch bevor sie ihn ansehen konnte, verschwamm die Sicht vor ihren Augen. Sie fühlte einen harten Steinboden unter sich, ihre Kehle war wie ausgetrocknet. Ihr Arm brannte höllisch und sie hob ihn an, während sie die Augen wieder öffnete. Es fühlte sich an, als wäre sie in einem Traum — oder im Halbschlaf. Es war nicht sie, in deren Körper sie sich befand.

    „Eloise." sagte jemand ihren Namen und ihr fiel auf, dass es ihre Lippen gewesen waren, die sich bewegt hatten, um ihn zu sagen. Doch es war nicht ihre Stimme. Es war die Stimme eines Mannes. „Warum sind Dementoren bei dir?"

    Sie wollte antworten und versuchte etwas zu sagen, doch nichts kam aus ihr heraus. Und dann fühlte sie, dass es viel mehr als nur dieser eine war, es waren hunderte, die hier waren und ihr auf den Brustkorb zu drücken schienen. Sie tat das einzige, was sie konnte und was ihr deutlich machte, dass noch Luft in ihren Lungen war: Sie schrie. Und doch tat sie es nicht. Es war nicht ihr Schrei, der in ihren Ohren widerhallte. Es war der des Mannes, der zu ihr gesprochen hatte.

    „Eloise!"

    Eloise fuhr wie aus einem grausamen Albtraum hoch und wurde von Alicia gestützt, die vor ihr saß und ihr Halt gab, als sie sich aufrichtete. Sie spürte Lees Hände hinter ihr, der sie an den Armen festhielt. Der Zug unter ihr rollte weiter, als wäre nie etwas passiert. Ihre Hände zitterten und sie atmete hastig ein und aus, als der Schmerz in ihrem Arm nachließ. Fred und George knieten neben ihr und Angelina stand völlig durch den Wind hinter den beiden. Sie sah fragend zu ihnen auf und fuhr sich an ihre Wange, die seltsam brannte. „Hat mich jemand geschlagen?" krächzte sie. Erst jetzt fiel Eloise auf, dass ihr Hals sich völlig kratzig und rau anfühlte. Sie brauchte etwas zu trinken.

    „Tut mir leid." sagte Alicia. „Aber du hast nicht aufgehört zu schreien, selbst als er weg war."

    „Ich hab' sie gezwungen." meinte Fred. „Ich hätte es ja gemacht, aber ich bin ein zu großer Gentleman, um das übers Herz zu bringen."

    Sie lachte hilflos und sah zu dem Mann vor der Abteiltür, den sie erst jetzt bemerkte und der seinen Zauberstab in den Hosenbund schob. Er kam ihr nicht bekannt vor, aber Angelina machte sofort Platz für ihn, als er auf sie zuging. Seine Kleidung sah alt und abgebraucht aus, graue Strähnen durchzogen seine hellbraunen Haare und er hatte erste kleine Falten. Erst auf den zweiten Blick erkannte Eloise, dass er viel jünger war, als er zunächst gewirkt hatte. Doch er sah so müde aus, als hätte er hundert Jahre hinter sich.

    „Versuch dich aufzusetzen." sagte er und Eloise hörte auf ihn. Immer noch ein wenig zittrig versuchte sie sich gerade gegen den Sitz zu lehnen und ihre Füße auf dem Boden aufzusetzen.

    „Merlin sei Dank, sie sieht nicht mehr aus wie ein Vampir." meinte George.

    „Danke." sagte sie zu dem Mann, ohne auf Georges Kommentar zu achten. Dafür war sie noch zu verwirrt. Was... Was war da gerade passiert? War das normal? War das eine Erinnerung? Aber dann hätte er nicht mit ihr sprechen können, oder nicht? Wer auch immer es gewesen war...

    „Wer sind Sie?" fragte Alicia direkt und der Mann wandte seine Aufmerksamkeit von Eloise zu ihr.

    „Ich bin..." Er hielt kurz inne, als müsste er sich erst daran gewöhnen, sich so vorzustellen. „Professor Lupin."

    „Das war echt cool, Sir." sagte Angelina.

    „Ein Patronus?" fragte Lee und Professor Lupin nickte. „Lernen wir den auch?"

    „Er wird eigentlich nicht auf Hogwarts gelehrt, tut mir leid." sagte er und während Fred und George ein genervtes Geräusch ausstießen, wandte er sich wieder an Eloise. „Fühlst du dich besser?" fragte er und begann in seiner Tasche zu kramen. „Möchtest du—?"

    Plötzlich fuhr Eloise so hastig hoch und stellte sich auf die Füße, dass er sich unterbrach. Sie kämpfte gegen den Schwindel an, musste sich jedoch schließlich doch an Fred abstützen, um sich wieder hinzusetzen. „Ich muss nach Wendy sehen." entfuhr es ihr schließlich und alle sahen sie verwundert an.

    „Ist Wendy eine Freundin von dir?" fragte Professor Lupin und sie schüttelte mit dem Kopf, bevor sie vor sich hinzureden begann.

    „Wendy ist mein Meerschweinchen." antwortete sie hastig. „Ich habe gelesen, dass Meerschweinchen heftig auf Angst reagieren. Vielleicht waren das auch keine Meerschweinchen, vielleicht ging es nur um Kaninchen, aber sie können davon sterben, wenn sie Stress haben und ihr Herz zu schnell schlägt. Ich muss nach Wendy sehen. Sie hatte bestimmt Angst. Ich muss sie beruhigen."

    Sie konnte Freds Hand auf ihrem Arm spüren. „Komm, dann schauen wir nach ihr." sagte er und sie warf ihm einen etwas überraschten Blick zu, den er mit einem Grinsen erwiderte, bevor sie aufstand, sich hastig verabschiedete und schließlich Fred durch den Zug folgte.

    „Und sie sind wirklich weg?" fragte sie, kaum dass er die Abteiltür zugezogen hatte.

    „Professor Lupin kam und hat ihn vertrieben. Dann hast du angefangen zu schreien." sagte er. „Ziemlich laut wohl bemerkt. Ich dachte, ich verliere ein Ohr. Du machst der Fetten Dame Konkurrenz."

    „Na, vielen Dank auch." murmelte Eloise schmollend, lächelte aber in sich hinein, etwas beruhigter.

    Kurz vor ihrem Abteil blieb sie plötzlich stehen. „Sag mal..." begann sie und wusste nicht, wie sie ihren Satz beenden sollte. „Habe ich noch irgendetwas gesagt?"

    Fred warf ihr einen seltsamen Blick zu, bevor er langsam antwortete. „Hast du, ja." sagte er und sie atmete tief durch. Sie wusste nicht, was sie dazu denken sollte.

    „Was?" fragte sie.

    „Ich weiß es nicht."

    Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Wie, du weißt es nicht?"

    Fred schüttelte mit dem Kopf. „Nein, du hast ‚Ich weiß es nicht' gesagt. Und ‚Wieso bin ich hier?'. Dann kam Lupin, aber du hast nicht aufgehört, zu zittern. Und dann hast du losgeschrien. Erinnerst du dich an irgendwas?"

    Eloise zögerte kurz. „Nein." log sie verunsichert. „An überhaupt nichts."

Ein etwas längeres Kapitel, aber ich hoffe, es hat euch gefallen!

Was sagt ihr zu der Freundesgruppe von Eloise? Wir werden auf jeden Fall einiges von ihnen mitbekommen...

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