𝖑𝖝. Abschiede
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KAPITEL SECHZIG
Abschiede
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DER HUFFLEPUFF-GEMEINSCHAFTSRAUM WAR STILL, DOCH ER WAR NICHT LEER. Als Eloise den Raum betrat, fiel ihr Blick auf die Deko, die überall angebracht worden war: Überall gelbe Banner, ein Bild von Cedric, neben dem ein „Potter stinkt"-Button aufgehängt war, Girlanden und Becher, die bei einer Party gefüllt werden sollten.
Es waren so viele Menschen anwesend, dass es eine sein könnte, doch niemand lachte, niemand grölte und freute sich. Ein ganzes Haus trauerte nicht nur um einen Champion, es traute um einen Freund, einen Schwarm, einen Jungen, zu dem man aufsah und dem man nacheiferte. Es trauerte um Cedric Diggory, der ihr Haus vertreten hatte, wie es niemand anderes tun könnte — als Quidditch-Kapitän, als Vertrauensschüler, als Champion.
Sie saßen überall verteilt, als wären Dementoren im Raum. Die Trauer war greifbar — und sie erstickte Eloise fast.
Fred war hier, wie er es versprochen hatte. Er saß auf der Couch bei ihren Freundinnen und sah sofort zu ihr auf, als sie zu ihnen herüberging. Grace wirkte nicht so, als ob sie geweint hätte, doch sie starrte auf ihre zitternden Hände hinab. Ophelia blinzelte die Tränen aus ihren Augen, während Arwen leise weinte und sich ein Taschentuch gegen das Gesicht drückte.
Als sie sich neben Fred in seine Arme sinken ließ, fiel der heutige Abend von ihr ab. Tränen flossen ihr über die Wangen, als sie an das Chaos dachte, das sich vor ihren eigenen Augen abgespielt hatte.
„Manche sagen, es sei Du-weißt-schon-wer gewesen. Und dass Harry sagt, er sei zurück", sagte Grace leise, als sie sich wieder aufgesetzt hatte und sich zitternd über ihren Rock strich. Eloise bemerkte, wie flach ihr Atem ging. Fred blickte sie an und in seinen Augen lag etwas schrecklich Ernstes. Sie hatten alle von ihren Eltern erzählt bekommen, wie es damals war. Elf Jahre voller Misstrauen, eine Zeit, in der man nicht einmal seinen Freunden trauen konnte, weil sie unter dem Imperius stehen könnten. Die ständige Angst, man könnte selbst ein Opfer der Todesser werden, wenn man sich zu offen widersetzte. Das war etwas, was vorbei war. Für Eloise war es immer die Vergangenheit gewesen, etwas, womit sie sich nie beschäftigen würde. Aber plötzlich schwebte die Angst eines Krieges über ihr, über ihnen allen, und sie fragte sich, wie diese Welt in zehn Jahren aussehen würde.
Stumm griff sie nach Freds Hand.
„Was sagt der Minister? Was sagt Dumbledore?", fragte plötzlich jemand laut und Eloise hob erschrocken den Kopf.
„Professor Snape hat dich gebeten mitzukommen", stimmte jemand zu. „Wieso? Was ist passiert?"
„Ich...", begann Eloise und schluckte, als sich alle Augen im Raum auf sie zu richten schienen. Ihr Herz schlug so heftig, dass sie das Gefühl hatte, nicht mehr sprechen zu können.
„Er war einer meiner besten Freunde", sagte ein Junge aus ihrem Jahrgang. „Ich will wissen, was mit ihm passiert ist."
Zustimmendes Gemurmel erklang im Raum und Eloise wusste, dass sie irgendetwas sagen musste. Jetzt. Aber was? Sie fühlte sich, als müsste sie plötzlich eine Seite wählen — Dumbledores oder die ihres Vaters.
Ihr Vater würde noch zur Vernunft kommen. Es musste der anfängliche Schock sein, die Angst vor dem, was all das bedeutete. Sie wollte ihn nicht dafür verurteilen.
„Dumbledore und Harry zufolge ist Ihr-wisst-schon-wer heute Nacht zurückgekehrt", erklärte sie diplomatisch. „Und er war es, der Cedric ermordete."
Stille folgte auf ihre Worte. Beunruhigte Blicke huschten von einem Augenpaar zum anderen, während Eloise nervös zu Fred blickte, der ihr sanft eine Hand auf den Rücken legte.
„Ihr-wisst-schon-wer ist tot", warf eine Erstklässlerin verwirrt ein. In Eloises Augen wirkte sie plötzlich schrecklich jung. „Oder nicht?"
„Woher wissen wir, dass Harry die Wahrheit sagt?", fragte ein blonder Junge, der vielleicht vierzehn Jahre alt war. „Ihr habt diesen Artikel von Kimmkorn gesehen, nicht? Sie ist vielleicht keine zuverlässige Journalistin, aber es stimmt. Er ist ein Parselmund, er ist mit Riesen und Werwölfen befreundet und er soll tatsächlich in Wahrsagen zusammengebrochen sein. Welche Beweise hat Dumbledore, außer Harrys Aussage?"
Überfordert biss sich Eloise auf die Lippe. Es gab zwei weitere Aussagen: Barty Crouch Juniors und... ihre. Aber sie wusste nicht, ob die Sache mit Barty Crouch an die Öffentlichkeit getragen werden sollte und über ihre Gabe wusste sie selbst viel zu wenig. Außerdem würde ihr Vater sicher zur Vernunft kommen, wenn er Crouch verhört hatte.
„Dumbledore hat seine Gründe, Harry zu glauben—"
„Und welche Gründe haben wir, Dumbledore zu glauben?", gab der Junge zurück. Fred neben ihr sah angespannt aus, aber auch frustriert.
„Alles was wichtig ist, wird das Ministerium bekannt geben...", begann Eloise verzweifelt.
„Oh, komm mir nicht mit dem Ministerium." Eine gereizte Stimme erklang auf einmal im Gemeinschaftsraum, die Eloise bekannt vorkam. Als sie den Kopf drehte, sah sie Maya aus ihrem Quidditch-Team, die am Rand des Raumes neben dem Eingang stand und in die Menge blickte. Ihre Augen blitzten und ihr Atem schien schnell zu gehen. Dann sah sie zurück zu Eloise. „Dein Vater will es nicht wahrhaben, ich habe ihn im Krankenflügel gehört. Das Ministerium wird uns nicht unterstützen."
„Das sollte es ohne Beweise auch nicht", sagte der blonde Junge erneut. Eloise fand ihn nervig, aber er glaubte vermutlich, sie zu unterstützen, dabei wusste sie überhaupt nicht, was sie sagen wollte.
„Mein Vater braucht Zeit, um alles abzuwägen", versuchte sie auf den Kommentar von Maya einzugehen. Sie konnte gar nicht anders — er war ihr Vater. Vielleicht verstand niemand, welchen Druck es mit sich brachte, Minister zu sein, vor allem wenn man solche folgenschweren Entscheidungen zu treffen hatte.
„Abzuwägen?", wiederholte Maya ungläubig und schnaubte. Ihre Stimme hallte laut durch den stillen Raum, während sie nach vorne lief. „Was will er machen? Ihr-wisst-schon-wen auf eine Teeparty einladen und ihn nach seinen Plänen fragen?"
„Was soll er denn deiner Meinung nach tun? Den Kriegsstand ausrufen, ohne alles betrachtet zu haben, nur weil Harry seine Version der Geschichte erzählt?" Eloise vergaß fast, dass ihr halbes Haus um sie versammelt war. Sie glaubte Harry, natürlich, sie hatte es ja selbst gesehen, aber niemand anderes war dabei gewesen. „Alle in Panik zu versetzen, bevor er Genaueres weiß? So einfach ist das nicht. Er wird genug Leute befragen—"
„Seine Entscheidung steht", sagte Maya und ihre Augen waren voller Verachtung. „Du musst deinen feigen Vater gar nicht verteidigen."
„Red nicht so mit ihr, klar?", mischte Fred sich gereizt ein.
„Ich rede, wie ich will—"
„Okay, wir beruhigen uns jetzt mal." Robin war aufgestanden und machte ein paar Schritte in die Mitte des Raumes auf Maya zu, um sich zu ihr zu stellen und laut fortzufahren: „Wir haben Cedric verloren. Wir sind alle emotional aufgeladen und haben nicht mehr als Mutmaßungen—"
„Ich habe mehr als Mutmaßungen", platzte es aus Maya heraus. „Wenn er die Schule und euer Leben rettet, dann ist er plötzlich gut genug. Ja, er spricht Parselmund, aber er war es, der uns vor zwei Jahren davor bewahrt hat, dass Hogwarts geschlossen wurde. Er hat nicht darum gebeten, in diesem Turnier zu sein, es war alles ein Plan, damit er heute Nacht dabei war, als Ihr-wisst-schon-wer zurückkam. Er hat Cedric sterben sehen. Er hat gegen Ihr-wisst-schon-wen gekämpft. Er ist ein guter Mensch und ein guter Freund und... ach, vergesst es."
Eloise glaubte, aufgebrachte Tränen in ihren Augen funkeln zu sehen, als sie durch den Gemeinschaftsraum zu den Schlafsälen lief und verschwand. Sie sah kurz zu Fred, der sie ernst anblickte. Sie könnte etwas sagen, genau wie Maya es getan hatte. Ihr war nicht klar gewesen, dass die beiden befreundet waren, denn Maya schien das Ganze sehr nahe zu gehen. Eloise hatte zwar Gewissheit, doch sie wollte abwarten, bis Dumbledore etwas sagte und bis sie wusste, was die Schule erfahren sollte.
„Vielleicht war das vor zwei Jahren nur ein Plan von Harry. Er hat das alles gemacht, damit er am Ende als Held dasteht", mutmaßte ein Mädchen aus der siebten Klasse.
„Aber warum sollte er das?", fragte Ophelia laut.
„Vielleicht ist er wirklich gestört", meinte der blonde Junge.
Eloise schaute zu Robin, der hilflos dabei zusah, wie erneut Chaos im Gemeinschaftsraum ausbrach. Sie lächelte ihm schwach zu. „Können wir gehen?", fragte sie Fred leise. „Ich muss dir viel erzählen."
ღ ღ ღ
Am letzten Abend des Schuljahres war die Große Halle so farblos wie noch nie. Schwarze Tücher hingen von den Wänden hinab und die Gespräche waren so leise und betrübt wie bereits die letzten Tage über. Als Eloise durch das Tor trat, hielt sie bei diesem Anblick inne. Sie wusste nicht, wie sie das überleben sollte. Dumbledore würde sicherlich etwas über Cedric sagen. Am Tag nach der Aufgabe hatte er die Schüler nur gebeten, Harry nicht auszufragen, aber man hatte ihn die letzte Woche über kaum im Schloss gesehen. Eloise wusste, dass gleich mehr gesagt werden würde, und sie wusste nicht, ob sie dazu bereit war, von Cedric Abschied zu nehmen.
Cedrics Eltern hatten alle Hufflepuffs aus seinem Jahrgang zu seiner Beerdigung eingeladen und bei dem Gedanken daran zog sich Eloises Brustkorb zusammen. Es würde der schrecklichste Tag ihres Lebens werden.
Sie spürte, wie Fred sanft nach ihrer Hand griff. „Hey", sagte er plötzlich vorsichtig. „Eloise, ich weiß, ich war nicht immer sonderlich... nett zu Cedric. Und das war vermutlich nicht ganz fair." Langsam drehte Eloise ihren Kopf zu ihm und blinzelte mehrmals, um die Tränen zu vertreiben. „Du mochtest ihn sehr und es tut mir wirklich leid, dass du einen Freund verlieren musstest."
Um nichts sagen zu müssen, nickte sie lediglich. Im Tagespropheten waren bisher keine Berichte gekommen. Das einzige, was sie mit einer kurzen Randbemerkung erwähnt hatten, war Harrys Sieg im Trimagischen Turnier. Nichts über Barty Crouch Junior, nichts über Cedrics Tod, nichts über Lord Voldemort. Langsam verlor auch Eloise den Glauben daran, dass noch etwas geschehen würde, aber sie hatte sich vorgenommen, in den Sommerferien herauszufinden, was hinter den Kulissen vor sich ging.
„Ich komme mit dir", bot Fred an und Eloise nickte, ohne darüber nachzudenken. Ihre Freundinnen wussten von der Vision, die sie gehabt hatte, und mittlerweile hatte sie ihnen auch ausführlicher von ihrer Gabe erzählt. Sie glaubten ihr alles, was passiert war, und verstanden ihre Entscheidung abzuwarten.
Als sie zu ihnen an den Tisch kamen, warfen sie ihr ein schwaches Lächeln zu. Eloise war überrascht, wie sehr Arwen all das mitzunehmen schien. Sie wusste, dass sie sensibel war, auch wenn sie es unter Humor und Sarkasmus vergrub. Von ihrer Freundinnen hatte Arwen am wenigsten mit Cedric zu tun gehabt, aber dennoch ging ihr sein Tod sehr nahe.
Als Dumbledore an das Lehrerpult trat, griff Eloise mit ihrer freien Hand nach Arwens. Ihr Blick fiel kurz auf Professor Moody, der kaum anders wirkte, als der Mann, der das ganze letzte Jahr mit ihnen gemeinsam hier gesessen und sie unterrichtet hatte. Er war zurück in Askaban, auch wenn es darüber nichts Offizielles gab. Ebenso wie es bei Kyrilla der Fall gewesen war... wenn Barty nicht log.
„Wieder einmal... wieder einmal geht ein Jahr zu Ende." Dumbledores Stimme klang schwer, als er zu ihrem Haustisch sah und eine schwache Miene der Zuversicht aufsetzte. Die Hufflepuffs hatten die rotesten Nasen und den höchsten Taschentuchkonsum. „Es gibt viel, was ich euch heute Abend sagen möchte, doch will ich zuerst daran erinnern, dass wir einen großartigen Menschen verloren haben, der hier unter uns sitzen und das Essen mit uns genießen sollte."
Sobald er diese Worte aussprach, spürte Eloise die Tränen wie eine Welle an die Oberfläche schwappen. Sie versuchte, stark zu sein, aber als Dumbledore auf den Hufflepuff-Tisch wies, fiel es ihr schwer. „Ich möchte euch bitten, aufzustehen und die Gläser zu Ehren Cedric Diggorys zu erheben."
Die Halle hörte auf ihn, ohne zu zögern. Sie erhoben sich, nicht nur die Hufflepuffs, um ihre Kelche in die Luft zu halten, und auch Eloise stand auf, um ihren Becher zu erheben. „Cedric Diggory", raunte ein einstimmiges Dröhnen durch den Raum, das ihr die Tränen in die Augen schießen ließ. Sie spürte, wie Fred ihre andere Hand beruhigend drückte.
Als sie sich setzen, fuhr Dumbledore fort: „Cedric war ein Mensch, der viele der Tugenden, welche das Haus Hufflepuff auszeichnen, in sich vereinte. Er war ein guter und treuer Freund, ein fleißiger Schüler, ein Mensch, der das Fairplay schätzte. Sein Tod hat euch alle berührt, ob ihr ihn gut kanntet oder nicht. Deshalb glaube ich, dass ihr das Recht habt, genau zu erfahren, wie es dazu kam." Eloise hielt den Atem an und öffnete leicht den Mund. „Cedric Diggory wurde von Lord Voldemort ermordet."
Sie blieb ruhig, während ein ängstliches Wispern losbrach. Die Blicke ihrer Freundinnen trafen sich mit ihrem, als würden sie eine stille Übereinkunft treffen. Die Schüler wirkten völlig erschüttert von dieser Mitteilung und wenn Eloise es nicht selbst gesehen hätte, wäre sie es auch.
„Das Zaubereiministerium wünscht nicht, dass ich euch dies sage. Vielleicht werden manche eurer Eltern entsetzt darüber sein – entweder weil sie nicht glauben wollen, dass Lord Voldemort zurückgekehrt ist, oder weil sie meinen, ich sollte es euch nicht sagen, weil ihr noch zu jung seid. Es ist jedoch meine Überzeugung, dass die Wahrheit immer der Lüge vorzuziehen ist und dass jeder Versuch, so zu tun, als wäre Cedric durch einen Unfall gestorben oder durch einen eigenen Fehler, eine Beleidigung seines Andenkens ist."
So hatte Eloise es nicht betrachtet, aber es stimmte. Cedric verdiente es nicht, dass sein Tod unter den Teppich kehrte. Er hatte es verdient, als Held erinnert zu werden.
„Und noch jemand muss im Zusammenhang mit Cedrics Tod erwähnt werden." Dumbledore schwieg, bevor er fortfuhr: „Ich spreche natürlich von Harry Potter."
Am Gryffindor-Tisch versuchte Harry es offensichtlich auszublenden, dass alle Blicke nun auf ihn gerichtet waren.
„Harry Potter ist es gelungen, Lord Voldemort zu entkommen", erzählte Dumbledore. „Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, um den toten Cedric nach Hogwarts zurückzubringen. Er hat Tapferkeit in jeder Hinsicht bewiesen, wie sie bislang nur wenige Zauberer im Angesicht von Lord Voldemort gezeigt haben, und dafür ehre ich ihn."
Erneut hob er den Kelch und diesmal zögerten die Schüler länger, bis sie es ihm gleichtaten und seinen Namen wiederholten. Eloise tat es ebenso laut und fest wie bei Cedric, bevor sie einen Schluck nahm.
„Ziel des Trimagischen Turniers war es, das gegenseitige Verständnis unter den Magiern verschiedener Länder zu fördern. Im Lichte dessen, was geschehen ist – der Rückkehr Lord Voldemorts —, sind partnerschaftliche Bande wichtiger denn je. Jeder Gast in der Halle sollte er oder sie uns wieder einmal besuchen wollen, ist hier jederzeit willkommen. Ich sage es euch noch einmal – angesichts der Rückkehr Lord Voldemorts sind wir so stark, wie wir einig, und so schwach, wie wir gespalten sind. Lord Voldemort besitzt ein großes Talent, Zwietracht und Feindseligkeit zu verbreiten. Dem können wir nur entgegentreten, wenn wir ein nicht minder starkes Band der Freundschaft und des Vertrauens knüpfen."
Kurz wanderte Eloises Blick zu Fred, der sie zwinkernd ansah.
„Unterschiede in Lebensweise und Sprache werden uns nicht im Geringsten stören, wenn unsere Ziele die gleichen sind und wir den anderen mit offenen Herzen begegnen. Es ist meine Überzeugung – und noch nie habe ich so sehr gehofft, mich zu irren —, dass auf uns alle dunkle und schwere Zeiten zukommen. Manche von euch hier haben bereits spürbar unter der Hand Lord Voldemorts gelitten. Viele eurer Familien wurden entzweigerissen. Vor einer Woche wurde ein Schüler aus unserer Mitte genommen." Er machte eine Pause, in der Eloise tief durchatmete. „Denkt an Cedric. Erinnert euch an ihn, wenn einmal die Zeit kommt, da ihr euch entscheiden müsst zwischen dem, was richtig ist, und dem, was bequem ist. Denkt daran, was einem Jungen, der gut und freundlich und mutig war, geschah, nur weil er Lord Voldemort in die Quere kam. Erinnert euch an Cedric Diggory."
Und Eloise würde genau das tun.
Cedric würde nie vergessen werden.
ღ ღ ღ
Die Zugfahrt war seltsam.
Das war sie nicht, weil sie ungewöhnlich war, sondern weil sie es eben nicht war. Es sollte wie immer sein, in den Hogwarts-Express zu steigen, ein freies Abteil zu suchen und den Tag mit seinen Freunden zu verbringen, die man nun nicht mehr auf täglicher Basis sehen würde. Doch es fühlte sich falsch an, mit dem Wissen in diesem Zug zu sitzen, dass ein Schüler dieses Jahr nicht nach Hause zurückkehren würde.
Manchmal verstand Eloise es nicht. Cedric war tot. Es war eigentlich ein simpler Satz, der sich fast schon normal anfühlte, denn bisher hatte Eloise noch nicht ganz verstanden, was es bedeutete. Dass dieser Junge einfach nicht mehr da war, nicht mehr durch die Gänge laufen würde, nicht lachen oder ihr zuwinken würde. Er lebte nicht mehr. Er war lediglich eine Erinnerung.
„Ich will nicht aussteigen", sagte sie zu Fred, als sie in King's Cross einfuhren. Sie standen vor einer der Zugtüren, während der Hogwarts-Express unter ihnen sanft wackelte. Die meisten Schüler warteten mit ihren Koffern bereits darauf auszusteigen, doch Eloise blendete sie alle und den Lärm, den sie verursachten, aus. Sie sah nur Fred an.
Hogwarts war wie eine andere Welt. Momentan war sie eine Welt der Trauer, aber sie war eine sichere Welt, in der Eloise wusste, was sie erwartete. Fast konnte man vergessen, dass vor einer Woche der dunkelste Zauberer ihrer Zeit zurückgekehrt war und ihnen einen Krieg drohte. Nun wurde alles ungewiss. Was würde diesen Sommer geschehen? Was danach? Würden sie überhaupt zurückkommen?
„Wir werden einen schönen Sommer haben", erwiderte Fred und Eloise versuchte, die Zuversicht in seinen Augen mit einem Lächeln zu erwidern.
„Ich habe Angst", gab sie zu und das erste Mal glaubte sie, dass es berechtigt war, diese Worte zu nutzen. Ihre Aufregung vor einer Prüfung oder vor der Zeit nach der Schule erschien ihr so dämlich. Sie wusste nicht, was das seltsame Rumoren in ihrem Bauch war oder das beklommene Gefühl in ihrer Brust, aber es war in manchen Momenten so übermächtig, dass sie wusste, wie sich die Angst vor einem Krieg anfühlte. Hatte Cedric Angst gehabt?
„Ich weiß." Fred seufzte und griff sanft nach ihrer Hand. Seine braunen Augen waren fest auf sie gerichtet. „Aber ich lasse mein Leben nicht von Angst bestimmen. Wir warten ab, was passiert, und sonst... leben wir weiter."
Eloise nickte schwach. Vielleicht würde Fred ihr das leichter machen.
„Ich bin der, der Angst haben sollte", fuhr er mit einem frechen Lächeln fort. „Mein Dad sieht meine Freundin in den Sommerferien mehr als ich."
Das entlockte ihr ein leises Lachen. „Diesen Sommer brenne ich noch nicht mit ihm durch", beschwichtigte sie ihn.
„Sehr beruhigend." Er zwinkerte ihr zu. „Wie lange geht das noch mal?"
„Vier Wochen", antwortete sie. „Mitte Juli bis Mitte August." Sie griff nach seiner anderen Hand und hob ihre Arme vor ihre Brust, wo sie aufgeregt seine mit ihren verschränkten Hände drückte und hin und her bewegte. „Du musst mir ganz viel schreiben. Und wir können apparieren. Ich kann dir mit dem Pergament, das du verzaubert hast, schreiben, wenn ich abends zurück bin und wir können uns ganz oft sehen. Ich will alle Scherzartikel sehen, die ihr erfindet."
„Deal", grinste Fred. „Holen deine Eltern dich eigentlich ab? Oder besser gefragt, muss ich dir hier einen letzten Kuss geben oder kann ich dich am Bahnsteig verabschieden?"
Eloise seufzte bei dieser Frage und legte den Kopf schief. „Dad hat zu tun und Mum... sie will nicht kommen. Sie hat Angst, Fragen zu bekommen. Dabei steht ja nicht mal was im Tagespropheten, außer dass Harry gewonnen hat. Ich appariere vom Bahnsteig aus nach Hause. Du solltest langsam deinen Koffer holen."
„Ja, Mum", erwiderte Fred augenrollend und grinste, als sie ihm einen finsteren Blick zuwarf. Er hörte auf sie und machte sich auf den Weg zu dem Abteil, in dem er auf dieser Fahrt mit George, Harry, Ron und Hermine gesessen hatte. Mit verschränkten Armen lehnte sich Eloise gegen die Glasscheibe hinter ihr, während immer mehr Schüler aufgeregt in den Gang wuselten. Schließlich kam der Zug zum Stehen und Eloise atmete tief durch. Nachdenklich schaute sie den Schülern hinterher, die ihre Koffer hochhievten und ausstiegen, manche plaudernd, manche nachdenklich.
„Hey, Eloise", erklang plötzlich eine Stimme und Eloise sah überrascht zu dem Jungen auf, der einen Koffer hinter sich herzog und breit lächelte, als er sie sah.
„Robin!", rief sie und ohne darüber nachzudenken, lief sie auf ihn zu und schlang ihre Arme um ihn, um ihn kräftig zu umarmen. Robin ließ vor lauter Schreck eine seiner Taschen fallen, erwiderte aber schnell ihre Geste und drückte sie herzlich an sich. „Du hast deine Noten bei der Abschlusszeremonie bekommen, nicht?", fragte sie, sobald er sie losließ. „Wie sind sie ausgefallen?"
„Nicht schlecht, nicht schlecht", antwortete Robin ruhig und seufzte. „Na ja, ich fange jetzt erstmal ab August im Ministerium an."
„Dann sehen wir uns." Eloise lächelte vor Freude, als sie das hörte. „In welcher Abteilung bist du?"
„Erstmal Magische Spiele und Sportarten", erklärte er und zuckte mit den Schultern. „Ich habe das mit Kräuterkunde ein bisschen versemmelt. Ich hätte mich früher bewerben sollen, wenn ich eine richtig coole Ausbildung bei den Experten gewollt hätte. Ich versuch's dann fürs nächste Jahr und mache erstmal das..."
„Oh, das ist blöd", sagte Eloise und verzog das Gesicht. „Aber dann wird es eben nächstes Jahr was." Als sie Harry plötzlich an sich vorbeilaufen sah, hielt sie inne. „Hey, Harry", sagte sie. „Lebt mein Freund noch?"
Ein leichtes Grinsen legte sich auf Harrys Lippen. „Weiß nicht, er hatte gerade vermutlich einen ziemlichen Schock", erwiderte er leichthin, bevor er einfach weiterlief.
„Was soll mir das denn jetzt sagen?", murmelte sie, bevor sie sich wieder an Robin wandte und verzweifelt seufzte. „Ich glaube, ich muss mal einen Blick ins Abteil werfen."
„Alles klar." Robin lachte leicht und breitete die Arme aus. „Eloise, ich freue mich, dich im August zu sehen", verabschiedete er sich und umarmte sie ein letztes Mal herzlich, bevor er winkend mit Marissa den Zug verließ.
Mit einem letzten Lächeln drehte Eloise sich um und lief durch den Gang, um die Zwillinge zu finden. Aber was war denn...? Sie kniff die Augen zusammen, als sie einen Haufen aus Armen, Beinen, Köpfen und Kleidung auf dem Boden vor einem Abteil liegen sah. Draco Malfoy und seine Freunde Crabbe und Goyle lagen ohnmächtig in einer der Türen und als Eloise vor ihnen stehenblieb, fiel ihr Blick auf die beiden Personen in dem zugehörigen Abteil.
Oh nein.
„Fred?", fragte sie verwirrt, als sie die Zwillinge auf den Polstern sitzen sah. Sie wirkten wie in Schockstarre und ihre Blicke waren abwesend, aber mit einem seltsamen Funkeln auf einen Beutel, der auf Georges Schoß lag, gerichtet.
„Eloise", sagte Fred, ohne zu ihr aufzusehen oder andere Lebenszeichen von sich zu geben. „Weißt du, was das ist?"
„Ein Sack?", fragte sie und warf kurz einen Blick auf die drei ohnmächtigen Slytherins, bevor sie vorsichtig über sie stieg. George hob den Beutel an und Eloise hörte ein Klimpern, das wie aneinander schlagende Münzen klang. Moment mal... Sie nahm den Sack entgegen und öffnete ihn vorsichtig. Ihr klappte der Mund auf.
„Das ist..."
„Geld", beendete Fred ihren Satz.
„Verdammt viel Geld!", erwiderte sie. „Wie viel...?"
„Tausend Galleonen", antwortete George.
„Tausend?"
„Tausend." Fred schien es selbst nicht zu glauben.
Eloise lachte erleichtert auf. Das war die beste Nachricht, die sie seit einer Woche gehört hatte. Endlich etwas Gutes. „Habt ihr Bagman umgebracht?"
Der ehemalige Quidditchspieler war gleich am Tag der Dritten Aufgabe abgehauen, zumindest hatten Fred und George ihr das erzählt. Die Kobolde hatten Harrys Sieg nicht akzeptiert, da er mit Cedric gemeinsam gewonnen hatte.
„Ne", antwortete George, als wäre das eine ernsthafte Option gewesen.
„Harry war's."
„Der sah eben noch lebendig aus", meinte Eloise.
Fred schnaubte. „Er hat uns seinen Gewinn gegeben", erklärte er.
Ungläubig starrte Eloise auf den Beutel. „Ernsthaft?"
„Jup."
„Einfach so?"
„Einfach so", sagten sie gleichzeitig.
„Warum?"
Fred zuckte mit den Schultern. „Meinte, wir bräuchten alle ein paar Lacher und wir sollten damit den Laden aufbauen."
„Ich liebe Harry", sagte Eloise voller Inbrunst.
„Zügel dich, er ist vierzehn", merkte George an. Sie verdrehte die Augen, lächelte aber.
„George", sagte Fred plötzlich. „Weißt du, was wir mit dem ganzen Gold machen können?"
„Oh, Fred." George grinste schief. „Du weißt gar nicht, wie viele Ideen ich habe."
„Wir sind reich." Fred schüttelte ungläubig den Kopf. „Damit könnten wir nächstes Jahr was in der Winkelgasse mieten."
Und plötzlich fiel die Schwere, die Eloise mit sich herumgetragen hatte, für diesen Moment von ihr ab. Sie kamen ihrem Traum einen Schritt näher — oh, wie gerne sie Harry dafür danken würde.
„Eloise, was hast du nur für eine gute Partie gemacht", sagte Fred plötzlich mit einem breiten Grinsen. „Ich bin echt ein toller Fang."
„Weißt du, Fred", begann Eloise mit einem geheimnisvollen Lächeln und legte den Kopf schief, „Das war mir schon lange vorher bewusst."
ENDE VON ACT TWO
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