𝖝𝖑𝖎𝖎. Die feine englische Art
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KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG
Die feine englische Art
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ELOISE FÜHLTE SICH, ALS HÄTTE SIE ETWAS VERBOTENES GETAN. Wenigstens konnte sie sich damit beruhigen, dass ihre Gedanken ganz ihr gehörten... solange kein Leglimentiker herumlief zumindest.
Sie hatte nicht daran gedacht, dass sich ihre Freundinnen Sorgen gemacht haben könnten, weil sie gestern verschollen gewesen war. Zugeben, es war ja auch nicht die naheliegendste Option, dass sie mit George zu seinem Bruder ging und Feuerwhiskey trank. Was sie ihnen natürlich im Nachhinein erklärte.
Sie wusste nicht einmal, was sie Fred gegenüber überhaupt empfinden sollte. Seit der Sache mit dem Zeitungsartikel fühlte sich alles wieder normaler an, aber gleichzeitig... Gleichzeitig fühlte es sich ganz und gar nicht normal an. Er hatte immerhin Angelina geküsst und wer wusste schon, was genau das zwischen den beiden war... Vielleicht würden Eloise und er dadurch zu normalen Freunden werden? Der Gedanke war schrecklich.
Da es am Wochenende bis 10:00 Uhr Frühstück gab, tauchten Fred und George natürlich nicht schon um 9 Uhr auf, die Uhrzeit, um die Eloise mit ihren Freundinnen in der Großen Halle erschienen war.
Ophelia allerdings war früher aufgestanden, um sich mit Lee um einen der Bowtruckles zu kümmern, der ihnen in Pflege magischer Geschöpfe anvertraut worden war. Zumindest hoffte Eloise, dass es für den Unterricht war und sie nicht doch irgendetwas Illegales auf das Gelände geschmuggelt hatten. Sie hatten viel zu viel Spaß an solchen Dingen. Eloise würde sich dieser Spinne von Lee nicht einen Meter nähern.
„Ich habe übrigens das Buch weitergelesen, das du mir geliehen hast", sagte Eloise so neutral wie möglich zu Grace, den Blick weiterhin konzentriert auf ihr Essen gerichtet.
„Merlin, ich liebe dieses Buch", rief Grace sofort aus. „Wie weit bist du?"
„Ähm..." Eloise löffelte hastig ein wenig von ihrem Haferbrei, um nicht sofort zu antworten. „Nach dem Ball."
Sie musste gar nicht aufsehen, um zu wissen, dass Grace grinste. „Ah", meinte sie zufrieden. „Die Ball-Szene war der Wahnsinn. Generell, ich liebe diese Bälle. Bücher, die im 19. Jahrhundert spielen, sind einfach mega."
„Mhm", stimmte Eloise gedankenverloren zu, bevor sie sich auf Lippe biss und zu ihr aufblickte. „Wieso liest du eigentlich solche Bücher gerne?"
Grace sah sie verwirrt an. „Zur Unterhaltung?", gab sie verständnislos zurück.
„Nein, ich meine..." Eloise atmete frustriert aus. „Ich meine, willst du, dass sowas wirklich passiert?"
Ein Grinsen legte sich auf Graces Gesicht. Sie wusste natürlich genau, worum es ihr ging. „Du, ich würd nicht Nein sagen."
„Apropos Ball", mischte sich Arwen ein, nachdem sie sich ihre rote Nase geputzt hatte. Sie war ein wenig erkältet. „Ihr wisst, dass zum Trimagischen Turnier laut Tradition schon immer ein Ball gehört, oder?"
Grace bekam große Augen, als würde sich eine große Möglichkeit vor ihr auftun. „So richtig mit Tanzen und Dates und allem?"
Als Arwen nickte, schweiften Eloises Gedanken ab. Aber natürlich! Deswegen das Kleid. Ihr Dad hatte ihr gesagt, sie solle sich eins kaufen, sobald sie es bräuchte und er würde ihr das Geld dafür geben. Sie dachte an den wunderschönen Ball bei Cinderella. Ob es genauso sein würde? Eine Welle der Traurigkeit überkam sie, als sie an Fred dachte. Wenn alles anders wäre, würde sie mit ihm tanzen — und der Abend wäre so romantisch.
„Ich wollte ja schon immer mal über Weihnachten hier bleiben, aber das ist wirklich der beste Anlass, endlich hier sein zu können", schwärmte sie, völlig in Gedanken versunken. Dann dachte sie daran, wie Fred in einem Festumhang aussehen würde und— „Oh Helga", murmelte sie.
Grace und Arwen tauschten einen verwirrten Blick aus. Als Eloise bemerkte, wie fragend sie sie ansahen, wurde sie rot und schaute schnell wieder auf ihr Frühstück. Aber sie konnte dieses Bild nicht für sich behalten.
„Okay, stellt euch vor—", begann sie aufgeregt und streckte die Hände vor sich aus. „Fred beim Weihnachtsball. Merlin."
Gerade als Grace etwas sagen wollte, musste Arwen niesen. Deswegen schob Eloise Graces angeekeltes Gesicht auf die Viren, die Arwen verteilte, und nicht auf die Vorstellung von Fred in einem Festumhang. Die war nämlich nicht eklig, ganz und gar nicht.
„Das wird so cool — bestimmt fragt dich Alexej, dieser Typ aus Durmstrang! Und du, Arwen, sein Freund Finn fragt vielleicht dich."
Arwen versuchte, ein begeistertes Gesicht aufzusetzen. „Oh ja, hoffentlich", erwiderte sie verschnupft. „Ich kann mir nichts Besseres vorzustellen, als mit diesem Finn da hinzugehen."
In Eloises Kopf war das alles perfekt. Alexej, Finn und seine Schwester Lykke waren in letzter Zeit hin und wieder bei ihnen gewesen — ersterer war gestern mit Grace nach Hogsmeade gegangen und wie es sich anhörte hatten sie einen sehr schönen Tag gehabt, während Arwen etwas mit Lykke und Finn unternommen hatte. Dafür, dass sie eigentlich gar nicht hatte mitkommen wollen, weil Lee und Ophelia ihren Nachmittag in Madam Puddifoot's Café verbracht hatten, war das Eloises Ansicht nach ein gutes Zeichen.
„Wirst du Fred fragen?"
Graces Frage brachte Eloise dazu, sie mit großen Augen anzusehen. Ob sie...?
„Ich—", begann sie, ohne eigentlich über ihre Antwort nachgedacht zu haben. „Er wird vermutlich mit Angelina gehen."
„Vielleicht nicht, wenn du ihn fragst."
Eloise öffnete den Mund, um irgendetwas zu sagen, aber sie wusste immer noch nicht, wie sie zu diesem Thema stand. Er hatte Angelina geküsst, aber andererseits war das vermutlich deswegen, weil nichts von ihr gekommen war. Wäre es nicht unfair gegenüber Angelina, jetzt bei ihm anzukommen? War es wichtig, ob es unfair wäre? Sie mochte Angelina eigentlich... Und würde Fred überhaupt noch mit ihr gehen wollen?
Zum Glück blieb ihr eine Antwort erspart. Ophelia kam mit lauten Schritten durch die Große Halle gerannt und blieb schwer atmend vor ihnen stehen. Ihre Wangen waren rot und sie schnappte nach Luft, während sie sagte: „Ich hab was Dummes gemacht."
Alle drei runzelten besorgt die Stirn, aber Eloise sah besonders verwirrt aus, weil Ophelia bei ihren Worten sie anblickte.
„Ich hab nur—" Ophelia atmete noch ein paar Mal tief ein. „Fred—"
Oh Merlin. Hilfe. Wenn Fred involviert war...
„Lee und ich sind gerade von draußen zurückgekommen und Fred und George begegnet—", erzählte Ophelia schnell. Eloise schluckte nervös. Was würde da wohl rauskommen? „Und wir haben uns so ein bisschen unterhalten und George hatte wohl gerade erzählt, dass du Montague am Boden festgeklebt hast... Und da hat Fred gefragt, was er denn eigentlich so gemacht hat und dann hab ich ein bisschen was erzählt, mit dem billig und so. Und dann sind wir Montague begegnet und er hat George ziemlich provokant angerempelt — vermutlich dachte er, es wäre Fred oder es war ihm egal—"
Eloise verzog hilflos das Gesicht. „Was ist dann passiert, Ophelia?"
„Na ja, ich hab nur gehört, wie Fred irgendwas von wegen billig gesagt hat und jetzt prügeln die sich irgendwie."
Während Eloise nur einen fassungslosen Gesichtsausdruck aufsetze, entfuhr Arwen ein viel zu amüsiertes „Oh".
Grace klatschte begeistert in die Hände. „Merlin, jemand prügelt sich wegen dir, Eloise, wie süß!" Sie grinste breit.
„Das ist nicht süß", protestierte Eloise aufgebracht, während sie schon hastig vom Tisch aufstand. Wieso— Wieso prügelte sich Fred denn nur mit Graham? Es war wieder einer dieser Momente erreicht, bei denen sie am liebsten alles übersprungen hätte. Was sollte sie denn jetzt tun? Sollte sie überhaupt etwas tun?
Aber Ophelia nahm ihr die Entscheidung schon ab, indem sie einfach loslief. Also, na ja, tat Eloise das einzig Logische, wenn jemand unerwartet voranging: Sie folgte ihr wie ein hirnloses Entenbaby. Sie fühlte sich auch wie ein hirnloses Entenbaby. Aber wenigstens waren Entenbabys süß.
Na wundervoll, sie drehte schon wieder ab, weil sie Panik schob.
Auch ohne Ophelia hätte sie den Weg zu Fred gefunden. Man hörte den Tumult aus der Eingangshalle, bevor man ihn sah.
Und da war er, gerade von Graham mit einem Schlag auf den Boden befördert worden. Eloise wollte zwischen sie eilen und drängte sich durch die Menge von Schülern, blieb aber stehen, als Fred plötzlich aufstand und sich geradezu auf Graham stürzte.
Sie legte verzweifelt ihre Hand an ihr Kinn. Eloise wusste, dass sie vielleicht etwas tun sollte, aber... sie konnte nicht. Ihr Mund öffnete sich leicht.
„Was ist mit Gewalt ist keine Lösung passiert?", fragte Ophelia neben ihr frech, doch Eloise suchte schon die anwesenden Schüler nach einem gewissen anderen rothaarigen Weasley ab. Aha, da war er ja.
„George", sagte sie schnell, sobald sie neben ihm stehenblieb. Er wirkte recht entspannt. „Was macht Fred denn da?"
„Na ja, zumindest mal hält er kein Teekränzchen", gab George zurück. Eloise warf ihm einen unbewegten Blick zu. Georges Mundwinkel zuckten leicht, als er versuchte, ebenso ernst wie sie dreinzublicken.
Eloise sah sich überfordert um und erkannte, dass sich immer mehr schaulustige Schüler um das Spektakel sammelten. Wäre es nicht seltsam, wenn sie einfach dazwischen lief? Irgendwann würde schon ein Lehrer oder Vertrauensschüler auftauchen. Andererseits war Ophelia auch Vertrauensschülerin und sah seelenruhig zu...
Als Fred Graham mit einem Schlag zu Boden beförderte, ergriff sie jedoch die Chance, ohne weiter darüber nachzudenken. Sie schob sich schnell vor Fred, bevor er mehr tun konnte, und zu ihrer eigenen Überraschung hielt er tatsächlich inne.
„Hey", sagte er entspannt.
Eloise machte ein ungläubiges Gesicht. „Hey? Was machst du da?"
Er verdrehte leicht die Augen. „Er hat halt genervt."
Noch während sie ein frustriertes Geräusch ausstieß, drehte sie sich zu Graham um, dessen Nase zu bluten begonnen hatte. Sie machte Anstalten, ihm aufzuhelfen, und fragte: „Ist alles in O—?"
Doch er ließ sie nicht ausreden und schlug gedemütigt ihre Hand zur Seite.
„Dann nimm doch jemanden unter deiner Würde", spie er eisig aus. Er war immer noch am Boden und hielt sich seine Nase.
Fred machte wütend einen Schritt nach vorne, doch Eloise streckte ihren Arm vor ihn, damit er stehenblieb. Was er tatsächlich tat. „Witzig", sagte sie zu Graham. „Wenn du denkst, ich wäre zu gut für einen Weasley, warum hast du es dann überhaupt versucht?"
Graham murmelte etwas, aber als Eloise den Kopf zu Fred drehte, konnte sie sich nicht mehr darauf konzentrieren, was genau er da von sich gab. Etwas in Freds Blick hatte sich geändert. Er sah sie an, als wäre es das erste Mal, dass er ihr begegnete.
Ihm war es egal, dass so viele Schüler um sie herumstanden. Er wollte dieses Mädchen einfach nur packen und—
„Mr Weasley."
Oh scheiße.
„Professor McGonagall!", erwiderte Fred mit einem Grinsen, als hätte er nicht gerade eine Prügelei mit Publikum begonnen und stände vor einem Slytherin, der sich die blutende Nase hielt und sich aufrappelte.
„Was hat das hier zu bedeuten?", fragte sie barsch, ohne auf seine überschwängliche Begrüßung einzugehen.
„Äh", begann Fred. „Nur ne kleine Auseinandersetzung. Wir haben's jetzt geklärt."
Doch Professor McGonagall fand das Ganze alles andere als witzig.
„Geklärt? Mr Weasley, muss ich Sie daran erinnern, dass wir Gewalt in Hogwarts nicht tolerieren?"
Fred nickte ein wenig kleinlauter, zumindest sah er ihr nicht mehr in die Augen, als sie ihm diesen strengen Blick zuwarf, den sie über die Jahre hinweg perfektioniert haben musste.
„Ich kann nicht glauben, dass Sie—"
„Wer sagt, dass er angefangen hat?", warf ein Mädchen aus der Menge ein, die sich um das Spektakel gebildet hatte. Einstimmiges Gemurmel kam zurück, wenn auch nicht von den Slytherins, die lautstark gegen den Kommentar protestierten.
„Ruhe", unterbrach McGonagall den Aufruhr strikt und sah zwischen Graham und Fred hin und her. „Was auch immer diese Rohheit verursacht hat: Es zeugt von mehr Stärke, eine Provokation zu ignorieren als auf sie einzugehen... 50 Punkte. Von beiden Häusern."
„50?", japste Fred. Die Gryffindors gaben verärgerte Geräusche von sich.
Graham schnaubte beleidigt.
„Außerdem erwarte ich Sie beide beim Nachsitzen — und nun gehen Sie zum Krankenflügel, wenn Sie möchten."
„Ich muss nicht in den Krankenflügel", murrte Graham beleidigt und Professor McGonagall streifte ihn kurz mit ihrem Blick, bevor sie sich umdrehte und die verstreuten Schüler zurück in die Große Halle oder zur Treppe scheuchte.
Eloise warf Fred einen erwartungsvollen Blick zu.
„Ich muss nicht da hin", meinte er nur. „Ich sterbe ja nicht." Eloise würde am liebsten die Augen verdrehen.
„Warum geht es denn immer so gegen euren Stolz, Hilfe anzunehmen? Schmerzen zu ertragen macht einen nicht cooler."
Fred verengte die Augen. „Hey, sei mal nicht so frech", sagte er ein wenig verstimmt. Und dann ging er an ihr vorbei in eine Richtung, die durchaus zum Krankenflügel führen könnte.
Sie öffnete sprachlos den Mund und runzelte die Stirn, bevor sie sich umdrehte, um ihm hinterher zu sehen. „Frech?", wiederholte sie leise, bevor sie „Ich komm dann mal mit" murmelte und den vorwurfsvollen Blick ignorierte, den Professor McGonagall ihnen mit einem Kopfschütteln hinterherwarf. Es fühlte sich logisch an, dass sie mitkam... Irgendwie hatte das ja etwas mit ihr zutun hat und wenn sie ehrlich war... Das verwirrte ihre Emotionen ganz schön.
Es sollte sich seltsam anfühlen, dass sie nicht wirklich redeten, aber auf eine seltsame Art und Weise war es das nicht. Es war zwar Fred Weasley, der da neben ihr herging und tatsächlich in der Lage zu sein schien, den Mund zu halten, aber war es nicht ein gutes Zeichen, wenn man Zeit mit jemandem verbringen konnte, ohne reden zu müssen? Oder hieß es einfach, dass man sich nichts zu sagen hatte?
Sobald sie bei Madam Pomfrey ankamen, wurde sich Eloise der Stille, die sie zuvor umgeben hatte, umso mehr bewusst. Die Krankenschwester redete sofort auf sie ein, gab Fred eine Salbe und hexte ein wenig Eis herbei, das sie Eloise in die Hand drückte, bevor sie zu den nächsten Patienten wuselte. Es war überraschend viel los. Scheinbar war Arwen nicht die einzige mit ihrer Erkältung. Na toll. Wenn ein Virus in Hogwarts grassierte, war das die schlimmste Zeit des Jahres.
Fred schraubte die Salbe auf und setzte sich auf die Kante des nächsten Betts, um sie zuerst auf seine roten Fingerknöchel aufzutragen. Sie unterdrückte ein leichtes Lächeln, als sie seine Hände betrachtete. Eloise wusste, dass er es sich nicht anmerken lassen wollte, aber die Creme schien gutzutun. Als er sich etwas von der Salbe unter seinem Auge verteilt hatte, hob Eloise unsicher das Tuch mit Eis in Richtung seines Gesichts. Mit einem Lächeln nahm er es ihr aus der Hand und hielt es gegen seine Haut.
Eloise ließ ihren Arm langsam sinken und sah ihn für eine Weile einfach nur ab. Fred erwiderte ihren Blick abwartend.
„Warum hast du das gemacht?", fragte sie mit belegter Stimme.
Fred zuckte mit den Schultern und grinste leicht. „Er war scheiße zu dir", erklärte er, als wäre es selbstverständlich, dass man daraufhin eine Prügelei anfing.
„Aber deswegen kannst du ihn doch nicht schlagen", meinte sie kleinlaut.
Fred lächelte schief. „Du hast ihn auf dem Boden festgeklebt, wie ich gehört habe", gab er zurück. „Das war auch nicht gerade die feine englische Art."
Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Du weißt, was ich meine." Ihre Stimme war leise und sie wich Freds Blick aus, als er sie ansah. Als sie wieder zu ihm aufblickte, weil er nichts sagte, lächelte er ebenfalls.
„Ja", entgegnete er. „Und du weißt, warum."
Ihr blieb der Atem weg. Wenn sie allen anderen Glauben schenkte, dann ja, dann wusste sie es. Vielleicht wusste sie es auch ohne sich auf andere zu verlassen. Was musste sie eigentlich noch von ihm und allen anderen hören, um den Mut aufzubringen?
Als sie einen Schüler lautstark im Hintergrund niesen hörte, erinnerte sie sich daran, dass sie von mehreren kranken Jugendlichen umgeben waren, und wünschte sich, sie wären woanders. Aber hätte es etwas geändert? Sie traute sich doch sowieso nie.
Fred wirkte plötzlich wieder distanzierter und sah zur Seite, als hätte er sich ihn an etwas erinnert, das keine sonderlich guten Gefühle in ihm hervorrief. Auch sie musste auf einmal an diesen Sommer denken, als sie ebenfalls hier gewesen waren, ähnlich nahe wie jetzt. Und sie hatte das Gefühl, etwas dazu sagen zu müssen. „Diesen Juni", begann sie so leise wie möglich.
Fred unterdrückte ein verzweifeltes Grinsen, als sie wieder zu reden begann. Bei jedem anderen Menschen hätte es ihn genervt, wie viel sie sich den Kopf zerbrach, aber bei ihr war es auf eine sonderbare Weise äußerst liebenswert. Also ließ er sie reden.
„Weißt du, da bin ich Sirius Black begegnet", fuhr sie fort und die Worte kosteten sie deutlich Überwindung.
„Ich weiß", antwortete Fred knapper als beabsichtigt.
„Und du meintest, ich soll meine Gedanken aussprechen und das mach ich jetzt auch."
Okay, vielleicht würde er ihr drei Minuten geben, weil das tatsächlich aufschlussreich sein könnte.
Sie atmete tief durch. „Sirius Black ist eigentlich unschuldig."
Fred wollte beiläufig nicken, bis er mit einem Mal realisierte, was sie da gesagt hatte. „Er ist was?"
„Ja", sagte Eloise verzweifelt und begann wispernd und äußert bedacht darauf, nicht zu laut zu sein, das wiederzugeben, was Hermine ihr im Juni erklärt hatte. Fred hörte aufgrund der Lautstärke angestrengt zu.
„Krätze?", wiederholte er schließlich völlig fassungslos. „Du willst mir sagen, dass ich jahrelang mit dem eigentlichen Mörder von Harrys Eltern zusammengewohnt habe? Merlin... Obwohl — George und ich haben Krätze mal fast aus Versehen umgebracht. Dann muss mir das ja nicht mehr leidtun."
„Hat es dir vorher leid getan?", fragte Eloise skeptisch.
Fred sah sie an, bevor er langsam antwortete: „Nein."
Sie schüttelte verzweifelt den Kopf, lächelte aber.
„Harry meinte, du hättest dich mit deinem Dad gestritten", fuhr Fred fort, weil er endlich die ganze Geschichte hören wollte. Das war spannender, als er erwartet hatte.
Eloise atmete tief durch. „Er hat es nicht geglaubt. Dass Sirius unschuldig ist. Obwohl ich es ihm gesagt habe. Er hat es einfach nicht geglaubt. Er meinte, wir wären von ihm mit einem Verwirrungszauber verhext worden und dass er mich ins St. Mangos bringen muss, wenn es mir nicht besser ginge."
„Hat er nicht", entfuhr es Fred fassungslos.
„Egal was ich gesagt hätte, er hätte es auf einen Zauber geschoben. Deswegen... Ich... Ich hab ihm also zugestimmt. Und so getan, als würd ihn ihm glauben."
Sie konnte seinen Blick nicht ganz deuten. „Okay", erwiderte er langsam.
„Ich weiß, dass du das nicht verstehst", fuhr sie fort. „Du hättest darauf bestanden, dass du recht hast. Aber er hat mich so voller Mitleid angesehen, als wäre ich verrückt, und deswegen... Ich habe mich danach so schlecht gefühlt—"
„Eloise", begann Fred.
„—und deswegen dachte ich, ich verdiene es nicht—"
„Eloise." Freds Mundwinkel zuckten.
„—und es war in dem Moment alles so viel—" Als sie tief durchatmete, fiel ihr Blick wieder auf Fred, der sie mit gehobenen Augenbrauen ansah.
„Also ich muss sagen", begann er nach einer kurzen Pause. „Ich glaube, du warst noch nie so ehrlich zu mir."
Eloise zog die Augenbrauen zusammen. „Ich hab dich doch nie angelogen."
„Neeeein", antwortete Fred übertrieben. „Als du Robin erfunden hast, den es dann plötzlich doch gab, war das wahnsinnig nicht gelogen von dir."
Gequält vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen, während Fred lachte. „Das hätte ich dir nicht sagen sollen", murmelte sie.
„Doch doch, dein Weg zur Ehrlichkeit offenbart sich langsam." Er grinste. „Und lass dir von mir sagen, der Pfad der Tugend ist kein leichter."
Eloise sah ihn vorwurfsvoll an und schüttelte leicht mit dem Kopf. Verunsichert sah sie auf ihre Hände hinab, als Fred sie spielerisch in die Seite stieß.
„Na komm, meine schweren Wunden sind verarztet", meinte er leichthin und Eloise sah ein wenig enttäuscht auf seinen Rücken, als er begann, zurück zum Ausgang zu gehen. Sie wusste nicht, was sie sich erhofft hatte, aber vielleicht ein wenig mehr... Verständnis? Sie hatte immerhin versucht, das Missverständnis des Augenblicks aufzuklären, von dem an alles bergab gegangen war und der dafür gesorgt hatte, dass das Verhältnis zwischen ihnen so angespannt war — und jetzt ging er nicht einmal richtig darauf ein.
Als sie wieder im Korridor waren und sie zu ihm aufschloss, überkam sie plötzlich eine seltsame Entschlossenheit. Jetzt oder nie. Irgendetwas musste sie doch machen. „Fred?"
Er drehte sich zu ihr, als sie stehenblieb und seinen Namen sagte, die Augen abwartend auf sie gerichtet.
Ihr Blick fiel auf seinen Mund, dann atmete sie tief durch, bevor sie einen Schritt auf ihn zumachte. Okay, sie hatte keine Ahnung, wie das alles ging, aber so schwer war es bestimmt nicht, den Anfang zu machen, oder? Fred wusste sicherlich, wie es weiter ging.
Plötzlich erinnerte sie sich daran, was Arwen heute Morgen erwähnt hatte. Vielleicht wäre das ein guter Start...
„Wusstest du, dass es Tradition ist, dass beim Trimagischen Turnier ein Ba—"
Doch als sie Schritte hörte und Freds Aufmerksamkeit auf jemanden hinter sie gelenkt wurde, hielt sie inne. Sein Blick wurde ein wenig zwiespältig und Eloise drehte den Kopf zur Seite, nur um Angelina zu sehen, die ein wenig langsamer wurde und unschlüssig neben den beiden stehenblieb. „Hey", sagte sie, irgendwie zu beiden, obwohl sie danach zu Fred sah.
„Hey", erwiderte Fred, der scheinbar tatsächlich zu überlegen schien, was er sagen sollte. Merlin, niemand hatte ihn darauf vorbereitet, wie seltsam es war, alleine mit dem Mädchen, das er vor einer halben Stunde gerne geküsst hätte, und mit dem Mädchen, das er tatsächlich geküsst hatte, zu sein.
„Hey", gab Eloise einfallslos dazu, weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte. Sie vermutete, dass es diesmal nicht nur ihr paranoides Gehirn war, das die Ansicht vertrat, dass das hier sehr unangenehm war. Die beiden zusammen zu sehen bereitete ihr ein seltsames Stechen im Magen. Und obwohl sie wusste, dass Flucht nicht gerade die heroischste Eigenschaft war, öffnete sich ihr Mund plötzlich, um „Ich geh dann mal" zu sagen. Ehe sie sich versah, war sie schon auf dem Weg zum Hufflepuff-Gemeinschaftsraum.
Fred blieb ein wenig unschlüssig zurück und kratzte sich seufzend am Hinterkopf.
„Hab ich euch bei was unterbrochen?", fragte Angelina und sah zu der Ecke, hinter der Eloise ein paar Sekunden vorher verschwunden war.
Fred drehte den Kopf zu ihr, als hätte er gerade wieder erst realisiert, dass sie neben ihm stand, und sah sie übertrieben vorwurfsvoll an. „Wenn du schon so fragst", antwortete er, als Angelina die Augenbrauen hochzog. „Ja."
„Oh", gab Angelina zurück, lächelte aber auf Freds freches Grinsen hin, um so auszusehen, als wäre das alles für sie entspannt. Das war es ja auch. Wenn sie es sich genug sagte, wurde es das vielleicht wieder.
Es war eine schlechte Idee gewesen, sich darauf einzulassen. Aber sie hatte gehofft— hoffte immer noch— Keine Ahnung. Sie wusste, dass sie ihm etwas bedeutete und dass das zwischen ihnen irgendwann zu einer Beziehung werden könnte. Aber ein Wort von Eloise würde reichen und nach einiger Zeit des schlechten Gewissens würde Fred ihr sagen, dass seine Gefühle für die Hufflepuff stärker waren. Aber umgedreht, wenn er mit Eloise zusammen wäre, würde sie ihn nicht so aus dem Konzept bringen können, das wusste Angelina.
Und bevor Fred ihr Herz brechen musste und sich darüber bewusst war, musste sie ihr eigenes brechen, bevor er wusste, dass es dort etwas zu brechen gab.
„Ich habe über das Ganze hier nachgedacht", begann Angelina. „Über uns."
Fred runzelte die Stirn und rückte sich ein wenig unbeholfen zurecht. „Wir haben ja gesagt, dass wir einfach mal schauen... und so."
Angelina musste fast lachen, als Fred ein wenig panisch wirkte.
„Ja, eben. Aber ich glaube, wir sind einfach nur Freunde. Attraktive Freunde." Sie versuchte, ein Grinsen aufzusetzen, auch wenn sie seinem Blick auswich und auf ihre Hände schaute. „Ich weiß ja, dass du in sie verliebt bist—"
„Verliebt ist vielleicht ein großes Wort", unterbrach Fred sie hastig.
Angelina hob die Augenbrauen, als sie zu ihm aufblickte. Er leugnet es nicht mal. „Fred, du hast gesagt, du willst mal das Gleiche, was deine Eltern haben. Tu mal nicht so, als wärst du nicht romantisch veranlagt."
„Da waren wir zwölf", meinte Fred.
Angelina sah ihn wenig überzeugt an. „Und du willst mir sagen, dass du seitdem älter geworden bist?"
Fred versuchte, sie zu schlagen, aber sie kannte ihn gut genug, um rechtzeitig zurückzuweichen. Der Gedanke daran tat seltsamerweise weh. Sie grinste. „Also, wobei hab ich gestört?", fragte sie begierig nach Informationen.
Daraufhin verdrehte Fred die Augen. „Mädchen", murmelte er, bevor er vorwurfsvoll fragte: „Solltest du nicht herzgebrochen sein, weil ich in eine andere verliebt bin?"
Angelina hob die Augenbrauen. Auch das tat weh. Aber das sollte nicht seine Sorge sein. Er war ihr bester Freund, ihr äußerst blinder bester Freund, jemand, den sie sehr liebte — seit einiger Zeit mehr, als man einen besten Freund lieben sollte.
Fred seufzte genervt von sich selbst, als er erkannte, was er gerade gesagt hatte. „Ich hab dich nur zitiert", meinte er schnell.
„Klar", gab Angelina zurück, bevor ihr Blick ein wenig ernster wurde. „Ich glaub, als beste Freunde sind wir besser."
Sie sah ihn an und hoffte, dass er etwas dagegen sagen würde, irgendetwas.
Doch Fred zuckte zustimmend mit den Schultern. Er war nicht gut, wenn es um ernste Gespräche ging. Er kam sich komisch dabei vor. „Gehen wir zu den anderen?", fragte er also.
Angelina schüttelte den Kopf und deutete Richtung Krankenflügel. „Ich geh nur kurz zu Pomfrey."
„Ah, okay", erwiderte Fred. „Aber, ähm... Es ist alles cool zwischen uns, oder?"
„Fred", sagte Angelina und verdrehte scherzhaft die Augen. „Chill."
Sie wusste nicht, ob es gut war, dass sie so tun musste, als sei nichts. Als sei er nie mehr als ein bester Freund gewesen, den sie ganz gutaussehend fand. Aber Alicia hatte erst letztens erzählt, dass ihr Freund Roger neuerdings Fleur Delacour hinterherzugeiern schien und Angelina hatte ihr sofort geraten, den Typ in den Wind zu schießen. Das bist du nicht wert, du verdienst jemanden, der nur Augen für dich hat.
Und Angelina tat das auch. Wenn sie wusste, dass Fred sie zwar mochte, aber immer noch Eloise hinterher hing... Was für einen Sinn hatte all das dann? Jetzt war sie an einem Punkt, an dem sie so tun konnte, als wäre er für sie immer nur ein bester Freund gewesen. So wurde es nicht kompliziert und sie konnte darüber hinwegkommen.
Aber sie hatte nicht erwartet, dass es sie so traurig machen würde, als sie sich umdrehte und in den Krankenflügel ging.
ღ ღ ღ
Der Dienstag kam unerwartet schnell — und damit die erste Aufgabe.
Es war noch extremer als vor einem Quidditchspiel: Es gab kein anderes Gesprächsthema. Die wildesten Theorien darüber, was die Champions erwarten würde, machten die Runde. Einmal schnappte Eloise sogar etwas über Drachen auf — scheinbar hatte jemand geplaudert. Also entschloss auch Eloise, ihr Versprechen gegenüber Charlie zu brechen. Denn ehrlich: Ein wenig Vorbereitung, wenn man gegen einen Drachen antrat, war doch fair, oder nicht?
Am Montagabend fing sie Cedric im Gemeinschaftsraum ab, mit der Ausrede, etwas wegen Verteidigung wissen zu wollen. Sobald er von seinen Freunden aufstand und zu ihr ging, platzte sie heraus: „Wenn du etwas wüsstest, das du nicht sagen darfst, aber es würde einem Freund helfen — und es geht auch noch um etwas Gefährliches, das ihn umbringen könnte — würdest du es diesem Freund sagen?"
Cedric sah verwirrt aus. „Äh—", begann er. „Also wenn es den Freund umbringen könnte, wär es ja eigentlich schon recht nett...? Schätze ich?"
„Ja, also..." Eloise senkte die Stimme. „Hör mal, also ich sollte es echt nicht sagen, aber ich weiß, was die erste Aufgabe beinhaltet."
„Oh", erwiderte Cedric. „Ja, ähm, ich auch."
Ihre Augen wurden groß. „Oh, super!" Ehrlich gesagt erleichterte sie das. Dann war es nicht sie, die das große Geheimnis offenbart hatte und von irgendeinem Richter angeklagt wurde. Sehr gut.
„Es sind doch..." Cedric sah sich kurz um, bevor er sich zu ihr vorbeugte. „...Drachen?"
Eloise nickte hastig.
„Gut", meinte Cedric und schien tatsächlich erleichtert. „Ich war mir nämlich nicht sicher, ob Harry die Wahrheit gesagt hat. Klar, er schien es ehrlich zu meinen, aber man weiß ja nie — es hätte Taktik sein können, weißt du?"
„Harry weiß es?"
Als er nickte, atmete Eloise erleichtert durch. Dann musste sie sich nicht schlecht dabei fühlen, den Jungen da unvorbereitet hingehen zu lassen, obwohl sie es wusste.
„Er hat nicht gelogen", sagte sie noch mal. „Ich hab sie gesehen."
„Wie, du hast sie gesehen?", fragte Cedric ungläubig zurück.
„Ähm", ruderte Eloise schnell zurück. „Ja, ich hab sie... ähm... in... einer Kristallkugel gesehen, ja! Da hab ich sie gesehen. Neulich."
Wenn Cedric ihr nicht glaubte, ließ er es sich nicht anmerken. Er lächelte. Eloise wusste nicht, ob sie Freunde waren, aber vermutlich waren sie etwas, das nah dran kam. Sie mochte ihn. Er war zwar sehr beliebt, aber trotzdem so... freundlich. Er hatte einfach etwas Besonderes an sich.
Also hoffte Eloise, dass es nicht komisch war, dass sie sich am Dienstag nach frühzeitigem Unterrichtende ins Zelt der Champions schmuggelte, um Cedric viel Glück zu wünschen, statt direkt im Publikum Platz zu nehmen, das um das Drachengehege platziert war.
Sie war es, die ihm geraten (oder ermutigt) hatte, hier mitzumachen. Sie fühlte sich irgendwie verantwortlich.
Als sie jedoch durch den Hintereingang des Zelts lugte, waren die vier kreuz und quer im Zelt verteilt und Eloise sah keinen anderen Weg, Cedrics Aufmerksamkeit zu bekommen, als peinlich seinen Namen zu rufen. Sie war schon kurz davor zu gehen, als Harry sie durch Zufall bemerkte und sie ihm unbeholfen zuwinkte, bevor sie mit einem bittenden Gesichtsausdruck auf Cedric zeigte und ihm pantomimisch klarmachte, dass er ihn antippen sollte. Überraschenderweise verstand er, was sie ihm sagen wollte.
Cedric wirkte ein wenig überrascht, setzte aber ein freundliches Gesicht auf, als er sie erkannte und zu ihr rüberging. „Ist alles klar?", fragte er.
„Ja", erwiderte Eloise ein wenig unbeholfen. „Ich wollte nur— Na ja, also ich wäre ziemlich am Sterben, wenn ich hier warten müsste und ich wollte dir einfach viel Glück wünschen."
Cedric lächelte, als fände er das süß von ihr. „Danke — wirklich, danke." An der Art, wie zittrig sein Atem klang, bemerkte sie erst, wie aufgeregt er war. Er wirkte nach außen hin ruhiger.
Eloise lächelte ebenfalls, bevor sie etwas tat, was sie sonst nie tun würde. Weil sie glaubte, dass es ihr guttun würde, umarmt zu werden, wenn sie in der gleichen Situation wäre. Sie hoffte nur, dass Kimmkorn nicht um die nächste Ecke kam, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihre Arme um Cedric schloss.
„Du schaffst das schon", sagte sie, kurz bevor sie sich von ihm löste. „Pass auf dich auf."
„Mach ich", gab er zurück und Eloise wusste nicht, ob es nur ihre Vorstellungskraft war, die ihr einredete, dass die nachfolgende Verabschiedung ein wenig unangenehm und unbeholfen war. Ob Einbildung oder nicht, sie dachte auf ihrem Weg zurück darüber nach, ob die ganze Aktion komisch auf ihn gewirkt haben könnte. Tatsächlich war sie so vertieft in diesen Gedankengang, dass sie erst im letzten Moment auf Fred und George aufmerksam wurde, die sie natürlich sofort bemerkt hatten.
Fred sah überrascht in die Richtung, aus der sie zu den Tribünen gekommen war.
„Wo warst du denn?", fragte er ein wenig verwundert.
Eloise vermutete, dass es das Beste war, die Wahrheit zu sagen — schließlich gab es nicht wirklich Grund, zu lügen. „Ich hab Cedric viel Glück gewünscht."
„Ah." Fred nickte und George warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. „Und, was sagt Cedric so?"
„Na ja, er ist gut vorbereitet, denke ich", antwortete sie so beiläufig wie möglich. „Also wird das schon."
„Das können wir nur hoffen", meinte Fred frech. „Sonst ist am Ende nur ein Aschehäufchen von ihm übrig — aber wir haben ja Harry als Ersatz, also geht's ja."
Eloise zog die Augenbrauen zusammen. „Das ist nicht witzig."
„Oh, tut mir leid", sagte er übertrieben und sah sie an, dann grinste er und lief wortlos weiter. Eloise verdrehte die Augen.
„Willst du wetten?", fragte George, nachdem er fast weitergerannt wäre, sich aber rechtzeitig auf das Geschäft besann, wie es schien. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er einen verdächtig wirkenden Koffer mit sich herumtrug.
„Worauf kann ich denn wetten?"
„Wer gewinnt, wer stirbt, wer ein Bein verliert, wer—" Bei Eloises Blick hielt er inne. „Oder einfach wer den ersten Platz macht."
„Niemand wird hier sterben."
George betrachtete sie prüfend. „Ist das eine Aussage oder dein Einsatz?"
Sie schnaubte, warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu (wenn auch mit einem leichten Lächeln) und ging kopfschüttelnd an ihm vorbei.
Und hätte sie gewettet, hätte sie richtig gelegen: Es starb tatsächlich niemand. (Außer vielleicht Eloise an einem halben Herzinfarkt.) Alle hatten es geschafft: Cedric war als erster an der Reihe gewesen und hatte den Drachen reingelegt, indem er einen Felsbrocken in einen Hund verwandelt hatte. An sich war das ziemlich genial gewesen, aber plötzlich hatte der Drache — der Schwedische Kurzschnäuzler — beschlossen, dass Cedric ein attraktiveres Fressobjekt war als ein Labrador. Eloise hatte fast die gesamte Zeit den Atem angehalten, als er ihm haarscharf entkommen war.
Auch Fleur war ihrem Drachen gerade so mit verkohltem Rock entkommen. Ihr Schlafzauber hatte zwar gewirkt, aber wie Eloise schon mitbekommen hatte, kamen gerne Flammen aus der Schnauze eines Drachens, wenn er mit dem Schnarchen anfing.
Viktor Krum hatte den Drachen schnell erledigt — allerdings war dieser vor lauter Schmerz auf seine eigenen Eier getrampelt.
Auch Harry hatte seine Stärke sehr gut genutzt: Das Fliegen. Er hatte seinen Besen hergerufen, um dem Drachen zu entkommen und das Ei zu stehlen. So hatte er es mit Krum sogar auf den ersten Platz geschafft!
Cedric hatte den zweiten, aber hey, das war nicht der Letzte und irgendwie war es so oder so ein vorläufiger Sieg für Hogwarts — und die Hufflepuffs ließen sich nicht bremsen.
Die Party konnte sie sich zumindest nicht enthusiastischer vorstellen. Der Hufflepuff-Gemeinschaftsraum war zum Bersten voll. Auch einige Ravenclaws und Slytherins waren hier und umringten Cedric. Es hätte sie nicht gewundert, wenn man ihn direkt aus dem Zelt bis in den Keller getragen hätte.
Während also alle tranken und feierten, landete Eloise auf einem Sofa mit Robin und verstrickte sich mit ihm in ein verwirrendes Gespräch, das ein wenig philosophischer wurde als beabsichtigt. Der Met machte sie immer ein wenig redseliger und tiefgründiger.
Wie es schien ähnelten sich ihre Ansichten beim Thema Liebe.
„Ich versteh nur nicht, wieso so viele immer so schnell mit allem sind — und alles so locker sehen. Ich will halt lieber was Echtes als nur irgendwas", klagte sie gerade und Robin nickte zustimmend.
„Ja, ich hab das Gefühl, alle in meinem Jahrgang haben einen Freund oder eine Freundin", meinte er. „Und die anderen wollen irgendwie nur Erfahrungen sammeln. Was natürlich die Entscheidung von jedem selbst ist, aber für mich... Ich weiß nicht, ich will, dass es besonders ist, jemanden zu küssen oder... mehr."
„Ja", stimmte sie nachdenklich zu.
Danach schauten sie traurig an die nächste Wand.
Irgendwann kam Ophelia zu ihnen und fragte Eloise, ob sie nicht Lust hätte, in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum zu kommen. Dort fand schließlich auch eine Party statt und Ophelia hatte Lee versprochen, dass sie vorbeischauen würde.
Eloise fand, dass es nicht schaden konnte. Seit dem Gespräch vor zwei Tagen hatten Fred und sie nicht mehr wirklich viel Gelegenheit zu reden gehabt. Gestern war ein langer Schultag gewesen und heute hatte die erste Aufgabe schon zur Mittagszeit begonnen.
Allerdings stellte sich der Gryffindor-Gemeinschaftsraum als noch überfüllter heraus als der der Hufflepuffs. Sie blieb ein wenig am Rand, als Ophelia nach Lee Ausschau hielt. Hier waren definitiv zu viele Menschen auf engem Raum. Es war zu laut und zu warm nach ihrem Geschmack. Eloise hatte schon bei ihrem ersten Besuch hier festgestellt, dass der Raum der Gryffindors kleiner als ihr eigener war. Tja, und da lästerten alle immer über Hufflepuff.
„Cremeschnittchen gefällig?"
Eloise fuhr herum, als sie Freds erhobene Stimme hörte, der neben ihr mit einem Tablett stehengeblieben war, das er ihr auffordernd unter die Nase hielt. Skeptisch sah sie von den verführerisch aussehenden mit Creme gefüllten Gebäcken zu Fred. „Meinst du nicht, ich kenne dich mittlerweile gut genug, um zu erkennen, dass es nichts Gutes bedeutet, wenn du einem mit diesem Gesicht Essen anbietest?"
Fred sah schockiert aus. „Was stimmt mit meinem Gesicht nicht?"
„Es ist verdächtig", sagte Eloise schlicht.
Er rollte leicht mit den Augen. „Ich würde dir nie heimlich Sachen andrehen, an denen wir was... modifiziert haben."
„Modifiziert?", wiederholte Eloise laut, um trotz der Musik gehört werden zu können.
„Jaja, guck mal — Wir haben Kanariencremeschnitten gemacht, auf die Neville reingefallen ist. War ein Riesenspaß. Aber du bist tabu, keine Sorge. Das da ist nur Vanillecreme."
Eloise verengte die Augen, beschloss aber, ihm zu vertrauen. Es klang zumindest ehrlich. Fred grinste, während sie kaute, und klatschte stolz in die Hände.
„Na siehst du, nix passiert!" Dann lehnte er sich gegen die Wand neben sie. „Was verschlägt ein Cedric-Fangirl eigentlich hierher?"
„Ophelia hat vorgeschlagen, herzu— Ich bin kein Cedric-Fangirl."
„Bringt nichts, es zu leugnen", gab Fred zurück. „Wo ist Ophelia denn?"
„Lee suchen natürlich", meinte Eloise und griff nach einer zweiten Vanillecremeschnitte. Es war ein Wunder, dass Fred und George sie gemacht hatten — sie schmeckten traumhaft.
„Er ist doch da drüben."
Eloise runzelte die Stirn, als Fred in eine Richtung zeigte. Es war definitiv zu voll. Außer Haaren, Bechern und Händen sah sie überhaupt nichts.
„Ich sag ihm Bescheid."
Und damit bahnte sich Fred seinen Weg durch die Menge, bevor er vor Lee stehenblieb und lautstark verkündete: „Ophelia und Eloise sind hier!"
Lees Blick fiel jedoch sofort auf das Tablett in Freds Hand.
„Ich dachte, die wären schon leer", meinte er.
„Ne, oben war noch eins", gab Fred zurück und Lee hielt kurz inne, bevor er sich schuldbewusst am Hinterkopf kratzte.
„Ähm." Er lachte leicht. „Ich hatte George eben gesagt, dass ich— ähm— ihr habt doch irgendwelche Tränke gebraut."
Fred sah ihn verwirrt an, als würde er nur das Offensichtliche wiederholen. Er wiederholte ja auch das Offensichtliche... „Und?"
„Einer davon ist umgekippt und auf das Tablett gefallen. Ein paar der Schnitten am Rand haben was abbekommen, deswegen hab ich George gesagt, dass ihr das Tablet besser niemandem geben solltet."
„Er hat mir nix gesagt — ich hab ihm auch schon ewig nicht mehr gesehen." Dann realisierte er, wem er gerade etwas von den Cremeschnitten angeboten hatte, und ihm fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Lee — welcher Trank war das? Der durchsichtige? Der rosane?"
„Äh..." Lee rieb sich am Kopf. „Frag mich das doch nicht, nachdem ich Feuerwhiskey hatte."
„Lee, Mann, du verträgst echt nichts, hör zu — Entweder verliert Eloise ihre Augenbrauen oder... schlimmer."
„Schlimmer?", wiederholte Lee verwirrt. Doch Fred war schon wieder auf dem Weg zurück zu Eloise und stieß ein paar Leute zur Seite, um zu ihr zu gelangen. Lee war ihm auf den Fersen wie es schien.
Und... hm. Er zog prüfend die Augenbrauen zusammen, als sie sich Eloise vorsichtig näherten. Ein wenig wirkte sie, als wisse sie nicht ganz, was vor sich ging, bis sich ihre Augen auf Fred richteten. Er hatte Hoffnung, dass sein Trank einfach nicht gewirkt hatte. Oder sie zu wenig abbekommen hatte.
Doch dann legte sich ein breites Strahlen auf ihr Gesicht. „Hallo Fred", sagte sie mit zuckersüßer Stimme und als sie die Arme ausbreitete, um sich an ihn zu schmiegen, blickte er zu Lee, der neben ihm stehenblieb.
„Es war eventuell der... naja", begann er und sah auf Eloises Haarschopf hinab, als sie leise gegen seine Brust kicherte. „Der Liebestrank."
Ich will ja nicht zu viel verraten, aber... Der Countdown zu unserem heiß ersehnten Freloise Kuss läuft 🫢🫢
Das nächste Kapitel ist auf dem We!!
Tut mir leid, dass ich so lange mit diesem gebraucht habe. Ich habe immer wieder kleine Teile geschrieben und habe ewig gebraucht, um alles zu verbinden.
Ich bin seit zwei Monaten in England und finde kaum Zeit hier, aber wenigstens ist es guter Stress, es ist toll hier 🥰
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