Kapitel 7
Cole
Es war spät geworden im Restaurant. Vielleicht weil ich es so gewollt hatte, vielleicht weil ich eigentlich hatte bleiben wollen. Aber eigentlich wusste ich auch, dass ich nicht die Zeit dafür habe. Jedes Mal dasselbe. Ich eile aus dem Restaurant um noch pünktlich zu meiner Schicht im Laden zu kommen. Was ich sowieso nicht schaffen werde. Es ist 17.53 und der Weg beträgt locker 20 Minuten. Schnell schreibe ich meiner Schwester, Mia, dass ich zu spät dran bin, auch wenn sie das vermutlich nicht mal bemerken würde.
Ich biege gerade in die richtige Straße ein, als mein Handy vibriert. Ich erwarte, dass es Mia ist, doch zu meiner Verwunderung ist es Amilia. Schnell nehme ich den Anruf entgegen. Ich höre sie tief einatmen, dann herrscht Stille.
„Alles gut?", frage ich atemlos, ich war schnell gelaufen. Noch immer ist es ruhig am anderen Ende der Leitung. Ich verdrehe die Augen und will gerade auflegen, als sie sich endlich zu Wort meldet.
„Bist du schon im Laden?", fragt sie mit brüchiger Stimme.
„Gleich, ich bin spät dran", sage ich ruhig.
„Ach so Entschuldigung ich...Ich rufe später wieder an"
„Nein", entfährt es mir ein wenig zu schnell. „Ich habe immer Zeit für dich", sage ich. Auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entspricht. Eigentlich ist sie immer diejenige, die zu mir kommen muss, da ich immer irgendwie beschäftigt bin.
„Danke, Cole"
„Was ist passiert?", frage ich und unterdrücke einen Ausdruck von Genervtheit. Nie sagt sie einfach was sie möchte, immer muss ich mehrmals nachhaken.
„Nichts, ich... wollte nur deine Stimme hören", sagt sie, ich höre eine gedämpfte Stimme im Hintergrund. Wahrscheinlich ihr Bruder oder Jennifer.
„Okay. Willst du später vorbeikommen?"
„Ich...Ja, wenn es dir nichts ausmacht", meint sie. Ich runzle die Stirn. Wie kam sie nur darauf?
„Natürlich nicht ich freue mich dich zu sehen"
„Okay, ich bin bald da"
„Bis gleich", sage ich. Sie beendet den seltsamen Anruf und ich gerate automatisch ins Grübeln. Es war in den letzten Tagen nichts vorgefallen zwischen uns. Ganz im Gegenteil, es lief besser als ich es jemals für möglich gehalten hatte. Natürlich hatten wir nicht unbedingt viel Zeit füreinander, doch das hatte sie immer gewusst. Und wir beide versuchten es möglich zu machen sich so oft wie möglich zu sehen. Vielleicht war auch gar nichts, es musste nicht an mir liegen, wahrscheinlich hatte sie Stress gehabt. Ich beschließe nicht länger nachzudenken und beeile mich endlich zur Arbeit zu kommen.
Wie erwartet sitzt meine Schwester gelangweilt an ihrem Handy und schreckt regelrecht hoch, als sie die Eingangstüre hört. Als sie mich erblickt legt sie ihr Handy weg und seufzt theatralisch.
"Na endlich, ich dachte schon du kommst überhaupt nicht mehr"
,,Ich habe dir doch geschrieben, du hast meine Nachricht sicher gelesen"
,,Ich dachte du kommst ein paar Minuten zu spät und nicht Stunden"
,,Wenn nur die ganze Familie so genau wäre wie du", spotte ich und lasse mich auf den Stuhl sinken, strecke meine Beine aus. Mitfühlend sieht sie von Tresen aus zu mir herunter.
,,War es anstrengend?", fragt sie freundlicher. Ich schüttle den Kopf und schließe für einen Moment die Augen.
,,Du weißt, dass du das nicht tun musst. Sicherlich finden wir eine Lösung, Mira kann Tagsüber auch arbeiten und ich nachts..."
Ich unterbreche sie indem ich den Kopf schüttle und die Augen öffne. ,,Sicher nicht. Es ist kein Problem. Und Mira kann noch nicht arbeiten"
,,Sie ist Vierzehn, als du in ihrem Alter warst hast du bereits zwei Jahre gearbeitet", ich zucke mit den Schultern.
,,Weil ich keine andere Wahl hatte, wer hätte es sonst machen sollen?"
,,Es ist nicht deine Aufgabe, du möchtest den Laden nicht einmal."
,,Ihr aber, vielleicht habt ihr Recht, wenn ihr daran festhalten möchtet", sage ich zweifelnd und mustere sie.
,,Du solltest weniger arbeiten, Cole. Ich habe schon darüber nachgedacht und mit den anderen gesprochen. Mira kann von 16 bis 20 Uhr arbeiten, ich von 20 bis 2 Uhr, du dann bis 10 und danach Kate", ich schüttle demonstrativ den Kopf.
,,Nein"
,,Sei nicht so stur"
,,Bin ich nicht, Mira wird nicht arbeiten. Sie soll sich auf die Schule konzentrieren"
,,Es wird ihr bestimmt Spaß machen"
,,Du wirst um diese Uhrzeit nicht hier sein"
,,Ach komm schon, glaubst du ernsthaft ich sitze brav zuhause rum?", ich sehe sie schweigend an. ,,Also, was hältst du davon? Und jeder bekommt zwei Tage die Woche frei, in der Zeit müssen eben du, ich und Kate mehr arbeiten"
,,Nein"
,,Cole, du bist so anstrengend", ich grinse leicht und blicke kurz auf mein Handy, doch Amilia hatte nicht geschrieben, normalerweise schrieb sie immer wenn sie losgegangen war. Wahrscheinlich brauchte sie noch eine Weile.
,,Und du nicht?"
,,Darum geht es nicht. Ich denke du kannst einen freien Tag gut gebrauchen, Amilia würde sich bestimmt auch freuen"
,,Woher willst du das wissen?"
,,Jede Frau würde sich freuen", meint sie seufzend.
,,Ich brauche keinen freien Tag und Mira wird nicht arbeiten. Belass es jetzt dabei"
,,Sie wird das nicht ewig mitmachen, Cole"
,,Von wem redest du?"
,,Amili..."
,,Dann ist es eben so", sage ich, auch wenn mich der Gedanke daran nicht kalt lässt. Natürlich hatte ich mich gefragt, ob das so gutgehen kann. Und natürlich war ich zu dem Schluss gekommen, dass es das nicht wird. Und um darauf zu kommen, muss man noch nicht mal ein Pessimist sein.
,,Wie kannst du nur so denken?"
,,Sie weiß, dass meine Familie Priorität hat"
,,Boah, wenn du mein Freund wärst wärst du noch heute Single", meint sie aufgebracht und funkelt mich böse an.
,,Gut, dass ich das nicht bin und jetzt lass mich arbeiten, ich habe zu tun"
,,Hast du nicht. Warum redest du so über sie, als wäre sie dir nicht wichtig?"
,,Sie ist mir wichtig, wichtiger als das Meiste"
,,Warum riskierst du dann, dass sie geht?"
,,Wir kennen uns noch nicht so lange, warum sollte ich sie in meine Zukunftsplanung einschließen?"
,,Und was ist, wenn sie deine Zukunft ist?"
,,Dann wird sie es akzeptieren, sie weiß das doch", sage ich ungeduldig. Ich will nicht darüber reden. Eigentlich möchte ich erst überhaupt nicht darüber nachdenken, dass Amilia das satthaben könnte. Wenn ich ehrlich bin, ist sie das Allerbeste, was mir jemals passiert ist. Die erste Frau, für die ich ernsthaft etwas empfinde. Auch wenn vieles kompliziert ist. Es ist mir alles wert.
,,Cole, wie konntest du nur so herzlos enden?"
,,Dumme Frage", knurre ich und sehe sie spöttisch an.
,,Deine schlechtesten Seiten erinnern mich an Dad", meint sie ruhig, als wäre es keine Beleidigung. Meine Gesichtszüge entgleiten mir und ich funkle sie wütend an.
,,Wage es nicht sowas noch einmal zu sagen", erhebe ich meine Stimme, woraufhin sie zusammenzuckt. Ihr Blick ist ängstlich, doch ich kann mich nicht beruhigen. ich hasse es mit meinem Vater verglichen zu werden. Schlimm genug, dass ich ihm so ähnlich sehen muss. Von seinem Charakter würde ich am liebsten nichts vererbt bekommen haben.
,,Cole...", flüstert sie. ,,Ich meine es doch nicht böse, ich...will nur, dass du aufpasst"
Noch immer flackert mein Blick voller Wut, dann erhebe ich mich, woraufhin sie auf dem Tresen zurück rutscht und ihr Handy umklammert, als wäre es eine Waffe und ich unser Vater, der auf sie losgeht. Augenblicklich weiche ich von ihr zurück, meine Wut verraucht sofort, stattdessen überkommt mich schlechtes Gewissen.
,,Mia, ich...", setze ich an, doch sie ist bereits auf der anderen Seite vom Tresen gesprungen und eilt Richtung Ausgang. Ich unterlasse es ihr hinterherzulaufen. Ich kann ihre Angst verstehen. Nur zu oft hatte ich dieselbe Angst gespürt, wenn mein Vater wütend geworden war. So gut wie immer war ich das Ventil seiner Wut gewesen oder hatte dafür gesorgt dieses zu sein. Sie weiß, dass ich sie nicht verletzen würde, doch ihre Angst davor ist verständlich.
,,Verdammt", knurre ich und fahre mir mit der Hand durchs Gesicht.
,,Was ist passiert?", höre ich Amilia zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und drehe mich zu ihr um. Sie sieht anders aus als sonst. Normalerweise achtet sie penibel darauf, dass alles perfekt war, heute war das nicht der Fall vielleicht sieht sie dadurch noch ein Stück perfekter aus.
,,Nichts wichtiges", sage ich und sehe sie an. Ihre Anwesenheit bringt mich sofort endgültig zu Ruhe. Sie kommt viel zu langsam auf mich zu und schlingt ihre Arme um meinen Nacken. Ich ziehe sie dicht an mich heran und küsse sie sanft. Jedoch spüre ich, dass sie nicht ganz bei der Sache ist, vielleicht hatte sie wirklich einen schlechten Tag gehabt. Sie lehnt ihren Kopf an meine Schulter und vergräbt das Gesicht an meinem Hals.
„Was ist los?", frage ich sanft. Sie hebt den Kopf an und schaut mir in die Augen. Dann verzieht sie die Lippen zu einem Lächeln. Es würde fast ehrlich wirken, wenn ihre Augen sie nicht verraten würden.
„Es ist nichts, Cole. Ich... bin nur müde", meint sie. Ich sehe sie abschätzig an, dann nicke ich. Es brachte nichts sie auszufragen, aus irgendeinem Grund wollte sie mir nicht die Wahrheit sagen. Vielleicht später. Deshalb beschließe ich einfach mitzuspielen.
„Warum bist du dann gekommen?"
„Ich habe dich vermisst, ich wollte dich sehen", diese Worte glaube ich sogar, sie klingen zu aufrichtig. Ich lächle und streife mit den Fingerspitzen ihre Wange, bis zu ihrem Kinn. Dann lege ich die Handfläche an ihren Kiefer und küsse sie erneut. Sie erwidert den Kuss, diesmal leidenschaftlicher. Langsam streiche ich ihren Rücken entlang. Sie streckt mir ihr Becken entgegen und schiebt ihre Hand unter mein Shirt.
„Cole", flüstert sie und sieht mir tief in die Augen. Ich spüre ihre Unsicherheit, ihre Angst. Doch auch Erregung. Sie beißt sich auf die Lippe und nimmt ihre Hand von meiner Brust, legt sie stattdessen an meinen Oberarm. Dann lehnt sie sich näher an mich heran. „Ich will dich. Jetzt sofort", überrascht sehe ich sie an. Woher kam der plötzliche Sinneswandel? Immerhin war sie diejenige gewesen, die hatte warten wollen. Was für mich absolut in Ordnung gewesen ist. Auch wenn sie mir den genauen Grund für ihr zögern nicht mitgeteilt hatte.
„Warum?", frage ich und ohrfeige mich innerlich selbst für diese dämliche Frage. Als würde ich es ihr wieder ausreden wollen. Und bekanntlich ist nichts anziehender als Sachen zu hinterfragen oder auszudiskutieren.
„Ich denke es ist Zeit", meint sie nüchtern. Ich hebe eine Augenbraue.
„Klingt sehr enthusiastisch", sage ich spöttisch und schiebe sie ein Stück von mir weg. So viel zum Thema.
„So meinte ich das nicht", protestiert sie. Ich lache leise und küsse sie auf die Stirn.
„Lass mich arbeiten Baby, wir reden nachher darüber"
„Ist das ein Rauswurf?", meint sie, verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich herausfordernd an.
„Würde ich niemals tun. Bleib bei mir aber lenk mich nicht ab"
„Ohja, die zahlreichen Kunden wollen schließlich beraten werden", meint sie spöttisch und grinst. Jetzt wirkt sie tatsächlich wieder wie immer. Vielleicht hatte ich es mir nur eingebildet gehabt.
„Genau", sage ich und zeige auf den Stuhl. „Setz dich ich hol mir einen anderen"
„Aye aye Sir", meint sie und tut was ich ihr gesagt habe. Zu meiner eigenen Verwunderung. Normalerweise tat sie erst recht nicht das, was man ihr sagte. Ich beuge mich über sie und küsse sie sanft.
„Braves Mädchen", sage ich feixend und drehe mich von ihr weg, um den Stuhl aus dem Büro zu holen.
Als ich wieder zurück kehre hat sich tatsächlich ein Kunde herverirrt. Er läuft Gedankenverloren durch die vorderen Gänge und studiert das Sortiment. Dann greift er nach zwei Packungen und schlendert hinüber zu Amilia an die Kasse. Als würde sie das schon ihr ganzen Leben lang tun scannt sie die Ware ab und nimmt den 20 Dollar Schein entgegen, gibt das Wechselgeld zurück und wünscht einen schönen Abend. Leise setze ich mich neben sie.
,,Du bist eindeutig zu oft hier", sage ich spöttisch. Sie sieht mich entschuldigend an.
,,War das eine Beschwerde?", fragt sie lächelnd und lehnt sich gegen meine Schulter. Ich schüttle den Kopf und lehne mich auf dem Stuhl nach hinten.
,,Nein, aber ich bin froh, dass du genug Geld hast um uns nicht ausrauben zu müssen, wenn du den Kassenpin schon kennst", sie grinst leicht und legt eine Hand auf meinen Oberschenkel.
,,Mhm, dann wirst du ihn nicht ändern?"
,,Ich denke du würdest den neuen Pin innerhalb eines Tages sowieso kennen", sage ich und sehe mich kurz um, bevor ich nach ihrer Hand greife und sie zu mir ziehe. Zögernd setzt sie sich auf mich und sieht mir in die Augen.
,,Hast du deine Meinung geändert?"
,,Nein", flüstere ich an ihr Ohr, aber lasse eine Hand unter ihr Oberteil wandern, streiche ihre nackte Wirbelsäule entlang, bis zu ihrem Bh, schiebe einen der Träger über ihre Schulter. Sie hält meinem Blick stand, als ich langsam den Verschluss öffne. ,,Zieh ihn aus", knurre ich und lasse meine Lippen von ihrem Schlüsselbein bis zu ihrer freien Schulter wandern. Sie lacht leise auf.
,,Spinnst du?"
,,Wenn ich hier noch Stundenlang sitzen muss ohne dich haben zu können muss es nachher wenigstens ein bisschen schneller gehen"
,,Cole", lacht sie auf und schlingt die Arme um meinen Nacken, küsst mich leidenschaftlich und presst dabei nicht unbemerkt ihre Hüften gegen meine. Leise stöhne ich ihr ins Ohr, als sie auch noch ihre Hand über die Beule in meiner Hose wandern lässt. ,,Bitte", flüstert sie.
,,Nicht beim ersten Mal", sie hebt eine Augenbraue und entfernt ihr Gesicht ein Stück von meinem.
,,Das wird dein erstes Mal sein?"
,,Ich meinte unser gemeinsames erstes Mal"
,,Hm, du bist ein wahrer Romantiker", spottet sie.
,,Ja, wahnsinnig, ab morgen können wir es dann gerne auf der Personaltoilette treiben aber heute nicht", wieder lacht sie und schlägt mir leicht gegen die Schulter. Dann erhebt sie sich. Fragend sehe ich sie an, doch sie zwinkert mir nur zu und geht in Richtung der besagten Personaltoilette. Kopfschüttelnd sehe ich ihr nach und blicke zur Eingangstüre, doch keiner der Leute, die an ihr vorbeilaufen treten hinein. Frustrierend, wenn ich nicht sowieso gerade abgelenkt wäre.
Es dauert ein paar Minuten, bis Amilia wieder zurückkehrt. Ihre Wangen sind gerötet, doch auf ihren Lippen liegt ein selbstbewusstes Grinsen. Von hinten legt sie mir die Arme um den Hals und lässt mir tatsächlich ihren Bh ins Gesicht fallen. Leise lache ich und greife danach.
,,Du bist unglaublich"
,,Ich führe nur deine Befehle durch"
,,Seit wann das?"
,,Ich will schließlich auch eine Gegenleistung dafür", meint sie und setzt sich wieder auf meinen Schoß. Ich lächle und streiche ihr das Haar aus dem Gesicht. Sie greift in ihre Hosentasche und überreicht mir noch das farblich passende Unterteil.
,,Du bist vorbereitet gekommen", spotte ich. Sie nickt zustimmend und schmiegt sich an mich. ich halte sie fest und lasse ihre Unterwäsche in ihre Tasche fallen. Sie gähnt leise und küsst mich auf die Wange.
,,Cole, ich denke ich muss mich noch ein wenig ausruhen, kannst du später einfach zu mir kommen?"
,,Klar, ist deine Mutter nicht da?", sie schüttelt den Kopf und für einen Moment stiehlt sich ein grimmiger Ausdruck auf ihr Gesicht.
,,Nein, sie hat Jack bei meinem Vater abgeladen und ist mit ihrer neuesten Eroberung auf unbestimmte Zeit nach Europa geflüchtet" Ich schüttle abfällig den Kopf.
,,Warum bist du nicht auch zu deinem Vater gegangen?"
,,Ich dachte die Ruhe würde mir guttun", meint sie. Was ich gut nachvollziehen kann, ich mochte ebenfalls die Ruhe, die ich hier im Laden bei der Arbeit hatte. Zuhause war es immer laut. Irgendwelche Schwestern zickten sich immer gegenseitig an. Oder meine Mutter war so betrunken, dass sie herumschrie. Irgendwas war immer. Die Ruhe hier war fast wie Urlaub. ,,Du kennst den Code für den Aufzug, oder?" Ich nicke.
,,Natürlich"
,,Gut, weck mich falls ich nicht wach sein sollte"
,,Werde ich", flüstere ich. Sie küsst mich sanft zum Abschied und schnappt sich ihre Handtasche.
,,Beeil dich, Cole", ruft sie mir von der Türe aus zu. Ich zwinkere ihr zu und sehe ihr nach, bis sie verschwunden ist. Dann nehme ich mein Handy zur Hand und schreibe meiner Schwester, ob sie früher kommen kann.
Die nächsten Stunden vergehen ereignislos. Hin und wieder habe ich einen Kunden, aber wirklich viel ist es nicht, sodass ich nebenher noch Papierkram erledigen kann. Erst gegen Mitternacht werde ich von der Arbeit abgelenkt, als ich einen Nachrichtenton höre, welcher nicht von meinem Handy stammt. Ich bemerke Amilias Handy auf dem Boden unter ihrem Stuhl. Es muss ihr vorhin runtergefallen sein, als wir beide zu abgelenkt voneinander waren. Ich greife danach und verdrehe die Augen, als ich Jennifers Name entdecke. Wer auch sonst? Doch ihre Nachricht lässt mich innehalten.
>>Hast du den Loser endlich abserviert?<< Ich runzle die Stirn. Sie musste eindeutig mich meinen, jedoch verstehe ich es nicht ganz. Was meinte sie damit? Vielleicht wieder eine dumme Aufforderung, doch es folgt prompt eine weitere Nachricht. >>Du hast es mir versprochen<<. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Es klingt nicht länger wie etwas einseitiges. Es hörte sich verdammt ernst an. Auch wenn ich das normalerweise nicht tun würde entsperre ich ihr Handy, sie hat es schon so oft neben mir getan, dass es kein Problem für mich ist. Tief atme ich durch, bevor ich auf das grüne WhatsApp Symbol drücke. Der Chat mit Jennifer zeigt wie erwartet zwei neue Nachrichten an. Kurz überlege ich mir, ob ich Amilia nicht lieber darauf ansprechen sollte, als einfach ihre Nachrichten zu lesen, doch ich entscheide mich dagegen. Bis ich sie wieder sah würden noch Stunden vergehen. Solange kann ich nicht ruhig dasitzen. Wut steigt in mir auf, als ich die unzähligen Nachrichten durchgehe, die die beiden heute ausgetauscht haben. Ich balle die Fäuste und zwinge mich selbst dazu sitzen zu bleiben, anstatt gleich zu ihr zu eilen. Auch wenn es offensichtlich ist, dass Jennifer ihre Freundin mehr oder weniger dazu gedrängt hat mit mir Schluss zu machen, sie daran erinnert, dass ihre Eltern sie enterben und rausschmeißen würden, wenn sie von mir erfahren, stimmt Amilia zu.
>>Ich werde es tun, du hast Recht. Er ist nicht gut genug<< Ich reiße meine Augen auf. Das war doch ein schlechter Scherz. Schnell überfliege ich die restlichen Nachrichten >>Ich habe Angst, wie er reagiert<<
>>Ich kann mitkommen<<
>>Nein, dass muss ich alleine machen, er hasst dich sowieso schon<<
>>Dann mach es nach dem Sex, da checkt er es nicht sofort. Oder schreib ihm eine Nachricht<< Ich schlage so hart gegen die Kante des Tresens, dass ein stechender Schmerz meinen ganzen Arm durchfährt. Doch ich reagiere kaum darauf. Was hatte ich gerade gelesen? Wer war diese Person, die ihrer Freundin in einem Moment schreibt, dass sie mich loswerden will und im nächsten so tun kann, als wäre überhaupt nichts passiert? Welcher Mensch schläft mit jemandem, nur um die mögliche Wut durch Sex zu besänftigen?
Je länger ich im Laden bin, desto mehr wächst die Wut in mir heran. Es ist beinahe unerträglich. Ich kann keine Minute länger hierbleiben. Ich muss das klären, auch wenn ich sie am liebsten einfach sofort aus meinem Leben verbannen wollte. Doch sie würde hier so oder so aufkreuzen, schon alleine wegen ihrem Handy. Und ich will sie hier nicht mehr haben. Außerdem will ich das sofort selbst von ihr hören.
Auch wenn ich es morgen bereuen werde schließe ich den Laden ab und renne förmlich zu dem Haus, in dem sie wohnt. Ich brauche nur halb solange wie sonst, so eilig habe ich es. Aber nicht, aus den Gründen, die ich vorhin noch im Sinn gehabt hatte.
Der Aufzug braucht für meinen Geschmack zu lange, doch als er endlich im richtigen Stockwerk hält bleibe ich stehen. Ich muss mich ein wenig beruhigen. Ich habe erst heute gehört, dass ich meinem Vater ähneln würde. Egal wie sehr ich sie gerade hasste, ich würde sie nicht behandeln, wie mein Vater es tun würde. Ich würde so ruhig wie möglich bleiben. Auch wenn es mich eine Menge Überwindung kosten wird. Es ist ruhig in der Wohnung, wahrscheinlich schläft sie wirklich noch, kein Wunder, es war gerade mal ein Uhr Nachts. Statt sofort auf ihr Zimmer zu stürmen gehe ich lieber auf die Terrasse und schließe leise die Terrassentüre hinter mir. Ich lasse mich auf einen der Stühle fallen und zünde mir eine Zigarette an. Eine reicht allerdings nicht aus, um mich auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Genau genommen braucht es eine Dreiviertelstunde Kettenrauchen, bis ich sicher bin, dass ich ganz normal mit ihr reden kann.
Vor ihrer Zimmertüre schließe ich die Augen und greife nach der Klinke. Unsicher, ob ich sie wirklich nach unten drücken soll oder ob ich einfach nach Hause gehen sollte, bleibe ich stehen. Wir kennen uns seit zwei Monaten. Fast genauso lange sind wir zusammen. Keine lange Zeit, um genau zu sein. Aber ich habe noch nie so viel gefühlt. Noch nie war ich mir mit einer Person so sicher gewesen. Ich hatte gedacht, dass unsere Differenzen kein Problem darstellten. Genau genommen hatte mich noch nie so sehr in einer Person getäuscht. Jennifer hatte wenigstens nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie mich nicht gut genug für Amilia fand. Diese hatte hingegen nie irgendwas in der Richtung gesagt oder angedeutet. Oder ich hatte es nicht bemerkt.
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