Kapitel 4
Es muss keinen Sinn ergeben, um Sinn zu ergeben.
- Ted Mosby, How I Met Your Mother
19. Dezember 2017, Hochzeitslocation, irgendwo im nirgendwo
SOPHIA ♠ Ich war sprachlos. Schlicht und einfach nur sprachlos.
Okay und vielleicht ein wenig hin und hergerissen. Einerseits freute ich mir einen Ast, dass ich Recht gehabt hatte. Cheryl war zum Kotzen und ich hatte es gleich gemerkt. Eben dieser Fakt lag mir aber auch andererseits aus zwei Gründen ein bisschen schwer im Magen. Grund Eins, und absolute Priorität: Wenn ich Liam steckte, was seine Verlobte für eine Hure war, würde er mich vermutlich hassen, weil ich ihm das Herz brechen würde. Grund Nummer Zwei: Meine Schadenfreude. Es hatte für mich einen seltsamen Beigeschmack, wenn ich mich so freute. In meinen Augen machte es den Anschein, als würde ich mir Hoffnungen machen. Das war natürlich absolut nicht der Fall!
Irgendwie konnte ich es mir nicht verkneifen, weshalb ich noch einmal durch die breiten Blätter des Grünzeugs lugte. Ekelhaft, wie sie sich aneinander rieben. Hatte die Frau kein Ehrgefühl? Dieser (leider sehr heiße Koch) betrachtete Cheryl wie eine sonst eigentlich teure Kiste Trüffel im Sonderangebot. Es würde mich nicht wundern, wenn er im Kopf gerade irgendein Menü durchging und sich nebenbei gegen diese Betrügerin quetschte.
Auch wenn ich es gerne wollte. Ich konnte ihr nicht die ganze Schuld in die Schuhe schieben. Immerhin hatte dieser Billighopper seine Latte nicht sehr hoch gelegt, wie man (leider) sehen konnte.
Doch viel wichtiger, als das Betrachten seiner durchaus sexy aussehenden Rückenmuskeln war die Frage, ob und wenn ja, wie ich Liam diese Sache beibringen sollte. Die Frage nach dem ob, klärte sich von selbst. Völlig ungeachtet meiner Schadenfreude, konnte ich Liam schlecht in sein Unglück rennen lassen. Es war meine Pflicht als beste Freundin seinen Arsch zu retten.
Aber ohne Beweise brauchte ich bei ihm nicht anzukommen. Eines sollte man vielleicht noch wissen: Andy, Liam und meine Wenigkeit liebten es nicht nur, uns eigene Heldengeschichten zu den Drei Musketieren auszudenken, nein. Viel cooler war es, wenn ich, der Bösewicht, irgendetwas angestellt und Liam als Sherlock, in Begleitung von Andy als Watson, meine Verbrechen aufgeklärt hatte. Ohne Beweise lief bei diesem Sturkopf gar nichts.
Mit zittrigen Fingern fischte ich mein Handy aus der Hosentasche und versuchte den richtigen Moment abzupassen, schließlich musste ich Cheryls Gesicht gut zu sehen auf das Foto bekommen, bevor er noch die Photoshop-Karte ausspielte.
Dass mich das Schicksal nicht gerade als beste Freundin in seinem kleinen Büchlein eingetragen hatte, war mir schon lange klar gewesen. Ich war prinzipiell diejenige, die bei Schulausflügen irgendwie seltsam stürzte und mit Fäden zusammengeflickt werden musste. Gläser und Spiegel zerbrachen immer und bevor ich mein Portmonee in die Tasche steckte, schob ich jedes Mal zuerst Pflaster in allen möglichen Formen, Farben und Größen hinein, um ja auf Nummer sicher zu gehen. Aber ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, musste mir Karma nicht unbedingt beweisen, dass sie eine Bitch war.
Geschlagene zehn Minuten hatte ich versucht Taylor zu erreichen und ausgerechnet jetzt, wo ich mich versteckte um ein Bild dieser Bezirksnutte zu machen, da kam Miss Oberwichtig auf den Trichter „ach Mensch, ich könnte mich ja mal melden." Natürlich! Warum auch nicht? Ich hatte mein Telefon ja auch nicht in den stummen Modus gestellt, da machte es noch mehr Spaß.
Egal, wie schnell ich versuchte das Klingeln irgendwie zu stoppen; es war ohnehin schon zu spät. Der Koch ließ Cheryl eiskalt fallen und diese schaute direkt in meine Richtung. So gut es ging presste ich mich gegen die Wand, doch es war zu spät.
„Scheiße, die blöde Ziege hat uns gesehen", fauchte Cheryl. „Was machen wir jetzt, Rob?"
„Also ich weiß nicht, was du machst, aber ich geh jetzt den Druck abbauen, den du aufgebaut hast." – Widerlich, dieser Kerl! In diesem Haus würde ich absolut nichts mehr essen, so viel stand fest!
Fluchend schlich ich um die Ecke und nahm ab. Taylor ließ ich allerdings erstmal nicht zu Wort kommen: „Schlechtes Timing", erklärte ich und legte auf. Hinter mir hörte ich High Heels über das Holz klackern. Wenn ich jetzt losrennen würde – könnte ich sie dann abhängen? Andererseits war dies meine Gelegenheit sie zur Rede zu stellen.
Mit einem ekelhaft, süßlich-unschuldigen Lächeln kam Cheryl zu mir getippelt.
„Mensch, Sophia – richtig? Es ist mir eine Ehre, dich endlich mal richtig kennen zu lernen. Liam hat schon so viel von dir erzählt. Und er hat nicht übertrieben! Wie hübsch du aussiehst!"
Genau fünf Dinge schwirrten mir sofort durch den Kopf, als ich sie so reden hörte:
- Ich glaube ich muss kotzen!
- Mädchen? Bist du doof? Wir haben uns gestern kennen gelernt und du hast denselben Bullshit gefaselt, wie jetzt.
- Hoffentlich rammt sie mir kein Messer in den Rücken, wenn sie mich umarmt.
- Alter. Was hast du da an? Großmutters Tischdecke und die Nuttenstiefel von Opas Hobby?
- Halt die Fresse, sonst rutsche ich auf deinem Geschleime aus.
Allerdings konnte ich keines dieser fünf Dinge wirklich aussprechen, ohne mich vor ihr zum Volldeppen zu machen, denn leider musste ich zugeben: Sie machte mir Angst. Ich traute ihr nicht, sie war leider wirklich, wirklich hübsch und die Haken, auf denen sie in Windeseile zu mir gehuscht war, machten sich prima als Mordwaffe. Derweil Cheryl mich weiter vollschleimte und ihren Arm um meine Schultern legte, überlegte ich, wie ich aus der Nummer wieder heraus kam. Ihr penetrantes Parfum vernebelte mir aber leider völlig die Sinne. Mein Kopf rauschte und wenn ich mich nicht anstrengen würde, würde meine Augen tränen.
„Weißt du, Liam ist wirklich ein toller Mann. Und was du hier gesehen hast, das war das Ende von einem großen Fehler. Nicht der Anfang." – Bullshit! Ganz klar. „- und da wir beide Liam lieben, ist doch klar, dass wir ihm nicht wehtun wollen oder?"
„Ich glaube ich muss kotzen." Dieses schleimige Heucheln machte mich krank!
„Oh, geht's dir nicht gut? Wenn du dich übergeben musst, dann bitte nicht auf das Holz."
Was bitte sollte ich von dieser Frau halten? „Weißt du was, Cheryl? Du bist einfach armselig."
Etwas unbeholfen wandte ich mich aus ihrer ‚Ich-bringe-dich-gleich-um'-Umarmung und stolzierte über die hölzerne Terrasse ins Innere. In dem offenen Wohnbereich hatte man bereits eine lange Tafel aufgebaut. Weiße Tischdecke, weiße Teller und mint-grüne, sowie dunkelblaue Akzente. Besonders die blauen Gerbera gefielen mir sehr. Hätte ich nicht wichtigeres zu tun, hätte ich definitiv ein Foto gemacht. Das Arrangement gefiel mir wahnsinnig gut und auf den ersten Blick fand mein geschultes Auge nicht einen Makel. Allerdings fanden meine Augen den Bräutigam nicht. Dafür aber meinen Mr. Watson.
Schnell quetschte ich mich an Chantal 2 und 3 vorbei und versuchte die Keller mit den Tabletts voller Sektgläser bei dem Versuch zu Andy zu gelangen, nicht umzurennen. „Andy! Hase, hast du Liam gesehen?" Mein Masterplan, nämlich ihn mit einzubinden, da ich mir sicher war, dass auch er diesen Güllewurm nicht leiden konnte, hatte einen Haken. Auch Andy hatte ich fünf Jahre nicht gesehen.
„Sophia! Achherje, wie hübsch du bist! Lass dich ansehen, Maus." Er zog mich in eine feste Umarmung und unter anderen Umständen, hätte ich sie möglichst lange erwidert. Niemand gab so wundervolle Umarmungen, wie Andy. Allerdings handelte es sich hier um einen Wettlauf mit der Zeit. Wortwörtlich. Gerade als Andy mich zum zweiten Mal an deine Brust drückte, schaffte ich es über seine Schulter hinweg zu lunzen. Cheryl stand auf der Treppe und hielt Ausschau, auch sie suchte nach Liam.
„Es ist klasse, dich wieder zu sehen aber sag, hast du Liam nun gesehen oder nicht?" presste ich hervor und versuchte mich aus seinen Armen zu befreien. Andy zog einen Schmollmund und verschränkte die Arme vor der Brust: „War ja klar, dass der wieder wichtiger ist als ich." Jap, in diesem Moment schon. Aber da ich mir nicht hundert prozentig sicher war, ob er nur gespielt schmollte oder nicht, verkniff ich mir die ehrliche Antwort und beschloss auf eigene Faust nach ihm zu sehen, denn auch Perrie und Eleanor konnten mir nicht helfen.
Harrys braune Lockenmähne, welche unverkennbar aus der Masse hervorstach, half mir schließlich ihn zu finden. Gerade, als ich nach ihm rufen wollte, drehte Harry sich zur Seite und offenbarte leider nicht nur Louis und Niall, die beide hinter ihm standen.
Diese blöde Hafenhure schmiegte sich eng an meinen besten Freund und sabberte ihn dort an, wo der heiße Koch eben noch sie angesabbert hatte. Verdammte Scheiße! Somit konnte ich nicht mit der Tür ins Haus fallen. Also die feinfühlige Art. (Welche mir leider absolut überhaupt nicht lag.)
„Liam?" Vorsichtig zwischen Harry und Louis hindurch lugend, versuchte ich Liams Aufmerksamkeit zu erhaschen, doch Cheryl sabberte lieber an ihm rum. Dagegen kam ich nur schwer an. Also doch keine feinfühlige Art. Kurzerhand stieß ich Louis ganz, ganz ausversehen gegen den Arm. Er stand nahe genug an Liam, dass sich der Inhalt seines Champagnerglases über Liams Hemd verteilte. „Oh nein, ich Dusselchen. Komm, ich regle das!" Noch bevor Liam sich wirklich aufregen konnte, zerrte ich ihn mit mir mit. „Sophia, was soll das?"
„Ich muss mit dir reden. Es ist dringend." Kurz bevor ich ihn in die Herrentoilette ziehen konnte, riss er sich aus meinem Griff. „Was ist denn los mit dir? Du führst dich völlig idiotisch auf!"
„Ich? Führe mich idiotisch auf? Du willst mich doch verarschen, oder?"
„Sehe ich so aus, als würde ich Scherze machen? Seit du hier bist, führst du dich völlig bescheuert auf, machst ständig irgendeine Szene! Vom Jungesellinnenabschied bist du auch schon früher verschwunden!" Liam schrie mich an. Er schrie mich tatsächlich an. „Cheryl hat sich Sorgen gemacht, als sie bemerkt hat, dass du einfach weg bist."
„Das ist ja wohl die Höhe?! Als ob diese blöde Heuchlerin sich um mich scheren würde!" Jetzt platzte mir wirklich der Kragen. Ich war extra für ihn zurückgekommen, hatte meine Arbeit links liegen lassen und eine Mammutreise hinter mir. Fassungslos hatte ich mit ansehen müssen, wie beschissen er seine Freunde behandelte und was für eine Hobelschlunze er sich angelacht hatte. Ich versuchte ihn gerade vor seinem größten Fehler zu bewahren und musste stattdessen mit mir reden lassen, als wäre ich der größte Idiot auf Erden? „Vielleicht solltest du mal lieber deine Verlobte fragen, warum sie nicht gleich gemerkt hat, dass ich weg bin. Oder frag sie doch mal, was es heute zu Essen gibt, sie sitzt ja an der Quelle...oder sollte ich lieber sagen, die Quelle steckt in ihr?"
„Was soll das denn jetzt? Jetzt beschuldigst du sie auch noch? Bist du nicht mehr ganz bei Trost?!"
„Lee, Baby, glaub ihr kein Wort! Sie ist einfach nur eifersüchtig auf uns. Siehst du das nicht? Wahrscheinlich steht sie selber auf dich und will deshalb mit aller Gewalt die Hochzeit verhindern."
Natürlich. Auf Kommando.
Liams Blick wurde starr. Er sah kühl durch mich hindurch und sprach mit einer Härte, die ich so noch nie von ihm gehört hatte: „Ich glaube es wäre besser, wenn du gehst, Sophia."
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