Kapitel 10





Eines Menschen Vergangenheit ist das, was er ist. Sie ist der einzige Maßstab an dem er gemessen werden kann.

                                                                                                                                                            - Oscar Wild


13. Mai 2018 , Londons coolester Country - Club


EPILOG Prüfend schaut sich die Brünette im Spiegel an. Sollte sie wirklich die schwarze Lederhose anziehen? Oder vielleicht doch lieber das gelbe Kleid?

Als sie sich das schwarze Shirt ausziehen will, schlingen sich von hinten Arme um ihre Hüfte. Sanft spürt sie seinen Kopf auf ihrer Schulter, seine Lippen an ihrem Hals. „Guten Morgen, mein Engel", flüstert seine raue Morgenstimme. Zärtlich entledigt er sie ihres Pullovers, dreht sie zu sich um und schaut ihr in die Augen. Ihr Gesicht in seinen weichen Händen flüstert er: „Happy Birthday" und küsst sie lange und zärtlich.

Viel zu lange hat sie sich enthalten, Tom auf Abstand gehalten und dem Wunschtraum nachgehangen, jetzt, da Liam frei ist, würde er erkennen, dass sie die Eine für ihn sein könnte. Doch mit seinem Hass Tom gegenüber hat er sie nur weiter in seine Arme getrieben.

Zunächst hatte Sophia geglaubt, ihre Gefühle für Tom seien eine reine Trotzreaktion. Doch mit Momenten wie diesen vertrieb Tom spielend leicht all ihre Zweifel.

„Gelb oder Schwarz?" fragte sie ihren Fast-festen-Freund und drehte sich wieder zum Spiegel um.

„Wenn's nach mir ginge gar nichts. Aber das kommt bei deinem Dad nicht gut, schätze ich."

„Blödmann!" Lachend aber bestimmend boxte sie ihn gegen die Schulter. Heute, an ihrem 25. Geburtstag, wollte sie schön aussehen. Auch wenn Sophia in der Regel nicht der Typ war für diesen typischen Mädchenkram, hatte sie heute früh extra geduscht und ein komplettes Wellnessprogramm durchgezogen. Ihre Beine schmerzten noch immer von dem verfluchten Heißwachs. Eigentlich hätte der Name alleine zur Vorsicht raten sollen. Doch dieser hinderte Sophia natürlich nicht davor sich die Finger zu brennen. Generell hatte sie einen Hang zur Selbstverletzung, wie ihr nur wenig später wieder aufgezeigt wurde.



Derweil Tom beschlossen hatte, es sei Zeit für einen Kaffee und ein schönes Frühstück, weshalb er in die Küche gelaufen war, wollte Sophia sich schön machen. Wenigstens einmal sollte Tom sie schön zu Gesicht bekommen.

Während sie also den Kaffeeautomaten rauschen hörte, war sie ins Badezimmer gelaufen und hatte sich im Spiegel betrachtet. Statt allerdings die lästige Strumpfhose  in Ruhe anziehen zu können, war sie auf den heraus gefallenen Badekugeln ausgerutscht und hatte sich das Knie gestoßen. Die Mascara landete nicht auf den Wimpern, sondern im Auge und sie verwechselte im kaputten, flackernden Badezimmerlicht Puder mit Rouge.

„Scheiße", flucht sie und wischt sich den ganzen Schmadder wieder aus dem Gesicht. Dann würde Tom halt mit ihrem Durchschnittsgesicht leben müssen, schließlich hatte er es in den letzten fünf Monaten auch ganz gut überlebt.






Ebenso gut überlebte er das erste Zusammentreffen mit Sophias älterer Schwester Zoé. Die 27 Jährige war extra aus Antananarivo, Madagaskar, angereist, um mit ihrer kleinen Schwester Geburtstag zu feiern. Zumindest war dies die offizielle Erklärung Zoés.

Eigentlich führte die wahlweise Blondierte anderes im Schilde. Ihre kleine Schwester hatte also einen neuen Freund, der acht Jahre älter war, als sie und dann nicht einmal Liam Payne hieß? Das konnte Zoé nicht akzeptieren. Ein –leider etwas teurerer Anruf – und sie hatte Andy Samuels an der Angel. Irgendetwas musste sich doch richten lassen oder?

Sophia hatte genau damit gerechnet. Sie wusste, dass ihre Schwester nicht nur wegen ihres Geburtstags angereist war. Nein, nein, nein. Somit starb sie tausend Tode, zerquetschte Toms Hand unter dem Tisch und versuchte das gelbe Kleid nicht völlig durchzuschwitzen, während Zoé das liebste Lächeln ihres Repertoires aufgelegt hatte und zeitgleich Tom alles aus den Fingern zog. Eigentlich wartete die Brünette nur darauf, dass Tom nach der Blutgruppe und einem polizeilichen Führungszeugnis gefragt wurde. Man wusste ja nie.

„Deine Schwester ist ganz reizend."

„Die Schöne und das Biest."

„So schlimm fand ich deinen Schwager gar nicht."

„Ich rede von meiner Schwester. Sie ist das Biest in Gestalt von Belle. Sei froh, dass sie keine Blutprobe genommen hat. Du hast doch keine Einstichwunden irgendwo oder?" Nur um auf Nummer sicher zu gehen, sucht sie prüfend nach irgendwelchen Verletzungen, die Zoé ihm unauffällig zugefügt haben könnte.









Während sich Tom wahnsinnig auf die Überraschungs-Motto-Party für sein Mädchen freut, fragt sich Sophia lieber ständig, welche blöden Kommentare ihre Freunde Tom nun wieder entgegenbringen würden. Liam, Harry, Zoé und Andy schienen sich gegen sie verschworen zu haben.

„Wir sind die neuen Chiam", flüstert Sophia leise zu ihrem Spiegelbild, als es ihr wie Schuppen von den Augen fällt.

Und übergibt sich direkt in das nebenstehende Klo.



Wenn ihr das jemand vor fünf Monaten gesagt hätte, dass sie sich einmal wie Liam in seiner verkorksten Beziehung fühlen würde, hätte sie ihn ausgelacht. Eiskalt. Und danach geschlagen. Wie konnte man Tom mit Cheryl vergleichen.


„Geht's dir gut, Engel?" Besorgt taucht Tom hinter der verschlossenen Badezimmertür auf. Zu Sophias Glück hatte sich der junge Mann heute Mittag zum ersten Mal an einer »Sopon de Pescadores« versucht. Einer traditionellen Fischsuppe aus dem spanischen Raum. Statt also zu sagen: „Mir ist aufgefallen, was für 'ne verkorkste und von meinen Freunden verhasste, undefinierte Beziehung wir führen und da musste ich kotzen", sagte sie: „Ich muss eine schlechte Miesmuschel erwischt haben." Auch wenn Zweites dazu führte, dass Tom sich enttäuscht Vorwürfe machte, sorgte es doch für deutlich weniger seelischen Schmerz als die offensichtlich wahre Variante Nummer Eins.






Da Sophia während des Brunchs das gelbe Kleid völlig durchgeschwitzt hatte, konnte sie dieses am Abend nicht mehr tragen und entschied sich schließlich für ein paar schöne Stiefel, ihre neue schwarze Lederhose und ein schwarzes leicht bauchfreies Top. Heute, wo Tom sie zum Essen ausführen wollte, wollte sie sexy aussehen. Einen letzten Versuch wagend, stellte sich Sophia vor den großen Spiegel in ihrem Schlafzimmer, während Tom sich im Badezimmer Gel in die Haare schmierte.



„Ein letzter Strich..." „Wenn du dich noch mehr anstrengst, beißt du dir die Zunge ab", feixt Tom grinsend und drückt Sophia einen sanften Kuss auf die Lippen. „Schau mal, fast gerade!" Stolz schließt sie die Augen, um Tom ihr Ergebnis zu zeigen, schreckt aber zusammen und schmiert sich etwas von dem flüssigen Eyeliner auf die Wange. Etwas kaltes, Metallisches legt sich auf ihrem Dekolleté nieder. Tom hatte doch nicht? Und wie er hatte.  Ein kleines, glitzerndes T hängt um ihren Hals. Statt sich zu freuen, muss sie einfach schallend loslachen.

Sofort denkt sie an ihren Abschlussball. Wie sie dort ganz hässlich die Treppen herunter gestürzt war und sich ein Bein gebrochen hatte. Wie Liam zu ihr ins Krankenhaus geschlichen war – sein Date hatte er einfach stehen lassen – und mit ihr »High School Musical« auf seinem Laptop geschaut hatte, wie sie mit Troy und Gabriella mitgefiebert hatten, wie sie schief und lachend mitten in der Nacht ❛Start of something new❜ gegrölt hatten. So lange, bis die Nachtschwester, die Liam nur ausnahmsweise zu Sophia gelassen hatte, erbost herein gestürmt war und ihn an den Ohren heraus zog. „Ich komme wieder!" hatte Liam dramatisch gerufen. Und das tat er, denn als Sophia ihre Augen aufgeschlagen hatte, saß er da. Bei ihm »High School Musical 2«.

„Ist das zu viel? Ich meine...ich dachte, also?" Unsicher sieht er seine Freundin durch den Spiegel an. „Sie ist wunderschön", erwidert Sophia und bedankt sich mit einem innigen Kuss. Dass sie dabei innerlich immer noch schmunzelt und sich fragt, wie der Junge, der jeden einzelnen »High School Musical« Song absolut versaut hatte, zu einem der größten Musikproduzenten ihrer Zeit hatte werden können, verschweigt sie Tom lieber.



In dem festen Glauben, Tom wird sie in ein Restaurant ausführen, steigt sie zu ihm in den Wagen.


Nur, dass sie nicht wie erwartet beim Italiener um die Ecke aussteigt, sondern in keinem geringeren Club, als dem »Cherokee Town and Country Club«. Jener Country Club, in welchem sie zum zweiten Mal mit Tom getanzt hatte. Jener Country Club, in welchem er sie zum ersten Mal geküsst hatte.

„Was wollen wir denn hier?" fragt sie überrumpelt aber strahlend.

„Na was wohl?" Gleichzeitig setzt Tom ihr einen echten Stetson auf und öffnet die Tür.

Little Big Town's »Pavement Ends« beginnt zu spielen, ihre Freunde stehen auf und beginnen sich auf zu stellen. Ohne zu zögern reiht Tom sich ein und präsentiert Sophia, was er ihren Freunden beigebracht hat. Alle sind Anwesend. Harry und Taylor. Perrie und Niall. Eleanor und Louis. Ihre Schwester Zoé und ihr Ehemann Judicaël, den alle nur liebevoll Judy nennen. Gleich auf den ersten Blick hat Sophia alle Menschen gefunden, die ihr wichtig sind. Bis auf einen.



Liam steht an der Bar, weigert sich zu tanzen und muss sich ein kräftiges Würgen verkneifen, als die Tür aufgeht. Wieso hat der Lackaffe Sophia solch einen albernen Hut aufgesetzt? Sofort sticht ihm die neue Kette um ihren Hals ins Auge. Na super. Das waren sicher echte Diamanten. Vielleicht nicht sehr rein. So wird er mit seinen Theaterkarten für die Premiere der Drei Musketiere im Londoner West End sicher abstinken. Dabei hat er sich schon so auf ihr Gesicht gefreut. Dank der guten Organisation des Blödhammels kannte Liam jedes Geschenk für seine beste Freundin. Louis und Eleanor hatten ihr eine wunderschöne Wanduhr für die noch immer unfertige Wohnung besorgt. Taylor hatte in New York extra DUKALE'S DREAM für gefühlte Jahre besorgt und Harry hatte sich preislich beteiligt, weil ihm nichts Originelleres eingefallen war. Perrie hatte sich durch Sophias Blog gegraben und Kinderfotos von meinen Alben geborgt, um ihr ein ganz persönliches Reisetagebuch zu basteln. Zoé wollte sie zum Tätowierer zerren, ein Schritt, den Sophia bisher nie gewagt hatte und Niall hatte ein ungarisches Fotobuch und eines mit Rezepten besorgt.

Trotzdem war er sich sicher gewesen, dass sie sich über sein Geschenk am meisten freuen würde. Schließlich waren sie doch die Drei Musketiere, Andy, Liam und sie. Aber gegen die Klunker würde er sicher abstinken.






Als der Dummdödel sein Gehopse beendet hat, kommt Sophia direkt auf Liam zu. „Alles Gute zum Geburtstag, Aramis", flüstert Liam ihr ins Ohr und schließt sie fest in die Arme. „Danke, Porthos", zwinkert sie und bringt ihn somit zum Lächeln. Sie ist also gleich drauf angesprungen. Vielleicht ist doch noch nicht alles verloren.



Statt sich an den Plan des Minirambo zu halten, bittet Liam Sophia sich nicht von der Stelle zu bewegen. Er würde unterdessen zu seiner Jacke marschieren.



Mit einem neuen Whiskeyglas für ihren besten Freund und einem Martini für sich wartet Sophia, wie ihr geheißen.

Doch Tom kommt Liam zuvor.

Gerade, als der junge Mann mit den Karten, hübsch eingepackt in Toilettenpapier, zurück kommt, sieht er, wie Tom ihr einen Kuss auf die Lippen drückt und ihr einen leider hübschen Kompass hinhält. „Hier. Damit du immer zu mir zurück findest."


Statt seine Gefühle zu unterdrücken, beginnt Liam zu würgen und zieht somit Sophias Ärger auf sich. Sie wirft ihm einen genervten Blick zu, fragt ihn was das solle. Sie ist so genervt von dem kindischen Verhalten ihres besten Freundes, dass sie nicht bemerkt, wohin die rote Nadel wirklich zeigt.









Es ist spät, sehr spät, als Liam sich von seinem Platz im Norden weiter Richtung Süden bewegt. Seit Sophia ihm sein kindisches Verhalten vorgehalten hat, hat sie nicht mehr mit ihm geredet. Stattdessen hat er sich lieber mit Niall zusammen betrunken.

„Kumpel, warum redest du nicht endlich mit ihr?" Der blonde junge Mann ist genervt. Nicht, weil auch er das Verhalten seines Freundes kindisch findet. Nein, er ist genervt, weil er genau weiß, dass Liam endlich aufgewacht ist. Er hat endlich begriffen, wen er wirklich liebt.

„Es ist zu spät."

„Manchmal ist zu spät genau richtig, mein Lieber."

Was sollte das denn? Diese Pseudoweisheiten. Was sollte es Liam bringen? Genau in diesem Moment zeigt Niall in Sophias und Toms Richtung. Streiten sich die zwei etwa?

„Na jetzt geh schon, du Hammel!" Niall schiebt seinen besten Freund von der Sitzbank des rustikalen Clubs und betet zu Gott, dass er es nicht vermasseln wird.






„Ja genau. Jetzt kommt dein heiliger Liam wieder."

„Was soll das denn jetzt, Tom?"

„Es kotzt mich langsam an, Sophia. Dass du ihn immer in Schutz nehmen musst. Er hasst mich und er will nicht akzeptieren, dass er nicht mehr die erste Geige spielt. Er ist ein eifersüchtiges Kind, ein Dummkopf und du willst es nicht einsehen. Ich kann das nicht mehr, Sophia. Du musst dich entscheiden. Entweder er oder ich."

Völlig schockiert bleibt Liam stehen. Er hat Angst vor ihrer Antwort. Er hat Angst, dass Tom nun völlig ausrasten könnte. Er hat ihn noch nie so erlebt. Nie hat er jemanden so mit seiner Sophia reden hören. Und das würde auch niemand mehr wagen. Vorsichtig tritt Liam näher, will Sophia den Rücken stärken und ihm sagen, wenn er es noch einmal wagen sollte, dann-

Doch das musste Liam nicht.


Sophia wusste bereits, dass Liam hinter ihr stand. Sie weiß, dass er immer hinter ihr stehen wird. Sie tritt einen Schritt zurück, verschränkt ihre Finger mit seinen und funkelt Tom böse an. „Stell dich nie wieder zwischen mich und meine Familie."

„Ist das dein letztes Wort?"

„Nein. Verpiss dich. Ich will dich nicht mehr sehen. Das war mein letztes Wort."

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