~Schmerz

Louis Pov

Bevor Liam mein Zimmer verließ, lächelte er mich noch einmal an, wobei jedoch die Sorge in seinen Augen nicht zu übersehen war. Einen Moment blieb ich noch auf meinem Bett sitzen , ehe ich dieses verließ und mich ins Badezimmer schleppte. Die Tür verschloss ich hinter mir. Auf direkten Weg steuerte ich den Hängeschrank übern Waschbecken an und holte eine kleine Plastikbox hervor mit welcher ich mich auf den Rand der Badewanne setzt. 

Mein Blick lag starr auf dem Gegenstand in meinen Händen. Ich hasste mich dafür, dass ich so tief gesunken war. 

Wie mechanisch nahm ich eine Rasierklinge aus der Verpackung. Ich hasste mich dafür, dass ich meine Gefühle nicht in den Griff bekam. 

Die Klinge zwischen meinen Fingern fühlte sich gut an. In diesem Momenten hatte ich die Kontrolle über meinen Schmerz. Ich hasste mich dafür, dass ich in den anderen Lebenslagen die Kontrolle über mein Leben verloren hatte. 

Ich krempelte den Ärmel meines Pullovers hoch und ließ den Blick über all die Narben gleiten. Ich hasste mich dafür, dass ich meinen Körper, den ich sowieso noch nie leiden konnte, noch weiter verunstaltete. 

Ohne zu zögern setzte ich die Klinge an meinen Unterarm und zog einen neuen Schnitt. Ich hasste mich dafür, dass ich den Schmerz brauchte, um mich lebendig zu fühlen. 

Stumm rannen Tränen über mein Gesicht und für jede Träne hasste ich mich noch ein Stückchen mehr. Wie konnte man nur so erbärmlich sein wie ich? Warum war ich noch immer ein Teil von One Direction? Wieso war ich noch am Leben?

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Mit Tränenverschleierten Blick sah ich von der blutenden Wunde auf zur Tür. 

  "Louis?", ertönte Harrys Stimme aus meinem Schlafzimmer. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. "Ist alles in Ordnung?" Ich biss mir fest auf die Unterlippe, um ein Schluchzen zu unterdrücken. "Mach bitte die Tür auf." Ich blieb stumm. Mein Blick glitt zurück zur Rasierklinge. "Bitte, ich mache mir Sorgen um dich." Mein Blick wanderte weiter zu all den Narben, die bereits meinen Unterarm zierten. 

Warum musste ich mich ausgerechnet in meinen besten Freund verlieben?

Ich platzierte die Klinge wieder an meiner Haut. 

Harry war perfekt. Er könnte jede Person auf dieser Welt haben. Warum sollte er sich dann ausgerechnet für mich entscheiden? Warum sollte sich irgendjemand für mich entscheiden?

Erneut zog ich die Klinge über meine Haut. Blut drang aus der Wunde, während der Schmerz mir neue Tränen in die Augen trieb ... Doch ich genoss den Schmerz. 

  "Lou, sag doch bitte irgendwas", flehte Harry, der noch immer vor der Badezimmertür stand. Kaum hatte der Schmerz des Schnittes etwas nachgelassen, setzte ich die Klinge zum dritten Mal an. "Was machst du?" Harry ließ einfach nicht locker, so wie er es auch in den letzten Wochen schon nicht getan hatte. Seit Wochen stieß ich Harry von mir und trotzdem kehrte er immer wieder zu mir zurück. Konnte er nicht einfach akzeptieren, dass ich ihn nicht mehr in meiner Nähe haben wollte? ... Ich konnte seine Nähe einfach nicht mehr ertragen. Jeder Tag, an dem ich Harry nicht haben konnte, zerstörte mich ein Stückchen mehr. Ich zerbrach innerlich. 

  "Jetzt mach endlich diese verdammte Tür auf!", rief der Lockenkopf, wobei er wütend gegen die Tür hämmerte.  "Bitte", schob er flehend hinterher. Doch ich schwieg, während ich die Klinge ein weiteres Mal platzierte. "Boo, bitte." Vor der Tür ertönte Harrys Schluchzen, was meinen innerlichen Schmerz nur noch verstärkte. Er sollte nicht weinen und erst recht nicht wegen mir, denn ich war keine einzige seiner Tränen wert. 

Schritte näherten sich, dann ertönte Nialls besorgte Stimme. 

  "Hat er sich wieder eingesperrt?" Harrys Antwort konnte ich nicht hören, vielleicht hatte er lediglich mit einer Bewegung geantwortet. Es klopfte leise an der Badezimmertür. "Louis?", kam es vom Iren, welcher, so wie bereits zuvor Harry, keine Antwort erhielt. Ich versuchte die Beiden zu ignorieren und konzentrierte mich stattdessen wieder auf die Rasierklinge in meiner Hand. Das Blut hatte sich inzwischen auf meinen Armen und Beinen verteilt. "Entweder du kommst da jetzt raus oder ich hole Zayn", drohte Niall ohne eine Reaktion von mir zu erhalten. Er schien noch irgendwas zu Harry zu sagen, dann entfernten sich Schritte. 

Ein Klirren an der Fensterscheibe ließ mich zusammenzucken. Erneut flog irgendwas gegen das Glas, weswegen ich mich aufraffte, zum Fenster trat und dieses öffnete. Draußen im Garten entdeckte ich Liam, der einige kleine Steinchen in der Hand hielt. 

  "Komm runter", forderte er mich auf, jedoch schüttelte ich stur den Kopf. Der Jüngere verdrehte die Augen und verschwand kurz aus meinem Blickfeld. Als er zurückkehrte, hatte er eine Leiter dabei, die er am Rahmen meines Fensters anlehnte. "Wir beiden machen jetzt nen kleinen Ausflug", berichtete er mir, woraufhin ich schweigend hinter mich zeigte, wo inzwischen auch Zayn zu hören war. Als Antwort zuckte Liam lediglich mit den Schultern. Ich rang einen Moment mit mir selbst, ehe ich mich seufzend ergab. Nachdem ich Liam ein Zeichen gegeben hatte, dass er einen Moment warten sollte, begab ich mich zum Waschbecken. 

Das Blut spülte ich mir mit etwas Wasser vom Arm, legte einen Verband an und verstaute die Rasierklinge wieder an ihren Platz. Mit einem Handtuch wischte ich das Blut vom Boden und tauschte meine Kleidung gegen saubere Sachen, die noch vom Vortag im Badezimmer herum lagen. 

  "Ich gebe dir noch zehn Sekunden. Solltest du dann immer noch nicht die Tür aufgemacht haben, trete ich sie ein", kündigte Zayn an. Bevor er seine Drohung in die Tat umsetzen konnte, turnte ich durchs Fenster und stieg die Leiter runter zu Liam in den Garten. 

  "Ich brauche vermutlich ne neue Tür", informierte ich Liam, der die Leiter zurück an ihren Platz brachte. 

  "Zayn?", riet er, weswegen ich nickte. "Dann sollten wir uns beeilen, bevor wir noch aufgehalten werden." Grinsend ergriff Liam meine Hand und zog mich mit sich zu seinem Auto. Während ich auf dem Beifahrersitz platz nahm, setzte Liam sich hinters Lenkrad. 

  "Wo fahren wir eigentlich hin?", fragte ich und lehnte den Kopf an die Fensterscheibe. Grinsend blickte Liam kurz zu mir, konzentrierte sich beim Antworten dann aber wieder auf die Straße.

  "In die Freiheit."

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