Loveparade 2010 - Massenpanik in Duisburg

Am 24.07. fand der zwölfte Jahrestag des Unglücks der Loveparade 2010 statt. Viele erinnern sich wahrscheinlich noch an die Schlagzeilen, die durch die Nachrichten gingen. Die Technofeier des Jahres, die ursprünglich ein kleiner Straßenumzug der West-Berliner war, endete in einer Katastrophe. Seit 2010 hatte keine derartige Party mehr stattgefunden. Erst in diesem Jahr fand die Veranstaltng wieder unter dem neuen Namen Rave the Planet statt.

Doch wie genau entstand diese Technoszene? Was genau ist bei dem Unglück passiert und haben die einundzwanzig Opfer mittlerweile Gerechtigkeit erfahren?

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Am 01. Juli 1989 fand die erste Loveparade in Berlin statt. Als angemeldete, politische Demonstration wurde sie von dem Techno-Discjockey Dr. Motte und der Multimediakünstlerin Danielle de Picciotto gegründet. Festwagen mit lauter Musik rollten Richtung Siegessäule. Dort sollten einige Jahre später alle Straßen ausgehend der Säule voll gefüllt sein. Der Eintritt war gratis und außerdem wollte man die ehemaligen DDR-Jugendliche dazu einladen, an der Feier nach dem Mauerfall teilzunehmen.

Dr. Motte 1989

Das Motto lautete "Friede, Freude, Eierkuchen". Es ging vorallem um bessere zwischenmenschliche Beziehungen nach dem Mauerfall, sich durch Tanz und Musik zu verständigen und um eine gerechte Nahrungsmittelverteilung auf der Welt. Zunächst waren es nur 150 Beteiligte, doch innerhalb eines Jahres wuchs die Zahl auf etwa 1,5 Millionen. Ab der Jahrhundertwende sanken die Zahlen wieder, 2001 wurde der Parade sogar der Demonstrationsstatus aberkannt und als profitorientiert eingestuft.

Erst 2006, mit einer zweijährigen Pause, ging die Loveparade mit einem neuen Veranstalter, ein Unternehmer, der auf materielle Interessen fokusiert war, wieder in Berlin an den Start. 500.000 Menschen waren laut der Polizei gekommen. 2007, 2008 und 2010 wurde die Party allerdings ins Ruhegebiet verlegt, da die Stadt Berlin sich wegen einer hohen Müllverschmutzung beschwert hatte. Ein fataler Fehler, wie sich herausstellte.

2007 fand die Veranstaltung in Essen statt, 2008 in Dortmund und 2010 in Duisburg. Die Parade 2009 in Bochum wurde aufgrund von Sicherheitsbedenken abgesagt. Dem Hauptbahnhof dort mangelte es an Kapazität und der Stadt an einem geeigneten Streckenverlaufes. Die Parade 2011 in Gelsenkirchen kam wegen der Katastrophe nicht mehr zustande.

Die Feier in Duisburg sollte auf dem alten Güterbahnhof in der Nähe des Hauptbahnhofes stattfinden. Ein Polizeipräsident stellte jedoch die Sicherheit in Frage, wodurch er kritisiert und sogar sein Rücktritt gefordert wurde. Seine Sorge sollte sich später bestätigen.

Der Güterbahnhof am entscheidenen Tag

1,4 Millionen Besucher sollen an der Veranstaltung in Duisburg teilgenommen haben. Es könnten aber durchaus weniger gewesen sein, da die Betreiber die Zahl aus Marketing-Gründen übertrieben haben sollen.

Ein großer Güterbahnhof, gute Stimmung und sogar ein Plan, wie man im Notfall die Menschenmassen steuern könnte. Was könnte da denn bitte schief laufen?

Um die heraneilende Katastrophe zu verstehen, muss man zuerst wissen, wie das Gelände aufgebaut war. Den Platz konnte man nur durch einen Tunnel über zwei Rampen erreichen, wie man auf dem unteren Bild sehen kann.

Zugang zu dem Hauptgelände durch den Tunnel

Die Eingänge befanden sich hier auf dem Bild links und rechts. Von beiden Seiten sind Menschen hineingekommen, zuerst noch kontrolliert, aber drei Polizeiketten stauten die Menschen vor der Hauptrampe. Diese Blockaden wurden errichtet, um die einströmenden Menschen kontrolliert passieren zu lassen. Eine davon befand sich auf der Hauptrampe, die andere links und die dritte rechts davon. Nun kamen immer mehr Menschen von allen Seiten. Hinzu kamen Menschen, die gleich nach dem Ankommen auf dem Gelände stehen blieben, um der Musik zuzuhören. Andere wollten das Gelände schon wieder verlassen.

Im Tunnel wurde es immer enger. Die Menschen konnten nicht flüchten. Als dann auch noch die Blockaden - nach nicht ganz eindeutigen Anordnungen der Polizei - aufgelöst wurden, liefen drei Wege zueinander. Man muss schließlich auch bedenken, dass die große Rampe als Ein- und Ausgang diente, während die kleine nur als Ausgang vorgesehen war, allerdings erst gegen Mittag geöffnet wurde. Nun prallten also zwei Menschenmassen aufeinander; die, die auf das Gelände wollten und die, die es wieder verlassen wollten. Das führt zu Chaos, wie ihr vielleicht bemerkt habt.

Für die Menschenmassen reichte der Platz einfach nicht aus. Sechs Personen pro Quadratmeter kamen sich gefährlich nah. Gegen 16.30 Uhr fing das Massaker an. Viele Leute versuchten nun zu überleben. In der aufkommenden Panik erdrückten sich die Menschen, trampelten übereinander hinüber oder versuchten ihr Glück bei einer kleinen Treppe an der Rampe. Diese Treppe wurde den flüchtigen Menschen zum Verhängnis, denn während sie dorthin strömten, erhöhten sie unwissendlich den Druck. Auch auf Lichtmasten und Leitern versuchte man zu entkommen. Wer fiel oder niedergedrückt wurde, hatte schon verloren.

Die flüchtenden Menschen an der kleinen Treppe

An diesem Tag starben dreizehn Frauen und acht Männer aus sieben Ländern, wahrscheinlich an "massiver Brustkompression" nahe der kleinen Treppe. 652 weitere Menschen wurden schwer verletzt und mussten sofort ins Krankenhaus gebracht werden.

Der gesamte Zugangsbereich wurde abgesperrt und Hilfsmaßnahmen liefen an. Um 18.00 Uhr erfolgte die erste Pressemeldung. Der Krisenstab entschied sich dazu, die Veranstaltung weiterlaufen zu lassen, um eine weitere Panikwele zu verhindern. Vielen, die bereits von Toten erfahren haben, ist die Partystimmung aber vergangen, obwohl man nur schleichend etwas von dem Unglück auf dem Gelände mitbekommen hatte. Das lag daran, dass die Mobilfunknetze stark überlastet waren. Vorzeitig gegen 23.00 Uhr wurde die Veranstaltung beendet, mehrere Künstler, die noch ausgestanden hatten, sagten wegen dem Szenario kurzzeitig ab.

An der Treppe, die so vielen Menschen das Leben gekostet hat - alle noch recht jung z.B. Mitte zwanzig - wurde eine Gedenkstätte errrichtet. Gerechtigkeit sollten die Opfer jedoch bis jetzt nicht erfahren.

Die Gedenkstätte an der kleinen Treppe

Nach dem Unglück wurden Planungs- und Genehmigungsunterlagen, aber auch die Geschäftsräume von den Betreibern auf Hinweise durchsucht. Sechs Monate später lag ein Anfangsverdacht gegen sechszehn Personen aus dem Verantwortungsbereich des Veranstalters, der Stadt Duisburg und verantwortliche Polizeibeamten vor.

2013 wurde bewiesen, dass die Planer und Prüfer fehlerhaft gehandelt hätten, da man die Besucherströme hätte einschätzen können, um das Ereignis somit zu verhindern.

Gegen zehn Personen wurde 2014 eine Anklage erhoben, 2016 wurde das Hauptverfahren von der Stadt Duisburg jedoch abgelehnt. Schließlich wurde von dem Oberlandesgericht Düsseldorf beschlossen, dass das Strafverfahren durchzuführen ist. 2020 verjährten sich aber die strafrechtlichen Vorwürfe, weshalb das Verfahren eingestellt wurde.

Am 08. Dezember 2017 begann aber die Hauptverhandlung, einer der umfangreichsten Prozesse in Deutschland seit der Nachkriegszeit. Der Vorfall konnte größtenteils aufgeklärt werden. Doch die Angeklagten bekamen keine Strafe, weil ihre Mitschuld auf die untere Etappe gestellt wurde. Als das Verfahren 2020 eingestellt wurde, beklagten sich viele Angehörige der Opfer zurecht. Ein weiterer Punkt der Empörung, stellt die Aussage des Landgerichts Duisburg dar, in der es heißt, das Verfahren sei auch wegen erwartenden Einschränkungen der Corona-Krise eingestellt worden.

Was haltet ihr von der Einstellung des Verfahrens? Würdet ihr euch nach zwölf Jahren wünschen, dass der Prozess wieder aufgenommen werden sollte? Schreibt es in die Kommentare!

Die Menschenmassen an der großen Rampe

2022 zog Rave the Planet, eine Kopie der Loveparade, wieder durch Berlin. Der große Stern war auch diesmal der Sammelplatz, doch statt den angemeldeten 25.000 Menschen, feierten am Abend schließlich 200.000-300.000 Menschen dort zu der Technomusik. Aus Sicherheitsgründen ordnete die Polizei schließlich an, dass die Musik abgestellt werden sollte. Neben einer enormen Müllansammlung, wie schon 2006, wurden 35 Freiheitsentziehungen oder Freiheitsbeschränkungen aufgrund von Gewalt durchgeführt.

Denkt ihr, jegliche Arten von Loveparaden sollten in Zukunft noch durchgeführt werden? Oder ist das Risiko auf eine erneute Massenpanik zu hoch? Teilt mir eure Meinung gerne mit! Ich bin gespannt!

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Quellen:

- Infos : https://de.wikipedia.org/wiki/Ung%C3%BCck_bei_der_Loveparade_2010

- Infos : https://de.wikipedia.org/wiki/Loveparade

- Dr. Motte 1989 : https://www.tagesspiegel.de/berlin/30-jahre-loveparade-in-berlin-mit-dr-motte-auf-der-alten-strecke-der-raver/24508700.html

- Der Güterbahnhof am entscheidenen Tag : https://www.manager-magazin.de/fotostrecke/fotostrecke-57498.html

- Zugang zu dem Hauptgelände durch den Tunnel : https://www.sueddeutsche.de/wissen/loveparade-experte-zur-ungluecksursache-die-treppe-haette-man-sprengen-muessen-1.979428

- Die flüchtenden Menschen an der kleinen Treppe : https://www.dw.com/de/loveparade-%C3%BCberlebende-ich-konnte-nicht-mehr-atmen/a-42101824

- Die Gedenkstätte an der kleinen Treppe : https://www.dw.com/de/loveparade-prozess-geht-nur-eingeschr%C3%A4nkt-weiter/a-47355930

- Die Menschenmassen an der großen Rampe : https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/massenpanik-tote-bei-loveparade-in-duisburg/1890484.html

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