Kapitel 9
Die ganze Aufmerksam lag auf meinem Bett, denn was sich dort befand machte mich so unfassbar wütend. Das Fotobuch, das mir meine Eltern zukommen gelassen hatten, war vollkommen zerrissen. Alle Bilder lagen zerstört auf meinem Bett. Ein kleiner Brief lag zwischen dem ganzen Haufen von zerrissenen Bildern.
Schnell rannte ich zu meinem Bett um mir den Brief genauer anzuschauen. Er war mit einer roten Farbe geschrieben
Warte!
War das etwa...
...Blut?
„Scheiße, wie krank ist das denn?", fragte Matteo aufgewühlt und raufte sich nervös die Haare. Wo war den seine Selbstsicherheit hin?
Ich guckte auf den besagten Brief und konnte meinen Augen nicht trauen.
Hallo Ruby,
ich hoffe du siehst jetzt, dass wir wissen wo du bist und, dass wir keine Scheu haben dir ein Haar zu krümmen. Wie sagt man so schön, Rache ist süß!
JH
Das Blatt fiel mir aus der Hand ich sackte überfordert in mich zusammen. Konnte das war sein? Nein! Bitte nicht! Wie konnte das sein?
Ich spürte eine warme Träne an meiner Wange und ich füllte mich plötzlich so schwach. Ich konnte meine Tränen nicht mehr aufhalten und ich wollte es auch nicht. Sie waren berechtigt und zeigten meine wahren Gefühle.
Ich hatte keine Chance gegen die Personen, die mir das geschickt hatten und sie würden mir mein Leben zur Hölle machen. Das war sicher.
Ich spürte einen Arm an meiner Schulter und kurzdarauf hatte mich jemand umarmt. Ich roch das Parfum von Lily, was daraus schließen ließ, dass sie mich gerade umarmte. Ich hatte meine Augen geschlossen.
Als ich aufgehört hatte, sahen mich alle an und ich wusste genau, was sie dachten, ohne, dass es einer von ihnen aussprach. Die einzige Person, die keinen fragenden Ausdruck auf ihrem Gesicht hatte war Jenna und es wunderte mich wenig. Schließlich wusste sie genau mit wem ich es hier zu tun hatte.
„Ich glaube du schuldest uns ein wenig eine kleine Erklärung!", forderte Ena und sah mich aufmunternd an. Früher oder später hätte ich es ihnen sowieso erklären müssen, also wieso nicht jetzt?
Weil das eine dumme Idee ist, vielleicht?!
Ich beschloss es ihnen später zu erzählen, da ich jetzt erst einmal allein sein wollte und keine Gesellschaft gebrauchen konnte.
„Ich werde euch alles erklären, aber bitte später, ich brauche Ruhe. Allein!", erzählte ich ihnen und ließ mich in meinem Bett nieder. Alle verschwanden aus dem Zimmer und als ich glaubte allein zu sein, vergrub ich meinen Kopf in mein Kissen und schluchzte.
Bei mir brach plötzlich die ganze Welt zusammen. Es war ein so schlimmes Gefühl, alles Verbliebene von ihm verloren zu haben. Es fühlte sich alles so unlogisch an. Die ganze Welt war nun unlogisch. Es gab nichts was ich von ihm hatte. Nichts!
Die Leere überwog und ich gab ihr mich vollkommen hin.
Nur verschwommen bemerkte ich mehrere Gestalten, die mich auf die Beine zogen und mit sich schleppten. Ich konnte nicht realisieren, was gerade passierte. Es fühlte sich so surreal und dennoch echt an.
Ich hörte mehrere aufgewühlte Stimmen und erst, als ich gegen eine Wand lief, weil mich die Person losgelassen hatte, die mich die ganze Zeit schleppte, bemerkte ich wo wir waren.
-
„Gibst du mir bitte noch den anderen Salzstreuer rüber?", fragte Matteo Jenna. Es war bereits Mittag und wir waren im Essaal um unser Mittagessen zu genießen. Aus irgendeinem Grund wollte Matteo so viel Salz in seinen Salat machen, wie möglich war und das war ziemlich schräg und eklig.
Louis schüttelte lachend den Kopf und klopfte seinem Kumpel auf die Schuler: „Wir haben dich vor den Folgen einer zu hohen Überdosis von Salz gewarnt, man!" Auch ich musste schmunzeln, da dem wirklich so war und Matteo anscheinend keine Angst vor einer besagten Salzvergiftung hatte.
„So Leute, ich bin fertig und nun probiere ich mein Meisterwerk und ich sage euch, dass es köstlich schmecken wird!", säuselte Matteo und blickte stolz auf seinen Salat.
Er nahm sich seine Gabel und fischte sich ein Salatblatt mit einer Tomate heraus. Diese führte er langsam in seinen Mund und setzte schon einmal eine genüssliche Miene auf.
Sein Lächeln aber verschwand, als er husten musste und mit der Hand vor dem Mund aus dem Essaal stürmte.
Nun konnten sich die anderen auch nicht mehr halten und wir bekamen einen riesigen Lachanfall. Alle hielten sich ihre Bäuche.
Ich hatte beschlossen die Ereignisse zu verdrängen und die Verdrängung lag nun darin mich über Matteo lustig zu machen, auch wenn ich ein schlimmeres fake- Lachen nicht besser hätte machen können.
Als sich schließlich alle wieder beruhigt hatten, beschlossen wir in die Bibliothek zu gehen. Weitere Minuten danach saßen wir auch schon auf den gemütlichen Sofas und führten belanglose Gespräche. Ich konnte mich nicht wirklich integrieren, da mir immer noch meine Erklärung unmittelbar bevorstand.
Ich kämpfte innerlich so extrem, dass ich es fast nicht mehr aushielt. Zum einen würde ich nun fast wildfremden Menschen einen Teil von meinem Leben preisgeben. Zum anderen Teil, hatten sie mir mehr oder weniger in den letzten Tagen ihr vollstes Vertrauen bewiesen, wo war also der Haken?
Der Haken, der nur als Metapher für Jenna stand, war über vieles bestens informiert. Sie wusste mehr Details, die ich nicht preisgeben wollte.
Nach längerer Überlegung beschloss ich einen Teil der Wahrheit zu erklären. Nur einen Teil, nicht mehr!
Ich räusperte mich und schaute in die nun verwirrt rein blickende Runde.
„Ich glaube ich schulde euch noch eine ausgiebige Erklärung!", fing ich an zu sprechen. Kurz und knapp!
Alle nickten und viele lächelten mich an. War das Verständnis?
„Gut wo beginne ich nur-", ich setzte eine kurze Atempause ein und begann zu erzählen:
„Damals, auf meiner ersten Schule, die ich zusammen mit Jenna besucht habe, habe ich sofort neue Freunde gefunden", ich blickte Jenna wissend an.
„Wir waren gut befreundet und alles hat gepasst. Irgendwann habe ich neue Leute kennengelernt, mit denen ich mich auch des Öfteren traf und zusammen abhing. Irgendwann haben wir etwas Unüberlegtes getan, weshalb wir ein bisschen Stress mit der Polizei hatten. Ich habe sie schlussendlich verpfeift und nun wollen sie sich rächen."
Alle schauten mich entsetzt an, alle, außer Jenna, die hatte ein spöttisches Grinsen auf dem Gesicht und an ihrer nächsten Handlung verstand ich auch wieso.
„Ein bisschen Stress mit der Polizei? Etwas Unüberlegtes? Ein wenig ins Detail hättest du nicht gehen können, nicht wahr?", sie lächelte und formte ihre Augen gespielt mitleidig.
„Wenn du nicht sofort deine verdammte Fress-", sie unterbrach mich. „Was ist dann? Zündest du dann auch mein Haus an?"
„Du fiese Schlange!", beschimpfte ich sie und war nun komplett sauer auf sie. Ich wusste, dass da etwas faul war, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass ihr, noch brennender Hass, da hinter stecken konnte.
[Flash Back]
„Ich weiß und das ist es auch gar nicht, wieso ich mit dir reden will. Ich wollte nur fragen, ob wir vielleicht wieder Freunde werden können und die Sache von früher vergessen können?", fragte sie mich. Meine Augen weiteten sich. „Es ist für dich Okay, dass du niemals erfahren wirst, warum ich so gehandelt habe?" Sie nickte und lächelte mich an. „Du hast uns immer vertraut. Wir haben dir immer vertraut und es wird auch so bleiben. Du hattest zwar deine Probleme, die ich zwar wirklich gerne wissen würde, aber dennoch ist es immer noch dein Leben!"
Ich lächelte und umarmte sie plötzlich. Ich war so glücklich, dass sie nicht sauer war und, dass sie mich in irgendeiner Art und Weise verstand. „Danke!", hauchte ich. „Danke!", flüsterte sie zurück.
[Flash Back Ende]
Das war alles nur gelogen und kein bisschen Real gewesen. Diese hinterlistige-
„Jenna, ich habe keine Ahnung warum du es plötzlich zum Zeil gesetzt hast, Ruby ständig mit Anspielungen zu provozieren. Fakt ist, dass wir, wenn wir schon so vorgehen, alle mit offenen Karten spielen müssen und ich glaube nicht, dass nur Ruby ein paar Geheimnisse mit sich bringt!", brachte Ena mich aus meinen Gedanken und verteidigte mich dazu noch?! Warte WAS?
Jennas Gesicht wandelte von spöttisch zu hochnäsig bis hin zu eingeschnappt. Es war die Jenna, der ich vor ein paar Jahren ins Gesicht geworfen hatte, wie sehr ich sie hasste, weil sie nie ihren beschissenen Mund halten konnte und immer nur genaueres wissen wollte. Es war die Jenna, die mir damals vorgeworfen hat, welch schrecklich eingebildete Person ich doch sei. Sie konnte nie mit dem Neid leben und das hatte sie nun anscheinend satt.
Dankend nickte ich Ena zu und kassierte Jennas Blick, welche nur ihre Augen zu Schlitzen formte und hastig aufsprang.
„Du wist es nie lernen! Du hast dich definitiv mit den falschen angelegt und ich hoffe nur, dass du dir genauso darüber dein Kopf zerbrichst, wie darüber, dass du Menschen umgebracht hast!", sie flüsterte die letzten Worte nur noch und verschwand schnurstracks aus der nun ruhigen Bibliothek.
Ich erntete nur die entgeisterten Blicke der anderen. Anscheinend hatte niemand die gesamte Situation verstanden. Hilflos schaute ich Ena an, die aber nun Enttäuschung in den Augen trug. Bei den anderen tummelte sich nichts anderes in den Augen, nur bei Nico nicht. Er wirkte zwar enttäuscht und verletzt, doch dennoch überwog die Verachtung zu mir. Ich hatte versagt nicht wahr?
Frustriert sprang auch ich auf und lief aus der Bibliothek. Würde ich Jenna begegnen, konnte ich für sie nichts garantieren und trauriger und erschreckender Weise würde dies mir auch kein bisschen Leidtun. Da war sie wieder, die abgestumpfte und leere Ruby!
Schnell rannte ich den Stock zu unserem Zimmer hinauf. Ich wollte so schnell es geht in mein Bett und in mein Kissen heulen. Ja auch ich mache das!
Ich bemerkte, dass ich meine Fassade zu sehr hatte fallen gelassen. Das war ein wenig zu viel, denn ich merkte selbst wie ich mir damit selbst alles kaputt gemacht hatte.
Nein! Jenna hatte den größten Teil erledigt, sie hatte mich und mein Leben teils zerstört!
Ich hatte so lange für meine hauchechte Fassade gekämpft. Ich hatte mich mit dem abgefunden, was in der Vergangenheit geschehen war. Ich hatte das akzeptiert, was ich nicht mehr verändern konnte, auch wenn ein Teil in mir, dass nur mit Schmerz aufnahm. Ich hatte gelernt, mich größtenteils zu beherrschen und ich hatte sogar selbstständig aufgehört mich zu ritzen, verdammt! War das denn so bedeutungslos, dass es ein einziger Mensch zerstören kann?
Ich wollte mich nicht mehr darüber aufregen oder gar einen Gedanken darüber verlieren! Seufzend setzte ich mich in einen Schneidersitz auf mein Bett und stemmte meine Ellenbogen auf meine Beine und stützte somit meinen schweren Kopf ab.
Ich blickte mich traurig im Zimmer um und erkannte einige Schnipsel der Bilder. Die Bilder und Erinnerungen, die ich verloren hatte. Von meinem geliebten Bruder waren alles wertgeschätzte Weg und verloren. Es gab nichts mehr, außer meinen eigenen Erinnerungen an ihn!
Oder doch?!
Der Esel! Sein Lieblingskuscheltier! Schnell holte ich meine Jacke aus meinem Kleiderschrank, die ich an meinem ersten Tag angezogen hatte.
Als ich den kleinen Esel in meinen Händen spürte durchflossen mich ganz viele Gefühle. Gefühle, die ich immer versucht hatte auszublenden. Gefühle, von dessen Existenz ich nie wissen wollte.
Es war die Liebe zu ihm, die Trauer, der Schmerz, die Einsamkeit und doch letztendlich ein riesen großes schlechtes Gewissen, welche mir bewusste machen, wie sehr ich an ihm hang und ihn vermisste. Ich habe ihn aufrichtig geliebt, doch gezeigt hatte ich es ihm nur ein einziges Mal.
Gerade als ich dabei war, den Esel weiter vollzurotzen, klopfte es an der Tür und Nico trat in das Zimmer.
„Hey", sagte er nur kalt und ich gab es ihm ebenso kalt zurück.
„Hey". Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, also versuchte ich einen ruhigen Ton zu benutzen.
„Was gibt es?", wollte ich unsicher wissen und schaute ihn dabei fragend an. Er kam näher, nahm sich den Stuhl, der an meinem Schreibtisch stand und setzte sich damit vor mich. Nun waren wir auf Augenhöhe.
„Ich wollte mit dir über den Brief reden."
Mir war unklar wieso, aber ich ließ ihm die Möglichkeit sich zu erklären.
„Auf dem Brief stand ‚JH' und ich weiß, dass du weißt, wer damit gemeint ist, somit bitte ich dich, sag es mir, denn ich habe eine dunkle Vermutung."
Ich runzelte nur die Stirn. Unsicher, ob ich ihm erklären sollte, was es mit der Abkürzung auf sich hatte. Warum wollte er das denn wissen und vor allem, was war seine Vermutung? Warum schrie er mich nicht an und sagte mir, welch schlechte Person ich doch sei. Wieso war er plötzlich nett?
„Justin Hall", antworte ich nur trocken und tonlos und schaute ihn dabei fragend an. Nico, der zuvor noch ruhig war, raufte sich nun die Haare und fluchte leise.
„Was ist denn mit ihm? Kennst du ihn?", wollte ich wissen und konnte die Antwort nicht abwarten.
„Justin ist mein Bruder!", erklärte er mir entsetzt und doch traurig.
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Hey Leute ❤,
Wie fandet ihr das Kapitel? Wen mögt ihr am meisten bzw. am wenigsten?
Wir sehen uns in einer Stunde mit einem neuen und letzten Kapitel wieder!
Bis dahin,
LG :)
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