Kapitel 6

Ich setzte mich auf mein Bett, denn ich wollte dennoch nicht in diesen bekloppten Sitzkreis, den die anderen bildeten. Ich war etwas müde und erschöpft, weshalb ich mir auch meine Kopfhörer nahm und meine Playlist vollständig durchhörte. Beste Möglichkeit um sich zu entspannen!

Ich hörte nebenbei das Lachen der anderen, versuchte es aber mit meiner Musik zu übertönen. Ich hatte immer noch ein etwas komisches Gefühl, dass Jenna mir zu schnell vergeben hatte. War da etwas faul?

Inzwischen regnete es wie aus Eimern. Die Regentropfen wurden nahezu an das Fenster geklatscht, wodurch ich meine Musik immer lauter und lauter stellen musste. Mein Trommelfell war übrigens noch ganz!

Niemand beachtete mich. Super Freunde am Start! Dennoch sollte es mich eigentlich einen Dreck scherren, wie sie mich von nun an behandelten. Freundschaft hin oder her, sie war sowieso eine sinnlose Sache und von Liebe will ich erst gar nicht anfangen.

Es vergingen Minuten und die anderen lachten immer noch. Worüber sie sich wohl gerade unterhielten? Plötzlich drehte sich Nico leicht zu mir und starrte mich mit seinen blass- blauen Augen an. Was starrte der denn so? Ich hob eine Augenbraue hoch und verdrehte die Augen.

Er drehte sich wieder um und ich war zunächst wirklich verwirrt. Alles klar bei dem?

Ich beschloss aus diesem Zimmer zu verschwinden, obwohl es schon längst Abend war. Ich huschte an ihnen vorbei. Sie hatten es bestimmt nicht einmal bemerkt!

Leise setzte ich mich neben die Tür unseres Zimmer und lauschte der Stille. Großes Lob an die Architekten hier, die Schalldichte war ausgezeichnet! Ich konnte niemanden hören, obwohl ich direkt vor der Tür saß.

Ich fühlte mich irgendwie fehl am Platz. Ich hatte Jenna dumme Sachen versprochen, dennoch hatte ich nicht vor sie einzuhalten. Gebt mir einen Grund!

Dieses Internat, diese Menschen und meine Tante, nichts verband uns. Nun Gut, vielleicht nur die klitzekleine Tatsache, dass ich mit der Frau verwandt war, aber diese Tatsache war in meinem Gehirn noch nicht so vollständig klar angekommen.

Wieso konnte ich eigentlich nicht einmal etwas richtig machen?

Mir fiel auf, dass ich neuerdings öfters einfach nur planlos auf dem Boden saß und über den beschissenen Sinn des Lebens und deren Probleme nachdachte. Gab es den denn überhaupt?

Ohne jegliche Angst, zog ich meinen Arm hervor und starrte auf den Verband. Niemand wusste davon und ich würde es auch dabei belassen.

Ich tat es nicht mehr. Ich hatte aufgehört, denn ich merkte, dass es mir sowieso nichts außer Schmerz brachte. Meinen Eltern hatte ich gesagt es wäre eine Katze gewesen. Eine ziemlich kratzige Katze!

Völlig benebelt von den letzten Ereignissen, hatten sie nicht einmal Verdacht geschöpft, obwohl relativ klar gewesen wäre, dass meine Wunden nicht von einer Katze stammten.

Langsam entfernte ich den Verband von meinem Arm und konnte bereits jetzt die tiefen Schnittwunden in meiner Haut erkennen. Ich hatte aufgehört sie weiter aufzukratzen, weshalb sich leichte Kruste auf dieser bildete. War ich krank? Seelisch krank? Diese Frage belagerte mich schon so oft.

Ich schaute noch lange auf meine Wunde und ich spürte immer noch den Schmerz auf meiner Haut, als ich an den Ursprung hieran zurückdachte.

[Flashback – wenige Monate zuvor]

In mir kochte die Wut nahezu. Was hatte er sich dabei nur gedacht. Er war so dumm gewesen und hatte keine beschissene Sekunde nachgedacht! Ich konnte meine Wut nicht mehr länger unterdrücken und das einzige was sich vor mir befand war eine beschissene Glaswand. Sie brauchte nur wenige Schläge, als sie schließlich klirrend in sich zerfiel. Verdammte Scheiße! Meine, nun wieder geöffnete Faust, blutete verdächtig. Die Wut war weg.

Dann nahm ich eine Scherbe und steckte sie mir in die Tasche.

[Flashback Ende]

So viel hatte sich geändert. Ich hatte aufgehört und das war das mindeste, was ich ihm schuldig war. Niemandem sonst gebührte meine Zuneigung und niemandem sonst würde ich jemals vollständig wieder vertrauen.

„Fuck, du machst das?!", fragte mich plötzlich jemand und ich schreckte erschrocken auf. Shit! Ich blickte in seine beschissenen blass- blauen Augen, die mir an jenem Tag die Wahrheit ins Gesicht geworfen haben.

Ich schaute ihn nicht an. War es mir peinlich oder hatte ich Angst vor der Reaktion? Warum musste ich denn auch meinen beschissenen Verband ablegen, warum?

„Ne, das mache ich nicht und jetzt hau ab, verdammt!", versuchte ich mich aus der Situation zu befreien und stand schließlich selbst auf, um zu Verschwinden. Gerade als ich versuchte in Richtung Flur zu gehen, hielt er mich an meinem Handgelenk fest und zog meinen linken Unterarm vor sein Gesicht.

„Glaub mir, ich kann sagen, ob du es machst oder nicht!", antwortete er mir spöttisch und begutachtete meinen Unterarm weiterhin. Völlig überfordert von der Situation fiel mir nur ein einziger Ausweg ein. Nicht klein bei geben natürlich!

„Da hat wohl jemand Erfahrung, stimmt's oder habe ich Recht?", fragte ich ihn, blickte extra auf seinen eigenen Unterarm, und versuchte so viel gespielte Überzeugung in meine Stimme hineinzupacken, dass ich mir am liebsten selbst die Fresse poliert hätte. Schauspieler-Kompetenzen sind bei mir einfach eine eins mit Sternchen!

Ich sah, dass ich unerwarteter und erstaunlicher Weise total ins Schwarze getroffen hatte, da er ängstlich einen Schritt zurücktrat und mein Handgelenk losließ. Ich nutzte den Moment, um mir mein Verband und anschließend meine Ärmel des Pullovers über meinen Arm zu ziehen.

„Ein Wort zu jemandem und ich bring dich um!", rief er, während er schon um die nächste Ecke verschwand.

Völlig verdattert stand ich da und war positiv über meine Schauspielerei überrascht. War ich wirklich so hervorragend?

Plötzlich wurde mir bewusst, was sich hier gerade abgespielt hatte. Er tat es auch? Niemand wusste davon und... er wusste über mich Bescheid!

Ich war so verdammt dumm gewesen!

Gerade, als ich mir im Kopf die schrecklichsten Szenarien vorstellte, wurde die Tür schlagartig aufgerissen und eine lachende Jenna kam hinaus. Ihr Lachen verschwand, als sie in mein Gesicht blickte und ich konnte die Verwirrtheit förmlich auf ihrer Stirn lesen.

Gerade als sie anfing zu sprechen, ging ich vorbei an ihr wieder in unser Zimmer und setzte mich zu den anderen.

„Wow Ruby, auch mal anwesend hier!", witzelte Matteo und ich musste bei seinem Humor wortwörtlich kotzen.

„Weißt du, wo Nico hin verschwunden ist?", wollte Ena neugierig wissen und ich schüttelte genervt den Kopf.

„Jungs, wie wäre es, wenn ich jetzt erst einmal geht und wenn ihr wollt, können wir uns morgen wieder treffen!", schlug Lily vor und ich erstickte an meiner eigenen Spucke, da ich auf keinen Fall mehr Nico begegnen wollte. Nicht unter diesen Umständen zumindest!

„Ja, klingt gut! Dann bis morgen!", verabschiedete sich Louis und gab Lily einen Kuss auf die Wange. Diese floss wie Schokolade dahin, hatte jedoch eine Farbe im Gesicht, die eher einer Tomate ähnelte.

-

Nachdem die Jungs gegangen sind, und wir uns alle Bettfertig gemacht hatten, legte ich mich seufzend in mein Bett und schaltete meine Nachtischlampe aus. Ich wollte jetzt erst einmal versuchen zu schlafen, um den turbulenten Tag zu vergessen. Klappt natürlich super, wenn man Tratsch- Tanten als Zimmer-Bewohner hat.

„Oh mein Gott Lily, ich hätte nie gedacht, dass es Louis so ernst mit dir meint und dich jetzt sogar auf ein Date mit ihm als Paar einlädt! Ich freu mich so unglaublich für dich!", kreischte Ena und Jenna stimmte mit ein, während ich mir hingegen instinktiv die Ohren zu hielt.

„Geht's noch lauter?", brummte ich genervt und rollte mich mit dem Gesicht auf ihre Seite.

„JA!", schrie Jenna extra laut, woraufhin Ena und Lily lauthals losbrüllten. Wortwörtlich!

„Super, dann nervt nicht und lasst mich in Ruhe, ich will schlafen!", erklärte ich ihnen und hätte fast ‚Bitte' gesagt, unterließ es aber, da es nicht in meinem Wortschatz existierte.

Überraschender Weise gaben die Beiden keinen Laut von sich und ich konnte seelenruhig in meine Träume gleiten.

Am nächsten Morgen wurde ich von einem Kissen im Gesicht geweckt. Ich blickte in Enas lachende Gesicht und schrie sie wütend an: „Sag mal, spinnst du?!" Anstatt einem Geschreie hingegen kam nur ein Krächzen aus meiner Kehle und sie lachte mich aus.

„Dir auch einen wunderschönen guten Morgen!", rief sie mir hingegen und machte sich bereits wieder auf den Weg zu ihrem Kleiderschrank, als sie ausversehen ein Kissen am Hinterkopf traf.

„Hey!", lachte sie und schmiss es zurück in mein Gesicht. Ich fing es und warf es erneut nach ihr, als Jenna das Kissen packte und auf ihr Bett katapultierte.

„Schönen Dank, dass ihr meinem Kissen eine Privat- Stunde Fliegen gegeben habt!", sagte sie sarkastisch und lachte. Ena und Lily, welche jetzt übrigens auch, fertig in ihrer Uniform standen, kriegten einen Lachanfall. Ich biss mir grinsend auf meine Unterlippe, da ihr Humor, genauso, wie der von Matteo, einfach schrecklich schlecht war.

Nachdem wir uns alle fertig gemacht hatten, schlenderten wir alle in den Essaal. Er war bereits voll, als wir durch die riesigen Flügeltüren in den überfüllten Essbereich traten. Wir suchten uns einen Tisch und gerade als ich Ena, Lily und Jenna folgen wollte blieb mein Blick an den Leuten hängen, die ebenfalls am Tisch platz genommen hatten. Why?

Wie als hätte Ena meine Gedanken gelesen, schenkte sie mir einen aufmunternden Blick und lächelte mich an. Ich verdrehte die Augen und nahm, direkt gegenüber von Nico am Tisch Platz. Ich spürte seinen sofortigen Blick auf mir.

„Wir müssen noch eine Abschiedsparty für Jenna vorbereiten!", sagte plötzlich Matteo, welcher anscheinend nicht den Drang verspürte, Jenna weg zu schicken.

„Nein Leute! Ist schon gut! Ihr wisst wie ich Partys hasse!", versuchte sie sich herauszureden. Moment mal! Die drei Wörter in einem Satz ergaben so gar keinen Sinn!

Jenna, Party und hassen.

Viel mehr würde ich folgende drei Wörter wählen.

Jenna, Party und Queen!

Ich runzelte die Stirn und sagte ausversehen: „Ach echt? Ich dachte du liebst Partys?"

Sie biss sich schnell auf die Wange, murmelte etwas Unverständliches und vertiefte sich in ein Gespräch mit Matteo, der anscheinend großes Interesse an Jenna selbst, als an der Party hatte.

Dabei hätte ich insgeheim Ena und Matteo gefeiert. Was solls. Ich und verkuppeln passten auf keinem Fall zusammen. Eher würde ich bewirken, dass sie sich danach abgrundtief hassen würden. Ich musste schmunzeln.

Wir aßen, die anderen redeten und ich versuchte so gut es ging, nicht unnormal nachdenklich zu wirken. Ich wollte zu gerne wissen, was es mit Nico auf sich hatte und die lebende Antwort saß direkt vor mir.

Als er gerade hinab zu seinem Essen schaute erhaschte ich mir einen kurzen Blick. Er sah unverschämt gut aus, nicht, dass das irgendwas an der Situation ändern würde! Er hatte braune Haare und wenige Locken, welche ihm unheimlich gutstanden. Seine Haut war ein wenig gebräunt.

Gerade als ich mit meiner Inspektion fertig war, schaute er auf und unsere Blicke trafen sich. Er sah... traurig aus?

„Können wir kurz reden?", fragte er plötzlich und ich verschluckte mich. Hatte er gerade mich gefragt, ob wir reden können? Worüber denn?

Über das, was er gesehen hat, du Hirni! Ich klopfte mir innerlich gegen die Stirn.

„Ähm...Klar", antwortete ich ihm und wir verließen den Essaal. Die anderen hatten es nicht einmal bemerkt.

Ich folgte ihm, doch er hielt nicht an. Stattdessen lief er immer weiter, bis wir plötzlich unter freiem Himmel standen.

Die Sonne blendete zwar ein wenig, dennoch kitzelten die Sonnenstrahlen mich an der Nase. Wir ließen uns auf einer Bank nieder und ich schaute ihn verwirrt und trotzig an.

„Worüber willst du reden?"

„Warum und seit wann?", fragte er mich und ich schaute in verdutzt an.

Da verstand ich es.

„Hmm, lass mich mal überlegen! Gegenfrage, wieso machst du es?", fragte ich stattdessen, in der Hoffnung, er würde meine, nur wage, Vermutung nicht heraushören.

Er lachte genervt und antwortete schließlich wirklich: „Weil das Leben eine einzige Scheiße ist, darum!" Da hat aber jemand Recht!

„Heißt das, du machst es auch?", frage ich ihn unwillkürlich und war sofort unheimlich stolz auf meine Gehirnzellen, da sie sich genau in diesem Moment, wohl auszuruhen zu schienen.

Er schaute mich verwirrt an und dann dämmerte es ihm. „Du hast geblufft!"

„Ne!", sagte ich schnell, doch meine vorherige Überzeugung schien verschwunden zu sein.

„Man bin ich dumm! Wieso habe ich dir nur ein beschissenes Wort gesagt!"

„Also mit dem dumm, naja die Intelligenz bei dir scheint noch ein wenig ausbaufähig zu sein, weshalb dann auch wohl die zweite Sache passiert ist!", lachte ich.

Er schaute mich grimmig an und verdrehte die Augen. „Ich wiederhole mich nur ungern, aber nehmen wir es als eine Art Deal. Ich weiß von dir, du von mir. Ein Wort zu jemandem und Schwups, die ganze Schule weiß über dich Bescheid!", er lächelte mich fies grinsend an und stand auf.

Gerade als er gehen wollte, fiel mir noch etwas ein.

„Mein Leben ist auch beschissen, aber ich habe damit aufgehört, falls dich das interessiert!"

Er drehte sich ruckartig um und blickte mich fragend an.

„Du hast aufgehört?"

„Ja und ich bin stolz darauf. Ich weiß nicht, ob du es noch machst, aber es bringt nichts als Schmerz und seelisch liegst du noch mehr zurück, als davor!", mit diesen Worten stand ich selbst auf und ging wieder in unser Zimmer.


Auch wenn ich mir eigentlich Sorgen darüber machen sollte, fühlte ich mich, wie als hätte mich jemand von meinen Lasten befreit. Ich war wirklich stolz darauf aufgehört zu haben, denn es brachte nichts!





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Hi,

das ist mein längstes Kapitel bis jetzt. xD I'm sorry für meine Setzung von Kommas. Ich bin darin nicht so gut, wie man maybe schon gemerkt hat! Lasst doch gerne ein paar Votes da, wenn euch mein Buch gefällt :)

Bis bald

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