Kapitel 12
ENA???
Sie saß zusammengekauert auf einer der Couches und schluchzte.
Sollte ich mich bemerkbar machen?
Warum weinte sie?
Was war nur los?
Entschlossen steuerte ich auf die Couch zu und setzte mich neben die schluchzende Ena. Ihr Zustand tat mir leid. Sie trug tiefe Augenringe, die sie zuvor wahrscheinlich überdeckt hatte. Ihr ganzes Gesicht war pitschenass von den vielen Tränen, die sie geweint hatte. Ich wusste echt nicht, was passiert war, doch sie litt sehr, das sah ich.
Sie hatte mich erst jetzt bemerkt und ihre Augen wurden größer. Blitzartig wischte sie sich mit ihren Händen die Tränen von ihren Augen und Wangen und setzte ihr übliches Lächeln auf.
„Hey Ruby, was machst du den hier?", fragte mich Ena unschuldig. „Ich wollte...dich suchen gehen?!", sagte ich schnell und wartete auf ihre Reaktion.
Sie nickte nur und blickte mich komisch an. Auch ich erwiderte ihren Blick. Plötzlich, als würde alles in ihr einstürzen, weinte sie los und vergrub ihr Gesicht unter ihren Händen. Schnell zog ich sie in eine Umarmung und ohne überhaupt zu wissen, wieso genau sie weinte, verstand ich sie.
Wir saßen so die ganze Zeit, bis Ena aufgehört hatte zu weinen. Zwar war sie immer noch den nächsten Tränen nahe, doch sie beherrschte sich. Ihre Atemzüge waren unkontrolliert. So, als könnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Sie blickte mich an und ich sah in ihrem Blick eine Art Dankbarkeit. Ich musste lächeln und auch sie gab ein trauriges Lächeln von sich.
„Mein Vater wurde wegen Betruges angezeigt, doch bevor er gehen musste, hatte er meiner Mutter, meinen Schwestern und schließlich auch mir vorgeworfen, wir wären schuldig gewesen. Er will also nichts mehr mit uns zu tun haben. Nie mehr!", schluchzte sie und zeigte mir mit ihrem Geständnis ihr tiefstes Innere und Vertrauen.
„Wieso wärt ihr die Schuldigen gewesen?", wollte ich wissen und bereute zunächst auch meine Neugierde. Es ging mich schließlich eigentlich nichts an.
„Wir wussten, von seinen ganzen Urkundenfälschungen und auch, von seinen anderen ganzen illegalen Sachen. Als er uns eines Abends belauscht hatte, wie wir darüber gesprochen hatten, ist bei ihm die Sicherung durchgebrannt und er drohte uns, dass wir alles verlieren und auf der Straße landen würden, würden wir ein Sterbenswörtchen über seine Tätigkeiten verlieren. Meine Mutter war stark und taff. Sie machte sich nichts aus dieser Drohung. Sie hat unseren Vater angezeigt und dies...heute.", Ena atmete tief aus und blickte beschämt auf den Boden. Doch wofür schämte sie sich?
„Dein Vater sollte sich schämen, Ena!", entgegnete ich ihr entsetzt und versuchte sie somit aufzumuntern, denn es war auch die Wahrheit. Sie guckte mich leicht lächelnd an und nickte.
„Kommt...kommt ihr über die Runden?", fragte ich unsicher und hoffte Ena damit nicht zu bedrängen." Erneut nickte sie.
„Meine Mutter hat ein Erbe vererbt bekommen. Schon seit einigen Monaten. Sie wollte dies aber noch nicht beanspruchen, da es zu riskant war, mein Vater könnte sich daran vergreifen. Auch wenn das gesetzlich nicht gegangen wäre, doch er fand schon immer seine Wege", erklärte sie mir und blickte traurig drein.
„Ena, ich danke dir echt! Du hast mir vertraut. Du hast mir von deiner Familie erzählt und mir gezeigt, wie es dir wirklich geht", bedankte ich mich bei ihr.
„Immer wieder gerne", lachte sie und zeigte mir ein Lächeln, das ernst gemeint war. Ich glaube sie fühlte sich enorm erleichtert.
Alles passte zusammen. Ihr ging es schon von Anfang an schlecht. Sie sorgte sich um alle anderen, doch nur nicht um sich.
Flashback [wenige Tage zuvor]
„Ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber bei dir ist nicht alles okay, das merke ich", erklärte sie mir. „Und das weißt du woher?", fragte ich sie genervt. „Ich weiß es, weil bei mir auch nicht alles okay ist!", hauchte sie. Ich erstarrte. Die perfekte und glücklich Sienna sollte nun unperfekt und unglücklich sein?
„Ich habe mich noch niemandem anvertraut, nicht einmal Lily, aber es geht mir echt beschissen und gerade habe ich keine Ahnung, wieso ich dir das jetzt sage", sprach sie weiter.
-
„Mich kümmert dein beschissenes Leben nicht also hör auf mit dem Scheiß und-" „- Oh Hey Ruby, hab dich nicht gesehen!", lächelte Ena, legte auf und steckte ihr Handy schnell in ihre Jackentasche. Sie war merklich nervös.
Flashback Ende
Ich hatte sie nicht einmal gefragt. Nicht einmal hatte ich gefragt, ob es ihr überhaupt gut ging. Waren wir nicht von Zeit zu Zeit Freunde geworden?
„Es tut mir leid, dass ich nie etwas bemerkt habe!", entschuldigte ich mich und starrte auf den Boden. Ich fühlte mich plötzlich so schuldig und verantwortungslos, denn ich hatte eine Freundin im Stich gelassen. Sie wurde mit der Sache mit ihrem Vater den ganzen Tag regelrecht konfrontiert und ich hatte nichts besseres zu tun, als mich selbst zu bemitleiden.
„Du brauchst dir gar keine Vorwürfe machen, ich wollte nicht, dass jemand etwas erfährt und solange ich nicht an ihn dachte war ich auch glücklich, denn ich hatte Personen, die mir blind vertrauten", ohne sie ansehen zu müssen wusste ich, dass sie glücklich war.
„Wieso hast du dann geweint, als dein Vater angezeigt wurde?", kam es mir plötzlich in den Sinn und ich schaute zu ihr.
„Ruby, er ist mein Vater. Egal welche Fehler er im Leben begangen hat, wird er immer einen Platz in meinem Herzen haben. Ich weiß, dass wir ihm nie egal waren und, dass er uns immer geliebt hatte. Ich glaube er hasst sich für diese ganze Sache noch mehr als uns, doch ich bin froh, dass es so gekommen ist, wie es kam. Ich brauche nur etwas Zeit mich mit dem Gedanken abzufinden, dass mein Dad weg ist", erklärte sie mir und stand auf.
„Und nun genug mit der Gefühlsduselei, wir gehen jetzt ins Zimmer und machen einen Netflix Abend!", rief Ena begeistert und zerrte mich von der Couch. Netflix- Abend? Wohl eher Netflix- Nacht!
Und dies taten wir dann auch. Nach gefühlten tausend Staffeln von verschiedensten Serien, die ich nur halb mitschaute, schlief ich schließlich mit einem guten Gewissen ein. Ena ging es viel besser und ich glaube, ihr tat das ganze Reden sehr gut.
*
„Schlafen sie noch?"
„Als ob die so lange schlafen können"
„Ich glaube ich schmeiße sie einfach aus dem Fenster!"
„Gut Idee!"
Warte WAS?
Ich wachte erschrocken auf und blickte in vier amüsierte Gesichter. Na toll! Nun schaute ich auf die Seite und erkannte, dass Ena noch schlief. Obwohl... das mit dem Fenster war ja vielleicht gar keine so schlechte Idee!
„Was wollt ihr hier?", entgegnete ich teils genervt, verstört und verärgert.
„Wir, das heißt wir sechs, verabschieden uns jetzt von der Lieben Jenna", erklärte mir Matteo. Kotz!
„Wir, das heißt ich und ich, wartet das ergibt Sinn. Nicht. Egal, ich bleibe hier und verabschiede mich von meinem Bett, warum auch immer", antwortete ich mürrisch und trottete auf irgendein naheliegendes Bett zu, da Ena mein Bett besetzt hatte.
„Wir, das heißt ich, Louis, Matteo, Nico, Ena und DU, werden uns von Jenna verabschieden!", forderte Lily. Da mir nichts darauf einfiel, sagte ich nur blöd: „Mir doch egal! Übrigens...der Esel nennte sich immer zuerst!" Ich gackerte blöd über meinen eigenen grausamen Humor.
Ohne darauf einzugehen zog sie mich aus meinem, beziehungsweise von dem Bett weg, auf dem ich lag und zerrte mich zu meinem Kleiderschrank. „NEIN, ich will nicht!"
„So, du ziehst dich jetzt an, solange versuche ich Ena zu wecken und dann gehen wir alle GEMEINSAM zu Jenna und sagen ihr Tschüss, verstanden?!"
Nö!
„Boa okay, aber Jungs, verpisst euch aus unserem Zimmer, ich habe hier schließlich, trotz solcher Tussen noch eine berechtigte Privatsphäre!", rief ich ihnen genervt zu und machte mich an meinen Kleiderschrank. Kurz darauf ertönte ein schriller Schrei.
„Wie hast du uns gerade genannt?!", rief Ena wütend und belustigt und stolzierte hochnäsig zu mir hinüber. Shit, ich und meine verdammte große, vorlaute und beschissene Klappe!
Das würde Rache geben... ihrerseits!
*
„Wow, Ruby, du siehst ja mega schön aus!", rief Matteo, als er sich zu uns gesellte. Ich lächelte ihn genervt und zeigte ihm meinen wunderhübschen Finger.
„Ja! Das finden wir auch!", stimmte Nico Matteo zu und grinste mich schief an. Was waren das denn alle für Waschlappen?
Ich zupfte an dem, mit Rüschen verzierten Kleid herum. Wer trägt so etwas freiwillig? Ich jedenfalls nicht!
Plötzlich, als würde etwas Aufregendes passieren, bildete sich eine große Anzahl an Schülern auf einem Fleck und ein großes Stimmengewirr war zu hören. Kurzdarauf konnte ich Jenna erkennen, wie sie, vollbepackt mit ihrem Koffer, durch die Eingangstür stolzierte und allen Schülern winkte.
Vor uns blieb sie stehen und lächelte freundlich, ich wiederhole freundlich, in die Runde. Sie schaute auch mich belustig an, als ihr Blick über mein hässliches Kleid schweifte. „Hübsches Kleid Ruby! Ich habe dich das letzte Mal mit einem sehr teuren Kleid, bei dem letzten Ball in unserer Schule gesehen. Erinnerst du dich noch?", fragte sie zuckersüß und lächelte falsch. Auch ich schenkte ihr dasselbe Lächeln.
„Oh ja, ich erinnere mich noch gut daran, warst du nicht die, die zu mir kam und mich um ein wenig Geld gefragt hatte?", nun hatte ich wieder die Oberhand und ich liebte ihren verdatterten und verärgerten Gesichtsausdruck. Ich sollte definitiv eine Galerie aufmachen!
„Ist ja auch egal, bis bald Leute, ich habe euch mega lieb, vergisst mich nie, ja?", schluchzte sie und umarmte alle, bis sie schließlich bei mir ankam.
„Bis bald, Ruby, ich kann es nämlich kaum erwarten!", flüsterte sie und stieg in ihr Taxi, welches gerade an den Straßenrand gefahren war.
Ich hoffte: Bis nimmer wiedersehen
Sie hoffte: Bis bald
Was würde wohl eintreten und vor allem, was wusste sie?
Ich wollte heute keinen Gedanken mehr über Jenna verschwenden. Nicht heute!
Mit diesen Gedanken ging ich zurück in unser Zimmer und legte mich auf mein eigenes Bett. Es war so schön ohne sie.
Ich fühlte mich für einige Zeit befreit und so, als wenn alles anders werden würde. Leider waren Gefühle nichts weiter als Vermutungen, dass würde ich früher oder später auch herausfinden.
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Hello💗 ,
I know, nach langer Zeit melde ich mich auch mal wieder. Das Kapitel ist zwar sehr kurz, aber dennoch hatte ich nicht das Gefühl, es würde schöner sein, wenn ich es in die länge ziehen würde. Ich hoffe also es gefällt euch trotzdem. Ich versuche wieder regelmäßer zu updaten, aber leider ohne Garantie. Wie findet ihr Enas Hintergrund? Lasst mir gerne Feedback da. 😊
Liebe Grüße und bis bald!
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