Kapitel 46
„Samu, das kann doch nicht dein ernst sein, das war immer dein Traum und nun bist du dabei, alles kaputt zu machen" hörte ich Riku fast schreien.
„Traum? Den ganzen Stress, immer von zuhause weg, keine Zeit für Familie, Freunde oder sich selber? Das soll ein Traum sein? Das ich nicht lache" erwiderte Samu und irgendwie lallte er.
„Es war aber dein Traum, auf großen Bühnen zu stehen, Musik zu machen, Songs zu schreiben, mit deinen Texten die Menschen zu berühren und genau das tust du jetzt" erwiderte Riku etwas ruhiger.
„Mag sein. Aber Riku, ich kann nicht mehr. Ich bin knülle, fix und fertig. Jeden Morgen so früh aufstehen, Interviews, Fotoshootings, Auftritte in irgendwelchen Shows, abends Konzerte. Ich kann nicht mehr, ich bin müde, einfach nur noch müde. Und ich brauche sie" antworte Samu.
Nun klopfte ich doch.
„Ich will keinen sehen" schrie Samu und ich überlegte kurz zu gehen, doch dann öffnete ich vorsichtig die Tür. Samu saß auf der Couch mit dem Rücken zu mir und Riku stand daneben. Als er mich sah, lächelte er nur und meinte
„Ich geh dann mal ins Bett" und verschwand. Samu blieb regungslos sitzen und seinen Schultern bebten leicht. Er weinte leise vor sich hin. Ich stellte mich von hinten an die Couch und legte meine Arme um seinen Hals. Er erschrak, doch als er mich erkannte, hielt er mich fest. Ich löste mich vorsichtig aus seiner Umarmung, ging um die Couch rum, setzte mich neben ihn und nahm ihn in den Arm. Er legte seinen Kopf auf meinen Schoss und weinte einfach nur. Unfähig irgendwas zu sagen. Ich streichelte mit der einen Hand über seine, mittlerweile wieder längeren, Haare und mit der anderen kraulte ich seinen Rücken. Es dauerte lange, bis er sich beruhigt hatte, doch er blieb so liegen. Irgendwann vernahm ich sein gleichmäßiges Atmen und wusste, er schläft. Ich angelte mir die Decke, die über der Couch lag und deckte ihn provisorisch zu. Dann begann ich mich im Zimmer umzusehen und erschrak. Überall lagen leere Bierflaschen, Rumflaschen und keine Ahnung, was das andere war, herum. Das würde den Geruch hier erklären. Ich versuchte vorsichtig aufzustehen, um Samu nicht zu wecken, dann deckte ich ihn richtig zu. Öffnete anschließend die Fenster und schrieb Riku eine SMS ob er noch wach war. Ich fing an, die Flaschen und den ganzen Müll aufzuräumen, da standen Riku und Jessi auch schon in der Tür.
„Sorry, ich wollte euch echt nicht stören. Aber ich wüsste zu gerne, was hier los war. Was mit Samu los ist und ob sein Zimmer jeden Abend so aussieht" fügte ich leise hinzu.
„Ich denke, er sollte dir das selber sagen" meinte Riku schaute verlegen zum Fenster.
„Ach komm schon" ermunterte Jessi ihn.
„Ok. Wir hatten die letzten 3 Monate einen Auftritt nach dem anderen, teilweise bis zu 5 Stück am Tag. Selten mehr, als 4-5 Stunden Schlaf die Nacht. So heftig war das noch nie. Haben gefragt, ob wir ne kurze Pause machen können, aber stattdessen drücken sie uns noch mehr Termine rein. Mittlerweile haben sie alles um 2 weitere Monate verlängert. Also insgesamt 8 Monate von den eigentlichen 5. Wir sind alle fix und fertig. Vor allem Samu, weil er ja wirklich zu jedem Auftritt muss, wo wir teilweise im Hotel bleiben können. Er ist am Ende mit seiner Kraft und dann fehlst du ihm noch so unendlich. In den letzten Wochen wurde es immer schlimmer und er trank immer mehr. Ich konnte ihn nicht von abhalten. Hab versucht, ihm eine Stütze zu sein, aber meine Anwesenheit reicht ihm nicht. Nachdem er gestern angetrunken zu einem Radiointerview erschien, gab es richtig ärger und er hat sich die Birne zu gekippt, wie du siehst und heute ging es weiter. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll, auch die anderen sind ratlos und ebenfalls fix und fertig. Im moment macht das alles keinen Spass mehr" erzählte er uns geknickt.
„Aber Riku, warum hast du mir nicht bescheid gesagt? Ich wäre doch sofort hergekommen" meinte ich.
„Das wollte Samu nicht. Er wollte nicht, das du ihn so siehst" erwiderte er.
„Danke, du mir alles erzählt hast. Dann genießt die restlichen Stunden noch. Ich bleibe hier bei Samu" sagte ich zu den beiden.
Sie gingen und ich blieb bei dem leise vor sich hin schnarchenden Samu. Ich hockte mich neben die Couch und betrachtete ihn einfach nur. Er sah, obwohl er schlief, total erschöpft aus. Ich strich ihn sanft über die Wange.
„Tessa, tule luokseni" (Tessa, komm zu mir) murmelte er im Schlaf vor sich hin.
"Ich bin hier Samu, ich bin hier" und strich ihm weiter über seine Wange bis auch ich irgendwann einschlief.
Ich wurde wach, weil mein Bein eingeschlafen ist und merkte, wie mir alles weh tat. Ich quälte mich hoch und versuchte leise zu sein um den immer noch schlafenden Samu nicht zu wecken. Ich ging ins Bad, duschte ausgiebig um wieder wach zu werden und meine Knochen zu entspannen, zog mir dann ein paar von Samu's viel zu großen Sachen über. Muss nachher mal schauen, wo mein Koffer geladet ist. Ich ging wieder uns Zimmer und trat ausversehen gegen eine leere Flasche, die ich letzte Nacht wohl übersehen hab. Mist, dachte ich.
"Alter, wat soll der scheiss, ick hab Kopf, seit gefälligst leise und verzieht euch verdamt noch mal" fluchte Samu liegend los und ich blieb vor Schreck starr stehen. So wütend habe ich ihn noch nie erlebt.
"Samu?" fragte ich leise.
"Tessa?"
"Ja, ich bins" und ging zurück zur Couch.
"Du bist hier? Du bist wirklich hier und ich habe das nicht geträumt?" fragte er leise.
"Ich bin wirklich hier" sagte ich nochmal und setzte mich neben ihn auf die Couch. Er vergrub seinen Kopf wieder in meinem Schoss und ich streichelte ihn wieder einfach nur.
"Es tut mir leid, ich wollte dich eben nicht so anfauchen, ich dachte, das sind die Jungs. Ich hab gestern wohl ein Bier zu viel getrunken und hab nun ganz schön heftig Kopfschmerzen" flüsterte er zerknischt.
"Na, ob das wirklich nur ein Bier war, bezweifle ich aber stark" lachte ich.
"Ich liebe es, wenn du lachst, wirklich. Ich hab dich so wahnsinnig vermisst. Jede Faser meines Körper hat nach dir geschrien und verlangt" murmelte er vor sich hin und schlief wieder ein.
"Ich hab dich auch vermisst, mein kleiner blonder Engel" flüsterte ich ihm ins Ohr und gab ihn ein sanften Kuss auf die Stirn.
Es klopfte einmal kurz und leise und Jessi schaute rein.
"Komm rein, er schläft wieder" meinte ich.
"Guten morgen süsse, alles ok?" fragte sie und stellte meine Tasche ab.
"Danke fürs Tasche herbringen, habe ich heute morgen schon vermisst" und deutete auf die viel zu großen Sachen, die ich an hab, "Ja, ist alles ok, er hat einen tierischen Kater und ich lass ihn erstmal schlafen. Weiß allerdings nicht, ob sie heute noch Termine haben" erwiderte ich.
"Ach die Sachen stehen dir doch" sagte sie grinsend, "Riku ist grad zu den anderen und versucht die Termine heute zu verschieben oder so zu drehen, das Samu hier bleiben kann".
"Das wäre super, wenn das klappt. Schau ihn dir an, er brauch dringend eine Pause. Ich bin so froh, das wir her gekommen sind. Hätte es keinen Tag länger ausgehalten, ohne ihn" meinte ich und strich ihm weiter übers Haar.
"Das muss wahre Liebe bei euch sein. Ich liebe Riku auch, aber ein paar Tage ohne ihn, sind auch mal ganz schön, obwohl die 3 Monate doch ganz schön einsam waren, ohne ihn, hab ich ihn nie so sehr vermisst, wie ihr euch. Ich finde das so wunderschön und freue mich einfach nur für euch. Ich wünsche euch nur das beste und ich weiß, ihr schafft auch das hier. Es wird alles wieder gut Tessa, wie immer!" erwiderte sie.
"Ich danke dir Jessi, dankeschön. Du bist die beste Freundin, die man sich wünschen kann und bin so froh, das du immer an meiner Seite bist" flüsterte ich nur noch, den Tränen schon wieder recht nahe.
"Nicht dafür, das ist selbstverständlich" erklärte sie mir bestimmend.
Wir unterhielten uns noch ein wenig, sie kochte uns neben bei einen Tee und organisierte was zum Frühstück. Knappe 2 Stunden später kam Riku wieder und sah ziemlich mitgenommen aus. Er ging erstmal auf die Terasse, holte tief Luft, zündete sich eine Zigarette an und erzählte.
"Es gab ziemlich Theater mit den Verantwortlichen. Ich habe ihnen versucht zu erklären, das Samu krank ist und dringend ein paar Tage Zeit zum ausruhen braucht. 3 Tage, mehr konnte ich nicht raus holen. Ich habe es auch schriftlich, das die Tour in 5 Monaten zu ende ist und keine weiteren Termine angehangen werden. Er wird zwischen durch ein paar Termine absagen, so das auch mal ein Tag Luft zum atmen für uns bleibt. Trotzdem werden die nächsten 5 Monate sehr hart werden, für uns alle."
"Dankeschön Riku. Hat das irgendwelche Konsequenzen, das er 3 Tage pausiert?" fragte ich.
"Jukka und ich springen in der Zeit für ihn ein und übernehmen seine Termine" erwiderte Riku.
"Danke Kumpel, hast was gut bei mir" flüsterte Samu, der wohl in der zwischenzeit wieder wach geworden ist.
"Oh ja, das kannste laut sagen großer, aber da fällt mir schon was ein" meinte Riku und grinste schelmisch.
"Ich habs befürchtet" jammerte Samu und seufzte theatralisch, jedoch nicht ganz ernst gemeint.
"Samu, kannst du deine Mama anrufen und fragen, ob sie auf das Haus und die Katzen aufpasst?" fragte ich Samu.
"Warum, hast sie vorher nicht informiert, das du her kommst?" flüsterte er fragend.
"Doch, aber ich habe mich entschlossen, die nächsten 5 Monate nicht von deiner Seite zu weichen. Ich möchte nicht dabei zu sehen, wie du dich kaputt arbeitest oder säufst. Das könnte ich nicht ertragen. Ich möchte dich nicht verlieren und wenn es dir hilft, wenn ich bei dir bin, dann bleibe ich bei dir, an deiner seite und unterstütze dich in allem was du tust" erklärte ich bestimmend.
"Ich liebe dich" hauchte er mir zu, küsste mich sanft und verzog das Gesicht, "Mein Kopf bringt mich um, hat einer eine Kopfschmerztablette?"
"Steht alles schon bereit, großer" und mit diesen Worten reichte Jessi ihm ein Glas Wasser in der das aufgelöste Aspirin schwamm.
Er trank es in einem Zug aus und ging langsam ins Bad um zu duschen.
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