XXII.

,,Mond und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment leuchtet ein Leben lang."

~ Franz Grillparzer

Der Weg zum RegenClan war ein unbeschwerter, jetzt da sie wussten, dass sie den NebelClan nicht gänzlich verloren hatten. Das Wetter wurde wieder sonniger und ein sanftes, helles Licht spielte auf der Oberfläche der Flüsse und Seen, tanzte über die Wellen und ließ das Wasser glitzern und glänzen. Am Himmel wechselten sich blassblaue und gelbliche Wolkenbänke ab, die man im See betrachten konnte, wenn man tief genug hineinsah, und helle Dunstschleier hingen über den sumpfigen Wiesen, die golden im Sonnenlicht leuchteten.

Das Territorium des RegenClans bestand aus drei Seen, von denen der eine mit einem Fluss verbunden war und vier Flussarmen, die vom großen Fluss abzweigten. An der Grenze zum Moor befand sich ein wasserreicher Sumpf, in dem viele seltene, wirksame Kräuter wuchsen und zum FarnClan hin wechselten sich die Trauerweiden mit stämmigen Buchen ab, die in den bunten Mischwald übergingen.

Drosselfell war so ausgelassen, dass er die ganze Zeit über Scherze machte, sich über sie amüsierte und ihnen kleine Streiche spielte. Die Abendsonne stand an ihrem tiefsten Punkt, als sie den Sumpf durchquert hatten und an einen der vielen Seitenarme des großen Flusses gerieten.

»Fuchs, vielleicht solltest du dich vorher waschen«, bemerkte Federherz trocken. Er hatte den Fluss schon durchwatet und wartete am anderen Ufer auf sie.

Fuchsauge erinnerte sich an ihr Schlammbad im Moor und versuchte, den Dreck mit Hilfe des Wassers aus dem Fell zu bekommen, ohne allzu nass zu werden. Sie war damit nicht erfolgreich. Triefend stakste sie an Land und warf Drosselfell einen giftigen Blick zu, der natürlich über den Fluss geflogen war, ohne einen Tropfen abzubekommen und sich nun über die nassen Pelze der anderen lustig machte.

»Denkst du gerade, was ich denke?«, flüsterte die rot-weiß getigerte Kätzin Federherz zu.

»So habe ich dich nicht erzogen«, erwiderte der schwarz-weiß gefleckte Kater, dessen Fell klatschnass an seinem Bauch klebte. »Na gut. Aber das wird nie wieder erwähnt.«

Fuchsauge nickte. »Und los.«

Zusammen stürzten sie sich auf Drosselfell und schoben ihn Hals über Kopf in das träge fließende Gewässer. Seine Flügel schlugen aufgeregt um sich, aber Federherz und Fuchsauge hielten ihn so lange unter Wasser, bis sie völlig durchtränkt waren. Dann musste Fuchsauge niesen, weil ihr eine lose Feder auf die Nase flog und sie ließ los.

Federherz und sie flohen schnell zum rettenden Ufer, als Drosselfell mit Wasser verströmendem Fell und grimmigem Gesichtsausdruck aus den Tiefen des Flusses auftauchte. Ihr Plan hatte allerdings nicht viel bewirkt, denn als die Sturzbäche, die aus seinem Pelz liefen, versiegt waren, sahen sie, dass er staubtrocken war. Dämlicher Fluch. Wenn wir dich gerettet haben, wiederholen wir das.

»Ihr habt die Rache der wütenden Drossel heraufbeschwört«, grollte der hellgraue Kater und sah dabei mehr Fisch als Vogel aus. »Bereitet euch darauf vor, zu sterben!«

In der Zeit, als er es endlich ans Ufer schaffte, konnten sich Fuchsauge und Federherz das Lachen nicht mehr verkneifen und lagen prustend im kalten, feuchten Gras. Drosselfell schüttelte das letzte bisschen Wasser in seinem Fell über ihnen aus und hauchzarte Tröpfchen stoben in alle Richtungen.

»Wehe, ihr erzählt jemandem davon«, grummelte er.

»Was«, sagte Fuchsauge. »Müssen wir dann Angst vor der großen Drossel haben?«, was in einer weiteren Lachtirade endete. »Adlerschweif wird der Erste sein, der es erfährt«, flüsterte sie Federherz zu.

»Das habe ich gehört!«

»Solltest du auch. Er wird nur der Erste.«

Drosselfell knurrte drohend. »Und der letzte, den du zu Gesicht bekommst.« Der hellgrau gestreifte Kater griff sie spielerisch an und bald waren alle drei in einen wilden Kampf verwickelt, der bis zum Sonnenuntergang anhielt. Das Sumpfgebiet war in ein goldrotes Licht getaucht, das bald hinter den Hügeln des SturmClan-Territoriums verschwinden würde.

»Jetzt müssen wir uns aber beeilen, wenn wir vor Anbruch der Nacht beim RegenClan sein wollen«, sagte Federherz und schüttelte sich das Gras und Drosselfells Federn aus dem nun trockenen Pelz. »Wir haben noch viel zu tun.«

Einen Flussabschnitt und drei Seen weiter stießen sie auf eine Patrouille kurz vor dem RegenClan-Lager. Sie wurde von einem schwarzbraunen Kater mit großen, breiten Pfoten angeführt und bestand außer ihm noch aus einem kräftigen, grau und schwarz gescheckten Kater und zwei kleineren Katzen, die den älteren an den Fersen hingen wie Junge am Bauch ihrer Mutter.

»Wen haben wir denn da?«, brummte Schattenwächter freundlich. Fuchsauge kannte ihn von großen Versammlungen und mochte ihn sogar einigermaßen, obwohl seine Laune so wechselhaft war, wie das Wetter in der Blattfrische. Auch Sumpfläufer, der Anführer der Patrouille war weithin als bester Fährtenleser unter den Clans bekannt.

Ihre beiden Schüler mussten allerdings neu sein, denn sonst würden sie nicht so verunsichert an ihren Mentoren hängen, entschied Fuchsauge. Im nächsten Moment bereute sie ihre Fehleinschätzung der Schüchternheit der Schüler, denn ein cremefarbener Kater mit roten Tupfen wagte sich hinter den Kriegern hervor.

»Was macht ihr auf unserem Territorium, ihr Fuchsherzen?«, fauchte er und sträubte sein Fell, sodass er beinahe doppelt so groß wirkte.

Sein Freund stellte sich tapfer an seine Seite, vermied es aber, ihnen in die Augen zu sehen, so als schäme er sich über den anderen Schüler. »Wir sollten euch vertreiben«, miaute der Cremefarbene. »Niemand betritt RegenClan-Gebiet ohne Erlaubnis.«

Fuchsauge war kurz davor, etwas wie »Was denn? Mit deiner Erlaubnis?« zu antworten, verkniff es sich aber ihren Gefährten zuliebe, schon wieder einen Streit mit einem aufmüpfigen Schüler anzufangen. Ein Missgeschick wie im NachtClan hatte ihnen gerade noch gefehlt.

»Still jetzt, Eichhornpfote«, knurrte Sumpfläufer und schenkte seine Aufmerksamkeit dann den drei Eindringlingen. »Aber er hat Recht. Was ist es, das zwei Katzen des FarnClans und einen Unbekannten unerlaubt ins RegelClan-Territorium treibt?«

Fuchsauge schob sich vor ihre Freunde. »Eine dringliche Angelegenheit, die wir nur mit Schmetterlingsstern besprechen können. Keine Angst, ihr könnt uns ruhig dorthin bringen. Wir fliegen nicht davon.«

In ihrem Rücken spürte Fuchsauge förmlich, wie Federherz stöhnte und Drosselfell ein Lachen unterdrückte. Sie hoffte, dass Sumpfläufer ein Kater mit Humor war.

Am Schluss stellte sich heraus, dass er die einzige Katze in der Patrouille war, die Humor besaß. Ob die anderen steife Idioten waren oder ihren Witz nicht verstanden, erfuhr sie nie (später allerdings würde ihr Federherz erzählen, dass er einfach nicht lustig war), aber der schwarzbraune Kater brachte sie an ihr Ziel: das Lager des RegenClans.

Der Bau der Anführerin befand sich unter einem Weidenstrauch im Lager, dass im Schilfröhricht eines Flussufers versteckt war und zwischen zwei Nebenflüssen des Großen lag. Die anderen Nester waren aus Schilf und langen Gräsern geflochten und erinnerten sie ein wenig an eine halbe Form der HimmelClan-Bauten, nur dass sie zusätzlich mit Muscheln, Perlen und glänzenden Kieselsteinen geschmückt waren. Selbst im HimmelClan, der seit Blattwechseln vom Alltag der anderen Clans abgeschnitten war, erzählte man sich von der Eitelkeit der RegenClan-Katzen – und sie erfüllten dieses Klischee mit Eleganz: aalglattes, schillerndes Fell, ordentliche Nester, ein sauberer Frischbeutehaufen. Und das ganze Lager schimmerte im Glanz hübscher Verzierungen, die das Sonnenlicht auffingen.

»Ist es nicht sehr aufwendig, das alles wieder herzurichten, wenn eine Flut kommt?«, fragte Drosselfell, als er sich staunend umblickte.

Sumpfläufer starrte ihn entgeistert an. »Hier hat es seit Monden keine Überschwemmungen mehr gegeben. Der Fluss liebt den RegenClan so sehr wie der RegenClan den Fluss.«

Nach einer Weile, in der er und Schlangenfell, die Zweite Anführerin, in Schmetterlingssterns Bau verschwanden, wurden sie hereingeführt, wo die drei Katzen sie erwartungsvoll begrüßten.

»Ich nehme an, ihr könnt uns nichts über Vipernschattens Verschwinden berichten?«, miaute Schlangenfell, eine pechschwarze Kätzin mit grün schimmerndem Fell, scharf. Ihre giftgrünen Augen fixierten Fuchsauge und bohrten sich in ihren Schädel. Eine wahrhaftige Schlange, dachte sie.

»Du bist wohl die schärfste Kralle an der Pfote«, gab sie zurück.

»Nein, aber die misstrauischste. Und ein Haufen von bunt zusammengemixten Katzen, der kurz nach seinem Verlassen bei uns auftaucht, ist äußerst verdächtig.«

»Volltreffer«, murmelte Drosselfell hinter ihr, so leise, dass nur sie es hören konnte.

»Was ist das?«, fragte Sumpfläufer laut, obwohl es eher nach einem Selbstgespräch klang. »Eine Verschwörung des FarnClans gegen den RegenClan, in der ihr unseren Heiler entführt? Mit Unterstützung von einem...« Er musterte Drosselfell argwöhnisch. »Einer Kreuzung zwischen Katze und Vogel? Klingt mehr nach Zweibeinerzeug, wenn ihr mich fragt. Ich habe davon gehört, dass sie ähnliche Experimente wagen.«

Fuchsauge erzählte ihnen geduldig vom Fluch des HimmelClans und beobachtete mit wachsendem Unmut, wie Schlangenfells und Sumpfläufers Mienen sich verdüsterten. Die beiden mussten Geschwister sein.

Schmetterlingsstern sagte nichts und ließ auch durch keinen zuckenden Muskel erkennen, was ihr durch den Kopf ging. Als Fuchsauge geendet hatte, seufzte sie schwer und sagte: »Oh, beim heiligen SternenClan.« Nichts weiter. Nach einer Weile des Schweigens wendete sie sich an ihre Clangefährten. »Wir müssen ihnen helfen.«

Schlangenfell und Sumpfläufer sahen aus, als hätte sie verkündet, dass sie einem wildfremden Clan, bestehend aus fliegenden Katzen, dabei helfen wollte, einen Krieg gegen den SternenClan zu führen. Aber auch Fuchsauge war überrascht, sie hätte mit mehr Widerstand und Ungläubigkeit gerechnet.

Schlangenfell fand ihre Sprache rasch wieder. »Ihnen helfen? Sie planen einen Kampf gegen unsere Kriegerahnen! Das ist Hochverrat! Und zusätzlich halten sie unseren Heiler gefangen.«

»Man würde meinen, dieser Umstand spräche eher dafür, mit ihnen zusammenzuarbeiten, als dagegen, findest du nicht?«, sagte Schmetterlingsstern und fuhr sich mit der Zunge über eine unebene Stelle ihres schildpattfarbenen Haarkleids.

Jetzt schaltete sich auch noch Sumpfläufer ein. »Das wäre Selbstmord. Schmetterlingsstern, komm zur Vernunft.«

»Aber sie brauchen unsere Hilfe«, miaute Schmetterlingsstern stur. »Wie können wir nur zulassen, dass unsere Ahnen so viel Leid über die Clans bringen und nicht bestraft werden? Wenn sie sehen, dass wir dabei nicht mitmachen, werden sie sich ändern, glaubt mir. Das ist eine Chance für alle, ein besseres Leben zu führen.«

Ihre Stellvertreterin sah sie zweifelnd an und auch Fuchsauge hätte widersprochen, wenn sie die Unterstützung des RegenClans nicht gebrauchte hätte. Denkt sie wirklich, dass der SternenClan sich jemals ändern wird? Sein Wesen wird es niemals tun, aber vielleicht können wir ihm die Macht rauben. Das war alles, was sie wollte. Wofür sie kämpfte. Ein kleines Ziel und doch war es so schwierig zu erreichen wie die Spitze des höchsten Berges hinter dem Moor.

Schlangenfell hatte den Bau wutentbrannt verlassen, aber Schmetterlingsstern schenkte ihnen ein aufgeregtes Schnurren. »Ich werde sie schon überzeugen. Wie geht es jetzt weiter?«

»Und wann bringt ihr Vipernschatten zurück?«, fragte Sumpfläufer.

Fuchsauge zuckte bedauernd mit dem Ohr. »Wir schicken euch einen Boten, wenn es soweit ist. Bisher können wir ihn leider nicht freilassen. Er würde uns sonst an den SternenClan verraten.«

Zurückblickend war das nicht die beste Antwort, die sie hätte geben können. Schmetterlingsstern war Kritik gegen ihre geliebten Clanmitglieder nicht gewohnt und Sumpfläufers Misstrauen hatte es ihnen erst recht eingebracht.

»Aber wir brauchen einen Heiler«, hatte die schildpattfarbene Anführerin gesagt. »Ich verspreche euch, dass er nichts sagen wird.«

Leider war Fuchsauge nicht dumm genug, ihr zu glauben, dass sie Vipernschatten unter Kontrolle hatte und sie hatten sich eher kühl verabschiedet. An ihrem Versprechen hielt Schmetterlingsstern trotzdem fest. Sie würde dem HimmelClan helfen, auch wenn sich ihre Clangefährten gegen sie stellten.

»Sie ist eine gute Anführerin«, murmelte Federherz, als sie das Lager verließen. »Aber ihr gutes Herz wird sie eines Tages brechen.«

Sie wusste es, er wusste es, Sumpfläufer und sogar Schlangenfell, ihre Stellvertreterin, wussten es. Schmetterlingsstern würde nicht lange als Anführerin durchhalten. Aber das ist eine andere Geschichte.

A/N: Der Sarkasmus überwiegt hier xD. Anscheinend hatte ich beim Schreiben schlechte Laune.

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