Fragen über Fragen

Aurelia hatte noch versucht mit Sameena zu sprechen, die ihr mit Tränen in den Augen auf dem Flur entgegengekommen war, aber sie hatte ihr klar zu verstehen gegeben, dass sie nicht mit ihr reden würde. Sie war gerade auf dem Weg zu Tony und Marie, da hörte sie plötzlich laute Rufe.

„Mrs. Winter! Mrs. Winter!"

Eine Frau mit auffällig blauen, hochtoupierten Haaren und schriller Stimme lief ihr hinterher. Dabei wedelte sie mit einem Notizblock.

„Daphne Bluecorn vom Tagespropheten" stellte sie sich schnaufend vor und Aurelia stöhnte innerlich auf.

„Darf ich Ihnen ein paar Fragen zu dem Unglück stellen, dass sich an Silvester hier ereignet hat?" Sie wartete Aurelias Antwort nicht ab.

„Ermitteln Sie weiter? War es etwa doch mehr als ein Unfall? Was können Sie unseren besorgten Lesern sagen, die nun Angst haben das Drei Besen aufzusuchen?"

„Kein Kommentar" lautete Aurelias knappe Antwort.

„Aber können Sie unseren Lesern und Leserinnen versichern, dass ein Besuch im Drei Besen für Sie nicht tödlich enden wird? Und was tut die Patrouille um Hexen und Zauberer vor einem zukünftigen Anschlag zu schützen?"

Es war unglaublich, dachte Aurelia bei sich, wie die Frau es schaffte in Kürze von einem Unglück zu einem Mord zu einem Anschlag zu springen und obwohl sie ihr nicht die Genugtuung einer Antwort geben wollte, hatte Madam Rosmerta es auch nicht verdient so verunglimpft zu werden.

„Madam Rosmerta und ihr Neffe machen einen vortrefflichen Job und haben sofort und richtig gehandelt. Ihre Leser und Leserinnen können ganz beruhigt sein zu wissen, dass sie sich in äußerst kompetente Hände begeben."

Ein gieriges Funkeln erschien in den Augen der Reporterin.

„Sie geben also zu nicht schnell genug vor Ort gewesen zu sein?"

Aurelias Blutdruck stieg und am liebsten hätte sie die Frau auf der Stelle in einen Wurm verwandelt. Ihre Hand krampfte sich um den Zauberstab.

Wie sie es schaffte alles so hinzudrehen, wie sie das gerne hätte! Sollte sie auch nur irgendetwas davon in der Zeitung bringen, wusste sie schon, wie Bullfrog reagieren würde. Dann könnte sie ihre zweite Chance wohl komplett vergessen.

„Die magische Strafpatrouille reagiert so schnell wie möglich auf alle Hilferufe aus der Bevölkerung. Dennoch sind wir mutigen Mithexen und -zauberern natürlich immer für ihre Hilfe dankbar. Wichtig ist jedoch sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Lieber wartet man in Sicherheit auf das Eintreffen der Patrouille", spulte sie monoton ab. Sie hatte lange genug am Schreibtisch verbracht, um zu wissen, wie man auf solche absurden Anschuldigungen reagierte.

„Und was können Sie mir zu der Beteiligung von Sanjit Kahn und Faye Zabini an dem Geschehen sagen? Unsere Leserinnen und Leser interessieren sich brennend für die beiden. Man hört ja allerlei Gerüchte. Vielleicht haben Sie ja auch heute den Artikel meiner geschätzten Kollegin Rita Kimmkorn gelesen, ..."

Das Quidditchgeschäft kam in Sicht und Aurelia atmete erleichtert durch. Sie wusste nicht, wie lange sie es noch ausgehalten hätte, bevor sie die Frau nicht tatsächlich in einen Wurm verwandelt hätte.

„Sie entschuldigen mich", unterbrach sie die Reporterin, die ganz und gar nicht so aussah, als würde sie Aurelia entschuldigen wollen. Dicht gedrängt blieb sie neben ihr.

„Ich habe zu tun und sie behindern offizielle Ermittlungen. Wenn Sie den Weg nicht frei machen und sich verabschieden, werde ich Sie festnehmen müssen."

Aurelias Herz flatterte und sie hoffte inständig, dass die Reporterin es nicht darauf würde ankommen lassen. Die Frau taxierte sie lange, dann trat sie zurück.

„In der Zeitung hieß es doch die Ermittlungen wären eingestellt worden." sagte sie.

Aurelia grinste süffisant.

„Sie sollten wirklich nicht alles glauben, was Sie in der Zeitung lesen," sagte sie und betrat das Quidditchgeschäft. Zur Sicherheit legte sie sofort einen Muffliato Zauber über das Gebäude. Neugierige Ohren konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen.


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In der Wohnung machte niemand auf und so stand Aurelia nun wieder im Laden und wartete darauf, dass der Besitzer seiner Kundin den neuen Sportumhang einpackte.

"Wissen Sie mein Enkel ist dieses Jahr im Ravenclaw Quidditch Team und da wollte ich ihm eine Freude machen" erklärte die grauhaarige Hexe während der glatzköpfige Mann ihr ihr Wechselgeld überreichte.

Aurelia lächelte ihr unverbindlich zu, als sie den Laden verließ, den wandte sie sich an den Glatzkopf.

"Sie war'n schon mal hier." sagte er und musterte sie von oben bis unten. An ihrem Abzeichen blieb er hängen.

"Sie sin' von den Falken? Hmm?" Falken war ein abwertender Terminus für die Patrouille, da diese früher ihr Wappen geziert hatten.

Aurelia nickte.

"Ich hätte ein paar Fragen zu Tony Thompson, ihrem Mitarbeiter."

Die Mundwinkel des Ladenbesitzers zuckten.

"Wusste, dass einer von ihrer Sorte hier mal auftauchen würde. Was gibt'sn?"

"Welchen Grund gibt es denn Ihrer Meinung nach, für meine Sorte hier mal aufzutauchen?" fragte Aurelia.

Der Mann kratzte sich an seiner Glatze und zuckte mit den Schultern.

"Tony 'sn feiner Kerl, aber hängt mit den falschen Leuten rum. Bullstrode und ihre Gang. Obwohl ich mir nich sicher bin, ob er das freiwillich macht oder weil er sichs mit ihnen verkackt hat."

„Bullstrode und Ihre Gang" sagte Aurelia nichts. Sie würde Carina danach fragen, wenn sie zurück war. Vielleicht wusste sie mehr.

"Und glauben Sie, dass diese falschen Leute, wie Sie sie bezeichnen, einen Grund hätten Tony etwas anzutun?"

"Die brauchen keinen Grund, glaub'n Se mir" lachte der Glatzkopf schallend.

"Und denken Sie auch Tony wäre zu so etwas in der Lage?"

"Mord meinen Se?" Wieder kratzte er sich die Glatze.

"Wenn se mich des vor ein paar Monaten gefragt hätten, hätt ich Nein gesagt, aber Verzweiflung kann einen dazu bringen Sachen zu machen, die man selbst nich' für möglich gehalten hätte."

"Dann war Tony also verzweifelt?"

Der Ladenbesitzer zuckte die Schultern.

"Was weiß ich schon und eigentlich geht's mich auch gar nichs an."

Dennoch schien er sich sehr dafür zu interessieren, dachte Aurelia bei sich.

"Wie lange arbeitet Tony denn schon bei Ihnen?" wechselte sie das Thema.

"Mhmm, knapp 1 Jahr glaub ich."

"Und Sie sind zufrieden mit seiner Arbeit?"

Wieder zuckte der schwere Mann mit seinen Schultern.

"Is ja kein Hexenwerk und wenn ein ehemaliger Quidditchprofi in meinem Laden arbeitet, kommt mehr Kundschaft."

"Er wohnt ja über den Laden mit seiner Frau Marie, wohnen Sie auch da?"

"Ne, ich wohn oben gegenüber bei meiner Butterblume." Er zeigte aus den Laden und über die Straße, wo ein blaues Blumengeschäft stand.

Aurelia fand es irgendwie niedlich einen solchen Kosenamen aus dem Mund eines so grobschlächtigen Menschens zu hören.

"Aber sie kennen auch Tonys Frau, oder? Was ist Ihr Eindruck von ihr?"

Die Mundwinkel des Glatzkopfs zuckten leicht nach unten.

"Ich glaub der is das alles nich schick genug hier. Hat die Wohnung und meinen Laden ziemlich abschätzig gemustert, als ich se ihnen gezeigt hab. Dabei hab ich hart dafür gearbeitet, hier meinen Laden aufzubauen und zu halten. Die meisten gehen ja doch zu „Qualität für Quidditch" in der Winkelgasse. Aber auch wenn ses im Namen haben, ich hab de bessere Qualität, nich nur den ganzen billigen Kram aus den Staaten. Und die Kunden wissen das auch zu schätzen."

Ein stolzes schiefes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und Aurelia fand er sah dabei gar nicht mehr so grobschlächtig aus.

„Wissen Sie, wo Tony jetzt ist? In der Wohnung hat mir niemand aufgemacht."

Er schüttelte den Kopf.

„Ich hab ihn den ganzen Tag noch nich gesehen." Aurelia nickte und fragte dann nach Marie.

"Probieren Sies mal drüben bei Madam Pudifoot. Da arbeitet se."

Aurelia lächelte ihm zu und überreichte ihm ihre Karte.

"Vielen Dank für Ihre Hilfe. Falls Ihnen noch irgendetwas einfällt, lassen Sie es mich wissen."

Er nickte und steckte ihre Karte in seine Hosentasche.

„Und packen Sie mir bitte ein Trikot von Kalberg ein. Mein Vater hat bald Geburtstag und wird sich über ein neues Trikot von seinem Lieblingsspieler sicher freuen."

Der Glatzkopf nickte freudig.

"Guter Mann", sagte er grinsend "obwohl Kalberg natürlich keine Chance haben wird gegen Ling."

Aurelia bezahlte und verließ mit einer bepackten Tüte den Laden. Das war aufschlussreicher gewesen, als sie sich vorgestellt hatte. Vielleicht hatte sie bei Madam Pudifoots genauso viel Glück.

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