Ein unerwarteter Verbündeter

Nachdem Aurelia auch noch das gesamte Gebäude, samt Quidditchgeschäft mit Schutzzaubern belegt hatte, versuchte sie noch Fayes Alibi für den Silvestertag zu überprüfen.

Doch keiner ihrer Nachbarn der Ferienwohnung hatte sie kommen und gehen sehen. Ein älterer Zauberer von gegenüber hatte ihr gesagt er habe etwas gesehen und ihr dann minutenlang von einer Krähe vorgeschwärmt, die an seinem Fenster vorbei geflogen war.

Aber außer dieser spannenden Beobachtung, konnte niemand etwas zu Fayes Aufenthaltsort sagen. Auch Frederic hatte niemand gesehen. Mrs Beetle vom Nachbarhaus hatte ihn einmal auf der Straße getroffen, offensichtlich verwirrt, wo die Ferienwohnung war, aber ansonsten war niemand etwas aufgefallen.

Sie hatte nichts anderes erwartet und eigentlich ging sie sowieso nicht davon aus, dass Faye den Gifttrank in Sanjits Eselsfellbeutel geschmuggelt hatte. Alles deutete momentan auf Sameena. Dennoch wollte sie alles richtig machen, damit Bullfrog ihr nicht wieder vorwerfen konnte, vorschnell zu handeln. Wenn sie ihm erneut unter die Augen trat, wollte sie auf alles vorbereitet sein.

Sie machte sich auf den Weg zur Eulerei, um ihrem Chef einen Brief zu schreiben, indem sie ihren Besuch ankündigen wollte.

Doch bevor sie das Postamt betreten konnte, schoss eine Eule über sie hinweg und ließ eine Kuvert auf ihren Kopf fallen.

Aurelia fing es auf und erkannte zu ihrem Entsetzen, die unordentliche, große Schrift Bullfrogs.

Das Herz pochte in ihrer Kehle und mit flauem Magen öffnete sie den Brief. Hatte sich jemand erneut bei ihm wegen ihren Befragungen beschwert? Wenn sie hätte wetten müssen, hätte sie all ihre Galleonen auf Sameena gesetzt.

"Kommen Sie sofort ins Büro!", stand dort in großen Buchstaben. 

Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. War das tatsächlich das Ende ihrer Karriere? 

Hatte die Eule gerade ihre offiziellen Entlassungspapiere gebracht?

Eine Hexe mit einem länglichen Paket in den Händen knallte ihr beinahe die Tür ins Gesicht, da sie noch immer wie festgewurzelt vor dem Eingang der Eulenpost stand.

"Oh entschuldige bitte Liebes" sagte die Hexe und Aurelia trat einen Schritt zur Seite. Von drinnen erklang das Gurren und Huhu der Tiere.

Was sollte sie bloß machen? Den Brief einfach ignorieren? Sie war so kurz davor herauszufinden, was geschehen war, das spürte sie. Aber sie hatte ja sowieso vorgehabt mit Bullfrog zu sprechen. Nur hatte sie sich nicht vorgestellt, von ihm ins Büro zitiert zu werden. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er dann in der richtigen Stimmung war sich ihre Ausführungen anzuhören. Sollte sie einfach stur auf eigene Faust weiterermitteln? Sie hatte jedoch einen Punkt erreicht, an dem sie ohne die Ressourcen des Zaubereiministeriums nicht mehr viel weiterkommen würde. Sie konnte schließlich schlecht einfach so bei Millicent aufkreuzen. Das wäre viel zu riskant. Alleine schon wegen Tony.

Aber wenn sie den Befehl einfach ignorierte, würden sie einen Auroren schicken, um sie höchstpersönlich ins Büro zu zerren?

Sie stellte sich vor wie das Dunkle Magier Kommando plötzlich auftauchte, sie umstellte und ihre Zauberstäbe auf sie richteten. Die Eulen kreischten im Hintergrund.

Aurelia schüttelte die Gedanken ab und straffte die Schultern. Es half alles nichts. Komme, was wolle, sie musste sich dem stellen.

Sie drehte sich auf der Stelle und apparierte zurück in ihre Londoner Wohnung. Sie wollte Noah anrufen, doch der Beamte, der am anderen Ende abnahm, informierte sie, dass er gerade unterwegs war. Er fragte, ob er ihm etwas ausrichten sollte und Aurelia verneinte.

Noah hätte ja keine Möglichkeit sie zurück zu rufen.

Ihr Vater hob sofort ab und beim Klang seiner vertrauten Stimme, kamen ihr beinahe die Tränen. Sie informierte ihn, dass sie gefeuert werden würde und ihr Vater bestand sofort darauf mit ihr ins Zaubereiministerium zu kommen.

"Ich muss nur noch schnell meine Waffe aus dem Schrank holen, gib mir 2 Minuten."

Aurelia konnte ihn gerade noch davon abhalten. Seine Sorge rührte sie zwar, aber er wäre innerhalb von einer Minute zu Boden gestreckt worden.

"Das ist etwas, was ich alleine machen muss" erklärte sie mit fester Stimme.

Mike schimpfte noch ein bisschen vor sich her, aber akzeptierte ihren Entschluss und wünschte ihr alles Gute.

"Zeig dem Idioten, was eine echte Winter ist. Ich bin stolz auf dich, egal was." fügte er noch hinzu und Aurelia schluckte einen Kloß in ihrem Hals hinunter.

Dann zog sie sich ihren besten, samtenen, scharlachroten Umhang an. Wenn sie schon gefeuert würde, wollte sie es erhobenen Hauptes entgegennehmen. Sie achtete darauf ihre Notizen, den Zettel mit der Anweisung und Tonys Erinnerung nicht zu vergessen, richtete ihren Pferdeschwanz und stieg in den Kamin. Auf der anderen Seite angekommen, strich sie ihren Umhang glatt und marschierte zielstrebig ins Atrium.

Trotz ihrer äußeren Entschlossenheit, flatterte ihr Herz wie eine Eule im Käfig. Sie rief den Aufzug und der Gedanke, dass es das letzte Mal sein würde, durchfuhr sie wie ein Blitz.

Eine Hexe mit einer Kaffeemaschine, die in immer wiederkehrenden Abständen eine Fontäne des braunen Getränks erbrach, lächelte ihr entschuldigend zu, als sie mit ihr zusammen einstieg. Ihre gesamte Vorderseite war bereits durchnässt und der Duft des Kaffees erfüllte den gesamten Aufzug. Aurelia lächelte zurück. Wehmut goss sich über sie wie der Kaffee über die Hexe. Sie würde es vermissen all die interessanten Menschen zu beobachten. Hier, wo alle Magie zusammenfloss. Aber sie durfte jetzt noch nicht traurig sein. Die Aufzugstüren glitten im zweiten Stock auf und Aurelia ging ein letztes Mal den Gang entlang zu Bertrams Büro. Newburry winkte ihr fröhlich zu, aber sie schaffte es nicht seinen Gruß zu erwidern.

Aurelia klopfte. Die Tür ging auf und zu ihrer Überraschung sah sie nicht nur in das missmutige Gesicht Bullfrogs, sondern eine weitere Person im Raum drehte sich zu ihr um.

Sanjit lächelte nervös und rollte seinen Zauberstab in den Fingern.

War er gekommen, um sich zu beschweren? Aurelia blieb verdutzt im Türrahmen stehen.

"Setzen Sie sich " quakte Bullfrog und deutete auf einen Stuhl neben Sanjits.

Aurelia tat wie geheißen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt und auch Sanjit rutschte auf seinem Stuhl hin und her.

"Was...?" begann sie, doch Bullfrog unterbrach sie.

"Der junge Mr. Kahn hier wollte Sie gerne sprechen. Er hatte wohl den Eindruck Sie ermittelten noch in dem Fall." Bullfrog stierte sie aus seinen Glubschaugen an.

Aurelia wippte mit ihrem Fuß auf und ab, sagte jedoch nichts.

"Ich musste Mr.Kahn hier informieren, dass Sie nicht für den Fall zuständig und die Ermittlungen eingestellt worden sind."

Aurelia schwieg weiterhin während Sanjit ihr einen unsicheren Blick zuwarf.

"Aber Mr. Kahn hier hat darauf bestanden mit Ihnen zu sprechen. Können Sie sich erklären, wieso?" Bullfrog leckte sich über die wulstigen Lippen und Aurelia schüttelte es innerlich.

Sie zuckte mit den Schultern.

"Vielleicht weil ich meinen Job Ernst nehme und gut mache?" antwortete sie betont lässig. Faye kam ihr in den Sinn und sie musste schmunzeln.

Bullfrog fand das Ganze allerdings alles andere als witzig. Seine Augen quollen ihm fast aus dem Kopf und auf seiner Schläfe pochte eine Arterie.

"Sie sollten aufpassen, was Sie sagen, Mrs Winter", sagte er durch gepresste Zähne und warf einen Blick zu Sanjit, der dem Austausch mit nervösem Blick folgte.

"Wenn es weiter nichts gibt" sagte Aurelia, „ich hätte da nämlich auch noch ein paar Dinge, die ich gerne ansprechen...".

"Schweigen Sie." quakte Bullfrog erneut und Aurelia sah ihm an, dass er am liebsten losgebrüllt hätte, es jedoch vor seinem Gast nicht wagte noch ausfallender zu werden.

Sie grinste leicht und Bullfrogs Ader schien kurz vor dem Platzen zu stehen.

"Mr. Kahn hier hat wichtige Informationen für Sie."

Er nickte Sanjit zu, der auf seinem Stuhl hin und her rutschte.

Aurelia wandte sich dem Jungen zu.

"Was hast du denn für Informationen?" fragte sie freundlich. Sanjit schluckte.

Er warf einen Seitenblick auf Bullfrog und schwieg.

"Sollen wir uns lieber unter 4 Augen unterhalten?" schlug sie vor und Sanjit nickte.

Aurelia stand auf ohne Bullfrog eines Blickes zu würdigen, der vor Wut platzte und atmete wie ein angriffswütiges Graphhorn.

Sie führte Sanjit in ein separates leeres Büro, das schlicht mit einem Tisch und zwei Stühlen ausgestattet war. Sanjit blickte sich unsicher um. Er war schon wieder ganz blass um die Nase.

Kurzerhand verzauberte sie den kalten Raum in ein gemütliches Wohnzimmer mit flauschigen Sesseln, einer warmen, sonnigen Tapete, dicken Teppichen und vielen kleinen Gläsern mit Feuer darin, die vor sich hin knacksten und zischten.

"Ist doch viel besser so." sagte sie und lächelte Sanjit zu, der schwach zurücklächelte und sich in einen der Sessel sinken ließ.

"Tee?"

Mit einem Wink ihres Zauberstabs kamen zwei Tassen, Milch und Teeblätter geflogen. Sie übergoss sie mit heißem Wasser und reichte eine davon Sanjit.

Er lächelte dankbar und schloss seine Finger um den wärmenden Becher.

Aurelia setzte sich ihm gegenüber, holte den Notizblock hervor und steckte ihren Zauberstab weg.

"Nun erzähl mal. Warum bist du gekommen?"

Sanjit pustete in seine Tasse.

"Es geht um Sameena" sagte er leise.

Aurelia nickte verständnisvoll und ließ ihm Zeit weiterzureden.

"Ich glaube sie hat etwas mit dem...dem...", er stockte, "mit dem Mord zu tun"

"Wie kommst du darauf?"

"Sie ist zu mir gekommen, drei Tage vor Silvester und hat mich gebeten einen Herzstopp-Trank zu brauen für die Feier". Sanjit schluckte.

"Ich habe ihr gesagt, das sei doch viel zu gefährlich, aber sie meinte es könne ganz lustig werden und wir können ja alle zaubern und es wird schon nichts passieren. Ich habe abgelehnt." sagte er bestimmt und sah ihr fest in die Augen.

"Ich wollte damit nichts zu tun haben. Ich habe weiß Merlin schon genug falsche Entscheidungen getroffen" murmelte er leise und nahm einen Schluck von seinem Tee.

"Und dann?"

"Ich bin zu Faye gegangen und habe sie gebeten mit meiner Schwester zu reden. Nicht nur wegen ihrem Wunsch, sondern um sie zu überreden,..."

Er brach ab und biss sich auf die Lippe.

"Um sie zu überreden mit dem IVZ Handel aufzuhören?" half Aurelia ihm weiter.

Sanjit nickte und eine leichte Röte überzog seine Wangen. 

"Du hast deiner Schwester geholfen?" fragte sie sanft.

"Ich ... ja, ich habe ihr geholfen. Begonnen hat es eigentlich schon in Hogwarts. Sameena hat immer etwas auf Fayes Parties mitgebracht. Irgendwann ist sie der Nachfrage nicht mehr nachgekommen und sie hat mich gebeten zu helfen. Ich war 11, schon ein Jahr in Hogwarts und ich wollte einfach nur dazu gehören. Und Meena war meine Schwester, sie war immer mein großes Vorbild gewesen. Also habe ich geholfen und es hat mir Spaß gemacht. Es war eine Herausforderung, was der Unterricht, ehrlich gesagt, nicht für mich war."

Er blickte verschämt zu Boden.

"Trotzdem war es falsch und nachdem Sameena Hogwarts verlassen hatte, habe ich selbst weitergemacht. Es gab genügend Abnehmer für meine verstärkten Aufputsch- und Konzentrationstränke und ich sah nicht, wie ich damit jemand schaden sollte."

Er sah sie entschuldigend an und Aurelia nickte ihm zu.

"Sameena war zu der Zeit in St. Mungos und ihr machte die Arbeit richtig Spaß, doch dann fing sie wieder an Tränke zu verkaufen. Im Krankenhaus fand sie viele willige Kunden. Zuerst machte sie alles alleine, aber nach ca. 1 Jahr bat sie mich erneut zu helfen und ich tat es."

Er schüttelte leicht den Kopf.

"Sie war noch immer meine Schwester und ich..." Er schluckte.

"Ich wollte nur, dass sie mich mag."

Ein trauriges Lächeln spielte um seine Lippen, dann fuhr er fort.

"Es ging ein Jahr gut, dann wurde sie entdeckt und entlassen. Zu dem Zeitpunkt habe ich mich entschlossen auszusteigen und habe versucht sie zu überzeugen das auch zu tun, aber sie hörte nicht auf mich. Im Gegenteil. Sie zog nach Hogsmeade und begann allen möglichen zwielichtigen Leuten ihre Tränke zu verkaufen, mit denen sie sich auch privat traf. Ich machte mir große Sorgen um sie und versuchte mit ihr zu reden, doch sie lachte mich nur aus und meinte ich sei nur neidisch auf ihren Erfolg und dass sich einmal nicht alles um mich drehte."

Er seufzte und betrachtete nachdenklich seine Hände.

"Dabei könnte mir all das gestohlen bleiben, wenn es nur wieder so wäre wie damals, als wir Kinder waren und Meena mir abends heimlich aus ihren Hogwartsbüchern vorgelesen hat," sagte er wehmütig und ein trauriges Lächeln spielte um seine Lippen.

Aurelia spürte eine Woge des Mitleids und lächelte ihm zu.

"Und deswegen hast du Faye gebeten mit deiner Schwester zu sprechen? Erfolglos?"

Sanjit nickte.

"Faye hat nur gelacht und gesagt es sei ihr doch egal, was Sameena so treibe." Eine verärgerte Furche erschien auf seiner Stirn.

"Faye hat Meena immer nur ausgenutzt, aber das hat Meena nie gesehen." Er schüttelte den Kopf und presste die Lippen aufeinander.

"Könntest du dir vorstellen, dass Faye Sameena auch dieses Mal ausgenutzt hat. Um Tony loszuwerden?"

Sanjits Augen weiteten sich.

"Daran habe ich noch gar nicht gedacht!

Ich habe mich so damit gequält, ob ich etwas wegen Sameena sagen sollte, dass ich gar nicht in Betracht gezogen habe, dass sie es vielleicht gar nicht freiwillig getan hat!" rief er aus und wirkte beinahe erleichtert, als würde der Gedanke, dass seine Schwester nicht alleine jemanden kaltblütig ermordet hatte, alles ändern.

"Du hältst es also für möglich, dass Faye Sameena zu etwas überredet hat?"

Sanjit nickte heftig.

"Auf alle Fälle. Meena würde alles für Faye tun."

"Was könnte Faye für einen Grund haben Tony loswerden zu wollen?" fragte Aurelia.

Sanjit zuckte die Schultern.

"Keine Ahnung. Eigentlich hat sie niemand von uns seit Jahren gesehen."

"Sameena erwähnte etwas von einem Streit und dass Tony gedroht hat Fayes Geheimnis zu verraten. Weißt du etwas darüber?"

Sanjit schüttelte den Kopf.

"Keine Ahnung. Mir hat Meena nichts erzählt."

"Kannst du dir vorstellen, um welches Geheimnis es sich handeln könnte?"

Sanjit schüttelte erneut den Kopf und lachte.

"Faye scheint nur aus Geheimnissen zu bestehen. Ich denke niemand von uns kannte sie je wirklich."

Aurelia nickte.

"Sie glauben also, dass Faye Tony wegen irgendeinem Geheimnis töten wollte und Sameena angestiftet hat einen Herzstopptrank zu brauen?" fragte Sanjit begierig.

Aurelia lächelte nonchalant.

"Ich glaube gar nichts. Ich sammle lediglich Hinweise. Und du hast mir auf alle Fälle weitergeholfen. Vielen Dank."

Sanjit nickte eifrig. In seinen Augen loderte jetzt ein Feuer, das sie von sich selbst kannte, wenn sie ein entscheidendes Stück zu ihrem Puzzle hinzufügen konnte und das Bild immer klarer wurde.

"Ich glaube ich wurde mit dem Imperiusfluch belegt." platzte es aus Sanjit heraus und Aurelia zuckte überrascht zusammen.

"Wie kommst du darauf?"

„Weil es einen Zeitraum am Silvestertag gibt, an den ich mich überhaupt nicht erinnern kann."

Aurelia horchte auf.

„Wann genau war das?"

"Es war kurz nach Mittag an Silvester. Ich weiß noch, dass ich Girlanden ans Fenster hing und plötzlich ist alles ganz leer und dumpf und ich kam erst wieder zu mir als ich mit Sameena die Möbel verrückt habe. Ich glaube da hat jemand die Tränke ausgetauscht"

Sanjit schaute sie mit großen Augen an.

"Glauben Sie das könnte so gewesen sein?"

"Wer war mit dir im Zimmer?" fragte Aurelia scharf.

"Das ist ja das seltsame. Soweit ich weiß, war nur ich da. Sameena war kurz rausgegangen, weil Madam Rosmerta ihr noch das Menü zeigen wollte, was wir noch für die Party bestellen könnten. Obwohl wir uns eigentlich schon für Chips und Pie entschieden hatten."

Er zuckte die Schultern. Aurelias Gedanken rasten. Was hatte das zu bedeuten und wie passte es zu allem anderen? Wenn Faye Sameena benutzt hatte, hatte diese ihren Bruder auch mit dem Imperiusfluch belegt, nachdem sie zurückgekommen war? Aber wieso sollte sie dann zuerst den Raum verlassen? Aurelias Gehirn juckte, als hätte sie eine schorfbedeckte Wunde und wollte unbedingt sehen, was sich darunter verbarg. Denn irgendetwas blieb ihr verborgen, etwas fehlte ihr um das Bild komplett zu machen.

Aurelia war so in ihren Gedanken versunken, dass sie erst merkte, dass sich die Tür geöffnet hatte, als Sanjit überrascht "Onkel!" ausrief.

Ein großer schlanker Mann mit Schnurrbart und schwarzem Anzug betrat den Raum, hinter ihm der runde Bullfrog. Aurelia hatte ihn schon öfter mal im Ministerium gesehen, wusste aber nicht, was er dort machte oder wer er war.

"Sanjit. Was tust du hier?" Der große Mann sah zuerst Sanjit streng an, dann warf er Bullfrog einen so finsteren Blick zu, dass dieser drei Zentimeter zusammensank.

"Ich dachte ich hätte mich klar ausgedrückt, als ich Ihnen sagte, Sanjit aus Ihrer Untersuchung heraus zu halten."

Aha, dachte Aurelia bei sich. Darum war sie also zurückgepfiffen worden. Nicht ohne eine gewisse Schadenfreude beobachtete sie wie Bullfrog sich aufplusterte.

"Meine Abteilung ist eine unabhängige Strafverfolgungsbehörde und wenn wir es für richtig erachten, werden wir auch ihren Neffen befragen." sagte er wichtigtuerisch.

Das hatte vor ein paar Tagen zwar noch ganz anders geklungen, aber sie wollte sich nicht einmischen.

"Onkel, ich habe Mrs. Winter um ein Gespräch gebeten." sagte Sanjit.

Sein Onkel strich sich nachdenklich über den Schnauzer und Bullfrog plusterte sich sofort wieder auf.

"Sehen Sie, Mr. Kahn, wir tun nur unseren Job."

Aurelia konnte sich ein Schnauben nicht verkneifen. Er hatte bis hierher alles getan, um sie daran zu hindern ihren Job zu erledigen.

"Wirklich Onkel, es ist alles in Ordnung."

Mr. Kahn durchbohrte Bullfrog mit seinen Blicken.

"Stellen Sie sicher, dass mein Neffe nicht wieder unbeaufsichtigt befragt wird. Er ist praktisch noch minderjährig. Nächstes Mal informieren Sie mich, haben Sie verstanden?"

Bullfrog nickte langsam und Aurelia biss sich auf die Lippe. Das hieß der nächster Anschiss war ihr so gut wie sicher.

"Komm, Sanjit" Der Mann mit dem Schnauzer bedeutete Sanjit ihm zu folgen. Dieser warf ihr zum Abschied ein schüchternes Lächeln zu. Dann schloss sich die Tür hinter den beiden und Aurelia war wieder mit Bullfrog alleine.

"Bevor Sie etwas sagen" Sie hob beschwichtigend die Hände "ich habe einiges herausgefunden, was Sie auch interessieren dürfte. Mr. Kahns Schwester zum Beispiel..."

"Schweigen Sie" blaffte Bullfrog und kam ihr gefährlich nah, sodass sie sein billiges Aftershave riechen konnte.

"Wie Sie gemerkt haben ist Mr. Kahn ein einflussreicher Mann. Er ist der Leiter des Öffentlichen Informationsdienstes mit guten Verbindungen zur Zaubereiministerin und wenn er will, kann er nicht nur meine und Ihre Karriere, sondern unsere ganze Abteilung zerstören. Eine kleine Kostprobe dürften Sie ja heute Morgen bereits im Tagespropheten gelesen haben."

Aha, dachte Aurelia bei sich. Dann war es also tatsächlich Sameena gewesen, die ihr durch ihren Onkel die Presse auf den Hals gehetzt hatte. Denn das Sanjit etwas damit zu tun hatte, glaubte sie für keine Sekunde.

Sie wollte protestieren, aber Bullfrog stoppte sie mit erhobenen Zeigefinger.

"Deswegen musste ich Sie suspendieren, um ihn uns vom Hals zu halten."

Aurelia starrte Bullfrog entgeistert an. War das sein Ernst? Wollte er gerade so tun als hätte er all das nur zu ihrem Besten getan? Bullfrog lächelte breit.

"Sie glauben ja wohl nicht ernsthaft, dass ich meinen Schreibtisch einfach unverschlossen lasse?"

„Und Mrs. Cabello findet zufällig eine Akte über die Bullstrodebande?" Er lachte dröhnend.

"Aber..." stammelte Aurelia und starrte ihren Chef verdattert an. Sie wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Konnte es tatsächlich sein, dass Bullfrog heimlich auf Ihrer Seite gewesen war. Das war absurd. Nicht nur hatte er sie immer wieder angeschrien, nein, er hatte ihr jede Ermittlungsunterstützung verwehrt.

„Und außerdem", führte sie ihre Gedanken laut fort, „haben Sie mir Mr. Kahn überhaupt nicht vom Hals gehalten. Im Gegenteil."

Bullfrog schnaubte verächtlich.

„Sie spielen auf den kleinen Artikel heute Morgen an? Ich bitte Sie. Rita Kimmkorn hat schon über Harry Potter schlimmere Dinge geschrieben, wenn er nur geatmet hat."

Er gluckste vergnügt.

"Aber ... „

„Wieso habe ich Sie nicht einfach eingeweiht?", nahm er ihre Frage vorweg, „ich wusste, dass die Zeit knapp ist und sie sich noch mehr ins Zeug legen würden, um mir eines auszuwischen und jetzt sagen Sie mal, was haben Sie herausgefunden?"

Aurelia fehlten die Worte. Sie konnte es noch immer nicht glauben. Bullfrog sollte heimlich die ganze Zeit auf ihrer Seite gewesen sein? Sie ließ sich auf den Sessel fallen und dachte nach. Es war erstaunlich einfach gewesen in der Nacht in sein Büro zu gelangen und an die Schlüssel für die Evidenzkammer. Aber sie hatte es auf seine Fahrlässigkeit geschoben. Aber was, wenn es nicht so war?Und obwohl die Abteilung für Rauschmittel gar nichts mit der Bullstrode Bande zu tun hatte, hatte Carina gleich die richtigen Informationen gefunden. Sie hatte es nicht hinterfragt. Wieso denn auch?

Bullfrog setzte sich auf den Sessel ihr gegenüber und grinste vergnügt.

"Na los, Winter, vorher sind sie fast geplatzt, um mir ihre Ermittlungsergebnisse zu schildern."

Aurelia begann zögerlich ihm alles darzulegen, was sie bisher wusste. Angefangen von dem manipulierten Feuerkelch, den vertauschen Trank, die möglichen Motive, Tonys seltsames Benehmen bis hin zu Fayes fehlendem Alibi, der Gang-Verbindung und Sanjits letzte Enthüllung mit dem Imperiusfluch.

Bullfrog hörte sich alles geduldig an.

"Und was glauben Sie?" fragte er als sie geendet hatte.

"Ich glaube es gibt noch irgendetwas, was ich nicht sehe. Bis jetzt könnten es alle gewesen zu sein, wahrscheinlich sogar alle zusammen. Jeder hätte einen Grund gehabt Tony loszuwerden."

"Auch Sanjit?"

Aurelia zuckte die Schultern.

"Auch Sanjit. Er wollte seine Schwester schützen und er könnte den Imperiusfluch nur erfunden haben."

Bullfrog seufzte.

"Machen Sie weiter. Aber seien Sie vorsichtig, was die Kahns betrifft."

Aurelia runzelte die Stirn.

"Und wie stellen Sie sich das vor. Ich kann sie schlecht aus den Ermittlungen ausschließen."

Bullfrog schnaubte unwirsch.

"Sie werden schon einen Weg finden. Stellen Sie einfach sicher, dass Sie niemand bemerkt."

"Dann bin ich also wiedereingestellt?"

"Nein. Sie sind noch immer suspendiert."

„Aber ohne die Unterstützung des Büros, komme ich nicht mehr weiter. Vor allem Sameena wird nicht mehr mit mir sprechen und ich muss Millicent befragen, vielleicht noch Zauberspuren auf dem Feuerkelch mit den Zauberstäben von allen vergleichen. Das kann ich nicht einfach so."

Bullfrog schürzte die Lippen und dachte nach.

„Geben Sie mir alles, was Sie brauchen und ich werde es in die Wege leiten."

„Aber", er unterbrach sie, „bis der Fall gelöst ist, bleiben Sie offiziell suspendiert. Wir wollen Mr. Kahn ja keinen zusätzlichen Anreiz liefern. Danach werden Sie natürlich sofort wieder in den aktiven Dienst versetzt", fügte er hinzu, als er ihr unzufriedenes Gesicht sah.

Er wollte nur seine eigene Karriere retten, dachte Aurelia bei sich. Es ging ihm einzig und allein darum, dass Mr. Kahn nichts negatives über ihn schrieb. Sie war ihm doch vollkommen egal. Sie hatte keine Ahnung wie sie weiter machen sollte und hätte ihm am liebsten gesagt, dass sie das Ganze unfair fand. Sie wollte ihr Glück jedoch nicht ausreizen und presste ihre Lippen fest aufeinander.

Sie folgte Bullfrog aus dem Büro und traf im Gang auf Carina, die Bullfrog zunickte.

"Ich habe das worüber wir gesprochen haben, also ähm das Cocktailrezept." sagte sie zu Aurelia.

Bullfrog lachte quakend.

"Oh Sie können Mrs Winter ruhig erklären, wie Millicent Bulstrode ihr Haus geschützt hat."

Carina blickte ihn ertappt an und Aurelia schüttelte den Kopf.

"Frag nicht", murmelte sie "Ich erzähle dir alles, wenn ich selber kapiert habe, was hier passiert ist."

Bullfrog verschwand glucksend in seinem Büro und Aurelia sah ihm, noch immer verwirrt, nach.

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