Das sturmumtoste Meer

Triggerwarnung siehe am Ende des Kapitels

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Tony Thompson wusste, er war ein toter Mann. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie es erneut versuchen würden.

Und dann durfte Marie nicht mehr hier sein. Tony tigerte in ihrer kleinen Wohnung, die er seit Silvester so gut wie nicht mehr verlassen hatte, auf und ab.

In seinem Kopf erklang immer wieder seine Stimme. „Avada..." „Avada..." „Avada..." flüsterte sie ihm zu. Tonys Atem ging stoßweise. Was, wenn er beim nächsten Mal Marie aufsuchte? Was, wenn Millie beim nächsten Mal selbst auftauchte? Seine kreisrunde Narbe schien in Flammen zu stehen und das Zimmer begann vor seinen Augen zu verschwimmen.

Marie. Er musste an Marie denken.

Schuldgefühle, so heftig, dass er meinte sich gleich übergeben zu müssen, stiegen in ihm hoch. Oh Merlin, was hatte er getan?

Sie würden sie umbringen. Aber zuerst würden sie ihr grauenhafte Schmerzen zufügen. Marie, Seiner Marie.

Marie, die ihn seit ihren Hogwartstagen ununterbrochen unterstützt hatte, ihn immer wieder ermutigte, wenn er in Zweifel versunken war

Ihm und seiner Karriere zuliebe sogar die Aussicht auf eine Ausbildung bei ihrem Lieblingsarchitekten in Amerika abgeschlagen hatte. Und wie hatte er es ihr zurückgezahlt? Indem er sie an den Rand des finanziellen Ruins und in höchste Gefahr gebracht hatte. Dabei war er es, der tot sein sollte. Er sollte sterben.

Alle wären glücklicher und es würde endlich aufhören. Er rang nach Atem, aber alle Luft schien aus dem Zimmer gesaugt worden zu sein.

Noch immer lief er im Zimmer auf und ab wie ein eingesperrtes Tier, nur, dass der Käfig in seinem Kopf war. Blut rauschte in seinen Ohren.

Er konnte nicht atmen. Er konnte nicht atmen. Er konnte nicht atmen.

Die Tür ging auf, Marie kam herein und erfasste die Situation mit einem Blick. Wir oft hatte sie Tony vor einem wichtigen Spiel nach Luft schnappend in der Kabine oder auf der Toilette vorgefunden.

"Hey!" Sie ging langsam auf ihn zu, aber er schien sie gar nicht wahrzunehmen, seine Augen blickten direkt durch sie hindurch.

Sie zauberte eine schillernde Schutzkuppel um sie beide, in der sich das endlose Meer spiegelte und rauschte.

"Tony. Sieh mich an."

Sie umklammerte seine Hände.

"Du bist in Sicherheit, ich bin hier."

Langsam richtete sich sein Blick auf sie und in seinen Augen sah sie seine Qualen, wie das aufgeschäumte Meer.

"Atme ein und aus."

Sie lächelte ihm zu und langsam stabilisierten sich seine Atemzüge. Er plumpste auf den Boden wie ein Stein.

"Lass uns weggehen. Ans Meer." sagte er in seiner sanften Tony Stimme, in die sie sich sofort verliebt hatte.

"Nur du und ich."

Sie setzte sich zu ihm auf den Boden und blickte auf die Meereskuppel. In ihr herrschte eine seltene Ruhe. Konnte es so einfach sein? Ein Neuanfang? Es war schon so viel passiert, so viel kaputt gegangen zwischen ihnen.

"Wir könnten uns ein kleines Häuschen zaubern." Tony lächelte sie verträumt an.

"Du könntest als Architektin arbeiten und ich.." Er brach ab, mit einem Krächzen in der Stimme.

"Wir hätten unseren Frieden. Wir könnten glücklich sein."

Flehentlich sah er sie an und Marie sah Tränen in seinen dunklen Augen schimmern.

Eine Welle aus Sehnsucht und Traurigkeit schwappte über sie hinweg. Einen Moment lang konnte sie sich ihr Leben am Meer in einem kleinen Häuschen vorstellen und sie wollte nichts sehnlicher als sich in seine starken Arme zu kuscheln und gemeinsam den Wellen zu lauschen. Aber die Realität klopfte an ihren Traumkokon und bittere Galle stieg in ihr hoch.

Sie stand auf und zauberte die Kuppel weg. Das Meer und die Wellen verschwanden, und sie waren wieder in ihrer kleinen schäbigen Mietswohnung in Hogsmeade.

"DieErmittlerin will dich morgen nochmal sprechen, sie hat eine Eule geschickt. Du überlegst dir besser gut, was du ihr erzählst" sagte sie kalt und wandte sich ab. Doch Tony griff nach ihrem Handgelenk und hielt sie fest.

"Bitte" sagte er. Marie betrachtete ihn, wie er da am Boden hockte, zusammengesunken wie ein Häufchen Elend. Abscheu keimte in ihr auf. Sie ertrug es nicht mehr länger ihn anzusehen, und schüttelte seine Hand ab.

"Kümmer dich selbst um deinen Scheiß."

Sie wollte gehen, aber plötzlich sprang Tony auf und packte sie so fest am Arm, dass es wehtat.

Ein wilder Ausdruck trat in seine Augen und Marie musste ein Relashio anwenden, um seinen Griff zu lockern.

"Was soll das?" beschwerte sie sich.

"Du musst Hogsmeade verlassen. Am besten noch heute."

Tony sah ihr fest in die Augen, aber Marie lachte nur, so absurd fand sie den Befehl.

"Und wo soll ich deiner Meinung nach hingehen? Ein bisschen Urlaub machen am Meer oder was?"

Sie konnte Tony ansehen, dass ihre scharfen Worte ihn getroffen hatten und innerlich fluchte sie über sich selbst. Sie wusste selbst nicht, wieso sie manchmal so gehässig zu ihm war.

"Es ist hier nicht sicher und ich will nicht, dass du in Gefahr gerätst."

Tony versuchte all seine Überzeugungskraft in seine Stimme zu legen. Sie musste ihm doch einfach zuhören! Aber Marie presste nur die Lippen aufeinander und verschränkte die Arme. Sie taxierte ihn mit kalten Augen. Tony fühlte, wie sich eine hoffnungslose Schwere über ihn senkte als trüge er einen Mantel voller Felsbrocken.

Sie würde nicht auf ihn hören.

"In was für einen Ärger hast du dich dieses Mal hineingeritten? Hat es was damit zu tun, warum du an Silvester abgehauen bist?"

Sie sah ihn streng an und Tony war hin und hergerissen zwischen dem Wunsch seinen schweren Mantel zu teilen und sie in seinen Armen vor all dem zu verstecken. Aber wie so oft schafften es die Worte nicht über seine Lippen, als würde ihnen ein Stein den Weg versperren und er konnte sie nur ansehen.

"Ich verdiene eine Antwort, Tony!" Sie baute sich vor ihm auf und machte sich so groß wie sie konnte, was nicht besonders groß war, sie reichte ihm gerademal bis zum Kinn.

"Und glaub bloß nicht du kannst mich wieder mit 'Vertrau mir' und 'Es wird alles gut' abspeisen! Dieses Mal nicht!" Sie tappte ungeduldig mit dem Fuß, aber Tony konnte noch immer keine Worte finden. Wie sollte er ihr sagen, was seit Monaten so schwer auf seiner Brust lag, dass er glaubte kaum mehr atmen zu können. Sie würde ihn noch mehr verabscheuen, als sie das sowieso schon tat.

"Tony! Jetzt sag doch was!"

Sie funkelte ihn wütend an. Tonys Gedanken liefen Amok. Tony, sag doch was! Tony, nun pass doch endlich! Tony, was war das da draußen? Du hast uns alle hängen gelassen! Tony, deine Zeit ist abgelaufen, wir wollen jetzt das Geld! Junge, wie konntest du schon wieder deinen Verein verlieren? Tony, das ist nicht das Leben, das du mir versprochen hast! Tony, wir beobachten dich! Tony, mach, was wir dir sagen! Wir kennen deine Frau, Tony! Tony, jetzt sag doch etwas! Jetzt mach doch etwas!

Tony!

Ein Schrei, mächtig und verzweifelt, drang aus seinem tiefsten Inneren und der Druck ließ die Kissen auf dem Sofa platzen. Federn regnete herab. Marie starrte ihn entgeistert und etwas verängstigt an. Er führte seinen Zauberstab an seine Schläfe und zog eine Reihe an Erinnerungen hervor, die er in eine Phiole packte.

"Bitte, das erklärt alles." sagte er matt und hielt Marie das Glasröhrchen entgegen. Sie nahm es zögernd entgegen und blickte sich suchend um. Das Denkarium war weg. Er hatte es verkaufen müssen. Sie ließ seine Erinnerungen in ihren Umhang gleiten. Erschöpft setzte er sich auf das lila-gelbe Sofa und hielt den Zauberstab auf die geplatzten Kissen.

"Reparo" murmelte er. Er fühlte sich so erschöpft, als hätte er gerade ein dreitägiges Quidditchspiel hinter sich gebracht. Dennoch herrschte in seinem Kopf eine angenehme Ruhe. Er klopfte neben sich und zu seinem Erstaunen setzte sich Marie tatsächlich, auch, wenn sie ganz an den Rand des Sofas rutschte und die Beine anzog.

"Ich habe Schulden bei jemanden, mit dem nicht zu spaßen ist."

Marie verdrehte die Augen.

"Als wüsste ich nicht, dass du wieder angefangen hast zu spielen."

Tony zuckte zusammen. Er hatte geglaubt, es ganz gut versteckt zu haben. Außerdem hatte er sich vor Weihnachten geschworen endgültig damit aufzuhören. Na gut am Weihnachtsabend hatte er einen kleinen Abstecher zu Millie in den Keller gemacht, aber das war das letzte Mal gewesen. Für immer. Ganz sicher.

"Wie viel hast du verloren?"

Tony wagte es kaum Marie anzusehen. Die Scham drohte ihn erneut zu überwältigen.

"Ich schulde Millie noch 400 Galleonen." murmelte er.

Marie verengte ihre Augen zu kleinen Schlitzen und starrte ihn an.

"Du? Du meinst wohl wir Schulden dieser Millie 400 Galleonen. Du wirst es ja wohl mit meinem Geld bezahlen."

Tony schluckte hörbar, Schweiß trat ihm auf die Stirn und Marie wusste plötzlich, was er ihr sagen würde.

"Ich habe Geld von unserem gemeinsamen Verließ genommen. Ich wollte die Schulden zurückzahlen, aber dann habe ich wieder... Es wurde immer mehr und..."

"Wie viel?" sagte Marie mit einer tödlichen Ruhe, die Tony mehr Angst machte, als hätte sie ihn angebrüllt.

"Wie viel ist noch übrig?"

Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und mied ihren Blick.

"Ich weiß nicht, vielleicht 8 Galleonen."

Marie wandte sich ab. Verzweifelt griff er nach ihr, aber sie stand auf und schüttelte den Kopf.

"Wie konntest du nur?"

"Ich wollte dich da nicht mit hineinziehen, wirklich nicht, du musst mir glauben, ich wollte immer nur, dass es dir gut geht, dass du alles hast, was du willst. Das Leben, dass du willst."

Marie schnaubte verächtlich.

"Das hier ist es bestimmt nicht. Du hast Recht, vielleicht sollte ich Hogsmeade wirklich verlassen."

Tony nickte, obwohl sein Herz in tausend Teile zersprang. Sie würde ihn verlassen, natürlich würde sie das. Wieso sollte sie auch bei ihm bleiben wollen? Er spürte wie die Panik ihn erneut zu überwältigen drohte, aber mit aller Kraft drückte er sie weg.

"Und du machst noch nicht mal einen Versuch mich umzustimmen" Sie lachte bitter. Tony versuchte die Kontrolle zu behalten. Seine Frau verschwamm schon vor seinen Augen.

"Bevor ich meine Sachen packe, möchte ich noch wissen, was an Silvester los war. Wieso bist du abgehauen? Um dich mit deiner Spielfreundin Millie zu treffen?"

Tony atmete angestrengt aus und ein, aus und ein. Marie warf ihm einen fragenden Blick zu, aber anders als zuvor, baute sie dieses Mal keinen Schutzwall mehr um sie beide. Wahrscheinlich gab es kein sie beide mehr.

"Ich glaube sie wollten mich töten. Ich kann die Schulden nicht bezahlen und am 29. fand ich einen Zettel mit einer Anweisung im Briefkasten. Ich sollte an Silvester der Dritte beim Feuerkelchspiel sein, dann wären meine Schulden getilgt. Ich wusste nicht, was passieren würde, aber ich wollte alles machen, was sie verlangte, um endlich von vorne beginnen zu können."

Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus und es war als würde sich der kalte Panikknoten in seiner Brust etwas lösen. Es tat gut endlich jemand davon erzählen zu können.

Marie verdrehte die Augen.

"Das hat ja schon mal wunderbar funktioniert." sagte sie spitz.

"Aber dann hast du wieder einmal Schiss bekommen und bist abgehauen, oder was?"

Tony schüttelte den Kopf.

"Einen Tag nach dem Brief hatte ich eine verzauberte Münze erhalten, mit der Anweisung, sie bei mir zu tragen. Am Silvesterabend bekam ich eine Nachricht über sie, dass ich rauskommen sollte. Aber da war niemand."

Er zuckte die Schultern und spürte wie sein Atem wieder ruhig und regelmäßig ging.

Marie runzelte die Stirn und zu seinem Erstaunen, setzte sie sich wieder zu ihm auf das Sofa. Sie sah ihm lange in die Augen.

„Aber du weißt, von wem die Münze ist?"

„Ich denke."

Marie schien zu überlegen. Dann klatschte sie in die Hände.

"Das heißt", sagte sie bestimmt, „es gibt jemand, der uns helfen kann diese Millicent ein für alle Mal loszuwerden."

Tony sah sie erstaunt an.

„Wie meinst du das?"

„Du hast dich lange genug herumschubsen lassen. Zeit einen Plan zu machen."


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Triggerwarnung: Panikattacke

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