5- Man kann nicht alles haben
Clara Longbottom's POV
"Habt ihr schon von dem Vorfall mit dem Zweitklässler gehört?", frage ich die anderen, während ich mich auf den Platz neben Jo-Jo am Gryffindortisch setze.
"Nee, erzähl!", sagt James, der gegenüber von mir sitzt, interessiert.
"Ich habe es, als ich eben in der Bibliothek war mitbekommen", fange ich an zu erzählen, "der Zweitklässler wurde wohl angegriffen und liegt jetzt mit einer Schnittwunde im Bein im Krankenflügel."
"Oh Gott", durchfährt es Jo-Jo, "Wann war das denn?"
Ich zucke mit den Schultern und schaue nachdenklich auf die bisher noch leeren Teller vor uns. Wie als könnten sie meine Gedanken lesen, füllen sie sich exakt in dem Moment.
Es ist offensichtlich, dass alle angespannt über meine Neuigkeit nachdenken und es herrscht eine Weile Schweigen. Was soll man dazu auch sagen? Es verschlägt einem eher die Sprache.
Ich sehe zu Freddie, der neben James sitzt und sich gerade etwas nachnimmt. Dann mustere ich Jo-Jo.
Ich weiß immer noch nicht so ganz, ob ich die beiden süß zusammen finden soll. Sie kamen am Anfang der 4.Klasse zusammen, also sind sie jetzt gut ein Jahr zusammen.
Jo-Jo mochte ihn schon seit der 3.Klasse sehr und redete, wenn wir zu Zweit waren immer mehr von ihm. Sie ist so jemand, der bei jeder Kleinigkeit, auch wenn sie einen Jungen nur ein kleines bisschen süß findet, es mir sofort erzählt. Das ist total in Ordnung, denn das ist Jo-Jo, so wie ich sie mag. Aber trotzdem erzählte ich ihr deswegen nie, dass ich mich auch durchaus mehr für Freddie interessierte.
Wir waren schon von Anfang an eine Vierergruppe, in der wir uns super verstanden.
Als wir eingeschult wurden, kannte ich keinen von den Dreien wirklich gut. Ich hatte den Namen Potter natürlich schon gehört, aber meine Eltern hatten ihren eigenen Freundeskreis.
James und Jo-Jo waren schon damals beste Freunde und Freddie war ja ohnehin James' Cousin.
Wir kamen alle nach Gryffindor und als ich mich dann mit Jo-Jo befreundete, machte ich auch automatisch etwas mit James und so lernten Jo-Jo und ich auch Freddie kennen.
Ich war mir aber nie sicher, ob es Freddie gegenüber nur Freundschaft oder mehr war, aber irgendwann war jedem klar, dass er auch auf Jo-Jo stand, bis sie schließlich zusammen kamen.
Da merkte ich erst richtig, dass ich ihn wirklich sehr gerne mag. Mir ist klar, dass ich keine Chancen habe, aber ich kann mich einfach immer noch nicht damit abfinden. Freddie ist einfach toll.
Er ist süß, aber gleichzeitig ist er auch sehr von sich selbst überzeugt und ein kleiner Macho. Er ist total lustig und cool drauf und auch manchmal etwas unvernünftig. Aber trotzdem weiß er, wann Schluss ist und man sich zurückhalten sollte. Dazu ist er ziemlich schlau. Denke ich jedenfalls. Trotzdem lässt er nicht den Streber raushängen. Man kann gut mit ihm reden und ihm vertrauen. Außerdem hat er diese süße, neckende Art, die mich immer total verlegen macht.
Und das Beste ist, ich kenne ihn, mit all seinen Vor- und Nachteilen. So habe ich mich nicht in irgendeine Vorstellung oder Fassade von ihm verliebt, sondern in den wahren Freddie.
Manchmal macht es mir etwas Angst, was ich von ihm denke. Ich finde ja wirklich alles toll an ihm. Jeden Nachteil drehe ich mir zum Vorteil, jede schlechte Angewohnheit zu einer guten und ignoriere dabei völlig die Tatsache, dass er jemanden ganz anderes liebt.
Eigentlich sollte ich mich für meine besten Freunde freuen und ich würde Jo-Jo auch wirklich jeden Jungen gönnen, aber bei Freddie ist das eine Ausnahme.
Macht mich das zu einem Egoisten?
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich es hasse zu sehen, wie er sie umarmt. Sie küsst. Sich um sie kümmert. Ich bin neidisch und das dürfte ich nicht sein. Das ist einfach nicht fair, denn Jo-Jo kann ja nichts dafür.
Sie ist schlichtweg einfach selbstbewusster und auffälliger. Was nicht heißt, dass ich schüchtern und langweilig bin. Aber trotzdem stehe ich manchmal in ihrem Schatten.
Das stört mich aber nicht, denn ich würde für unsere Freundschaft alles tun. Nur gegenüber Freddie stehe ich nicht gerne unauffällig in ihrem Schatten und deswegen habe ich umso mehr Angst, dass deren Beziehung unsere Freundschaft zerstört. Dabei ist dieser Gedanke wieder total egoistisch und einfach schlichtweg falsch. Denn es wäre nicht deren Beziehung, die unsere Freundschaft zerstört, sondern meine blöde Eifersucht.
Aber Jo-Jo ist einfach jemand auf den man eifersüchtig sein kann. Sie ist hübsch, hat eine schöne Figur, ein gesundes Selbstbewusstsein und ist schlau. Sie hat zwar 2 oder 3 Fächer, die ihr nicht hundertprozentig gut liegen, aber ich bin mir sicher, dass sie in den ZAGs sicher hier und da ein Ohne Gleichen haben wird. Dazu ist sie seit 3 Jahren die Sucherin des Gryffindorquidditchteams und hat eine perfekte Beziehung. Was ist in ihrem Leben bitte nicht perfekt?
Und dann schaue ich mein Leben an: Verliebt in den Freund meiner besten Freundin, der dazu auch mein bester Freund ist, aber offensichtlich nichts von mir will. Getrennte Eltern und keine Geschwister, die mich verstehen könnten, weil ich einfach schlichtweg keine habe. Ich gehöre nicht zu der coolen Gruppe der Potters, Weasleys, Malfoys und Finnigans, die sich wie eine große Familie fühlen.
Dafür habe ich eine betrogene Mutter, in dessen Nähe ich mich in diesen Sommerferien nicht wie die Tochter, sondern wie die tröstende Mutter gefühlt habe. Außerdem ist Chloe Lovegood, und damit jemand der mich nur umso mehr an die Trennung meiner Eltern erinnert, jetzt meine Lehrerin. Und als wäre das nicht schon alles genug, habe ich unglaubliche Angst vor dem kommenden Schuljahr, Prüfungsstress und so weiter, denn ich bin einfach keine brilliante Schülerin.
Ich weiß auch nicht woran das liegt, weil ich eigentlich, ohne jetzt arrogant zu klingen, ziemlich schlau bin. Aber in der Schule kann ich diese Schlauheit irgendwie noch nicht so gut umsetzen.
Bei all den schlechten Sachen in meinem Leben, geraten leider die schönen Sachen einfach in Vergessenheit. Dabei bringen Sie einen ja zum Lächeln und verdienen es, viel mehr beachtet zu werden.
Ich habe drei beste Freunde, die mich total lieb haben und alles für mich tun würden. Jo-Jo ist zwar hübsch, aber wer sagt denn, dass ich es nicht auch bin. Ich habe auch keine schlechte Figur und ich würde mich durchaus nicht als hässlich bezeichnen. Aber das kann ich schlecht bewerten. Jedenfalls bin ich sicherlich nicht 08/15.
Und außerdem habe ich auch Talente. Ich bin vielleicht nicht im Quidditchteam, dafür aber im Schulchor. Ich habe eine wunderschöne Stimme und spiele schon seit 10 Jahren Klavier. Da ich die Musik so sehr liebe, belege ich den Kurs Musik, den man ab der dritten Klasse wählen kann. Der Kurs ist überschaubar groß und ich fühle mich total wohl in der Gruppe.
Besonders im letzten Jahr habe ich die Musikstunden geliebt, weil sie mich einfach meine Unzufriedenheit haben vergessen lassen.
Seit der ersten Klasse verbringe ich sehr gerne meine Freizeit im Musikzimmer um Klavier zu spielen. Mit 5 Jahren habe ich angefangen zu spielen und ich bin total froh, dass meine Eltern mir schon so früh ermöglicht haben ein Musikinstrument zu erlernen.
Es ist so schön wenn deine Finger über das Klavier fliegen. Und umso mehr man am Stück übt, desto leichtfertiger geht es.
Ich spiele alle möglichen Stücke, ob Klassik, Filmmusik, Jazz-Improvisation oder eigene Kompositionen, ich habe an allem Spaß.
Ich spiele auch gerne verschiedenste Akkord Pattern zu Liedern, die ich dann singe.
Es macht mir unglaublich viel Spaß und soweit ich das bewerten kann, klingt es wunderschön. Ich habe echt totales Potenzial, sowohl gesanglich, als auch am Klavier.
Aber ich singe und spiele nicht vor anderen. Ich mag es nicht, bin es nicht gewöhnt und will mich auch daran nicht gewöhnen. Das ist einfach nicht meins. Das bin nicht ich. Ich mache nicht Musik um andere zu beeindrucken. Um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich mache Musik für mich.
In der Gruppe mache ich sehr gerne Musik, aber habe auch nicht den Drang dort herauszustechen. Obwohl ich schon sehr oft auf meine Talente angesprochen wurde, bin ich also darauf gar nicht erst eingegangen.
Nicht einmal meine besten Freunde haben mich jemals alleine singen oder Klavier spielen gehört.
Aber zurück zu Jo-Jo und Freddie. Unsere Vierergruppe hat natürlich auch etwas unter deren Beziehung gelitten. Wir haben zwar schon immer etwas in allen möglichen Zweierkombinationen gemacht, aber jetzt fühlen James und ich uns einfach manchmal wie die Übriggebliebenen.
Wir haben darüber zwar noch nie geredet, aber man merkt einfach, dass es James ähnlich geht.
"Ich habe Angst", reißt mich Jo-Jo aus meinen Gedanken, "Das klingt vielleicht blöd, aber das mit dem Zweitklässler macht mir ernsthaft Angst."
Sie legt ihren Suppenlöffel neben den noch halb vollen Teller und es wirkt als wäre ihr der Appetit vergangen. Auch ich merke, dass ich nicht mehr wirklich Hunger habe und mir etwas flau im Magen wird.
"Wenn man so darüber nachdenkt, was unsere Eltern uns aus deren Schulzeit erzählt haben", spricht sie langsam weiter. "Meine Grandma meinte mal, dass sie meinen Dad am liebsten öfters einfach von der Schule geholt hätte und dass sie ihn und Tante Isabelle mit einem total schlechten Gefühl im darauffolgenden Schuljahr wieder zur Schule geschickt hat."
"Mein Dad hat mir auch viel Beängstigendes erzählt", erwidert James daraufhin. "Dass er manchmal nicht wusste, wem er vertrauen konnte und dass sich Leute, die zuerst ganz normal und nett wirkten, plötzlich als böse entpuppten. Manche Sachen wollte er mir gar nicht erst erzählen und hat es bis jetzt teilweise auch noch nicht getan, weil er mir keine Angst machen wollte."
"Es ist einfach schlimm zu wissen, dass unsere Eltern öfters in Lebensgefahr standen", sagt Freddie nachdenklich. "Wisst ihr, mein Dad erzählt mir sehr oft von meinem verstorbenen Onkel Fred und fängt jedes Mal an zu weinen. Natürlich waren unsere ersten vier Jahre hier in Hogwarts sicher und es ist nichts dergleichen passiert, aber trotzdem hat man immer Angst und Bedenken, dass es dann vielleicht doch mal der Fall ist. Auch einfach weil die dunkle Magie ja nie völlig vernichtet sein wird. Sonst hätten wir kein Verteidigung gegen die dunklen Künste als Schulfach."
"Und wenn dann so was zum greifen nah ist, so wie heute, macht es das natürlich nicht besser", sage ich nachdenklich und die anderen nicken.
Ich möchte gerade noch etwas hinzufügen, da werde ich unterbrochen, denn Albus Potter erscheint hinter James.
"James", sagt er an ihn gerichtet und beachtet uns gar nicht, "Scar steckt in totalen Schwierigkeiten."
"Was ist passiert?", kommt es hysterisch von Jo-Jo und Albus widmet schließlich auch ihr seine Aufmerksamkeit.
"Die Geschichte ist sehr kompliziert", erklärt er, "Das einzig Wichtige ist einfach nur, dass sie zu Unrecht die Hauptverdächtige für den Angriff auf den Zweitklässler ist."
"Echt?", sage ich erstaunt, "Aber wieso?"
"Komplizierte Geschichte", sagt Albus erneut, "Ich hab auch keinen Bock sie tausend Mal zu erzählen. Fragt sie lieber selber, wenn ihr sie seht. Jedenfalls hat sie die wahre Geschichte gerade eben Professor McGonagall erzählt und jetzt kommt's: Diese meinte anscheinend, dass es ihr, aufgrund der Beweise, schwerfällt Scar zu glauben, sie aber auch nicht den Sinn dahinter sehen würde sich an Scars Stelle so eine Geschichte auszudenken. Also hat sie Scar nicht von der Schule geschmissen, aber sie steht jetzt unter dauerhafter Beobachtung."
"Dauerhafte Beobachtung?", kommt es von James.
"Naja außer halt im Bad und so", erwidert Albus etwas genervt.
"Was ein Scheiß", kommt es von Freddie, "wer brockt Scar denn so was ein?"
Ich nicke und denke über Freddies Kommentar nach.
"Oh", kommt es plötzlich von Jo-Jo, die auf ihre Uhr schaut, "wir haben jetzt Quidditchauswahl."
"Aber Scar ist doch wichtiger!", sagt James entrüstet.
"Klar", sage ich, "Aber was willst du denn machen? Etwas hervorzaubern, was beweist, dass sie unschuldig ist."
James merkt, dass er nichts machen kann und steht murrend vom Tisch auf. Freddie tut es ihm gleich und Albus folgt den beiden.
Auch ich stehe langsam auf, nur Jo-Jo sitzt noch nachdenklich da.
"Aber was ist denn passiert?", sie scheint total verzweifelt. Ich kenne sie, sie will jetzt unbedingt alles wissen. Denn sie ist der neugierigste Mensch, den ich kenne.
"Siehst du sie hier irgendwo?", frage ich sie und schaue zum Slytherintisch, doch dort ist Scar nicht. Jo-Jo folgt meinem Blick und antwortet auf meine Frage mit einem Kopfschütteln, "Vielleicht ist sie gerade in ihrem Schlafsaal und möchte einfach mit niemandem reden. Du weißt es ja nicht", erkläre ich ihr, "Gerade kannst du eh nichts ändern und ich sag dir, du ärgerst dich wenn du Quidditch für ein Schuljahr sausen lässt, weil du nicht beim Auswahltraining erschienen bist."
Sie nickt und steht schließlich auch auf. Zusammen gehen wir in unseren Schlafsaal, da Jo-Jo noch ihr Zeug holen muss. Dort angekommen lasse ich mich auf mein Bett fallen und sehe ihr dabei zu , wie sie ihre Quidditchausrüstung herausholt.
"Du schaffst das", sage ich und lächele ihr aufmunternd zu.
"Ich würde James auch mal den Platz als Sucher gönnen, aber ich werde drum kämpfen", sagt sie lachend, doch ich weiß, dass sie eigentlich mit den Gedanken bei Scarlett ist. Trotzdem fragt sie:"Kommst du mit? Ist bestimmt spannend zuzuschauen."
Ich überlege kurz und sage dann:"Ich komme nach. Ihr habt ja ohnehin noch davor Unwichtiges zu besprechen."
Jo-Jo nickt und verlässt mit einem "Bis später" den Schlafsaal.
Nachdenklich liege ich auf dem Bett, unschlüssig, was ich jetzt machen soll. Soll ich lieber doch gleich zum Quidditchauswahltraining gehen?
Gerade als ich aufstehen möchte, da ich wenigstens nicht unnötig rumliegen möchte, geht die Tür auf und Freddies Kopf erscheint vor der Tür.
Ich merke wie mein Herz anfängt schneller zu schlagen. Schnell setze ich mich auf und sage lächelnd:"Hey"
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