Wenn aus du und ich ein Wir wird
Geralt war das Schlafen in weichen warmen Betten kaum noch gewohnt. Doch es störte ihn kaum. Vor allem nicht bei der Tatsache, dass Avas nackter Körper an seinem lag.
Er ließ sie die ganze Nacht nicht los und hielt sie fest in seinen Armen.
Als die ersten hellen Sonnenstrahlen durch das Fenster schienen, wurde der Hexer wach. Ganz im Gegensatz zu sonst, roch es nicht nach Wald, modriger Erde, nach einem alten Pferdestall oder nach den verstaubten Gemäuern von Kaer Morhern.
Es roch nach Himbeeren und Pfefferminz. Es roch nach Wärme und nach beginnendem Frühling. Nach Sommerregen und auch nach Glück.
Ava lag noch tief schlafend an Geralt gelegen. Den Kopf hatte sie auf seinem Arm gebetet. Ihr Atem ging gleichmäßig. Friedsam. Ein. Aus. Ein. Aus.
Er wollte sie nicht wecken. Es war viel zu lange her, dass er neben ihr geschlafen und aufgewacht war. Er wollte das hier genießen.
Sein Arm zog die Elfin an ihrer Taille noch fester an seinen Körper heran.
Geralt hört sie zufrieden seufzen und spürte wie sie ihren prallen Po gegen seinen Schoß rieb.
Die Nacht war für das Paar kurz gewesen. Sehnsucht und Leidenschaft durchzog die Nacht und Gefühle wurden gelebt, die längst vergessen und verdrängt waren.
Beide fühlten sich immer noch zueinander hingezogen - und der Hexer wäre sogar soweit gegangen von noch unausgesprochener Liebe zu reden.
Doch diesen Stress wollte er sich und Ava nicht antun. Er war einfach nur dankbar, wieder bei ihr sein zu können. Vielleicht half ihr seine Nähe auch besser zu heilen.
Angefangen mit einer ordentlichen Portion Schlaf.
Das Monster würden sie heute schon noch früh genug wiederfinden müssen. Wichtig war, dass Ava wieder zu vollen Kräften kommen würde, dachte sich der Hexer, küsste die nackte Schulter der Elfe und schloss die Augen.
„Spinnst du, du Hexermischling?" schrie es plötzlich vor der Tür. "Du kannst meine Axt nicht einfach so aus dem Fenster werfen! Hast du eine Ahnung, was passieren würde, wenn sie jemand mitnimmt?" Das klang nach Sigrun. Und wahrscheinlich auch wieder nach Alastor.
„Ich habe es dir einmal gesagt und dann reicht es mir! Nimm. Deine. Verdammte. Axt. Aus. Meinem. Zimmer! Du wolltest ja nicht hören." drohte dieser in einem gefährlich leisen Ton an. Er schien direkt an der Tür zu Avas Zimmer zu stehen.
„Und täglich grüßt das Murmeltier." hörte es Geralt vor sich murmeln.
Ava drehte sich in den Armen des Hexers zu ihm um - und lächelte breit.
Sie sah noch vollkommen verschlafen aus. Aber glücklich. Genau wie es Geralt war. „Gut geschlafen?" wollte er wissen.
Ava hob eine Hand an und streichelte seine stoppelige Wange. „Seit langer Zeit habe ich wirklich wieder gut geschlafen. Die letzte Nacht war perfekt gewesen."
Ein Schmunzeln umgab die Lippen des Hexers. „Ich fand, wir beide waren auch ziemlich perfekt gewesen."
Die Elfin kicherte verliebt auf und legte ihm nun beide Hände an die Wange. Geralt erhob sich leicht und baute sich über Ava auf. Er schenkte ihr einen zarten ersten Morgenkuss.
Das Gefühl von Geborgenheit und Liebe erfüllte den Raum.
Ihr Becken drückte sich sehnsüchtig gegen seines, während ihre Münder einander schmeckten.
Bis die Tür ein weiteres Mal aufgerissen wurde und das Paar auseinander schrecken ließ.
„Na, das fehlt auch noch!" stöhnte Alastor genervt und machte Kehrtwende an der Türschwelle. Die Tür ließ er dabei aber offen.
Sigrun dagegen grinste breit und schien keinen Grund zu sehen, Alastor zu folgen. „Na, sieh einer an! Unsere Avi hat sich mal einen Mann aus den eigenen Reihen gegönnt! In ihr steckt ja doch ein kleines unartiges Mädchen."
Ava lehnte sich ein Stück im Bett auf. Die Felldecken rutschten ihr bis zum Dekolleté hinab. „Sigi, könntest du bitte die Tür zumachen? Von außen?"
Die Zwergin wedelte nur vielsagend mit den Augenbrauen. „Ich versteh schon. Hast es dir aber auch verdient, mal Spaß zu haben."
Die Elfin gab nur einen kleinen frustrierten Laut von sich. „Sag den anderen, wir treffen uns in einer halben Stunden unten. Ich brauch Karten von Toussaint. Wir planen dann alles weitere."
Wieder drang nur ein Lachen aus der Kehle von Sigi. Doch sie griff nach der Türklinke. „Das wird für euch beide eine sportliche Herausforderung, aber fein. Klar. Ich sag Bescheid."
"Klopfen die alle nicht bei dir an?" wollte Geralt wissen, als die Tür endlich wieder zu war.
Ava lächelte nervös. "Bisher habe ich immer allen versichert, würde meine Tür Tag und Nacht für alle offen stehen. Und das Angebot wurde von meinen Freunden gern angenommen. Allerdings, so schätze ich jetzt, wird sich schnell herumsprechen, dass sie ab jetzt lieber doch anklopfen sollen."
Geralt schnaufte erheitert auf. "Ich glaube auch."
Schnell breitete sich zwischen dem Paar wieder Ruhe und Entspannung aus. Die Hände des anderen fanden den Körper des anderen. Die Rundungen und Kurven wurden erforscht. Küsse versprachen ewige Bindungen auf der Haut . Finger schwören ungeteilte Liebe, und Gelübde wurden versprochen, während der Körper des Hexers und der Elfin zu einem wurden.
Geralt war es gewohnt, den Liebesakt weitesgehend von Romantik fernzuhalten. Seine Partnerin und auch er selbst, bevorzugte es, Zärtlichkeiten und Schwure der ewig anhaltenden Liebe so gering wie möglich zu halten und sofort zur spaßigen Seite zu kommen.
Ein Vorspiel war etwas, worauf Geralt gerne verzichtete. Wenn man ihn fragte, war das eigene Ausziehen oder das Erklimmen von ausgetopften Einhörnern Anreiz genug.
Das hatte aber auch seinen Grund gehabt. Während Yennefer einfach nur wenig auf Zärtlichkeiten gab und lieber sofort auf ihre höhrbaren Kosten kommen wollte, erinnerte Geralt eine ausführliche Erkundung des weiblichen Körpers mit seinen Händen, Lippen und seiner Zunge eher an die frühsten Zeiten seines sexuellen Lebens.
Er kannte jede Stelle von Avas Körper und trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, sie erneut zu erkunden. Der Hexer kam nicht umhin zu merken, dass er diese Zärtlichkeiten vermisst hatte. Das Zeitnehmen füreinander. Das Schmecken. Das Riechen. Das Hören von Lauten, die aus dem schönen Mund von Avamiel kamen, wenn er sie mit seiner Länge füllte.
Er hatte es vermisst. Aber genau diese Hingabe passte auch nur auf dem Sex zwischen ihm und der Element-Elfe.
Der Hexer hinterfragte seine Stimmung nach der Lust für diese Hingabe nicht. Er akzeptierte sie. Er genoss sie und kostete sie bis zum letzten Moment aus.
Jedoch endete jeder Akt der Liebe irgendwann. Und nach diesem Akt war der Hexer beinahe am verdursten. Während er sich über die Flasche mit frischem Quellwasser hermachte, zog sich die Elfe an.
Sie wählte eine schlichte dunkle Lederhose, tiefbraune Wildstiefel, eine dunkelblaue Tunika und legte darüber ein braunes Korsett. Das Haar bürstete sie sich mehrere Male gründlich durch und verstaute es anschließend in einem Fischgrätenzopf.
Als der Hexer mit dem Stillen seines Durstes fertig war, saß Ava bereits komplett angezogen auf ihrem Bett und musterte den nackten Hexer mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen.
"Du scheinst zufrieden mit meinem Anblick zu sein." scherzte er trocken und griff nach seiner Unterhose, die mit dem Rest seiner Rüstung am Boden lag.
Die Elfe zuckte unschudlig mit den Schultern. "Welche Frau würde es mir verdenken, mich bei diesem Anblick nicht zu erfreuen?"
Der Hexer lachte freudlos auf. "Da würden mir eins, zwei Damen einfallen."
Ava wedelte mit der Hand ab. Dann schien sie ernster zu werden. "Geralt, es gibt noch ein paar Dinge, die ich dir gerne erklären würde, bevor wir zu den anderen nach unten gehen."
Der Hexer warf der Elfe einen Seitenblick zu. "Du meinst zwischen uns? Ach, ich würde es einen typischen Fall von Alter Liebe rostet nicht nennen."
Ava kam nicht umhin sich ein Lachen zu verkneifen. "Geralt!" mahnte sie den Hexer kichernd. "Das meine ich nicht. Auch wenn es schön zu hören ist, dass du so fühlst wie ich."
Diese Worte gingen runter wie Öl. Nun war es Geralt, der versuchte, nicht wie ein dummer Junge zu grinsen.
Ava stand vom Bett auf. Sie lief an den Hexer heran. Ließ aber zwei Schritte Abstand zu ihm. Beachtlich verschränkte sie die Hände einander. Fast so wie es die Herzogin Anarietta immer tat, wenn sie sprach. Standen die Frauen in Verbindung zueinander?
"Die Gruppe ... sie ist speziell wie du gemerkt hast. Aber ich würde dir gern erklären wieso." Ava atmete tief ein. "Alastor, wie du vielleicht schon mitbekommen hast, ist kein voller Hexer. Er stammt aus der Katzenschule und wir beide wissen ja nur zu gut, wie freundlich die Kater miteinander umgehen."
Geralt nahm die Hose vom Boden und zog sie sich an. "Er wirkt nicht wie ein Psychopath. Vielleicht ein wenig gereizt. Aber sicherlich nicht so abgedreht wie die Kater. Was haben sie mit ihm angestellt? Seine Augenfarbe ist unnatürlich. Aber er hat definitv keine goldenen Augen wie die ausgebildeten Hexer."
Die Element-Elfe nickte langsam. "Ich habe Alastor als ersten dieser Gruppe kennengelernt. Es war kurz nachdem ich mich von den Wunden des Waldschrates erholt hatte. Dank deines Schwalben-Tranks. Ich hatte Tagelang mit meinem Vater darüber diskutiert, dass ich zurück zu dir wollte. Ich wollte nichts in der Welt mehr, als dir sagen, dass ich lebte. Irgendwann hatte ich Vater soweit, dass er mich aus dem Dryadendorf gehen ließ. Ihm war unsere Bindung bekannt und er selbst hatte für Mutter alles getan und wäre über den Kontinent gereist, um zurück zu ihr zu kommen." Es schien als wollte Ava noch mehr erzählen, doch sie unterdrückte es und schüttelte nur langs den Kopf. "Auf dem Weg nach Kaer Morhen bin ich auch in der groben Nähe der Katzenschule vorbeigezogen. Ich habe Alastor nur als einen vor Schmerzen wimmerndes Etwas vorgefunden. Mitten im Wald, wo es überall von Wölfen wimmelte. Seine Kräuterprüfung war bei ihm fehlgeschlagen. Er mutierte nicht richtig und diese beschissenen Kater haben ihn einfach in den Wald zum Sterben ausgesetzt."
Geralt entwich ein angewidertes Knurren.
"Ich musste ihm helfen. Mir blieb nichts anderes übrig als Alastor mit mir zu nehmen und ihm zu helfen. Entweder für einen friedsamen Tod oder die Schmerzen mit ihm gemeinsam auszusitzen. Die Reise zu euch wäre zu lang und zu qualvoll für ihn gewesen. Also suchte ich uns ein Versteck in den Wäldern, wo wir beide sicher waren. Ich braute ihm ein paar deiner Tränke nach, in der Hoffnung, ihm damit zu helfen.
Es schien zu helfen, aber es dauerte fast einen ganzen Monat, bis er wieder auf den Beinen war. ... Es gab Nebenwirkung von der unvollendeten Prüfung. Seine Augen wurden mintgrün statt dunkelgolden. Er beherrscht die Hexer-Zeichen nicht. Er kann nur mäßig in der Dunkelheit sehen und Tränke wirken bei ihm nur sehr schlecht und brauchen um ein Vielfaches länger als bei dir. Eigentlich kann er sie gar nicht benutzen. Trotzdem ist er ein hervorragender Spurenleser. Den besten den ich kenne.
Ich wollte ihn zu euch an die Wolfsschule bringen, zu dir und Vesemir, aber Alastors Hass auf andere Hexer und vor allem auf die Lehrer war so groß, dass wir beide für eine Weile alleine umherzogen.
Trotz seiner Verbitterung wurde er ein wichtiger Freund für mich. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen und er hörte mir immer aufmerksam zu.
Dann nach ein paar Monaten, bekamen wir unseren ersten Fall. Durch Zufall hörten wir in einer Kneipe von einem geplanten Anschlag auf ein Dorf Dryaden. Wir zögerten nicht lange. Es war ein kleines Dorf, nahe des Waldes Brokilon. Wir kamen fast zu spät an. Es gab bereits einen Überfall. Eine Geisel wurde benommen. Karyas Mutter. Aber wir konnten es verhindern. Wir konnten sie in einer Nacht- und Nebelaktion retten und die Attentäter in die Wüste schicken. Als Dank, dass wir ihre Mutter gerettet hatten, schloss sich Karya uns an.
Sie ist oft schüchtern und weiß immer nicht ganz, wer sie ist und was sie vom Leben will. Ich glaube, dass sie sich uns nur angeschlossen hatte, weil die anderen Dryaden in ihrem Dorf nicht gerade freundlich zu ihr waren. Aber das war keineswegs eine unsinnige Entscheidung. Sie hat durch uns Freunde und Selbstvertrauen gefunden.
Bei uns blühte sie allerdings auf. Ich lehrte ihr das Bogenschießen und schon nach einer Woche war sie um Welten besser als ich."
Der Hexer lächelte stolz. "Das klingt absolut nach dir."
Avas Blick sagte Geralt, dass diese Antwort sie wohl nicht wirklich zufriedenstellte. Doch sie sprach weiter. "Zu dritt beschlossen wir, ein Team zu gründen und den Anderlingen zu helfen. Zuerst kleine Aufträge, dann merkten wir aber schnell, dass mehr in uns steckte. Bei einer Mission, bei der ein duzend Elfenkinder von einem herrschsüchtigen König umgebracht werden sollten, sind wir auf Sigrun gestoßen. Sie war hackevoll am Hafen, an dem wir die Kinder mit einem Schiff an einen sicheren Ort bringen wollten. Sie hat uns fast alles ruiniert, bis uns einige Wachen des Königs aufgespürt hatten. Sigi zögerte nicht lange und na ja" Die Elfin zog die Schultern an. "Sie ist für die groben Sachen verantwortlich. Nach ihr und ihrer geliebten Axt, waren die Wachen zumindest nicht mehr in der Lage, uns zu verraten. Oder noch zu atmen. Am nächsten Tag erzählte mir Sigi, dass ihre männlichen Artgenossen sie an diesem Hafen haben sitzen lassen. Nach einer siegreichen Schlacht, die sie nur durch Sigrun gewonnen hatten. Es gibt wohl kaum eine tapferere und kämpferisch ausgebildete Zwergin als sie. Aber ihre Artgenossen mochten das nicht. Sigi ist recht ... laut und chaotisch. Die andern Zwerge schienen damit ihre Probleme zu haben. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihre Kameraden im Stich ließen."
"Also botest du ihr an, sich euch anzuschließen."
"Ja. Und das war schon so manches Mal unsere Rettung. Sie zögert sich. Macht sich nicht immer einen Kopf zur Lösung vom Problemen, wenn man spontan handeln muss. Sie folgt ihrem Instinkt und das tut der Gruppe gut. Meistens."
Der Hexer griff nach dem schwarzen Hemd am Boden. "Alastor scheint damit aber nicht allzu gut umgehen zu können."
Ava schüttelte nachdenklich den Kopf. "Nein. Er ist ein geborener Stratege und plant alles bis zum kleinsten Detail durch und macht für jeden möglichen Fall einen weiteren Plan. Außerdem ist er ... nachdenklich. Kühn. Verschlossen. Leise. Sigi ist das komplette Gegenteil. Manchmal erinnert sie mit ihren Manieren und ihrer Art an das Benehmen von einem Hausschwein. Alastor dagegen würde eine leckere Mahlzeit ablehnen, wenn ihm das nötige Besteck dafür fehlt. Es ... es ist nicht immer leicht mit ihnen."
"Und der Troll? Ihr habt gesagt, ihr hättet ihn als Findelkind aufgenommen." fragte Geralt und schlüpfte in sein Hemd. Er knöpfte die Knopfleiste an seiner Brust zu, ließ den Blick dabei aber keine Sekunde von Ava weichen.
"Das war ein paar Jahre nachdem Sigi zu uns kam. Es passierte auch auf einer Mission. Wir mussten durch eine Höhle und fanden dabei eine Familie von Trollen, die ein Hexer der Katzenschule alle kaltblütig abgeschlachtet hatte. Alastor bemerkte schnell, dass in der Höhle auch der Geruch eines Baby-Trolls lag. Wir machten uns auf die Suche und fanden Dorn weit außerhalb der Höhle in einem Busch wieder." Ava verdrehte kurz die Augen und fuhr weiter: "In einem Busch voller Dornen, weshalb ihn Sigi so nannte. Er wäre verhungert, wenn wir ihn nicht mitgenommen hätten. Es brach ein riesiger Streit zwischen Alastor und Sigi über seine Zukunft aus. Wir alle wissen, dass Trolle keinen Halt vor Elfen- und Menschenfleisch machen, was wiederum die Gruppe gefährden würde. Sigi konterte damit, dass wenn sie ihn aufziehen würde, er gar nicht erst auf die Idee kommen würde, jemanden von uns anzuknabbern."
Geralt konnte sich die Antwort fast denken. Doch er fragte trotzdem. "Und? Wie viele Bisswunden habt ihr?"
Ohne zu zögern zog die Elfe den Ärmel ihrer rechten Hand nach oben. Sie zeigte die Innenseite ihres Armes. Geralt hatte den ründlichen Abdruck von Dorns Zähnen in der Mitte ihres Unterarm in der Nacht und auch jetzt nicht bemerkt. Besorgt zog er die Brauen zusammen und nahm Avas Arm in seine Hände.
Behutsam streichelte sein Daumen über die Bisswunde. Trolle hatten gefährlich scharfe Zähne und dazu eine starke Bisskraft. Die Narbe war gut sichtbar auf ihrem Arm und zeigte alle Zähne, die ein Troll seit seiner Geburt hatte. Dorn war also nicht allzu alt gewesen, als er Ava für immer markiert hatte. Nicht älter als ein Baby. Andernfalls wäre es kein Kreis, sondern ein Halbkreis und die Narbe wäre auf der Außenseite ihres Armes weiterverkaufen. „Das hätte böse ausgehen können. Selbst als Trollbaby hätte dir Dorn den Arm abbeißen können. Oder dir zumindest ein ordentliches Stück herausbeißen."
"Das weiß ich selbst, Geralt." murmelte die Elfe, deren Blick an Geralts Daumen gefangen war. "Wir füttern ihn regelmäßig. Und ich schätze inzwischen sieht er uns wirklich als seine Familie an. Nach diesem ... Vorfall hat er nie wieder jemanden von uns gebissen. Zumindest nicht absichtlich. Er ist nicht dumm. Auch wenn es hin und wieder so wirkt. Ich glaube, dass Zusammenleben mit uns, hat ihn reifen lassen. Was allerdings nicht heißt, dass er Besteck benutzen könnte.
Die meiste Zeit hat ihn Karya in ihrem Medaillon eingeschlossen. Es ist ein Portal zu einer anderen Sphäre. Dort hat er alles, was er braucht. Essen, Trinken, andere Trolle zum Ärgern und wenn wir ihn brauchen, kann er damit jederzeit wieder zu uns geschickt werden."
Ava schien die Emanation von Geralts Magie zu spüren, die er bei der Berührung seines Daumen an ihrer Hand ausübte. Er konnte sich noch recht gut daran erinnern, dass sie das Kribbeln seiner Magie auf ihrer Haut mochte. Dabei sollte Ava als magisches Wesen die Emanation eigentlich gar nicht spüren dürfen. Aber sie tat es. Wahrscheinlich noch intensiver als Triss. Allerdings redete sie nicht allzu häufig davon.
Sie mochte es eher, wenn die Emanation durch zufällige Berührungen ausgelöst wurde.
Und dem Hexer gefiel es, der schönen kleinen Elfe diesen Gefallen zu tun. Manchmal schnurrte sie dabei wie eine Katze ...
Aber darum ging es gerade nicht. "Was ist mit Rittersporn? Wann hat er sich euch angeschlossen."
Die Elfin schien in ihren eigenen Gedanken verfallen zu sein. Sie konnte den Blick von Geralts Daumen auf ihrer Narbe nur schwer lösen. "Was? Ach, Rittersporn. Das muss ein paar Jahre nachdem ihr euch begegnet habt, her sein. Ich hab ihn in einer Bar kennengelernt. Das war mein erster freier Tag seit langer Zeit gewesen. Da hat er gesungen. Ich war wohl länger geblieben als sein Gesang wert gewesen war." Die letzten Worte murmelte sie beinahe schuldbewusst vor sich hin.
Geralt aber musste sich ein Grinsen verkneifen. Was Rittersporn und er sich bereits wegen dessen Gesang gestritten hatten, war wohl wesentlich intensiver gewesen als Avas schlechtes Gewissen.
"Irgendwann an diesem Abend kam er an meinen Tisch und versuchte mich zu umwerben. Er war total betrunken und ich brauchte nicht lange, bevor ich herausbekommen hatte, woher diese Trinklust für diesen Abend herkam. Er war wenige Stunden zuvor von einem Hexer auf einem Berg zurückgelassen worden, obwohl er dachte, dass dieser Hexer sein Freund war."
Das Lächeln des Hexers verschwand.
Ava verzog die linke Braue spielerisch. "Ein Hexer mit weißen Haaren in Begleitung von einer wunderschönen dunkelhaarigen Zauberin, die nach Flieder und Stachelbeeren roch. Es ging um Drachen, einen unerfüllten Kinderwunsch und um eine Schlacht. Zuletzt hatte der Hexer seine schlechte Laune an Rittersporn ausgelassen, ihn auf dem Felsen zurückgelassen, sodass der arme Barde mit seinen besten Schuhen diesen Felsen alleine herunterkraxeln musste. Wir haben die halbe Nacht miteinander gesprochen und er erzählte mir von seinem Wunsch, genauso mutig und tapfer wie sein Freund der Hexer zu sein. Ich wusste von Anfang an, dass Rittersporn nicht sonderlich gut mit Waffen umgehen würde, aber ich brachte ihn bei, wie er seine wertvolle Gabe des Unterhaltens für unsere Zwecke verwenden konnte. Mit seinem freundlichen Gesicht, seinen Liedern und seiner Art, Bekanntschaften zu machen, kamen wir an viele wertvolle Informationen heran."
Geralt ließ den Arm der Elfin los und schnaufte auf. Yennefer. Bravo. Das Thema hatte er gerade gebraucht.
Die haselnussbraunen Augen der Elfe richteten sich neugierig auf die des Hexers. Sie schien sofort zu begreifen, woher Geralts schlechte Laune kam. „Keine gute Trennung mit ihr gehabt?"
Der Hexer schüttelte den Kopf. "Nein." Er wusste, dass er Ava keine Begründung schuldete oder dass sie gar eine von ihm erwartete. Aber in ihrer Nähe war er oft ehrlicher als manchmal gut für ihn war. "Du ... kennst ja sicherlich die Geschichte vom Djinn, der Yennefers und mein Schicksal für immer miteinander verknüpfen sollte. Seither war Yen deshalb sauer auf mich. Egal wie gut es zwischen uns auch gelaufen ist. Es war immer die Frage, ob wir uns zueinander angezogen fühlen auf Grund des Wunsches oder ob es echte Gefühle sind. Für mich stellte sich nie die Frage. Yen dagegen beschäftigte es mit den Jahren immer mehr. Irgendwann hat sie mich unter falschen Vorwand zu einem Schiff gebracht auf dem wir einen Djinn bezwungen haben. Sie hatte sich von ihm gewünscht, dass mein Schicksal für immer mit dem ihrigen zu verbinden, gebrochen wird. Ohne mir vorher ein Sterbenswort zu sagen."
Avas Lippen verzogen sich nach unten. "Und das lief nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte?"
"Nein." brummte der Hexer. "Für sie hatte sich nichts verändert. Für mich alles. Alles, was ich je für sie empfunden hatte, war mit ihrem Wunsch verschwunden."
Mehr sagte der Hexer nicht und Avamiel nahm es mit einem Nicken an.
Die Gedanken an Yennefer schmerzten dem Hexer immer noch manchmal. Aber nicht wegen eines gebrochenen Herzens. Oder aus Wut oder Frust. Es gab so vieles Ungeklärtes zwischen ihm und Yen und er wusste, dass es nie geklärt werden würde. Es tat ihm weh an Yennefers Gesicht zu denken, als er ihr sagte, dass da keine Gefühle mehr für sie waren. Dass ihre Reise nach dem Kampf gegen die wilde Jagd endete. Seither hatte er auch nichts mehr von der schönen Zauberin gehört.
Es tat ihm leid, sie mit der Wut in ihrem Bauch gehen zu lassen.
Aber es war nicht sein Verschulden gewesen. Auch wenn es ihm schlussendlich wieder zu Ava gebracht hatte.
Der Elfe, die ihn mit ihren großen Augen ansah. Augen, für die er alles getan hätte und wieder tun würde.
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