Vorstellungsrunde
Geralt folgte der Elfin die Treppe hinauf in die nächste Etage. Dort erstreckte sich ein langer Gang an dessen lange Seiten mehrere Zimmer verteilt waren.
Hier schienen ihre Gäste zu übermächtigen. Wer weiß mit welcher Taktik sie hier zu ihren Informationen kam?
Die Elfin ging noch eine Etage höher. Geralt trat an ihre Seite. Er bemerkt, wie das Auftreten ihr Schmerzen bereitete. Aber sie hielt nicht an oder bat um Hilfe.
Dass der Hexer ihr trotzdem Hilfe gab, indem er den Arm um ihre Taille legte und das Gewicht von ihrem verletzten Oberschenkel entlastete, nahm Ava dennoch dankend an.
Sie deutete auf den nächsten Flur und zeigte Geralt auf die dritte Tür auf der linken Seite.
Wie alles hier, wirkten auch die Gänge einladend hell. Sicherlich waren sie in keinem perfektem Zustand mehr. Der Putz fehlte an manchen Ecken, Spinnengeweben hingen in den Ecken und dem Kronleuchter aus Holz fehlten bereits mehrere Zacken.
Alles in allem, schien es dennoch so, als würde zumindest hin und wieder jemand sich um den Gasthof zu kümmern.
Die Elfin löste sich von dem Hexer vor der Tür. Sie holte tief Luft, zog ihre Kapuze vom Kopf und klopfte an die Tür.
Geralt erkannte sofort, dass es sich bei diesem Klopfen um einen Code handeln musste.
Drei Mal kurz Klopfen. Pause. Zwei kurz Klopfer folgten. Dann legte sie die Hand auf den Türknauf.
Sie sah zu dem Hexer auf. Er erkannte, die Nervösität in ihren Augen flackern. Bist du dir immer noch sicher? Schienen sie zu fragen.
Als Antwort darauf nickte Geralt und berührte mit seiner Hand kurz der ihre. Nur flüchtig. Nur für einen kurzen Moment. Ich bin mir sicher. Ich will bei dir bleiben. Wollte er sie verstehen lassen.
Ava verstand und lächelte. Dann drehte sie den Knauf und öffnete die Tür.
Sie traten ein.
Geralt konnte sich im Raum kaum umsehen als eine Frau bereits nach der Elfin rief.
Eine Dryade mit hellgrüne Haut und langen dunkelgrünen, fast schwarzen langen welligen Haaren, stürmte auf Ava zu und drückte sie fest an ihren großen schlanken Körper heran. „Bei den Göttern, du lebst!"
„Mir gehts gut, Karya. Mir gehts gut!" versicherte die Elfin und umarmte die Dryade zurück. Die beiden Frauen wirkten liebevoll miteinander. Fast wie Freundinnen.
War sowas möglich? Freunde und Arbeitskollegen zu sein? Auf Missionen, in denen man einen kühlen Kopf bewahren musste?
Geralt nutzte diese Chance um sich umzusehen. Das Zimmer war recht groß und gemütlich. Ein großes stabiles Bett mit vielen Felldecken darauf. Ein intakter Kronleuchter hing an der Decke. Es gab einen großen Wandschrank und einen Tisch für die Damen zum Schminken und einen weiteren Tisch, um Unterlagen zu bearbeiten. Auf einen weiteren kleinen Schränkchen stand eine Schüssel mit Wasser.
An den Wänden hing eine blau gemusterte Tapete mit kleinen Applikationen darauf. Das schien Tapete zu sein, die sonst nur edle Kaufleute besaßen. Ebenfalls alles intakt.
Die erste Person, die ihm in diesen Raum auffiel, war ein hochgewachsener Mann mit Brille, der mit skeptischen Blick vor dem Bett stand und die Arme vor der Brust verschränkt hatte.
Sein Haar war Hellblond. Fast weiß schon. Er trug eine runde Brille auf der Nase, durch deren Gläser Geralt die mintgrünen Augen des jungaussehenden Mannes erkennen konnte. Diese Augen waren nicht menschlich, auch wenn der Rest seines Körpers so aussah. Man kam nicht umhin, diesen Mann nicht als Schönling zu bezeichnen. Viele Frauen würden in diesem symmetrischen Gesicht verfallen. ... Ava auch?
Geralt spürte die Magie, die von ihm ausging. Fast so ... als wäre er auch ein Hexer. Aber diese Augen, passten einfach nicht dazu. Genauso trug er keine Kette seiner Schule um den Hals. Seine Kleidung, war auch nicht die eines Hexers. Das waren edlen Kaufmannssachen. Ein langer dunkelfarbener Mantel. Teure Lederschuhe und eine Hose, die aus dem selben Stoff wie der Mantel war. Die Weste war aus feinen Zwirn gefertigt. Das weiße Hemd darunter sah aus wie frisch gebügelt und wiesen keinen Fleck auf. Und das, wo er in diesem Laden hier lebte.
Eine weitere Person fiel Geralt erst auf als er wieder zu Ava sah.
Neben ihr stand eine Zwergin. Sie ging der Elfin gerade einmal bis zur Brust. Doch so wie die Zwergin grinste, schien sie alles andere als schüchtern zu sein.
Ihr Haar war feuerrot und lang und aufwändig an ihrem Kopf geflochten. Die Stupsnase war klein und wirkte so als wäre sie bereits ein paar Mal gebrochen gewesen.
Sie trug eine ledernen Rüstung, die sichtlich mitgenommen war.
Eine wahre Kriegerin. Das sagte schon ihr frecher lecker Blick.
Ava ließ die Dryaden los und lächelte der Zwergin zu. Diese boxte ihr spierlisch gegen den gesunden Oberschenkel. „Man, Avi! Du kannst doch nicht einfach so verschwinden, du Anderlinge!" Sie wirkte wie ein Wirbelwind, die sicher den ein oder anderen Zwerg unter den Tisch saufen konnte.
„Tut mir leid, Sigi. Dafür habe ich ein neues Mitglied besorgt!" Die Ankündigung in ihren Worten war so groß wie ihr Lächeln als sie auf den Hexer zeigte.
Alle Blicke sammelten sich bei Geralt, der für einen kurzen Moment fast so etwas wie nervös war.
„Na, sieh einer an!" sagte sie Zwergin in ihrer kecken Stimme und drehte sich zum Hexer um. „Erst sich halb tot schlagen lassen und dabei noch jemand neues in die Runde bringen! Das kann nur unsere Avi."
„Und wir können ihn vertrauen?" meldete sich der Mann am Bett zu Wort. Sein Blick hätte kaum skeptischer sein können.
„Ja! Ich kenne diesen Mann lange. Wirklich lange. Er kann uns bei dem Monsterproblem helfen und wird sicherlich ein gutes Mitglied werden!" kündigte ihn Ava.
Geralt zog die Kapuze nach hinten. Eigentlich musste er sich nicht mehr vorstellen. Sein Gesicht war bekannt genug.
Doch er wollte es sich dennoch nicht nehmen lassen. Vor allem als er den entsetzten Blick des Mannes sah.
„Geralt!"
Da war ihm jemand zuvor gekommen.
Der Hexer drehte den Kopf zur Tür und entdeckte Rittersporn dort stehen. Julian wirkte entsetzt und überglücklich zu gleich.
„Heiliger Ochsenschwanz! Du hast uns Geralt von Riva angelacht?" fragte die Zwergin voller kämpferischer Freude.
Geralt hatte jedoch keine Sekunde um zu antworten.
Sein ältester Freund stand bereits neben ihn und zog ihn in eine tiefe liebevolle Umarmung hinein. Geralt erwiderte diese Umarmung. Wenn auch er etwas mehr Zeit brauchte, um zu reagieren.
Trotz Rittersporn ständiger Pannen und offenkundigkeit, war er Geralts bester Freund, für den er durch jedes Feuer gelaufen wäre. ... Oder es manchmal jedoch auch nach den Barden nachgeworfen hätte. Rittersporn war speziell. Für jemanden wie Geralt, der auch gerne alleine war, noch spezieller.
„Was, im Namen der Götter, machst du hier?" wollte Rittersporn wissen, als er den Hexer losließ und ihn nochmal beherzt auf die Schulter klopfte. Fast so als wolle er sichergehen, dass der Mann vor ihm lebte.
Ava ergriff erneut das Wort. „Geralt gehört jetzt zu uns. Er und sein Freund haben sich um mich gekümmert als mich ein Kreischling angegriffen hatte."
Die Dryade zog ängstlich die Hände vor dem Mund. „Was? Das ist ja schrecklich!"
Der Mann mit dem fast schon weißen Haar sprang nun auch vom Bett auf und lief zu Ava. „Zeigte er auch ein anderes Verhalten?"
Die Elfe nickte bedächtig. „Ja. Allerdings ... es gab viele Komplikationen und Probleme. Ich habe nicht richtig reagiert und hab viel von dem Gift des Kreischlings abgekommen. Ich konnte es töten. Ich hoffe seine Leiche liegt noch dort. Wir machen uns morgen früh dorthin auf und werden sie hoffentlich untersuchen können."
Der Mann nickte einverstanden.
„Nichtsdestotrotz möchte ich euch allen Geralt von Riva vorstellen. Sicherlich haben die meisten von euch schon von dem Hexer gehört."
Die Zwergin grinste noch breiter und boxte dem Hexer gegen den Oberschenkel. Ziemlich kräftig für so eine kleine Person wie Geralt fand. „Sehr geil! Das wird ein Spaß mit dir."
Ava deutete auf die Zwergin. „Geralt, das ist Sigrun Frost. Die beste Kämpferin der Zwerge, die es je gab. Dank ihr brauchen wir keine Armee. Sie ist eine Ein-Mann-Armee und die Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkelin der berühmten Kriegerin Meldef!"
Geralt zog verwundert die Brauen zusammen. „Ich dachte Meldef hatte nur Interesse an Frauen gehabt."
Die Zwergin lachte auf. „Ha! Ja! Aber manchmal ist es nicht einfach mit vielen Krügen Bier Männchen von Frauchen zu unterscheiden. Vor allem, wenn die Zwerginnen auch gerne mal Bart tragen!"
Darüber wollte der Hexer gar nicht erst nachdenken. „Sehr erfreut!" antwortete er stattdessen.
Ava zeigte als Nächstes auf die Dryade. „Das hier ist Karya. Unsere beste Bogenschützin. Sie kann alles treffen und ist so wendig und schnell wie eine Katze! Sie bringt jeden zu Fall, ehe er sie hören kann. Sie ist die Frau für die leisen und fernen Angriffe."
Nun war der Mann dran, der Geralt erneut finster musterte. „Das ist Alastor. Unser Mann für jeden Nahekampf und jede Explosion und Spurenhund. Er findet überall Spuren. Egal an welchen Platz. Selbst im Wasser wurde er fündig werden."
„Du bist eine Art Hexer nicht, wahr?" wollte Geralt wissen.
Alastor wirkte so unerreichbar wie die Stern. Der Blick war so unterkühlt, dass Geralt für einen Moment gerne die Frage zurückgenommen hätte. Aber ihn wurde klar, dass wenn Ava ihn für würdig hielt mit ihr Seite an Seite zu kämpfen, mehr hinter seiner Fassade stecken musste als Geralt annahm. „Ja. So eine Art Hexer." wiederholte er die Worte des Hexers vollen Ernstes.
Ava schien mehr darüber sagen zu wollen. Doch sie hielt inne. Das war Alastors Kampf.
Der jedoch schwieg weiter.
Geralt beschlich der Verdacht, dass es etwas mit der Katzenschule zutun haben könnte. Diese war war bekannt dafür, Mitglieder hervorzubringen die Psychopathen und Mörder waren. Die Schüler, die sich selbst Kater nannten, waren meist missratene Hexer waren. Viele von ihnen waren wahnsinnig und unberechenbar. Viele neue Schüler litten darunter. Es gab Experimente, die schief gingen. Geralt wurde den Verdacht nicht los, dass es bei Alastor genauso war. Seine Transformation war nicht beendet wurden. Er schien wie zwischen den Welten zu schweben. Aber Geralt wollte auch nicht weiter nachbohren. Er würde schon noch mehr erfahren. Und wenn nicht, war das auch nicht schlimm.
„Ähm, Rittersporn kennst du ja. Euch muss ich ja sicherlich nicht weiter vorstellen." Etwas kleinlauter fügte Ava rasch hinzu: „Und ich schätze, ihr beiden müsst eventuell miteinander mal reden."
Geralt sah seinen besten Freund mit einem vielsagenden Blick von der Seite an. Lügner!
Rittersporn lächelte genauso verzweifelt und schuldig wie es Ava vorhin noch getan hatte. Aber das würden sie schon noch klären.
„Du sagtest etwas von sechs Leuten. Ich sehe hier nur fünf." warf Geralt ein und sah zu der Elfin.
Der Hexer bemerkte wie sich die Dryade fast zeitgleich an den runden großen Anhänger an ihrer Halskette fasste.
Ava nickte vorsichtig. „Unser sechstes Mitglied ist gewissermaßen auch hier. Nur eben nicht im selben Raum. Würden wir ihn hier rauslassen, würden wir wahrscheinlich gleich auffliegen."
„Ach was!" winkte die Zwergin ab und lief zu der Dryade. „Dorn haben wir gut erzogen! Der macht keinen Unsinn!"
„Sigrun, nicht hier!" warnte Alastor. Doch die Zwergin ließ sich nicht beirren, lief zu Karya und klopfte ihr gegen das Bein.
Die Dryade wirkte unsicher. Das tat sie immer. Geralt fragte sich, wie so eine unsicherer Dryade Ava und ihrer Truppe helfen konnte. Aber es würde schon seine Gründe haben. Er würde auch dieses Geheimnis herausfinden.
„Komm, Kari! Lass Dorn raus! Ich versichere euch, er wird brav sein."
Rittersporn drehte sich schon fast panisch zu Geralt herum. „Rette mich Geralt! Das wird nichts!"
Der Hexer beobachtete Karya, die Hand an den Anhänger legt. Ein helles leuchtendes Licht erstrahlte den Raum.
Als Geralt das nächste Mal die Augen aufschlug, stand vor ihm ein Troll.
Ein waschechter Troll.
„Scheiße!" brummte er und merkte wie Rittersporn sich hinter ihm versteckte.
Alastor wirkte nicht begeisterte, er ging in Angriffsstellung. Karya trat an Avas Seite und warf ihr einen entschuldigenden Blick zu.
Die Elfin wirkte hochkonzentriert.
Die einzige, die sich über das sechsten Mitglied freute war Sigrun, die jubelte und den Troll boxte.
Geralt platzte fast die Hutschnur. „Ihr habt einen Troll als Mitglied?"
Trolle waren keineswegs dumme Wesen. Sie waren soziale und vernunftbegabte Kreaturen, die gerne mit ihren Familien zusammenlebten. Dieser Troll hier schien Ava und ihre Leute als Familie anzusehen. Hoffte der Hexer zumindest.
Er wirkte friedlich. Zumindest für den Moment.
Jedoch war der Aspekt nicht zu verachten, dass Trolle auch Menschenfleisch aßen. Vor Elfen schreckte er noch weniger zurück. Ihr Fleisch schien ihn noch besser zu schmecken. Noch dazu konnten sie problemlos Felsbrocken werfen und mit leichten Waffen und Feuer umgehen. Ihr ziemlich kräftigen Körperbau war auch nicht zu verachten.
„Na, mein Großer! Wie gehts?" fragte die Zwergin hocherfreut.
Der Troll, dessen Haut wie aus Stein aussah, grinste fröhlich auf und gab einen erfreuten Laut von sich. „Zwergin, da! Ha ha! Dorn sich freuen aus Kette zu kommen! Dorn so langweilig gewesen! Überall langweilig! Hier bei euch viel mehr Bumm Bumm! Nicht schnarch schnarch!"
Ava warf einen kurzen Blick zum Hexer. Fast als wollte sie sich erneut entschuldigen. Entschuldigen für diesen riesigen Felsentroll. Aber Geralt hatte über all die Jahre seine Erfahrungen mit Trollen gesammelt.
Felstrolle waren in der Regel friedliche Genossen. Und wenn nicht konnte man immer mit ihnen verhandeln. Sie liebten Alkohol, was wohl ein weiterer Grund war, warum sich dieser Troll der Gruppe angeschlossen hatte. Er hoffte, dass er Ava bisher in Ruhe gelassen hatte.
„Wir haben Dorn als Baby gefunden. Vor vielen Jahren. Sigi hat ihn großgezogen. Sie ist quasi sein Mutterersatz." erklärte Ava über den Troll hinweg. „Er ist eigentlich ziemlich friedlich."
„Ja, friedlich!" bestätigte der Trolle laut grölend.
Alastor verdrehte genervt die Augen. „Sprich noch lauter, Dorn! Die Leuten unten haben dich noch nicht gänzlich verstanden!"
Das war ein Fehler. Ein großer Fehler, den der Hexer mit Brille hätte wissen müssen. Trolle verstanden kein Sarkasmus. Auch nicht, wenn sie mit Menschen aufgewachsen waren.
„JA!" schrie Dorn deshalb so laut er konnte auf. „DORN FRIEDLICH!"
Bevor jemand eingreifen konnte, hatte die Dryade auch schon wieder den Anhänger aktiviert und den Troll zurückgerufen.
Ganz zum Ärger von Sigi. „Hey! Da kann Dorn doch nichts dafür, wenn Alastor sich so unglücklich ausdrückt!"
Dieser kläffte sofort los. „Ich habe euch damals schon gesagt, dass das ein Selbstmordkommando wird, wenn wir einen Troll bei uns aufnehmen!"
Das ließ die Zwergin nicht auf sich sitzen. Sie stampfte auf den Hexer zu. Vor ihm blieb sie stehen und deutete mit den ausgestreckten Zeigefinger auf ihn. „Dorn hat uns schon häufiger aus der Klemme geholt als du halber Hexer! Du und deine scheiß Klugscheißerei geht mir auf den Sack! Dorn hilft! Immer! Du dagegen kannst immer nur meckern! Jetzt gerade schon wieder! Geralt passt dir nicht. Dorn passt dir nicht! Von jedem hier, außer Ava, fühlst du dich bedrängt und ziehst deinen Schwanz ein und meckerst rum! Pussy! Du bist so eine weichgespühlte Pussy!"
Alastor verengte angegriffen die Augen. „Dafür hat uns dein geliebter Troll schon in mehr Miseren gebracht als gerettet! Und gebissen habe ich auch noch niemanden, im Gegensatz zu deinem Haustier!"
"Haustier?" schnauzte Sigi ihn stinkwütend an. "Bei den Göttern, das nimmst du zurück!"
Nun schaltete sich auch Ava ein. Sie wirkte alles andere als glücklich. Wahrscheinlich machte ihre Wunde ihr auch noch zu schaffen. Sie bräuchte Ruhe und müsste sich hinlegen. Schlafen und heilen. Stattdessen spielte sie Vermittler und stellte sich wie eine Mauer zwischen die beiden Partein. „Es reicht! Von euch beiden! Jeder wird hier gebraucht! Jeder hat hier seine Berechtigung und seinen Platz! Darüber diskutierten wir gar nicht erst!"
Rittersporn neben Geralt seufzte auf. Für den Geschmack des Hexers etwas zu verliebt. „Sie ist großartig, nicht wahr?" säuselte er Geralt zu.
Gott sei Dank, schien Ava davon nichts mitzubekommen. Sie war mitten im Streit gefangen.
„Mag sein." brummte Geralt zurück.
Julian nickte. „Wenn sie nur auch so zugänglich wie großartig wäre."
Nun hatte er Geralts Aufmerksamkeit komplett erhascht. Er drehte sich zu seinem Freund um. „Was meinst du damit?"
Rittersporn zuckte mit den Achseln. „Sieh sie dir doch nur an! Nur ein Narr würde an dieser schönen Elfe vorbei gehen ohne sie mindestens einmal zu umwerben."
Unfreiwillig formten sich die Hände des Hexers zu Fäusten. Sein Gesicht blieb kühn.
„Ich habe es oft versucht, Geralt. Wirklich oft." sprach der Barde mit tiefen Bestürzen in der Stimme. „Sie ist nie auf mein Umwerben angesprungen. Ich habe Männer mit ihr zusammen auf ihr Zimmer gehen sehen, Geralt. Einige ... viele Männer. Aber immer nur für eine Nacht! Solange ich sie kenne, und bei den Göttern, dass ist wirklich schon eine kleine Ewigkeit her, hatte sie nie einen Partner gehabt. Sie geht gar nicht erst drauf ein, sich auf eine Beziehung einzulassen! Glaubt man das?"
Ja.Obwohl sich Geralt das Gegenteil wünschte. Nach ihrer Trennung hatte er häufiger Liebe von anderen Frau erfahren. Ava schien das Thema komplett zu meiden. Er hoffte, es war nicht seinerwegen.
Rittersporn seufzte schwer. „Wenn du mich fragst, steckt da eine tiefer Verletzung dahinter. Ich wollte mit ihr darüber reden, aber sie kann schneller das Thema wechseln als ich die Unterwäsche. Bei ihr musst du dir wirklich keine Gedanken machen. Sie wird Single bleiben."
Daran wollte der Hexer nicht so wirklich glauben.
Das Gebrüll von Sigi unterbrach seine Gedanken. „Avi! Wenn du mal mehr Eier in der Hose hättest, würdest du unseren lieben Alastor endlich mal die Leviten lesen! Er benimmt sich wie der größte Ekel unter der Sonne!"
Das Gezanke ging dem Hexer allmählich auf die Nerven. Er hörte es zum ersten Mal. Ava dagegen schien es das täglich Brot zu sein.
Ihr Atmen war gelassen. Dennoch waren ihre Wangen rot angelaufen. „Sigrun, wenn ich Eier in der Hose hätte, würde ich jetzt nicht hier stehen, sondern wahrscheinlich längst in einem Krieg der Elfen gefallen sein. Also, nein! Ich lese hier niemanden die Leviten! Jeden hier habe ich aus einem bestimmten Grund ins Boot geholt. Auch Dorn. Auch Alastor. Auch dich, Sigi! Wir sind ein sehr gutes Team! Wenn ihr euch nicht ständig streiten würdet!"
„Er fängt doch an! Er ändert sich nicht!" meckerte Sigi aufgebracht und zeigte auf den Hexer mit den hellblonden Haaren. Dieser wiederum schüttelte nur verbittert den Kopf.
Rittersporn seufzte neben Geralt auf. „Das ist wohl mein Part!"
Bevor Geralt fragen konnte, gesellte sich der Barde zu den zwei streitenden Hähnen und Ava.
„Unsere Avamile hat doch Recht! Niemand ist hier zu Unrecht! Überlegt mal was wir einander schon zu verdanken haben! Was andere uns zu verdanken haben? Wer hat die Kinderschar an Anderlingen vor Emphyr geplanten Attentat gerettet? Das waren wir. Oder besser gesagt Alastor mit seinem Spürhundfähigkeiten.
Wer hat eine Gruppe von Elfen-Kriegsveteranen in einer Nacht und Nebelaktion von Velen nach Toussaint gebracht, weil sie erfahren hatten, dass diese ehemaligen Elfenkrieger von böswilligen Leuten getötet hätten werden sollen? Ja! Auch wir. Angeführt von Sigi, die alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, damit die Krieger flüchten konnten.
Wer hat den Anschlag auf ein Dort zurückgezogener Anderlinge verhindert, der durch einen nur allzu bekannten König ausgerufen wurde? Oh, richtig! Das waren auch wir! Und dank unseren kleinen Dorn hatten wir absolute freie Hand und mussten uns nicht um die Wachen kümmern. Das hatte er getan!"
Stolz grinste die Zwergin. „Und er hat nur drei von ihnen gefressenen! Die anderen hat er wie geplant festgehalten."
Alastor fuhr sich seufzend über das Gesicht. „Er hat jeden mindestens ein Gliedmaße abgefressen. Wenn die Männer hinterher nicht an einer Infektion gestorben oder gar verblutet sind, werden sie jetzt immer noch unter Albträumen leiden!"
„Ja!" gab Sigrun grinsend zurück. „Das werden sie! Und den Anderlinge gehts es dafür allen gut!"
„Den meisten." murmelte Ava müde.
Rittersporn nickte eifrig. „Na also! Jeder hier von uns ist ein Held. Jeder hier hilft und rettet. Dank uns geht es vielen besser als zuvor. Ja. Wir können noch lernen, besser privat miteinander zu harmonieren. Aber das bekommen wir auch noch hin, oder?"
Alastor warf dem Barden einen misstrauischen Blick zu. Sigi dagegen nickte einverstanden. Nur die Element-Elfe sagte nichts. Sie schien am Ende ihrer Kräfte zu sein.
Geralt schritt ein. „Soweit so gut! Dann wäre das ja geklärt und wir können wir heute Schluss machen. War wirklich nett euch alle kennenzulernen. Ich denke, dass ich bei euch hier richtig bin."
„Bist du!" flötete Sigrun und boxte den Hexer gegen den Oberschenkel. So kräftig und stark, dass Geralt sich einen schmerzlichen Aufschrei verkneifen musste.
„Wir werden es sehen." sagte Alastor trocken und verschwand aus der Tür.
Rittersporn legte seinen alten Hexerfreund eine Hand auf die Schulter und zwinkerte dem Hexer mutbringend zu. Dann ging auch er. Gemeinsam mit Sigrun.
Die Dryade lächelte schüchtern Geralt zu, wendete sich dann erneut an Ava, um sie zu umarmen. „Den Göttern sei Dank, bist du zurückgekehrt."
„Meine Wege werden immer zu meiner Familie führen." antwortete die schöne Elfin zurück.
Nachdem sich Karya verabschiedet hatte, waren der Hexer und Ava endlich alleine im Zimmer. Seufzend ließ sich die Elfe auf dem Bett nieder und strich sich müde mit beiden Händen über ihr Gesicht.
Geralt lief zu ihr und ging vor ihr in die Hocke. Er legte eine Hand auf ihren gesunden Oberschenkel. „Gehts dir gut?"
Als sie die Hände herunternahm, sah sie den Hexer müde und kraftlos entgegen. „Ich kann verstehen, wenn du gehen willst."
„Was?" fragte der Hexer verständnislos. „Wie kommst du darauf?"
Ava schüttelte den Kopf trostlos und suchte mit den Augen einen Punkt an der Wand hinter Geralt, um die Worte zu finden, die ihr so schwer auf dem Herzen liegen zu schienen. „Wir haben so viel erreicht. Wir haben so viele Anderlinge gerettet. Aber was wir sind, was keine sieht, ist dass wir nichts anderes als eine Gruppe ausgestoßener Chaoten sind, die mehr schlecht als recht ihre Missionen beenden. Es endete immer im Streit. Oder Chaos. Davon bekommt aber kaum jemand etwas mit."
„Ihr rettet Leben, Ava." beschwichtigte der Hexer mit fester Stimme. „Es ist den Anderlingen egal, wie viel ihr streitet oder was nebenbei für Späne fallen. Es geht darum was ihr tut. Und wie ich es aus Rittersporns Worten herausgehört habt, seit ihr mehr als nur eine kleine Gruppe an Spionen, die agiert."
Die Elfe seufzte schwer den Namen des Hexers und sah ihn endlich an. Ihre schönen Haselnussbraunen Augen waren müde. Müde vom Streit. Von ihrer Verletzung. Und vielleicht auch müde von der Sehnsucht.
Sie streckte eine Hand nach dem Hexer aus und legte ihre flache Handinnenseite an seine Wange.
Geralt spürte ihre Warme. Ihren Duft nach Himbeeren und Pfefferminze. Sie lebte. Sie war hier. Direkt vor ihm.
Er hatte nie aufgehört sie zu lieben. Er hatte nie aufgehört zu hoffen, sie wiederzusehen. Und nun war sie hier. Vor ihm. Lebendig. Er musste nur fragen. Eine kleine Frage ihr stellen, damit es wieder sinken würde wie es damals war. Zumindest für Teilen.
„Ich habe dich all die Jahr so furchtbar schrecklich vermisst." gestand sie und schluckte dabei den Tumorgroßen Kloß in ihrem Hals herab. „Ich hasse mich dafür, dass ich dich all die Jahrzehnte nicht benachrichtigt habe. Ich hasste es jeden Tag aufs Neue von Rittersporn zu hören, wie du kämpfen musstest. Ohne mich. Mit anderen Frauen an deiner Seite. Und ich durfte nichts sagen. Weil es Alastor gab. Weil es Sigrun gab. Karya. Dorn. Rittersporn. All die Anderlinge, die unserer Hilfe brauchten. Wenn einer von uns auffliegt. Wenn sich einer verplappert oder Fehler macht, bedeutetet das den Tod für uns alle."
Sie seufzte schwer. „Wir haben Pläne vieler Könige und Herrscher vereitelt. Wir haben Anderling vor den Scheiterhaufen gerettet. Vor ihrer Exikutierung. Unsere Köpfe stehen auf so vielen schwarzen Listen, dass ich manchmal kaum traue aus dem Haus zu gehen. Bisher hat niemand je unsere Namen erfahren. Oder unserer Gesichter gesehen. Wir arbeiten nur in der Dunkelheit. Trotzdem steht so verdammt viel auf dem Spiel."
Tränen rollten über Avas Wangen. Sie schnaufte auf. Ihre Schultern zuckten. Sie verlor die Beherrschung. „Ich habe dich verlassen. Ich sehe meine Vater so so selten. Am Grab meiner Mutter war ich seit Ewigkeiten nicht mehr, Geralt. Aber das schlimmste für mich ist, dass ich dich verloren habe. Unsere Zeit."
„Ava." seufzte der Hexer und nahm nun neben ihr auf dem Bett Platz. „Ich bin doch hier. Wir haben uns doch wiedergefunden. Es gibt nichts, was noch zwischen uns steht. Niemand mehr. Weder dein neues Leben, noch mein altes. Kein erzwungenes Schicksal. Ich bin hier, weil ich hier sein will. Bei dir."
Avas gläserne Augen richteten sich erneut auf den Hexer. Sie hatte ihre Gefühle so offen vor ihn gelegt. Sie verdiente Heilung. Nach all den Heldentaten, die sie all die Jahrelang verbracht hatte.
Der Hexer legte seiner Geliebten eine Hand in den Nacken. Sanft streichelte er ihre weiche Haut mit dem Daumen. „Ava, ich habe dich genauso vermisst. Und genauso wie du, konnte ich meiner Bestimmung nicht entkommen. Aber jetzt sind es andere Zeiten. Andere Bestimmungen. Andere Wege. Wege und Schicksale, die uns wieder zusammengeführt haben."
Ihr erster Kuss nach so langer Zeit war genauso zart und leicht gewesen, wie ihr allererster Kuss vor fast einem Jahrhundert gewesen.
Sie schmeckte aber noch genauso fruchtig, süß und frisch wie damals.
Der zweite Kuss war sehnsüchtiger. Genau wie die vielen weiteren Küsse, die folgten.
Es fühlte sich wie das langersehnte Wasser nach einer ewigen Durststrecke an.
Er wollte sie nie wieder gehen lassen. Nie wieder.
Doch ein Barde hatte da andere Absichten und riss urplötzlich die Tür wieder auf. „Geralt, wenn du willst, kannst du in meinem Zimmer mit- Ach, du gütige Götter!"
Beim Anblick des sich küssenden Paares, verlor der Barde für einen Moment den Glauben. Schockiert, dass sein alter Freund die Frau umwerben konnte, von der er nur Körbe erworben hatte, kratzt am Ego Rittersporns.
Geralt hörte Ava erheitert schnaufen, während sie den Kopf nach unten zog. Der Hexer sah seinen ältesten Freund an der Türe grimmig an. „Von Anklopfen hast du noch nie was gehört, oder?"
Rittersporn fand schneller wieder zu sich, als Geralt recht glauben konnte. Er zuckte unschuldig mit den Schultern. „Ich wusste ja nicht, dass ich störe. Ich dachte ihr beredet die nächsten Tage."
Statt einer Antwort gab der Hexer nur einen unzufrieden Blick von sich.
Rittersporn seufzte. „Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mit in meinem Zimmer schlafen willst, aber anscheinend ist die Zimmerfrage schon geklärt."
Ava kicherte leise.
Endlich schien sie wieder aufzutauen.
Goldene Augen sahen in Haselnussbraune. „Ich glaube auch." schnurrte sie zufrieden.
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