Mit Dryaden scherzt man nicht

Ohne Zelt, ohne viel Proviant war die Reise doch anstrengender gewesen als gedacht. Vor allem für Avamiel, die zumindest ein Zelt und Seife gewohnt war.

Daher hätte ihr Blick kaum skeptischer sein können, als der Hexer zur späten Stunde im Wald ein Feuer entzündet hatte und ein improvisiertes Bett für sie beide hergerichtet hatte.

Anscheinend gefiel der Gedanke der Elfe es ganz und gar nicht, auf dem Waldboden zu schlafen. Auf dem Moos und Laub. Und ein Teich oder See war weit und breit nicht in Aussicht. Zu allem Überfluss hatte sie auch nur noch ein halbes Stück ihrer Seife. Es waren schwierige Zeiten.

Es würde zwei Tage kosten, ehe sie in Brokilon Wald ankommen würden. Zwei Tage, in denen sie improvisieren mussten.

In den Ava improvisieren musste.

Einladend klopfte Geralt neben sich auf die Laubdecke. „Na komm schon. So schlimm wird der Waldboden auch nicht sein."

Avas finstere Miene war eindeutig. Doch.

Aber ihr blieb nicht viel übrig. Langsam lief sie um das Lagerfeuer herum.

Sie trug das Haar offen. In weichen samtigen Wellen fiel es um ihre Schultern umher. Man erkannte die Pflege, die sie investierte, aber auch die Schönheit ihres Wesens.

Langsam setzte sich Ava neben den Hexer. Sie sah zu ihrem Hirschanänger herab, ehe sie danach griff und das Trugbild auflöste.

Sie seufzte zufrieden auf. Geralt auch.

So liebte er sie am meisten. In ihrer wahren Form. Die Form, in der er sie kennen und lieben gelernt hatte. Als Element-Elfin. Als seine Freundin.

„Ich würde dir ja anbieten, auf mir zu schlafen. Aber mit dem Geweih auf dem Kopf, trage ich ein wenig Sorge um meine Augäpfel in mir."

Ava schnaufte erheitert auf und lehnte den Kopf gegen seine Schulter. Sie war müde. Es war tief in der Nacht und wie würden mit dem ersten Sonnenstrahlen sich losmachen müssen, um den Tag bestmöglich für den Ritt mit Plötze zu nutzen.

Eigentlich brauchten sie beide ein wenig Ruhe und Schlaf. Doch kaum hatten sich ihre Blicke wieder ineinander verfangen, beendeten sie beide stillschweigend das Vorhaben auf Schlaf und begann in den Wogen ihrer neu auf entflammten Liebe zu spielen und plötzlich war es der Elfin egal, an welchen Körperstellen sich Moos, Dreck und Laub sammeln konnte.

Obwohl nicht an viel Schlaf zu denken war, ritten sie zur geplanten Zeit weiter, hielten nur für das Mittag an. Der Hexer erledigt ein Reh, während die Elfin sich im nahegelegenen Teich frisch machte. So waren beide befriedigt und konnte den restlichen Tag weiterreisen. Hin und wieder schlief die Elfe in Geralts Armen ein und holte den fehlenden Schlaf der Nacht nach.

Die nächste Nacht verhielt sich ähnlich wie die erst. Nur gab es an ihrem dortigen Schlaflager auch einen See, den das Paar nicht nur zum Baden benutzte.

Für den Hexer fühlte es sich immer inniger und vertrauter mit der Elfe an. Und auch Ava schien die Beziehung mit dem Hexer vollständig zu akzeptieren. Sie sprach ihre Sorgen und ihren Kummer aus. Lachte, weinte und ließ ihn Teil an ihrer Welt haben.

Allerdings wollte die Elfe dafür im Gegenzug auch Teil seiner Welt werden. Etwas was Geralt liebend gern wollte. Wenn da nicht der Teil mit seinen ehemaligen Affären und Beziehungen wäre. Diesen Teil hätte er am liebsten ausgelassen.

Ava nicht.

Auf den nächsten Tagesritt sprachen das Paar daher viel über ihre Vergangenheit. Erst schilderte Ava noch einmal detailliert über die Zeit nach ihrem vermeintlichen Tod. Über ihre Verlustängste und auch wie schwer es ihr fiel weiterzumachen.

Dann war Geralt am Zuge. Er erzählte ihr seine Geschichte. Von seinen Abenteuern. Über Ciri. Wie er selbst beinahe gestorben wäre. Mehrfach. Vor allem aber von dem Pogrom in Riva, bei dem er mit der Mistgabel um ein Haar getötet wurde.

Dann kamen seine Beziehungen dran. Mit Yennefer. Triss. Iola. Essi. Shani. Fringilla. Renfri. Koralle. Mosaik. Vea. Tiziana.

Ava wurde immer ruhiger. Doch kaum war das letzte Wort aus Geralts Mund gesprochen, drehte sich die Elfin zu ihm um. „Kann es sein, dass du inzwischen ein Faible für Rothaarige hast? Und für Zauberinnen? Ich mache mir ernsthaft Sorgen, wie ich da mithalten soll." Die letzten Worte waren mit einem Lächeln auf ihren Lippen verziert. Sie wusste genau, welche Wirkung sie auf den Hexer hatte.

Genau das sagte er ihr auch. Sie beide waren keine Kinder von Traurigkeit. Avamiel so wenig wie Geralt. Nur schienen Avas Affären weniger dramatisch und anhänglich zu sein.

„Kannst du damit leben? Mit meiner Vergangenheit?" fragte er irgendwann als er Plötzes Geschwindigkeit trostelte. Seine Stimme war nur ein leiser brummender Laut.

„Kann ich. Wenn du mit meinem jetzigen Leben leben kannst. Als Spionin. ... Nicht, dass es dafür nicht unlängst zu spät wäre."

Der Hexer zuckte mit den Schultern und genoss es wie die Elfin sich enger an ihn schmiegte. „Welch Glück, das ich es kann. Sehr gerne sogar." bestand der Hexer und ritt weiter.

Der Himmel färbte sich bereits in roten Tönen als Plötze den Brokilon Wald betrat. Geralt drosselte das Tempo der Stute in Schrittgeschwindigkeit.

Das Paar wurde wachsam.

Der Brokilon Wald war alles andere als ein Spielplatz oder ein Ort für gemütliche Spaziergänge.

Dryaden lauerten überall zwischen und in den Bäumen. Dank ihrer grünen Haut und Haaren, waren sie so gut wie unsichtbar.

Für unwissende Menschen, die den Wald betraten, gaben sie zwei Warnschüsse mit den Bogen ab. Ein eindeutiges Zeichen, den Wald wieder zu verlassen. Hier durften keine Menschen sein. Sie waren nicht willkommen.

Wer diesen Anweisung nicht folgte, kam mit dem dritten Schuss nicht mehr aus dem Wald heraus. Er endete fast immer tödlich.

Wer davon nicht in die Flucht geschlagen wurde, endete fast immer in einer der versteckten Fallen im Geländer. Es gab Gruben mit spitzen Pfählen darin. Selbstschussmechanismen und den Igel. Eine Konstruktion, die aus einer schweren bleifarbigen Kugel mit spitzen langen Stacheln bestand. Befestigt an einem Seil, kam sie wie aus dem Nichts über den Weg gefegt und zerfetzte alles, was ihr in den Weg kam.

Ava und Geralt mussten dennoch keine Angst haben. Vorsicht dagegen schon.

Das Paar zog ihre Kapuzen herab, sodass jede Dryade sehen konnte, wer im Kommen war.

Ava beschlich dennoch etwas Furcht. „Du hast dich aber nicht irgendwie unbeliebt bei den Dryaden oder gar bei Eithné gemacht? Ich würde nur ungern von einem Igel aufgespießt werden, nur weil dein Taschenwurm nicht stillhalten konnte.."

Hinter ihr brummte es finster. „Selbstverständlich nicht!"

„Gut. Ich frag ja nur. Bei Rittersporn muss ich auch jedes Mal nachhaken. Zwei Mal hätte uns das fast den Kopf gekostet." erklärte Ava rasch. „Er konnte die Augen von der Königin Eithné nicht nehmen und flirtete wie ein Spatz mit ihr. Ich habe ihn drei Mal gesagt, dass es sich bei der Dame um die Königin der Dryaden handelt. Aber nein. Er verliebte sich in sie. Du kannst dir vorstellen wie es endete."

Statt eines Lachens oder eines amüsierten Brummens, gab Geralt nur einen nachdenklichen Laut von sich.

Ava merkte sofort, dass dem Hexer mit diesem Ort ebenfalls etwas verband.

„Eithné gewährt mir auch Zuflucht zu diesem Ort." fing er an und fuhr weiter: „Eithné und ich kennen uns gut. Ich ... war einmal der Geliebte ihrer Tochter Morénn. Mit stehen zwar keine Sonderrechte zu, aber ich kann mich hier frei bewegen und auch nach Duén Canell reisen. Selbstverständlich nur in Begleitung von Wächterinnen und auch nur mit verbundenen Augen. Aber dank dieser Bindung wurde mir auch einmal das Leben gerettet. Angewiesen von Eithné, als man mich Schwerverletzt nach dem Thanedd-Aufstand gefunden hatte."

Nun hatte der Hexer Avas volle Aufmerksamkeit. „Wow." sagte die Elfin trocken. „Der Name Morénn fiel vorhin aber nicht."

Der Hexer verfiel in Verschwiegenheit. Ava kannte die Geschichte rund um die Tochter der Herrin der Dryaden gut.

Sie war Eithné ganzer Stolz gewesen. Morénn kam am Ufern des Bandwasser ums Leben, als sie den Brokilon gegen Eindringlinge verteidigte.
Als man sie zurück zu ihrer Mutter brachte, war die einst so schöne Tochter der Königin von den Hufen der Pferde vollkommen einstellt. Eithné litt sehr unter ihren Verlust. Bis heute noch.

„Ich habe sie kennengelernt als ich das erste Mal in den Brokilon Wald kam. Wir wurden ein Paar. Trennten uns dann aber nach einiger Zeit wieder verloren den Kontakt zueinander." erklärte der Hexer dann doch nach einiger Zeit. Fast schon entschuldigend klang seine Stimme.

Avas Kopf drehte sich zu dem Hexer um. Sah sie da Reue in seinem Blick? Nein. Da war etwas anderes.

Genauso hatte er schon ausgesehen als er von Essi Daven, der Bardin gesprochen hatte. Mit der er eine romantische Nacht hatte. Die er anscheinend auch mochte. Und genau wie Morénn starb auch sie nach der Trennung von dem Hexer. Selbstverständlich hatte weder der Tod von Morénn oder Essi etwas mit einem gebrochenen Herzen zu tun.

Es ging viel mehr drum, es seit dem Herzen des Hexers passiert. Der Tod einer Geliebten. Ihr Tod. Avas Tod. Es erinnerte ihn jedes Mal an ihren Unfall.

„Hey." sagte die Elfe sanft. „Ich lebe, Geralt. Ich bin hier. Ich bin bei dir und ich werde nicht verschwinden. Dich trifft keine Schuld."

Wieder gab der Hexer nur einen brummenden Laut von sich. Ein Laut, der Avas Theorie bestätigte.

„Anna Henrietta. Rittersporn. Selbst Yennefer wusste, dass du lebst. Du warst wie ein Schatten an mir gewesen und ich bin einfach nicht darauf gekommen, dass du die ganze Zeit in meiner Nähe warst. Wenn ich einfach nur die Augen richtig geöffnet hätte, hätte ich dich sehen müssen."

Ava drehte den Kopf zurück nach vorne.

Waren all seine Affären ihretwegen gekommen? Weil er Ersatz für sie gesucht hatte? Sicherlich nicht nur. Hexer hatten eine ausgeprägte Libido und Geralt war ein wirklich anschaulicher Mann. Selbst mit den Narben in seinem Gesicht. Aber die machten ihn eher noch anziehender, wie Ava fand. Noch dazu kam sein Charakter, eine gewisse Ritterlichkeit und sein trockener Humor. Es gab nicht wenig Frauen, die diesen Mann nicht schätzen würden. Aber Geralt würde dies nie ausnutzen. Zumindest hoffte das Ava sehr.

Geralt war ein guter Mann. Ein weißer edler Ritter in einer selbst erkorenen schwarzen Rüstung und düsteren Ruf. Er hielt so oft so wenig von sich. Dabei war er viel viel mehr. Es gab so vieles an ihm, das Ava liebte. Aber das der Hexer selbst nicht sah.

„Du schätzt dich immer schlimmer als nur ansatzweise wahr ist. Ich hab dir schon mal gesagt, dass wenn ich gewollt hätte, dass du mich findest, dann hättest du es längst getan. Ich bin dahingehend einfach etwas cleverer als du. Du konntest mich nicht finden, weißer Wolf. Ich hab dir gar nicht die Chance gegeben."

Ein sanftes Stupsen war an ihrer Schulter spürbar. Ava war dankbar, dass der Hexer ihr Schmunzeln nicht sehen konnte. Er war in ihre kleine Falle getappt. „Cleverer? Wahrscheinlich hätte ich nur in eine Hasenfalle nur ein paar Himbeeren legen müssen und du wärst reingetappt!"

Nun musste sie wirklich kichern. „Für kein Geld der Welt, mein Herr."

Plötzlich spürte sie wie der Hexer sich näher an sie lehnte. Wie sich sein starker Körper gegen ihren presste und wie seine Arme, die die Leine des Halfters hielten, sich rechts und links um Ava herum enger an sie legten.

Sein Kopf beugte sich zu ihr herunter. Seine Stimme war ein dunkles Flüstern in ihrem Ohr, die ihr eine Gänsehaut bis ins Mark verschaffte. „Vielleicht hätte ich mich einfach in die Falle legen müssen."

Ava wurde warm. Verdammt warm. Doch sie grinste breit. „Dann hätte ich ganz gewiss kein Platz mehr gehabt, bei all den Damen, die vor mir in der Schlange stehen wollen."

Seine Lippen berührten ihr Ohr. Ava erfuhr eine weitere Walle der Hitze. „Mag sein. Aber es gibt nur dich für mich. Und hätte ich gewusst, dass du lebst, wäre vieles in meinem Leben anders gelaufen. Harmonischer. Einfacher. ... Magischer."

Ava schloss genüsslich die Augen und gab sich den sanften Hauchen seines Atmens in ihrem Ohr hin. Wieso mussten sie auch jetzt schon im Wald sein? Hier gab es überall Zuschauer. Aber was sollte sie das stören?

Früher in Kaer Morhen gab es auch nie ein Zuviel. Egal wer in der Nähe war.

Der kleine Fluch in der alten Sprach ließ den Hexer an ihrem Ohr schmunzeln. „Uns beobachten bereits sieben Paar Augen. Reißen wir uns zusammen, bis wir alleine sind."

Ava öffnete seufzend die Augen - keine Sekunde zu früh. Denn wie aus dem Nichts schoss ein Pfeil an dem Paar vorbei.

Gerade noch rechtzeitig konnte der Hexer das Zeichen der Beruhigung auf Plötze wirken lassen. Andernfalls wäre die Stute aufgestiegen.

Brummend drehte sich der Hexer in Richtung des Pfeiles um. Auch die Elfe hatte promt ihre gute Laune verloren. „Hey!" rief sie finster den Bäumen zu. „Das hätte ernsthaft ins Auge gehen können! Als ob ihr uns nicht kennen würdet!"

Plötze kam zum Stehen und es brauchte keine Sekunde, bevor aus dem Dickicht des Waldes eine Dryade auftauchte. Mit Pfeil und Bogen. Doch beides war nicht kampfesbereit. Stattdessen lächelte sie breit. „Natürlich kennen wir euch. Nur nicht unbedingt zusammen. Ein Spaß war es trotzdem!"

Ava machte mit einer eindeutigen Handgeste klar, was sie von der kleinen fast tödlichen Willkommensüberraschung hielt. Geralt sagte nichts. Sein grimmiger Blick reichte aus, um seine Gefühlslage bestens zu umschreiben.

Die schlanke Dryade, die in Karyas Alter sein musste versiegelt ihr Kichern. Das Grinsen wollte jedoch nicht vergehen. Rasch winkte sie zu den anderen Scharfschützinnen, die im Dickicht waren. „Jetzt seid mal nicht so! Wohin wollt ihr? Was kann ich für euch tun?"

„Zu meinem Vater!" sagte Ava sofort. Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit. „Die Herzogin hat uns von einem Angriff erzählt. Ich wollte sehen wie es meinen Vater geht."

Mit einem großen Sprung, sprang die Dyrade hinter dem Busch hervor und lief langsam auf das Paar zu. „Dem gehts gut. Sicherlich haben wir viele Verletzte und auch einige Tote, aber wir konnten unsere Gegner ausschalten, ehe sie nach Duén Canell kommen konnten. Dein Vater hat mit uns gekämpft. Ihm geht es gut."

„Kann ich trotzdem zu ihm?" Ava schien deutlich erleichterter. Dennoch war ihr Wunsch nach ihrem Vater immer noch groß.

Die Dryade lächelte nun breit. „Selbstverständlich. Er wird sich bestimmt freuen dich wiederzusehen. Bindet das Pferd dort an den Baum an." erklärte sie und deutete dann auf Geralt. „Und binde dem Hexer die Augen zu."

Geralt sprang als erstes von Plötze und half der Elfe beim Herabsteigen. Sein Blick war auf Ava gerichtet. „Wieso werden nur mir die Augen verbunden? Ich dachte mal, das müssten alle Besucher des Waldes machen."

„Avamiel Tinmoén ist keine Besucherin, Hexer. Sie ist unserer Freundin. Ein Schwester. Genau wie ihr Vater inzwischen einer von uns ist. Daher darf sie den Weg zu unserer Hauptstadt kennen!" erklärte die Dryade im Befehlshabern Ton.

Sanft lächelte die Elfin ihren Hexer entgegen. „Ich halt auch deine Hand, weißer Wolf. Du wirst schon nicht stolpern."

Auch wenn nur ein emotionsloses Brummen aus Geralt kam, wirkte sein Gesicht dennoch zufrieden. Oder zumindest gab er sich mit der Situation zufrieden.

Er band Plötze an den Baum fest und flüsterte ihr einige innige Worte zu, die die Stute zu einem leisen zufriedenen Wiehern brachten.

„Es wird ihr gut gehen." versicherte die Bogenschützin und tätschelte den Kopf der braunen Stute. „Ich gebe einigen meiner Schwestern Bescheid, dass sie sich um euer Pferd kümmern sollen. Es wird ihr an nichts fehlen."

Die Falte zwischen Geralts Augenbrauen wurde immer tiefer. Ava war sich inzwischen ziemlich sicher, dass sie ihm Problemlos eine Münze dazwischen klemmen konnte und sie fest sitzen würde. Wenn es um Plötze ging, war mit Geralt nicht zu spaßen. Doch Dryaden gaben nicht leichtsinnig ihr Wort. Das müsste auch Geralt wissen - so hoffte die Element-Elfe.

Die Dryade reichte Ava ein schwarzes Band, welches sie sogleich um Geralts Augen band. Vorsichtig führte sie ihn mit sich.

Sie liefen beinahe eine Stunde. Meist schweigend nebeneinander bis sie Duén Canell erreichten.

Ava liebte diesen Ort. Ihre Erd-Kräfte funkten hier förmlich auf. Alles hier war im Einklang mit der Natur.

Duén Canell war das Herz des Brokilon Waldes.
Ein Talbecken, das von Bergen eingeschlossen war. Hier gab es Pflanzen in Hülle und Fülle.
Riesige grüne Bäume gab es hier, deren gewaltige Kronen in Nebel und Dunst umworben waren.

Ava spürte die Magie des Waldes bis in ihren kleinen Zehen. Alles hier war magisch. Sie musste nie lange hier bleiben, um sich belebt zu fühlen. Es reichte meist nur ein tiefer Atmenzug, damit alle Anstrengungen von der Elfe abfiel.

Wobei sie liebend gern länger blieb.

Am liebsten in den großen Kugeln, die wie Misteln aussahen, umgeben von Stämmen und kräftigen Ästen, in den die Dryaden und auch ihr Vater lebten.

Sie waren gemütlich. Naturverbunden.

Aber es gab auch größere Bauwerke hier.
Alle Häuser hier, waren Teil des Waldes. Geformt auf lebendigem Holz, das sich als Unterkunft anpasste und so auch wuchs. Nichts hier wurde von den Dyraden bearbeitet. Ihnen war es strengstens verboten, einen Baum zu fällen. Lediglich das leichte Verformen durch Magie war erlaubt.

Ava legte eine Hand an ihren Hirschanhänger und nahm das Trugbild von sich. Hier konnte sie sein wer sie war. Jeder nahm sie so auf und zollte sie mit Respekt.

Doch was noch wichtiger war, war Geralt das Band abzunehmen.

Brummend rieb er sich einige Male über die Augen ehe sein Blick wieder zu der Elfe ging. Er brauchte einige Momente, bevor er bemerkt, dass Ava in ihre natürliche Form gewechselt war. Er grinste glücklich und nahm ihre Hand in seine. „Du passt hierher. Zu all dem Zauber der Natur, kleine Elfe."

Ava grinste breit. „Fehlt nur noch die grüne Haut."

Damit hatte sie gar nicht so unrecht. Hier in Duén Canell gab es genügend Dryaden, die ebenfalls über ein kleines Geweih auf ihren Kopf verfügten. Allerdings waren sie nicht annähernd so schön geformt wie die der Elfin. Viel mehr ähnelte ihr Geweih den Ästen der Bäume. Von der kleinen Blumen daran fehlte bei dem Dryaden-Geweih auch jede Spur. Nur einige wenige Frauen hatten sich das kleine zarte Geweih dekoriert.

Einige Dryaden hatten sich bereits um das Paar versammelte. Einige schüttelten der Elfe und dem Hexer bereits die Hände und begrüßten sie.

Doch erst als Eithné selbst aus ihrem Kugel-Heim kam, verneigte sich das Paar in einer tiefen Verbeugung vor der Herrscherin des Waldes.

Eithné hatte sich über all die Jahre nicht verändert. Sie war noch genauso wunderschön wie sie Ava in Erinnerung hatte.

Dryaden war allesamt nicht groß. Dafür waren sie sehr feingliedrig.

Die Größe der Herrscherin des Waldes fiel aber fast niemanden auf. Sie trug ihren Kopf stets erhoben und voller Stolz. Meist war ihr Gesicht ernst und es trug scharfe Züge. Heute allerdings lächelte sie und wirkte alles andere als eiskalt und gefühllos.

Ihr langes Haar war offen und hatte die selbe Farbe wie ihre Augen. Silber. Geschmolzenes Silber. Dazu trug sie ein langes fließendes weißes Gewand.

Auf dem Kopf war ihr Geweih deutlich zu erkennen. Genau wie Ava trug auch sie Blumen darin. Gänseblümchen.

„Avamiel! Es ist so lange her, mein Kind!" begrüßte die Herrscherin sie sanft. Dann galt ihr Blick der Begleitung der Elfe.

Erstaunt, wer da neben Ava stand, schoben sich Eithnés Augenbrauen in die Höhe. „Ah, sieh an! Hexer Geralt ist ebenfalls hier. Welch interessante Begleitung!"

Ava erhob sich aus der Verbeugung und lächelte die Herrscherin sanft entgegen. „Geralt hat sich meinem Weg und den meines Schicksals angeschlossen."

Eithné machte große Augen. Die Wangen des Hexers wurden rot. Anscheinend hatte sie nicht vergessen, dass der Hexer und ihre Tochter einst ebenfalls ihre Wege miteinander teilten.

„Dein Vater hatte mir vor nicht allzu langer Zeit gesagt, dass ihr euch bereits aus früheren Zeiten sehr nah standet. Aber durch ein Unglück getrennt hattet. Ich bin überrascht und ... erfreut, dass ihr euch wiedergefunden habt. Die Wege der Götter können anscheinend auch durchaus ... interessant sein."

Ava wusste was diese Umschreibung zu bedeuten hatte.

Sie war nicht erfreut. Weder über die Beziehung noch über die Umstände.

Eithné liebte ihre Tochter über alles. Selbst nach ihrem Tod noch. Sie liebte jede Tat, jede Handlung, jede Person, die Morénn traf und in ihr Leben ließ. Darunter auch Geralt.

Ava kannte ihre Tochter kaum. Doch sie kannte den Schmerz, den eine solche geliebte Person mit sich brachte, wenn sie eher aus dem Leben gerissen wurde, als es die Natur vorhergesehen hatte.

Und auch wenn die Elfe eigentlich wusste, dass sie in der Gunst der Dryaden stand, war es für sie immer noch kein Freifahrtschein, ihr Liebe zum ehemaligen Geliebten der Tochter der Herrscherin einfach als selbstverständlich zu achten. Bei den Dryaden galten andere Regeln.

Keine Männer.

Nur zur Fortpflanzung werden Menschen oder Elfen von den Dryaden auserkoren. Und dann nur zum Sex. Keine Beziehung. Keine Liebe. Der Mann darf nur dem ihr zugeteilte Dryade anfassen. Alle andere sind verboten. Alle Kinder, die dabei entsprungen sind allesamt Mädchen und Dryaden.

Ava hatte nie verstanden, wieso es die Dryaden so ernst mit diesen Regeln meinten. Vor allem nachdem sie ihren Vater bei sich aufgenommen hatten. Aber wahrscheinlich lag es mehr an seiner Spezies und seinen Fähigkeiten zu töten als an seinem guten Aussehen und seiner Zeugungsfähigkeiten.

Was hatte also Morénn damals alles ihrer Mutter ins Ohr gelegt, um eine Beziehung mit Geralt führen zu dürfen?

Eigentlich wollte Ava gar nicht so recht darüber nachdenken. Schließlich müssen sie beide die Herrscherin eindrucksvoll von sich überzeugt haben.

Die Elfin beschloss daher den Teil ihres Leben möglichst bedeckt zu halten, ehe Eithné noch auf ganz andere Ideen mit Geralt kam. Wer weiß welche Hierarchien es hier noch gab.

„Die Herzogin von Toussaint hat mir von einem Angriff auf Euer Volk berichtet." begann Ava und ließ ihren Blick kurz über das versammelte Dryadenvolk huschen. Tatsächlich entdeckte sie genügend verletzte Kriegerinnen unter ihnen.

„Ich bin mit Geralt hierher bekommen, um meinen Vater zu besuchen. Hamadryas, die uns zu Euch gebracht hatte, sagte mir, dass Vater noch leben würde."

Nun wurde das Lächeln der Herrscherin sanfter. Sie wusste von der starken Verbindung zwischen dem Tochter-Vater-Gespann und auch um Avas Aufgabe, die es verhinderte ihren Vater häufiger sehen zu können.

„Deinem Vater geht es gut. Natürlich könnt Ihr zu ihm. Zuletzt habe ich ihn Lunettes Haus gesehen. Er wird sich gewiss freuen, wenn er dich wiedersehen wird. Es gibt gewiss viel zwischen euch zu berichten." Bei den letzten Worten fiel ihr Blick zu Geralt. Ihr Lächeln wurde kälter. „Wenn Ihr mit Reden fertig seid, wäre ich glücklich darum, wenn Ihr den restlichen Tag hier verbringen würdest. Es gibt auch sicherlich noch einige Dinge über die wir uns unterhalten könnten."

Ava schwante nichts gutes dabei. Doch sie nickte.

Sie verbeugte sich rasch und lief gemeinsam mit Geralt in Richtung der Häuser.

Erst als das Paar im Dickicht der Bäume verschwunden war, atmete der Hexer langsam aus. „Ich habe Eithné selten so ... verfroren gesehen." gab er leise zu.

Die Elfe gab einen bejahenden Laut von sich. „Ich denke, sie mag uns beide. Alleine. Zusammen schien es schwieriger zu sein."

Geralt trat näher an Ava heran. Flüchtig berührten sich ihre Fingerknochen. Geralt emanierte an ihr. Ein kleines Stück Glückseligkeit für Ava. Sie schloss nur für wenige Momente die Augen und gab sie sich der angenehme Vibration seiner flüchtigen Berührung hin.

„Mich würde manchmal wirklich interessieren, ob alle Elfen deiner Art ein solches Magiegespür besitzen."

Ava riss die Augen wieder auf. Unzufriedenheit stand in ihren Haselnussbraunen Augen tief geschrieben. „Wieso?"

Ahnungslos zuckte der Hexer mit den Schultern. „Weil ich bisher nur dich und Triss kenne, die so auf die Magie der Hexer reagieren. Du sogar noch mehr als sie. Diese Gabe scheint mir beinahe willkürlich zu sein." Rasch warf Geralt hinterher. „Nicht, dass ich es nicht mag. Versteh mich nicht falsch. Ich bin nur neugierig."

Neugierig, wiederholte die Elfin in ihrem Kopf vor sich hin.

„Die Antwort kann ich dir nicht geben. Ich wüsste nicht, dass meine Mutter je von der Emanation gesprochen hat. Ich habe es erst durch dich kennengelernt." Und lieben, fügte sie in Gedanken hinzu. „Daher denke ich schon, dass es etwas zufälliges ist. Aber sicher bin ich mir da nicht."

Geralts Hand umschloss nun Avas. Seine Magie vibrierte durch sie hindurch. Es war kein stetiger Fluss. Oft genug konnte er sie berühren, ohne das Vibrieren auszulösen und damit auch ihr Schnurren, das nur sie ihn dabei schenken konnte.

„Was es auch immer ist, ich bin froh, dass ich es mit dir erlebe."

Keck lachte Ava auf und blieb stehen. Nur wenige Meter vor dem Haus der Dyrade Lunette. „Weil dir sonst Yennefer das Leben noch schwer gemacht hätte?"

„Nein." antwortet der Hexer sogleich und zog das Gesicht zu einer liebenden Miene. „Weil es uns beiden gehört. Eine Sache, die nur wir beide miteinander erleben können. Das gefällt mir daran."

Ava schenkte den Hexer einen kurzen Kuss, der sich unter einfachsten Umständen längst in etwas sinnlicheres verwandelt hätte, wenn die Elfe nicht angehalten wäre, nach ihrem Vater zu sehen.

Geralt hatte da weit aus andere Absichten. Absichten, die die Elfe liebend gern nachgegangen wäre.

Aber sie löste sich von ihrem Hexer und sah zu der kleinen kugelförmigen Hütte hin, vor der man bereits die Silhouette ihres Vaters sehen konnte.

Das große Geweih. Das lange schwarze Haar. Ein schlanke drahtige Figur.

„Ich lass dich erst mal mit ihm reden. Ich warte hier draußen auf dich."

Ava war dankbar, dass der Hexer ihr diesen Raum gab, ehe sie danach fragen wollte.

Es gab so vieles, über das sie sprechen wollte. So gern alleine mit ihrem Vater. Dass Geralt von selbst sich zurückzog, war für die Elfe ein wahrer Gentleman-Zug, den sie mit einem kurzen Kuss auf die Wange dankte.

„Danke, weißer Wolf."

Sanft lächelte Geralt und streichelte ihr kurz über die Wange. Erneut vibrierte seine Magie an ihrer Haut auf. „Nicht dafür, meine kleine Elfe."

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