Die kleine Elfe Ava und der junge Hexer Geralt

Ich weiß nicht wie lange es her ist, als ich Ava zum ersten Mal gesehen hatte.

Es muss kurz nach der Kräuterprobe gewesen sein, die ich überstanden hatte. Ich war noch ein junger Knappe gewesen. Kaum älter als zehn Jahre alt.

Jedoch weiß ich noch genau, wie unser erstes Treffen abgelaufen war.

Es war im Winter gewesen. Anfang des Winters, um genauer zu sein.

Der erste Schnee lag in Kaer Morhen und wir Jungs durften seit langer Zeit endlich wieder miteinander spielen, anstelle den Schwertkampf zu üben. Solche Tage gab es nur selten. Umso intensiver und schöner waren sie dafür.

Ich spielte mit Eskel und Lambert Verstecken. Auch eine Übung um unsere neu gewonnenen Hexerkräfte zu trainieren. Allerdings hatte es Eskel immer etwas schwerer gehabt, Lambert und mich zu finden. Weshalb wir beide es mehr als Pause nutzten, anstelle uns darauf zu konzentrieren, wann Eskel uns näher kam.

Ich lief gerade vor mich her, um mir einen gemütlichen und geschützten Platz für ein kurzes Nickerchen zu suchen, als ich sie sah.

Sie hatte sich in einem hohen Busch im Innenhof der Festung versteckt, den ich selbst so nie wirklich mitbekommen hatte. Dabei kannte ich eigentlich jede noch so kleinste Ecke von Kaer Morhen.

Wahrscheinlich hatte Ava mitbekommen, dass wir Verstecken spielten und wollte mitmachen.

Ich lief langsam zu dem Busch, in dem es kicherte und mich zwei grasgrüne Augen ansahen. Solche strahlenden Augen hatte ich zuvor noch nie gesehen.

„Wer bist du? Du bist kein Hexer, oder?" wollte ich wissen und stellte mich an den Busch an.

Wieder kicherte es nur und dieses Mal wackelte der ganze Busch, sodass sich auch alle Blätter und Zweige mitbewegten. Fast so als würde der Busch auch lachen.

„Hey du! Komm raus! Was bist du?" stellte ich nun deutlich klarer.

Wieder nur ein Kichern. Dann jedoch wurde es ruhiger und der Busch, der gerade noch vor meinen Augen da stand, wurde immer kleiner. Seine Zweige zogen sich zurück und verschwanden im Erdboden.

Zurück blieb bloß ein kleines Mädchen, dass wohl genauso alt war wie ich.

Ich wusste aus dem Unterricht mit Vesimir, dass Elfen eigentlich sehr große Wesen waren. Ernste noch dazu. Ich hatte zwar bis dato keine Elfe angetroffen, doch wusste ich, dass dieses Mädchen vor mir sicherlich keine klassische Elfe war, wie ich sie aus den Lehrbüchern kannte.

Sie war deutlich kleiner und hatte ganz normale Zähne wie ich auch. Mit Eckzähnen. Trotzdem hatte sie spitzzulaufende Elfentypische Ohren. Aber etwas stimmte mit ihren Augen nicht. Das kräftige und leuchtende Grün wurde plötzlich Haselnussbraun und sah plötzlich ganz und gar nicht mehr so spektakulär aus.

Und dann waren da diese seltsamen kleinen Hörner, die aus ihrer linken und rechten Stirnseite wuchsen. Fast wie bei einem jungen Reh. Oder wie bei einer jungen Succubus. Nur sah es bei ihr eher aus wie ein späteres Geweih anstelle von den Succubus-Hörnern, die den Wesen normalerweise direkt aus dem Kopf wuchsen.

Ziegenbeine hatte sie aber auch nicht.

Es war seltsam.

Das kleine Mädchen kam auf mich zu und hielt mir ihre Hand hin. „Ich bin Avamiel Tinmoén. Du kannst mich aber gerne Ava nennen."

Ich dachte nicht lange nach, nahm die Hand des Mädchen und schüttelte sie. „Ich bin Geralt."

Sie grinste auf und dabei funkelten ihre Haselnussbraunen Augen auf. Plötzlich bemerkte ich, dass ich dieses Braun doch viel toller fand als das leuchtende satte Grün. „Hallo Geralt!" flötete sie in ihrer hellen Stimme und grinste breit.

Ihre braunen Haare erinnerten mich an Schokolade. Zumindest bildete ich mir das ein. Es gab hier so selten etwas Süßes, dass die wenigen Male, in denen Vesemir uns etwas davon gab, mir fast wie ein Traum vorkamen.

„Wieso hast du Hörner und wieso ändern sich deine Augen? Ein Succubus bist du nicht. Du hast Elfenohren, aber du hast Zähne wie ich. Trotzdem bist du keine Elfe. Und wie hast du das mit dem Busch gemacht?" schoss es aus mir heraus, nachdem ich ihre Hand losgelassen hatte.

Ava zuckte mit ihren kleinen Schultern. „Ich bin eine Elfe. Nur nicht so eine wie die in den Elfenreichen. Vater sagt, man darf nicht wissen, was wir sind, weil uns sonst eine sehr große Gefahr bevorsteht."

„Eine Elfe?" fragte ich.

„Ja ja! Und wieso hast du so komische Augen? Die sehen aus wie die einer Katze!"

Ich öffnete meinen Mund, um ihr zu erklären, dass ich ein Hexer war.

Doch dann tauchte wie aus dem Nichts eine große Person neben ihr auf.

Eine Frau. Mit Geweih. Ein großes Geweih! Sie sah wie Ava aus. Hatte genau solche schokobraunen Haare und so ein feingliedriges Gesicht. Sie war wohl die schönste Frau, die ich bis zu diesem Zeitpunkt gesehen hatte.

Nur ihre Augen, die waren silbern. Wind weht um sie herum, obwohl ich bisher gar keinen gespürt hatte.

Die schöne Frau hockte sich neben Ava und streichelte ihr eine braune lose Strähne hinter ihre spitzen Ohren. „Ava, wo warst du denn? Dein Vater und ich haben dich überall gesucht." sagte die schöne Frau mit besorgter Stimme.

„Na ich war hier. Bei Geralt. Meinem neuen Freund!"

Plötzlich sah mich die Frau an. Ihre silbernen Augen verwandelten sich in den selben Haselnusston wie Avas.

Sie lächelte mich mild an. „Danke, dass du auf meine Tochter aufgepasst hast."

„G-gern!"

Avas Mutter stand auf und sah sich kurz das Geländer unserer Festung an. „Wo sind wir hier?"

Ich drückte die Brust heraus und nahm meinen ganzen Mut zusammen. „Auf der Festung Kaer Morhen! Hier leben und lernen wir Hexer."

Avas Mutter sah mich wieder an. Und dieses Mal zog sie dabei die Brauen wesentlich enger zusammen. „Hexer?" Sie sagte es so, als würde sie sich fürchten.

„Ja." gab ich leise zurück und fragte mich, ob ich etwas falsches gesagt hatte. Wir waren doch Hexer. Aber wir waren nur hinter Monstern her. Ava und ihre Mutter waren für mich alles andere als Monster. Genau das versuchte ich ihr zu erklären, aber mit meinem noch kindlichen Geschick, war das alles andere als hilfreich.

Erschrocken wirbelte ich um meine eigene Achsen, als sich plötzlich eine große schwere Hand sich auf meine Schulter legte. Vesemir.

„Ich freue mich, so seltene Gäste in unserer bescheidenen Festung begrüßen zu dürfen." sagte mein Lehrer mit freundlicher milder Stimme, die ich in Kindheitstagen nicht allzu häufige hörte.

Ava und auch ihre Mutter wirkten nun wirklich nervös und besonders aufmerksam.

Ihre Mutter griff nach Avas Hand, die diese sofort ausstreckte.

Mein Vater, mein Ziehvater, nahm die Hand von meiner Schulter und hob beide Hände in einer friedvollen Geste nach oben. „Keine Angst! Ihr beide braucht keine Angst zu haben. Ihr seid hier sicher!" garantierte Vesemir und ich glaubte ihm sofort.

Avas Mutter jedoch wirkte alles andere als sicher und zufrieden. Sie zog die kleine Ava hinter sich, die sich sogleich hinter dem nachtblauen Stoffkleid ihrer Mutter versteckte.

„Ich kenne Eure Art nur aus Büchern. Ihr seid Element-Elfen. Ihr seid sehr selten geworden. In den letzten Jahrhunderten hat man kaum noch jemanden eurer Art gesehen."

Die schöne Frau zog nun stolz das Kinn nach oben und wirkte wie eine tapfere starke Löwin. „Und ich habe gehört, dass ihr Hexer alles tötet was euch Gold einbringt."

„Nein! So sind wir nicht!" rief ich sofort dazwischen. Ava sollte hier bleiben. Wenn Vesemir recht hatte, waren sie und ihre Art nirgendwo richtig sicher. Aber hier auf Kaer Morhen, so dachte ich damals noch, würde sich kein Monster und keine Mensch hertrauen. Vesemir würde sie alle beschützen.

„Geralt!" ermahnte mich mein Ziehvater sanft und wendete sich dann wieder Avas Mutter. „Ich will nicht leugnen, dass es unter uns Hexern nicht auch welche gibt, die alles für Gold machen würden. Aber Ihr seid hier an meiner Schule. An der Wolfs-Schule. Hier bringe ich meinen jungen Schülern bei, dass nicht jedes Monster auch gleich ein Monster ist, nur weil es nicht auf den ersten Blick wie ein Mensch aussieht. Und auch umgekehrt Lehre ich meine Schüler. Auch Menschen können Monster sein - und ich glaube, dass Ihr mir diese These bestätigen könnt."

Avas Mutter nickte kaum merklich.

Jetzt erst bemerkte ich den hölzernen Bogen, den sie auf ihren Rücken trug und den Köcher an ihrer Hüfte. Viele Pfeile waren da nicht mehr drin gewesen.

„Ich biete meine Schule, mein Heim, jeden meiner Schüler als Zuhause an. Weil sie sonst keines haben. Das selbe tue ich auch für alle anderen Wesen, die meine Hilfe oder Unterkunft brauchen. Ich würde Euch nie verraten. Ich kenne Eure Art nur aus alten Legenden und Geschichten. Wenn sie stimmen, haben die Menschen euch nie Gutes getan. Und auch die Elfen waren hinter euch her. Eure Bestände wurden verringert und man wollte euch auslöschen, weil Ihr über Kräfte verfügt, die für die Menschen und Elfen zu stark waren. Zu unkontrollierbar. Dabei wollt Ihr niemanden schaden. Noch nie ging ein Eingriff, ein Krieg oder ein Überfall auf einen Eurer Art zurück. Euch wurde Unrecht getan und das tut mir sehr leid."

Nun war ich vollkommen neugierig geworden.

Die schöne Frau lockerte kaum merklich die Schultern. „Euer Beileid bringt meine Familie auch nicht zurück. Meinen Vater, meine Mutter, meinen Bruder, meine Schwiegereltern und meine Schwägerin habe ich verloren. Von unserem Klan sind nur mein Mann, meine Tochter und ich übrig geblieben. Niemand sonst."

„Ich weiß."beschwichtigte mein Ziehvater sofort. „Und doch könnten wir dafür sorgen, dass es Euch und Eurer Tochter hier besser geht. Vorübergehend natürlich. Wir bewohnen die Festung meist nur über die Wintermonate. Solange könnt ihr hier bleiben."

„Oh Ja! Vesemir hat Recht! Ihr könnt hier bleiben! Bei uns! Hier wäre Ava schon sicher!"

Meine Worte schienen die stolze Elfin nicht wirklich zu beeindrucken. Doch ihre feste und angespannte Haltung lockerte sich etwas. „Wie kann ich sicher sein, dass ihr uns nicht sofort verratet? Wie wollt ihr für die Sicherheit meiner Tochter garantieren? Sie ist alles, was meinem Mann und mir geblieben ist."

Vesemir streckte die Arme links und rechts von sich aus und deutete auf die Festung um uns herum. „Mit dem hier!"

Avas Mutter warf meinem Ziehvater einen unbeeindruckten Blick zu.

Vesemir fuhr fort. „Ja, es gibt Schulen wie die der Katzen, die dafür bekannt sind, keine guten Hexer auszubilden. Aus ihnen werden Mörder und Psychotapten. Aber hier, in meiner Schule, in der Wolfsschule, lehre ich meinen Schülern, welche Wesen es zu beschützen gilt. Ich bringe ihnen bei, den Rechten Weg zu folgen, auch wenn dieser nicht immer einfach ist. Ich gebe auch zu, dass die Kräuterprobe mehr Leben nimmt als gibt. Aber wir klauen dafür keine Kinder von der Straße oder nehmen sie gewaltsam ihren Eltern weg. Ich sage nicht, dass meine Jungs hier eine Zukunft haben und auch nicht, dass sie für ihr Schicksal viel können. Aber denen, die diese Proben überleben, biete ich ein Leben an. Ich ziehe sie auf. Ich mache sie zu meinen Kindern. Ich beschütze und lehre sie. Weil es das ist, für was ich lebe. Und meinen Schülern würde ich niemals beibringen, Wesen wie Euch zu töten, nur weil ihr über Feuermagie herrschen könnt. Genau wie die Kräfte der Erde, des Wassers und der Luft. Euch wurde leid angetan und wenn ich es könnte, würde ich alles daran setzen, dass so etwas nie hätte geschehen dürfen. Ich zwinge Euch auch nicht, hierzubleiben. Ich biete Euch lediglich die Möglichkeit an. Das es einfach hier wird, garantiere ich auch nicht. Meine Schüler können mitunter sehr ... speziell sein. Aber niemand wird euch verraten. Darauf gebe ich mein Wort. Weder einer der Lehrer, noch meiner Schüler."

Avas Mutter nickte nachdenklich.

Vesemir sprach weiter. „Ich bilde meine Schüler auch im Umgang mit Waffen und auch dem Kampf aus. Ich glaube, dass Eure Tochter davon ebenfalls profitieren würde. Ich weiß, dass Elfen ein natürliches Talent mit dem Bogen haben. Ich könnte es ihr beibringen. Oder Ihr bildet sie hier aus. Wir haben hier viele Möglichkeiten."

Die schöne Elfin zog die Stirn glatt und die Brauen zusammen. „Was wollt Ihr als Gegenleistung?"

Mein Vater zuckte mit den Schultern, ehe sein Blick gen Himmel ging. „Für das Essen sorgen wir alle gemeinsam. Und einige der Schüler würden sich sicherlich freuen, wieder so etwas wie eine weibliche Ansprechperson zu haben. Ansonsten würde ich mich freuen, wenn Ihr einfach eine bessere Meinung von uns Hexern der Wolfsschule bekommt."

Die Elfin sah Vesemir lange an. Dann sah sie zurück auf Ava, die sich immer noch hinter ihrem Kleiderrock versteckt hielt. „Ich werde die Sache mit meinem Mann besprechen. Er wartet noch in den Wäldern. Wenn wir unsere Entscheidung gefällt haben, werden wir es euch wissen lassen."

Ein zartes Lächeln traf auf Vesemirs Lippen. „Selbstverständlich."

Ich wartete an diesem Abend lange auf die Entscheidung und auch darauf, Ava wiederzusehen. Sie war so interessant für mich geworden. Ich wollte alles über sie wissen. Ich wollte mit ihr spielen und auch ihr Freund werden. Aber sie kamen nicht.

Ich wartete und wartete. Beim Abendessen, beim Zähneputzen und auch noch als wir uns auf die Pritschen legen mussten.

Doch irgendwann als ich längst schon die Augen geschlossen hatte und müde war vom langen Warten, hörte ich die Eingangstüren sich öffnen. Ich setzte mich sofort in meinem Bett auf und starrte in die angelehnte Tür.

Ich hörte kaum etwas und war bereits drauf und dran, mich aus meinem Bett zu begeben, um mehr zu erfahren. Doch da schob sich die Tür auch schon leise auf.

Eine kleine Gestalt stand im Türrahmen, die alle Pritschen in unserem Gemeinschafts-Schlafraum ansah.

Bei meinem Bett blieb ihr Blick stehen. „Geralt?" hörte ich Ava leise nach mir fragen. Ich nickte sofort und setzte mich in meinem Bett auf.

Schnellen Schrittes durchquerte die Elfe das Zimmer, warf sich auf mein Bett und umarmte mich fest.

Ich wusste damals gar nicht so recht, wie mir geschah. Noch nie hatte mich jemand so umarmt. So musste es sich anfühlen, von seiner eigenen Mutter umarmt zu werden. Es war so warm und wohltuend. Ich brauchte ein paar Momente, bevor ich meine Arme um sie legte.

„Ich darf bei euch bleiben, Geralt! Jetzt können wir jeden Tag miteinander spielen!" flüsterte sie in mein Ohr - und dies war eins der schönsten Momente für mich gewesen.

Aber natürlich war es die wenigste Zeit, die wir spielen durfte. Vesemir nahm Ava als eine weitere Schülerin bei sich auf und bildete sie genauso wie uns aus.

Ava lernte zu Beginn nicht so schnell wie wir Hexer. Sie brauchte deutlich mehr Übung. Aber sie war ein Kind gewesen. Eines, das nicht wie wir, eine richtige Kindheit hatte. Aber sie leckte schnell Blut und übte mit uns zusammen. Auch noch, nachdem die Übungsstunden vorbei waren.

Sie freundete sich rasch auch mit vielen der Schüler an und wurde ein beliebtes Mitglied der jungen Hexer. Nur Lambert zeigte nicht allzu viel Interesse an ihr und hänselte sie, wenn Ava nicht die Übung nach der dritten Wiederholung sofort beherrschte.

Aber sie machte sich auch nichts daraus. Stattdessen begann sie mit Lambert ihren eigenen kleinen Kampf und spielte ihm regelmäßig Streiche.

Rückblickend könnte sie es auch gewesen sein, die Lambert nicht allzu gut auf Frauen ansprechen ließ.

Ava ließ sich nie lange etwas gefallen und schlug immer zurück. Auch wenn sie nicht annähernd so Kräftig wie wir waren. Doch sie fand ihre Stärken und konnte immer besser kontern.

So verging der erste Winter und kaum war der Frühling herangekommen, verließen sie uns wieder. Unser erste Abschied war hart für uns beide gewesen. Wir waren wirklich gute Freunde geworden. Doch Avas Mutter versprach ihr und mir, dass wir uns spätestens nächsten Winter wiedersehen würden.

So verging das Jahr. Langsam. Nicht ganz so farbenfroh und begeistert wie die Zeit mit Ava. Aber wir kamen über die Runden.

Doch als der erste Schnee fiel, war ich kaum noch aufzuhalten. Ich belegte das Bett am Fenster, sodass ich es sofort mitbekommen würde, wenn Ava wiederkommen würde.

Es war der dritte Tag, nachdem es geschneit hatte, als sie die schweren großen Eingangstüren von Kaer Morhen öffneten und meine Freundin zurückkam.

Doch dieses Mal fehlte ihr Geweih. Ava zeigte mir stolz eine Kette mit einem Hirschanhänger daran. Sie erklärte mir, dass sie mit dieser Kette ihr Geweih verstecken könnte, um so weniger in der Außenwelt aufzufallen. Ihr Vater hatte es ihr geschenkt. Zum Geburtstag.

Unfreiwillig fragte ich mich, wann ich wohl geboren war. Hier feierte nie jemand seinen Geburtstag. Vesemir hatte den Tag, an dem mich meine Mutter nach Kaer Morhen gebracht hatte als meinen Geburtstag eingetragen. Der 5. Mai 1168. Ich glaubte aber nie wirklich dran, dass ich an diesem Tag auch geboren war. Ich muss zu diesem Zeitpunkt schon älter gewesen sein.

Als ich das Ava erzählte, schüttelte sie nur entsetzt mit dem Kopf. „Dann feiern wir eben heute deinen Geburtstag!" sagte sie.

Vesemir und auch die anderen waren alles andere als begeistert als meine kleine Freundin in die Küche stürmte und mir einen Kuchen backen wollte. Wäre ihre Mutter nicht da gewesen, hätte Vesemir garantiert Ava und mir den Hintern mit seinem Stiefel versohlt.

Doch so ließ er uns unter skeptischen und ernsten Blick machen und wenig später und mit viel Hilfe von Avas Mutter feierten wir mit einem Kuchen meinen elften Geburtstag.

Die Jahre vergingen. Immer wieder kam der Frühling. Immer wieder verschwand meine Freundin wieder und tauchte sie kurz nach dem ersten Schnee wieder auf.

Es war fast ein richtiges Ritual geworden.

Doch irgendwann, kurz nach meinem fünfzehnten Geburtstag kam Ava mit ihrer Familie einfach nicht mehr wieder. Und ich spürte zum ersten Mal in meinem Leben, was es hieß, Wut und wahre Trauer zu empfinden.

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