Die Elfe mit der Vorliebe für Himbeeren
Ava versuchte sich keine weiteren Gedanken über die Zauberin Yennefer zu machen. Sie hatte sie in den letzten Jahren nur wenige Male persönlich gesehen und auch nur für einen Auftrag mit ihr zusammen gearbeitet. Und diese Zusammenarbeit verlief für die Elfe doch recht neutral.
Sicherlich verstand sie, dass Geralt seine Gründe gehabt haben muss, sein Schicksal mit ihrem zu verbinden. Yennefer war eine bildschöne Frau. Mächtig dazu und Ava konnte sich vorstellen, dass die Zauberin auch zart und sensibel in einer Beziehung sein konnte.
Dennoch war die Elfin nur eine bediente Freundin der Zauberin. Wie sollte sie sich aber auch gegenüber der Frau fühlen, die alle als die größte und die wahre Liebe von Geralt bezeichneten? Sie kannte die meisten Geschichten und wenn nur ein Fünkchen Wahrheit in den Worten von Rittersporns Balladen lag, wäre wohl jede andere Frau weinend davongelaufen, die sich Avancen auf den Hexer gemacht hatte.
Aber die Elfin bewahrte einen kühnen Kopf.
Sie kannte ihren Teil der Wahrheit. Yennefer einen anderen.
Eifersucht wollte Ava nicht vor sich her schieben. Dafür bereitete ihr Geralts Verhalten absolut keinen Anlass.
Das Paar fand sich zur vereinbarten Zeit im großen Saal ein.
Avas Gruppenmitglieder waren bereits alle versammelt und frühstückten. Sogar Dorn war dabei und stopfte sich einen Pfannkuchen nach dem nächsten rein.
Ava führte den Hexer zu den beiden freien Plätzen neben Rittersporn und Alastor.
„Einen recht schönen guten Morgen, ihr beiden. Gut geschlafen?" fragte Julian in seiner höflichen Manier.
Geralt brummte nur und setzte sich.
„Danke! Die Nacht war gut gewesen." flötete die Elemten-Elfe in ihrer altbekannten Fröhlichkeit und griff nach der Schale mit den Himbeeren, die sie neben sich und Geralt stellte.
Kaum stand sie, griff der Hexer auch schon hinein und nahm sich eine Handvoll der Himbeeren heraus, die er sogleich in einem Atemzug verschlang.
Ava dagegen nahm sich mit ihren dünnen filigranen Fingerspitzen vorerst nur zwei Stück heraus.
Sigi grunzte lachend auf. „Das glaube ich dir, Avi. Man hat euch die halbe Nacht stöhnen hören. Ihr habt eure Namen so laut gestöhnt, dass wir uns fast schon gefragt haben, ob es sich wirklich um dich handelt, Ava. So viel Spaß hattest du schon ziemlich lange nicht mehr, nicht wahr?"
Peinlich berührt, färbten sich Avas Wangen rot. Nur mit Mühe konnte sie die Himbeeren zwischen ihren Fingerspitzen behalten.
Geralt dagegen zuckte nicht einmal mit den Schultern oder ging auf den grimmigen Blick des Barden ein, den er ihm mit einer dramatischen Glanzleistung zuwarf. Er nahm sich eine weitere Handvoll der Beeren und verschlang sie.
„Das tut mir leid." murmelte Ava und legte ihre zwei kleinen Himbeeren auf den Teller ab. Urplötzlich war ihr der Hunger vergangen.
Sigi, die gerade einen tiefen Schlug aus ihrem Krug voller Bier nahm, stellte diesen wieder ab und lachte über den Tisch hinweg. „Sei nicht so schüchtern! Du hast die letzten Jahre so zurückgezogen wie ein Einsiedlerkrebs gelebt! Du musst auch mal leben und ich glaube mit dem Hexer an deiner Seite kannst du Spaß haben."
„Danke, Sigrun." Ava griff nun doch nach dem Korb voller Brötchen und nahm sich das kleinste davon heraus. Der nächste Griff ging zu der Butter und der Himbeerkonfiktüre.
Sigi lachte weiter und warf Dorn, der gleich neben ihr saß, ein weiteres großes Brot aus dem Korb zu.
Der konnte seiner Freude darüber kaum Einhalt gebieten. „Dorn Hunger! Brot hier viel leckerer als Stein auf Reisen!"
Sigi schlug ihn brüderlich mit der Faust gegen den steinerne Arm. „Ich weiß doch, was mein Junge braucht! Willst du noch einen Leib Käse dazu?"
Vor Freude klatschte der Felstoll in die Hände. „Ja! Dorn, Käse und Schinken von kleinen stinkenden Schweinen!"
„Sollst du kriegen, mein Junge!"
Ava lachte charmant auf und biss von ihrem Brötchen ab.
Solche Morgen hatte sie vermisst. Gemeinsam mit ihrer Familie zu starten. Es herrschte Frieden. Ruhe.
Wenn es nur immer so sein könnte.
Avamiele war wie Geralt auch, etwas über hundert Jahre alt, auch wenn ihr Äußeres weit über siebzig Jahre jünger aussah.
Doch manchmal merkte sie ihr Alter. Schmerzen brauchten länger, bis sie vergingen. Bei starken Wetterwechseln schmerzten ihre Knochen und machmal waren ihre Nerven so dünn geworden, dass sie anfing mit dem Kiefer zu mahlen. Eine Eigenschaft, auf die sie wirklich nicht stolz war. Sie war bekannt für ihr charmantes, sonniges Lächeln und ihre ruhige verhaltende Art, der sie nur hin und wieder emotionale Ausbrüche gewährte. Mit Verbitterung den Kiefer zu mahlen gehörte nicht dazu.
Heute war jedoch wieder so ein Tag, an dem sie lieber zurück ins Bett wollte. Dies hatte eher mit dem Hexer und ihrer wiedergefundenen Leidenschaft zu tun als mit schmerzenden Knochen.
Da half ihr auch der Tee mit Spitzwegerich nicht, den ihr die Dryade einschenkte hatte.
Dennoch lächelte sie dankend und biss von ihrem Brötchen ab. Der Geschmack von Himbeeren breitete sich langsam auf ihrer Zunge aus. Das half immer. Himbeeren. Sonne. Pflanzen um sie herum.
Allerdings schienen von den frischen Waldhimbeeren, die sie sonst so gerne auf die Konfitüre legte und von dem sie sich heute das Ende ihrer Kopfschmerzen erwartete, nicht mehr allzu viel übrig gewesen zu sein.
Geralt hatte fast alle aufgegessen.
Ava staunte darüber nicht schlecht. Genauso wie Rittersporn. „Na sieh einer an! Da muss ein Hexer aber ziemlich verliebt sein, wenn er alles verschlingt, was ansatzweise nach seiner Geliebten schmeckt."
Der Hexer, der gerade dabei war, sich die letzte Handvoll Himbeeren schmecken zu lassen, hielt in seiner Bewegung an. Er sah seinen besten Freund fragend an. „Was?"
Rittersporn zuckte unschuldig mit den Schultern. „Ich hab dich noch nie Himbeeren essen sehen. Und hier nimmst du der armen Ava, in deren Venen quasi Himbeeren fließen, alle frischgepflügte Beeren weg! Die im übrigen ich heute Morgen gesammelt habe! Zu einer Uhrzeit als du dich noch in den Bettlaken gewälzt hast. Oder andere Dinge im Bett gewälzt hast."
„Mach es nicht dramatischer als es ist!" brummte Alastor müde. „Die Büsche wachsen direkt im Innenhof! Und du hast sie zwei Minuten bevor Avamiel und Geralt herunterkamen, hingestellt. Ich wette, du bist selbst nicht früher aus deinem Bett aufgestanden als die beiden."
Ava sah, wie der Barde um Fassung kämpfte. Er presste die Lippen zusammen und grübelte kurz vor sich hin. Dann nahm er das Brotmesser und beschmierte sein geöffnetes Brötchen mit Butter. „Ja, ja. Reitet ruhig auf meinen Gefühlen herum. Was anderes als das Leid und die Ängste von anderen schmeckt dir zum Frühstück nicht, ich weiß."
Ava sah Alastors Mundwinkel fast schon erheitert nach oben zucken, während er die Teetasse in seinen Händen festhielt.
Für die Elfe ein langersehnter Erfolg. Sie sah ihren Freund so selten Lächeln. Rittersporn hatte ein besonders Gespür, ihn zum Lächeln zu bewegen. Auch wenn das der Hexer nie zugeben würde.
Aber die Elfe verspürte Mitleid mit dem Barden und legte tröstend eine Hand auf seine Schulter. „Ich find es sehr nett von dir, dass du dich um die Himbeeren gekümmert hast. Sicherlich war es keine leichte Arbeit gewesen, sie zu sammeln, nachdem ich sie drei Tage nicht wachsen gelassen habe. Ich bin dir wirklich sehr dankbar."
„Wirklich?" fragte der Barde glücklich auf.
Ava nickte beschwichtigend und schnappte sich den leeren Korb. „Natürlich! Nichtsdestotrotz hole ich nochmal ein paar." Ansonsten würden sie ihre Kopfschmerzen heute noch umbringen. An ihr würde es heute nicht liegen, die gute Laune des Teams zu gefährden.
So beschloss sie, dass ihr eine kleine Pause gut tun würde.
Geralt, der immer noch keine weitere Himbeere aus seiner gut gefüllten Hand angerührt hatte, schienen die Schuldgefühle zu überkommen. „Lass mich das machen."
Lachend stand die Elfin auf. „Wäre mir neu, dass ein Hexer in seiner Ausbildung lernt, wie man Sträucher zum Blühen bringt."
Darauf erwiderte er nichts. Geralt steckte sich die Handvoll Himbeeren in den Mund und stand auf. „Du bist immer noch verletzt." schmatzte er mit vollem Mund. „Du solltest deine Magie schonen."
Würde sie gern. Wenn er nicht gerade ihre Lieblingsfrüchte vernichtet hatte. Dieses Verhalten war schon sonderbar. Sie hatte Geralt auch nie die saftigen pinkenen Früchte essen sehen. Zumindest hatte er sie nicht so gierig gegessen wie gerade eben.
Ava hörte ein verliebtes Seufzen der Dryade, die dem Paar nachsah. Die Elfe dagegen verdrehte nur die Augen. Doch sie ließ ihre Freunde gewähren.
Sie verließ durch die Hintertür des Gästehofes den Saal und lief in den Innenhof hinein.
Hier lebten sie und Karya ihren Hang zur Natur mit allergrößte Hingabe aus. Im Zentrum des gepflasterten Innenhofes stand eine alte Eiche, die bereits die ersten Blätter bekam. Ihr Stamm war mächtig und breit. Karya behandelte sie wie ein achtes Mitglied. Sie sang für sie. Spielte hin und wieder mit ihrer Panflöte hübsche Lieder für sie oder gab ihr den selbstgemachten Dünger.
Zum Dank spendete diese Eiche ihr und Ava Energie von der tiefsten Wurzel bis zum höchsten Zweig.
Hier draußen summte es vor Magie der Eiche. Es gab kaum einen besseren Ort, um zu entspannen.
Ringsherum an den Wänden des Innenhofes standen überall Blumenkästen mit den schönsten Blumen, Gewürzen und Sträuchern. Hier wurde deutlich, dass der Innenhof zwei Naturwesen gehörte. Es roch köstlich und an jeder Ecke nach etwas anderen. Besonders liebte Ava die kleine Wiese, die hinter der Eiche angelegt war. Ihre wilde Wiese mit allen Blumen und Kräutern, die durch Zufall hier wuchsen. Es war eine wilde Kombination von süßen herrlichen Düften, die je nach Standort jeweils anders rochen. Kein Parfüm der Welt konnte für die Elfe besser riechen.
Die Pfefferminze wuchs wie ein Bilderbucheintrag in seinem Tontopf heran. Die ersten Frühjahrblüher waren mit ihrem Kopf bereits aus der Erde gestoßen und lächelten der frühen Morgensonne entgegen.
Nur die Himbeersträucher waren kahl an Früchten.
Ava lief zu den Büschen zu und setzte sich im Schneidersitz davor. Sie lächelte die Pflanzen an. Sie hatte sie perfekt wachsen lassen. Alle hatten sie einen perfekten geraden kleinen Stamm. Darauf eine gut bewachsene Runde Krone aus grünen saftigen Blättern.
Ava legte eine Hand flach auf die Erde, mit der die Pflanzen verbunden war.
Du bist wieder da!, hörte sie den ersten Busch jubelnd aufschreien. Vor Freude ließ er seine Blätter wackeln.
Ja!, bestätigte der zweite sie voller Inbrunst. Wir haben uns Sorgen gemacht! Du warst heut Morgen wieder nicht gekommen. Stattdessen war diese Barde wieder da gewesen!
Der dritte Strauch schüttelte vor Entsetzen seine Blätter. Ja! Der hat mir vier Blätter abgerissen, beim Versuch an die Himbeeren zu kommen!
Und fair war er auch nicht!, beschwerte sich der zweite wieder. Einen in die Schüssel, einen in den Mund! Du wirst kaum welche abbekommen haben!
„Alles gut! Deshalb bin ich ja hier." antwortete die Elfe sanft.
Geralt hatte sie schon öfters dabei beobachtet, wie sie mit Pflanzen redete. Es kam ja selbst oft genug vor, dass Ava sich in seiner Nähe zu einer Pflanze verwandelt hatte und der Hexer mit ihr sprach. Deshalb hielt sie sich nicht mit dem Gespräch zurück. „Wärt ihr so nett und würdet mir nochmal eine Schüssel voll Himbeeren schenken?"
Für dich oder den Mann mit den weißen Haaren dadrüber? Ich kann seine Himbeerfahne bis zu uns riechen! Er hat sie dir alle weggegessen. Verärgert schüttelte der erste Busch seine Zweige.
Ava legte sanft eine Hand an seine Krone. „Er ist mein alter Freund. Er ist wirklich sehr nett. Er hat sich die Himbeeren verdient. Wirklich."
Aber du brauchst welche! Ich spüre, dass deine Kräfte schwächer sind!
Ava nickte. „Ja. Ich hatte einen kleinen Unfall und bin noch dabei, mich zu erholen. Daher wäre es wirklich furchtbar nett von euch, wenn ich noch ein paar Beeren bekommen würde."
Die Sträucher wackelten im Einklang. Ein eindeutiges Ja.
Ava schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihre Magie. Sie ließ ihre Energie durch ihre Hand in die Erde gleiten. Weiter zu jeden der drei Sträucher. Die Pflanzen nahmen ihre Energie gierig in sich auf und fingen an, vor Freude die Blätter zu wackeln.
Doch etwas stimmte nicht.
Ava wurde schwindelig. Sie öffnete die Augen und schaffte es gerade noch, nicht im Schneidersitze zur Seite zu fallen, dank kräftiger Hände, die sie auffingen.
„Ava? Hey! Ist alles okay?"
Sie sah Geralt über sich. Während seine Hände ihren Kopf hielten, legten sich seine Arme um ihren Körper, um den Sturz der Elfe abzufangen.
Unzufrieden brummte sie auf.
„Ich hab dir gesagt, dass deine Magie noch warten muss. Du brauchst deine Energie zum Heilen. Nicht zum zaubern." Geralts Stimme war rau und leise. Sein Blick war auf Ava gesenkt, sodass seine Wimpern seine Wange berührten.
„Ich wollte doch auch Himbeeren." murmelte sie müde.
Der Hexer zog die Elfe an seine Brust heran. „Tut mir leid, dass ich dir alle weggegessen habe. Sie ... haben nur ziemlich gut nach Erinnerungen geschmeckt. Vielleicht lag ja wirklich ein wenig Wahrheit in Rittersporns Worten."
Ava fühlte sich schlagartig müde. Sie schloss für einen Moment die Augen und atmete tief den Duft des Hexers ein.
Gut roch der weiße Wolfe sicherlich nicht. Sie konnte Plötze an ihm riechen. Den Friedhof, die Krypta und Staub auf ihm. Aber zugleich konnte sie auch die Wärme riechen, die von ihm ausging. Es roch definitiv anders als ihre Wiese mit den vielen wilden Blumen und Kräutern und doch bildete sie sich ein, sich mit seinem Duft Zuhause zu fühlen. Mit einem ausgiebigen Kräuterbad würde sie den restlichen Gerüchen früher oder später ein Ende setzen.
Als Ava wieder zu Geralt aufsah, erkannte sie sein besorgtes Gesicht. „Zerbrich dir deinen hübschen Kopf nicht so sehr. Ich brauch einfach nur ein paar Sonnenstrahlen."
„Ein paar Sonnenstrahlen, Ruhe und Schonung. Aber du schlichtest da drin einen Streit nach dem nächsten. Und das Gespräch jetzt gerade mit deinen Pflanzen klang auch nicht wie Harmonie."
Ava hörte einen Busch sich vor Entsetzung schütteln. Einige Blätter fielen ihm dabei aus. Aber das würde sie so belassen. Der Hexer hatte Recht. Ihr ging es noch lange nicht so gut, wie sie dachte.
Langsam erhob sie sich und setzte sich wieder auf. „Ich kann keine Pause machen. Da draußen geschehen schreckliche Dinge mit den Kreaturen."
„Sag ich ja auch nicht." erwiderte der Hexer und half ihr, aufzustehen. Avas Hände legten sich an Geralts ausgestreckte Unterarme. „Ich will lediglich, dass du dich wenigstens etwas zurücknimmst und deine Magie aufsparst."
„Und wenn es zum Kampf kommt?" fragte die Elfe mit hochgezogenen Brauen.
Der Hexer zuckte mit den Schultern. „Hast du mich und ich weiß, wie gut du im Bogenschießen, im Zweikampf und im Umgang mit dem Schwert bist."
„Nicht das, was ich hören will." seufzte die Elfin.
Geralt löste die linke Hand von seinem Unterarm, um ihr seine Hand zärtlich an die Wange zu legen. „Auch das weiß ich, Ava."
Die Elfin spürte die Magie durch Geralts Berührungen vibrieren. Es gab kaum ein vertrauteres und schöneres Gefühl als seine Magie an ihrer Haut zu spüren. Sie schmiegte ihre Wange eng an seine Hand an. Wie sehr hatte ihr das Gefühl seiner Magie auf ihrer Haut gefehlt?
„Fairer Vorschlag meinerseits nachdem ich deine ganzen Himbeeren gegessen habe. Mir ist bewusst, dass es noch lange keine Himbeerenseason ist. Aber ich könnte dir bei nächster Gelegenheit in der Stadt ein wenig Himbeersaft kaufen. Oder guten Himbeerwein. Toussaint sollte über solchen doch verfügen."
Das klang in den Ohren der Elfe schon wesentlich besser. „Kauf mir noch ein Stück Torte und wir sind im Geschäft." schnurrte sie zufrieden an seiner Hand.
Geralt grinste zufrieden. „Selbstverständlich. Und weil ich so gnädig und selbstlos bin, kaufe ich mir auch ein Stück mit. Ich will ja nicht, dass dir meinetwegen vor Besorgnis nach meinem Verlangen nach Kuchen, graue Haare wachsen."
Ava löste sich langsam von seiner Hand. Sie fühlte sich wieder um Welten besser. „Du bist ein wahrer Ritter, Geralt. Danke!"
„Für die Heldin meines Herzens doch immer!"
Ava boxte ihn sacht gegen den Arm. „Schleimer." lachte sie und lief zurück zur Frühstücksrunde.
Es war ein reges Treiben und doch fiel dem Barden die leere Schale mit Himbeeren sofort auf.
Doch ehe Rittersporn dazu etwas sagen konnte, lief der Hexer an ihm vorbei und brummte tief. „Ein falsches Wort, Rittersporn und ich werde das nächste mal nicht da sein, wenn dein Schwanz in der falschen Frau gesteckt hat und dein Kopf dafür rollen soll."
Dem Barden blieben die Worte in der Kehle stecken.
Das Paar setzte sich an seinen alten Platz und aß ohne weitere Worte sein Frühstück auf, während Sigrun und Dorn für die Unterhaltung sorgten.
Für Geralt musste all das hier komisch wirken. Ein Troll, der mit anderen Wesen an einem Tisch saß und friedlich sein sechstes Leib Brot aß. Der fast schon so etwas wie Manieren hatte.
Er ließ sich dennoch nichts anmerken und schien mehr auf sein eigenes Essen fixiert zu sein als auf das der anderen. Als alle fertig waren und Karya das Abräumen des Tisches übernahm, war es für Ava an der Zeit zum wirklich wichtigen Tagespunkt zu kommen.
Ein kurzes Räuspern reichte, damit sie fast von jedem die Aufmerksamkeit erhielt, die sie braucht. Selbst Dorn hörte zu und erinnerte seine Ziehmutter lautstark daran, dass auch sie Ava zuhören und sich nicht noch einen Krug Bier einschenken sollte.
Ava wurde beim Gedanken daran, dass am frühen Morgen etwas anderes als Tee ihre Kehle herablief, fast jeden Morgen schlecht. Sigrun schien es so ähnlich mit dem Gedanken an Tee zu gehen.
Avas Stuhl quietschte auf, als sie sich erhob und den alten Holzstuhl dabei nach hinten schob. „Kommen wir zur heutigen Mission. Ungefähr einen halben Tagesmarsch von Beauclair aus müsste noch der Kadaver des Kreischlings liegen. Wir müssen ihn suchen, finden und ihn inspizieren."
Karya nickte sofort. „Kannst du dich noch an die genaue Stelle erinnern?"
„Im Groben. Ich war auf der Durchreise und bin auf den Hauptwegen unterwegs gewesen. Dabei bin ich nach einer Kreuzung, an der ich bereits das Schloss von Beauclair sehen konnte, an einem Dorf vorbeigezogen. Es lag an einem kleinen Fluss. Sieben, acht Häuser standen da. Alle farbig. Die meisten davon blau angemalt. Wenn ich eine Karte habe, werde ich es wiederfinden. Dort habe ich, vielleicht hundert Meter weit weg, die Frau entdeckt, die mit einem Kreischling gekämpft hatte. Sie konnte alleine nicht mit ihm fertig werden, weshalb ich ihr geholfen hatte.
Meinen genauen Weg bis zu den Felsen weiß ich nicht mehr aus dem Kopf heraus, aber dafür sind Alastor und Geralt da. Sie werden meine Spur und den Duft des Kreischlings verfolgen."
„Hat er geblutet?" fragte Alastor nach. Er hatte bereits sein kleines ledernes Notisbuch herausgeholt und schrieb sich alles mit.
„Ja." antwortete Ava sofort. „Die junge Frau hatte ihn am Hals verletzt. Ich selbst habe ihn später mit Schlingpflanzen festgehalten und mit einer Dornenpflanze verletzt. Am linken Flügel. Die größte Blutquelle wird allerdings der Fels sein, den ich auf ihn geworfen habe."
„Fels geworfen!" Dorn klatschte vor Freude in die Hände. „Elfin stark wie ein Troll."
Ava lachte nervös. „Ja. Super stark!"
Alastor zog den Mund nachdenklich schief und kratzte sich mit seinem Stift am Hinterkopf. „Soviel Blut wird noch mehr Monster angelockt haben."
„Wenn nicht der eigentlich Typ, der den Kreaturen dieses untypische Verhalten antut, nicht selbst schon dafür gesorgt hat, dass die Leiche verschwindet."ergänzte die Dryade.
Nun mischte sich auch Geralt ein. „Eine so große Monsterleiche verschwindet nicht einfach so. Alles hinterlässt Spuren. Wenn wir wissen wo es war, werden wir mehr dazu rausbekommen."
Eilig schrieb Alastor weitere Notizen in sein Buch. Er murmelte leise. „Außer es wäre so eine Art Portal gewesen mit dem derjenige den Felsen plus den Kreischling woandershin gebracht haben könnte."
„Aber selbst das würde Spuren hinterlassen." sagte Ava.
Geralt brummte leise und streichte sich nachdenklich über den kurzen Drei-Tage-Bart. „Aber nicht viele. Dann bräuchten wir eine Zauberin, die die Reste von Magie aufspüren kann."
„Das kann ich auch." Ava sah, wie Geralt Alastor über den Tisch hinweg völlig überrascht ansah.
Der halbe Hexer erwiderte daraufhin nichts. Ein Zeichen für Ava zu erklären. „Kann er. Ich sagte ja, dass Alastor der beste Spürhund der Welt ist. Was auch immer bei seiner Kräuterprobe schief gegangen ist, er kann die kleinsten Teile an Magie finden. Und sollten sie mit einem der vier Elemente verbunden sein, kann ich auch helfen."
Geralt engte die Augen daraufhin zusammen. Ava entlockte es nur ein müdes Seufzen. Keine Magie. War klar. Also fügte sie leise hinzu: „Nur für den absoluten Notfall!"
Er gab keine Antwort. Sein Blick reichte. Nein. Keine Gefahr für dich. Nicht heute.
Und er hatte ja Recht. So ungern sie das zugeben wollte. Immerhin würde Alastor mitkommen. Der war mindestens genauso erfolgreich.
„Gut." sagte sie nun und sah in die Runde. „Rittersporn, ich möchte, dass du diese Nacht den Laden übernimmst. Ich will, dass deine Augen und Ohren überall sind. Wenn es nur eine Person gibt, die mehr über den Kreischling weiß, oder wieso so viele Monster ein seltsames aggressives Verhalten zeigen oder auch nur eine leise Ahnung von weiteren Kreaturen mit sonderbaren Verhalten weiß, will ich, dass du das herausfindest!"
Rittersporn drückt den Rücken durch und salutierte auf seinem Stuhl vor der Elfin. „Wird gemacht! Du kannst dich auf mich verlassen."
„Ich habe nichts anderes erwartet." sagte Avamiel mit einem zufriedenen Lächeln und wendete sich an Sigrun. „Sigi, du bleibst ebenfalls hier. Sollte irgendjemand Ärger machen oder Rittersporn das Gefühl haben, dass jemand heute Nacht mehr weiß und es ihm mit bei einem gemütlichen Bier sagen, wirst du dich darum kümmern."
Die Zwergin grinste breit auf. „Darf ich ihm die Fingernägel einzeln ausreißen?"
Ava hob mahnend den Zeigefinger hoch. „In absoluten Notsituationen. Ich will Antworten. Aber keine weiteren Leichen im Keller oder im nächsten Teich. Und sorg dafür, dass sich die netten Herren auch nicht mehr daran erinnern."
Das Lächeln, dass nun auf Sigruns Lippen Einzug hielt, war so blutdürstig, dass Ava ihre Worte bereits bereute.
Doch dafür blieb keine Zeit. „Alastor, Karya, Geralt und ich machen uns zum Dorf auf. Zu zweit je ein Pferd. Je weniger Spuren wir hinterlassen, umso besser."
„Waffen?" hörte sie Alastor fragen, während er weiter in seinem Buch schrieb.
Avas Lächeln wurde breiter. „Nimm alles mit, was leicht und wichtig sein könnte. Wenn wir Pech haben, gibt es noch weitere Monster, die hinter uns her sind."
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