Das Kennenlernen mit der jungen Ciri
Geralt hatte sich sofort auf den Weg in das Dorf gemacht, um Ciri zu finden.
Ava hatte er bei Alastor und Karya zurückgelassen.
Der Abend war bereits angebrochen und lange hatte der Hexer nicht mehr Zeit, ehe es dunkel wurde und Ciri schwieriger zu finden war.
Ava half Alastor und Karya dabei, die beiden Zelte aufzuschlagen und sammelte anschließend gemeinsam mit der Dryade Feuerholz.
Ihre Gedanken aber waren fernab vom Suchen nach geeigneten Ästen und Zweigen. Was wohl auch der Grund war, wieso sie nur wenige klein Ästchen trug, während die Dryade einen gefühlten halben Wald mit sich herum schleppte.
Wenn es wirklich stimmte und Yennefer jemanden dabei half, mutierte Monster zu finden und wegzuschaffen, lag der Verdacht auch nahe, dass sie vielleicht in der ganzen Sache noch tiefer steckte, als es zuerst schien.
Hatte sie vielleicht ein Mittel hergestellt, dass die Monster noch aggressiver und unberechenbarer machte? Wie viel wusste sie von all dem? ... Oder war sie mit dem Mann vielleicht gar nicht hinter dem Monster her, sondern hinter ihr?
Ihr Blut lag lange unbemerkt im Wald herum. Was, wenn die beiden nach ihr Ausschau hielten und das Monster nur mitgenommen hatten, um weitere Spuren über ihre Existenz herauszufinden?
Schließlich gab es kaum noch Element-Elfen. Ava wollte gar nicht darüber nachdenken, was ihr Körper, ihr Geweih auf dem Schwarzmarkt wert waren. Oder was so mancher dafür bereit war zu zahlen, um sie als Sklavin zu halten. Von all dem hatte sie schon gehört.
Sie müsste wirklich bei nächster Gelegenheit zu ihrem Vater aufbrechen und nach ihm sehen.
„Ich kann mir vorstellen, dass dir gerade viel durch den Kopf geht." Karyas leise liebe Stimme durchbrach Avas Gedanken und zog sie wieder zurück ins Hier und Jetzt.
Die Dryade blickte sie mitfühlend an.
Ava nickte langsam. Ihre Gedanken irrten wild umher und drohten sie zu übermannen. War sie überhaupt mächtig genug für diese Mission? „Gibt so einiges, Ja."
Die Freundinnen liefen weiter in den Wald. Karya lief etwas enger an die Elfin heran. „Es ist sicherlich nicht einfach für dich. Aber ich glaube, dass wir mit Geralt einen neuen guten Verbündeten gefunden haben."
Wieder nickte sie. „Ja. Er tut der Gruppe sicherlich gut."
„Und dir auch!" sagte die Dyrade und lächelte ihre Freundin aufbauend an. „Du wirkst glücklicher. Du hast es auch so verdient, glücklich zu sein. Ihr wirkt vertraut miteinander."
Ava blieb stehen. Eine kleine tiefe Falte bildete sich zwischen ihren wohlgeformten Augenbrauen. „Wir kennen uns von früher. Ja. Es ist wunderbar, ihn wiederzusehen. Ihn in meiner Nähe zu haben. Aber es hat sich doch schon vieles geändert. Zwischen ihm und mir. Wir sind andere Personen geworden, seit sich unsere Wege damals getrennt haben."
Die Dryade wirkte nicht ansatzweise erstaunt oder überrascht von Avas Geständnis. Viel mehr schien sie bereits geahnt zu haben, dass sich die Elfin und der Hexer bereits kannten. Hoffentlich lag es nicht an der letzten Nacht, in der sie ihre Wiedervereinigung gefeiert hatten, hoffte Avamiel.
Mit den Schulter zuckend lief Karya weiter. „Entwicklung ist etwas völlig normales. Aber tiefe Gefühle, die man füreinander hegt, lassen sich nicht ändern. Wenn man liebt, dann liebt man. Und ihr habt das einzigartige Glück, dass die Götter eure Wege sich erneut haben kreuzen lassen. Ich würde mir darüber nicht viele Gedanken machen."
Ava gab einen brummenden Laut von sich. „Und was mache ich, wenn mich Ciri, seine Ziehtochter, nicht mag? Oder wenn seine Ex-Freundin, über die Rittersporn selbst gesungen hat, dass sie Geralts einzige und wahre Liebe ist, mit der Monstersache zusammenhängt? Was mache ich denn dann?"
„Dann ist das so!" erklärte Karya ohne groß zu überlegen. Ava hatte gelernt, dass - entgegen vieler Berichte von Menschen über Dryaden - diese weiblichen Wesen alles andere als Baumliebende grüne Elfen waren, denen gerne wenig Verstand zugesagt wird. Sie hatte sie selbst kennengelernt. Hatte von ihnen viel über die Natur und das Zwischenmenschliche gelernt. Dryaden waren nicht einfach nur Frauen, die allesamt Kämpferinnen waren. Ihr Verstand und ihre Lebensweisheiten waren so tiefsinnig und klar, dass es unmöglich ist, ihr komplexes Wesen in Worte zu fassen. Karya hatte immer einen Ratschlag für Ava. Egal wie einfach und lachhaft es ihr manchmal vorkam. Doch es stellte sich immer als wahr heraus.
„Geralt mag dich. Mag dich sehr. Das sieht selbst ein Troll ohne Augen und entflammten Hunger. Ciri scheint erwachsen zu sein. Was sie von euch beiden hält, sollte deshalb nicht ausschlaggebend für Geralt sein. Er muss jetzt glücklich werden, nachdem sie ihren eigenen Weg gefunden hat. Und ich glaube, oder bin mir eher ziemlich sicher der Tatsache, dass sie das auch weiß. Immerhin ist er ja ihr Vater. Oder Ziehvater, zu dem sie aufzublicken scheint. Ihr werdet euch schon verstehen. Da bin ich mir sicher. Und wenn nicht, dann nicht. Dann ist das so." erklärte Karya mit einem Lächeln auf den Lippen, während sie sich noch weitere Äste auflud. „Auf Rittersporns Lieder würde ich nicht viel geben. Er singt, was ihn in den Kopf kommt und sich verkaufen lässt. Gewiss wird er wundervolle Beladen über euch singen, wenn er merkt, was euch verbindet."
Womöglich, dachte die Elfe und begann Karya ihre Geschichte mit Geralt zu erzählen. Bisher hatte sie nur Alastor ihre ganze Vergangenheit offen gelegt. Als Dank für seine Offenheit und auch ein wenig als Trost für das, was ihm zugestoßen war. Er sollte sich nicht alleine fühlen.
Karya wirkte verständnisvoll. Ihr Strahlen wurde immer größer, je mehr Ava von der Liebe zwischen ihr und dem Hexer erzählte.
Karya war eine durch und durch lebende Romantikerin, die nichts mehr vergötterte als die Liebe selbst.
Die beiden Frauen waren bis zu den Kinnladen mit Ästen und Zweigen bestückt, als sie den Rückweg antraten.
Entzückt von Avas Geschichte, schritt die träumerische Dryade im halben Hopserlauf voran. Ava vergaß manchmal wie lebendig und fröhlich Karya sein konnte, wenn sie erst einmal in jemandes Nähe aufgeblüht war. „Oh, das ist so romantisch." flötete sie. „Die Liebe verbindet euch, seit ihr Kinder wart. Das ist so schön! Eure Wege sind so eng verbunden, dass es kein erzwungen Schicksal aufhalten kann. Das ist so schön. So romantisch und tragisch und schön. Jetzt gehört ihr beiden wieder zusammen und werdet glücklich. Schöner könnte es nicht geschrieben sein."
Wie ... schön, dachte sich Ava grinsend und folgte Karya zurück zu den Zelten.
Ava wollte der Dryade nicht den Spaß nehmen und ließ ihr den Traum an der Romantik. Ihr selbst ging es ja kaum anders. Wenn sich nicht eins, zwei übrige problembehaftete Felsen in ihren Weg geworfen hätten.
Aber den Hexer wieder an ihrer Seite zu haben, fühlte sich fantastisch an. Sie beschloss dieses Gefühl in ihrem Herzen aufzunehmen und die restlichen Gedanken auszublenden. Ihre Freundin hatte Recht. Sie würde die Hindernisse einfach auf sich zukommen lassen. Vielleicht schaffte es ja die Liebe, ihre Wege zu ebnen.
Die beiden Frauen gingen zurück zum Zeltplatz. Alastor war fleißig gewesen. Hatte bereits einen Steinkreis für das Lagerfeuer gebaut und die Zelte eingerichtet. Er hatte alles für das Abendessen-machen hergerichtet.
Das Feuer war schnell entzündet. Während sich Karya um das Essen kümmerte, untersuchten Alastor und Ava die Blutproben des Kreischlings.
Erst kurz bevor das Abendessen fertig wurde, tauchte auch Geralt wieder mit Plötze auf.
Und er war nicht alleine.
Nervosität drang in Avas alten Knochen auf, als sie die junge Frau mit dem aschblonden Haar hinter Geralt bemerkte.
Nun gab es kein Zurück mehr. Sie würde Ciri kennenlernen. Das Kind des älteren Blutes. Das Kind der Vorsehung.
Geralt sprang galant von Plötze herab, brachte das Pferd neben das von Alastor und half der jungen Frau beim Absteigen.
Sie kicherte und plauderte mit Geralt, der ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen hatte.
Die beiden blieben am Lagerfeuer stehen. Alastor, Ava und Karya traten hinzu.
Stolz zeigte Geralt auf die junge Frau. „Darf ich euch vorstellen: meine Ziehtochter Ciri."
Die junge Dame legte sich eine Hand auf die Brust. Sie war es tatsächlich. Die junge Frau, die sie gerettet hatte. Na immerhin, dachte sich Ava zufrieden. „Seid gegrüßt."
„Hallo, Ciri. Freut uns, dich kennenzulernen. Ich bin Ava und ich hoffe, wir haben dich nicht gestört." begrüßte sie Ava und zeigte dann auf ihre beiden Freunde. „Das sind Karya und Alastor. Wir sind Freunde von Geralt und bräuchten deine Hilfe bei der Monstersache."
Ciri betrachte Ava einen langen Moment lang. Als sie erkannte, bei wem es sich bei der Elfe handelte, lief sie sofort um das Feuer herum auf Ava zu. „Du warst die Elfe, die mir bei dem Kreischling geholfen hat! Du hast mir das Leben gerettet!"
Ava wurde schlagartig rot. „Ehrensache."
„Keine Ehrensache! Das Vieh war verrückt gewesen! Sein Verhalten war so komplett untypisch gewesen, dass ich mich ihm quasi als Frühstück ausgeliefert hatte! Ich hoffe, dir hat er nichts angetan."
Ava wollte gerade den Mund öffnen, um zu sagen, dass es ihr gut ging, doch Geralt übernahm. „Sie wurde schwer verletzt. Sie hat Gift und die Klaue des Gorgo abgekommen und hat nur dank eines alten Freundes überlebt. Du kannst nichts dafür, Ciri. Ava wollte dir helfen. Nichtsdestotrotz brauchen wir deine Hilfe, um herauszufinden, wieso das Verhalten des Monsters so war."
Die smaragdgrünen Augen der jungen Frau richteten sich auf Ava. Sie wirkte aufgewühlt. „Das tut mir so leid! Hätte ich besser aufgepasst"
Ava hob beschwichtigend eine Hand hoch. „Daran hättest du nichts ändern können. Ich bin froh, dass ich dir helfen konnte und wir beide sind nochmal mit einem Schrecken davon gekommen."
Das schien die Hexerin nicht wirklich zu beruhigen. Stattdessen sah sie zu ihrem Vater, der nur trocken nickte. Ava hat recht. Es ist nicht deine Schuld, sagte dieses Nicken aus.
Sie schien ihm zu glauben.
Die Dryade zeigte auf den Kochtopf über dem Feuer. „Wie wäre es, wenn wir alle erst einmal essen? Dabei kann uns Ciri ja alles schildern."
„Gute Idee." meinte Geralt, lief zu Ciri vor und deutete auf einen Platz am Feuer.
Seine Tochter setzte sich zuerst. Geralt daneben.
Mit raschen Handgriffen tellerte die Dryade ihren Linseneintopf auf.
Nur Alastor schien noch keinen Hunger zu haben. „Kann ich dich kurz sprechen?" fragte er mit hörbarer Anspannung in der Stimme in Avas Ohr.
Die Elfin folgte ihrem ältesten Freund zu den Zelten. Geralts folgender Blick entging ihr dabei kein Stück.
Sie wusste bereits, was ihm auf der Seele lag. Darum übernahm sie gleich das Gespräch. „Wir können ihr vertrauen, Alastor." flüsterte sie.
Der Hexermischling schüttelte langsam den Kopf. „Genau das ist ja das Problem! Wir vertrauen schon mehr als gut für uns wäre! Der Herzogin, einigen Bürgern. Es sind zu viele geworden. Mit jeder weiteren Person mehr, die wir an uns heran lassen, laufen wir und sie Gefahr, verraten zu werden. Das wird uns unser Leben kosten und vielleicht noch mehr. Noch dazu ist sie verdammt jung."
Ava versuchte Ruhe zu bewahren. „Alastor! Sie glaubt, dass wir einfach nur Freunde von Geralt sind! Was soll's?"
„Sie kennt unsere Gesichter, unsere Namen und jetzt auch, dass wir in dem Fall mit den seltsamen Monsterverhalten stecken! Wenn sie irgendwann an die falschen Leute stoßen wird und nebenbei von den tollen Freunden ihres Papis erzählen wird, gehts uns an den Kragen! Und was glaubst du, was passieren wird, wenn sie rausfindet, was du bist und das irgendwann mal weitererzählt? Sie ist eine verdammte Junghexerin! Du bist doch der neuste Eintrag in ihrem Bestiarium! Wir haben genügend Erfahrungen mit Hexern gesammelt, die hinter dir her waren!"
Die Elfin spürte des Hexers Angst um sie an. So oft verwandelte er seine Angst in Wut und anschuldigenden Verhalten.
Sanft legte sie ihm eine Hand auf den Oberarm. „Ich vertraue ihr, Alastor. Sie wurde von Geralt und Vesemir aufgezogen. Ich kenne die beiden und ich vertraue ihnen und somit auch Ciri. Wir werden ihr nichts von unserer Gruppe sagen. Wir halten alles heraus, was sie in Gefahr bringen würde. Aber wir müssen in gewissen Teilen auch ehrlich mit ihr sein! Geben. Nehmen. Du verstehst?"
Der Hexer atmete unzufrieden aus und ließ den Kopf hängen. „Du immer mit deinem verdammten Glauben an das Gute!"
Ava streichelte zart seinen Arm. „Ich weiß, dass du dir Sorgen machst und das schätze ich über alles an dir, Alastor. Aber wenn du ihr kein Vertrauen schenken kannst, dann mir wenigstens. Sie kann uns weiterhelfen."
„Sie hätte es auch einfach ihrem Vater sagen können und uns erst gar nicht kennenlernen müssen." brummte Alastor zurück.
Seufzend zog Ava die Hand von seinem Arm. „Vielleicht liegt mir aber etwas an ihr."
„Nur weil du ihn liebst, musst du nicht gleich seine ganze Familie adoptieren und vertrauen und dir den Kopf darüber zerbrechen, ob Papas kleiner Liebling dich auch mag, damit du mit besserem Gewissen eine Beziehung mit ihm eingehen kannst! Dafür hast du dir den falschen Job gewählt, Avamiel!"
Seine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Alastors ehrliche Worte fühlten sich wie ein Magenschlag an. Trotzdem grinste die Elfin auf. „Rittersporn und Regis vertraue ich bedingungslos. Regis hätte mich verpfeifen können, als er mein Geweih gesehen hat. Hat er nicht."
Alastors Miene blieb steinhart. „Er hat Geralt Bescheid gegeben. Das nenne ich verpetzen!"
„Weil er Geralt kennt und wusste, dass er mir weiterhelfen würde. Er ist nicht wie die Kater aus deiner Schule. Geralt hätte mir selbst ohne unsere Vorgeschichte geholfen. Weil er nach seinen Statuten und Regeln lebt. Daher kann ich Regis Entscheidung verstehen!" erklärte Avamiel mit deutlichem Nachdruck in der Stimme.
„Wenn du das meinst." brummte er und ging. Ava blieb für einen Moment alleine an den Zelten stehen. Es war nicht immer einfach mit Alastor. Er war in all den Jahren wie ein Bruder für sie geworden, den sie mit all seinen Ecken und Kanten lieben gelernt hatte. Sie würde ihn nie aufgeben und fühlte sich auch in großen Stücken für ihn verantwortlich. Aber manchmal trieb er sie mit seinen Laune in den Wahnsinn.
„Ava?" erklang plötzlich hinter ihr Geralts Stimme.
Die Elfin wirbelte erschrocken um ihre eigene Achse herum. „Bei den Göttern, hast du mich erschrocken."
„Ist alles in Ordnung?" Sanft legte ihr Geralt eine Hand an die Wange.
Ava errötete. Das war eine eindeutige Geste von ihm, die Ciri Geralts aktuellen Beziehungsstatus zeigen würde. Er machte kein Geheimnis um ihre Verbundenheit zueinander. War das gut? Ava wusste es nicht. Aber vielleicht war es wirklich an der Zeit, sich nicht mehr darum zu scheren.
Als sie das Vibrieren seiner Magie auf ihrer Wange spürte, war es ihr aber auch egal. Sie schloss die Augen und schmiegte sich an seine Hand. Diese Art von Berührung des Hexer traf immer sogleich ihre Nerven und wirkte besser als jeder Kamillentee. Sie hatte dieses Gefühl über all die Jahrzehnte der Abstinenz schrecklich vermisst. Keiner der Männer, die sie an sich herangelassen hatte, verfügte über die Emanation. Und nun war sie ganz süchtig nach Geralts Berührungen geworden. „Stress mit Alastor."
Geralt brummte unzufrieden. „Soll ich mal mit ihm reden?"
Sie schüttelte den Kopf. „Er hat Angst. Angst um die Gruppe. Angst um mich. Angst darum, dass wir uns auflösen oder in Gefahr geraten könnten. Wir sind eine Familie. Eine, die auf gefährlich wackelten Beinen steht. Er hat Angst sie zu verlieren und vor jedem Fremden, den wir neu aufnehmen. Er braucht Zeit."
„Er braucht jemanden, der ihn mal die Leviten liest, Ava!"
Ava öffnete einen Spaltweit die Augen. „Das wirst aber nicht du sein. Alastor ist gewissermaßen mein Mündel und damit meine Angelegenheit."
Der Hexer schnaufte trocken auf. „Mündel? Für mich sieht es eher wie ein unausgesprochenes Liebesverhältnis aus."
Ein humorloses trockenes Lachen überkam Ava und lockte damit beinahe die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich. „Ich bin kein Mann, Geralt. An mir ist er so wenig interessiert wie der Fuchs an Braunbären. Eifersucht sollte weder dir noch ihm zustehen."
Nun war es der Hexer, dessen Wangen rot anliefen. „Das wusste ich nicht. Entschuldige."
Sein Daumen begann sich über ihre Haut zu bewegen. Auf und ab. Es ließ die Elfe schnurren. Wie eine Katze. „Du wusstest es nicht. Passiert. Aber vielleicht könntest du dich mit ihm anfreunden. Vielleicht würde es helfen, wenn er noch jemand zweites so vertrauen würde wie mir."
„Ich werd's versuchen, kleine Elfe." Das Kribbeln an ihrer Wange ließ nach. Nicht ganz zur Freude der schönen Elfe. Aber sie würden noch Zeit haben, ihrer Bedürfnis Einheit zu gebieten.
„Lass uns was essen." schlug Geralt vor und kehrte mit Ava zurück zum Feuerplatz, wo Ciri das Paar mit großen neugierigen Augen musterte.
Sie grinste breit, wartete bis Geralt sich wieder neben sie setzte, ehe sie sichtlich angetan ihren Vater ansah. „Ich wusste gar nicht, dass du jemand Neues gefunden hast!"
Geralt nahm sich die Schüssel in die Hände. „Ava ist niemand Neues für mich. Ich kenne sie seit Kindheitstagen. Wir sind gewissermaßen zusammen aufgewachsen und ... verstanden uns früher schon ziemlich gut. Aber irgendwann haben sich unsere Wege getrennt und nun wieder zusammengefunden."
Ciri musste sich bei Geralts Worten das Lachen verkneifen. Auch sie schien zu wissen, was in den Worten >verstanden uns früher schon ziemlich gut< steckte.
„Dann warst du auch auf Kaer Morhen?" fragte die junge Frau die Elfin, die sich gerade den ersten Löffel voll mit Linsensuppe in den Mund geführt hatte.
„Ja." antwortete Ava nach dem Herunterschlucken. „Meine Familie und ich sind jeden Winter nach Kaer Morhen gekommen. Für uns war es da sicherer als in anderen Teilen des Kontinents und irgendwann war Kaer Morhen mehr für mich als nur nette Freunde, die dort auf mich warten."
„Ah!" sagte Ciri grinsend. „Ihr beiden wart also so richtig ineinander verliebt! Sieh einer an!"
„Es war noch mehr als das." meinte die Elfin den Hexer leise vor sich hin sagen zu hören.
Sie erwiderte darauf nichts. Zu unsicher war sie sich.
Stille kehrte ein. Nur das Löffeln der Suppe waren zu hören. Ava ergriff als erstes wieder das Wort. „Ciri, könntest du uns deinen Teil der Geschichte rund um den Kreischling erzählen? Es würde uns helfen, zu verstehen, warum in letzter Zeit immer mehr Monster mit sonderbaren Verhalten auftauchen."
„Natürlich! Geralt hat mir schon erklärt, dass ihr hinter diesen seltsamen Monstern hinter seid." Die junge Frau stellte ihre leere Schüssel ab. Sie schien um einiges hungriger gewesen zu sein, als die anderen. Ava hoffte, dass dies nicht ihre erste Mahlzeit seit längerer Zeit war.
„Seit die Schlacht mit der wilden Jagd arbeite ich als Hexerin und ziehe, wie Geralt es früher getan hat, umher und suche nach passenden Aufträgen. Seit zwei Monaten bin ich dafür in Toussaint, da ich gehört habe, dass es hier von besonders interessanten Aufträgen wimmelt. Ertrunkene zu töten macht auf Dauer depressiv. Also bin ich hierher bekommen und bin schnell auf gute Jobs gestoßen. Von den speziellen Aufträgen, habe ich erst vor ein paar Tagen erfahren. Ich sollte zu dem Dorf, hier gleich in der Nähe, gehen. Sie hätten schon seit Tagen mit einem Kreischling zu tun, der sie rund um die Uhr verfolgte und Angriff. Inzwischen lebten nur noch wenige Menschen in dem Dorf. Viele waren Opfer des Gorgos gewesen. Einige waren verschwunden. Die meisten hatten sich in ihren Häusern verschlossen.
Ich musste nicht lange nach diesem Vieh suchen. Er war gerade dabei, sich ein Kind zu fangen, dass sich getraut hatte, am Dorfbrunnen Wasser zu holen.
Ich kam gerade noch rechtzeitig an. Aber ich sage euch; dieser Kreischling war alles andere als normal!"
„Wie hat sich das bemerkbar gemacht?" fragte Karya.
„Er hat sich so verhalten wie Wildvieh, das von Tollwut heimgesucht wird. Er hatte Schaum vor dem Schnabel gehabt. Keine Speichelfäden. Richtiger Schaum. Seine Augen waren weit aufgerissen. Die Pupillen geweitet und sein Verhalten war auch so aggressiv und aufgebracht.
Ich meine, Gorgonen sind keine geselligen Draconide. Aber der hier war ganz anders. Als wäre es seine Lebensaufgabe, alles zu vernichten. Auch wenn er selbst dabei sein Leben lassen würde.
Ich habe alles versucht. Ich habe ihn versucht, mit der Armbrust zu treffen. Mit Bomben. Ich konnte zwar seinen Hieben ausweichen, aber das auch nur mit großer Mühe. Ich habe es einfach nicht geschafft, unter seine ausgestreckten Flügel zu rollen. Er hat nicht in dem Muster angegriffen, wie man es uns beigebracht hat. Er war so wild, dass ich teilweise dachte, er wird an dieser Wildheit sterben. Aber so war es nicht.
Ich wurde immer weniger Herr der Lage und wäre Ava nicht durch Zufall gekommen und hätte die Aufmerksamkeit des Kreischlings auf sich gezogen ... tja ... dann hätte ich schlechten Karten gehabt."
„Was hast du gemacht, nachdem der Kreischling hinter Ava her war? Bist du ihr nach, um zu helfen?" Alastors Ton war messerscharf. Sein Blick war toternst.
Ciri wirkte davon jedoch nicht eingeschüchtert. „Wollte ich zuerst. Aber ich glaubte, dass wenn jemand sich traute, einen Kreischling auf sich aufmerksam zu machen, derjenige es auch mit ihm aufnehmen würde. Natürlich sorgte ich mich um sie. Aber Ava machte mir nicht den Eindruck, unvorbereitet zu sein. Also kümmerte ich mich um die Dörfler. Um die Verletzten und Toten, damit nicht noch mehr solcher Monster angezogen wurden.
Als ich damit fertig war, habe ich nach ihr gesucht. Oder nach der Leiche des Kreischlings. Aber da war nichts. Ich bin keine volle Hexerin. Meine Sinne sind nicht so scharf wie die von Geralt. Aber ich meine, jemanden finden zu können, wenn ich mich nur stark darauf konzentriere."
Alastor schien noch mehr sagen zu wollen. Doch er schluckte seine Wut herunter und nickte nur. Dafür war Ava ihm dankbar. Sie ergriff erneut das Wort. „Sind dir in den Tagen danach noch mehr solcher Monster aufgefallen? Oder hast du aus Erzählungen von anderen mehr erfahren?"
„Nein und ja." antwortet Ciri sogleich. „Es soll noch mehr solcher Monster hinter den Bergen im Süden geben. Zumindest wollen einige von ihnen davon gehört haben. Habt ihr schon einen Verdacht, wer den Monstern das antut?"
Avamiel schüttelte nachdenklich den Kopf. „Nein. Nicht so richtig. Wir hatten noch nicht viel Zeit gehabt, Leichenteile dieser Wesen zu finden. Gerade haben wir etwas Blut vom Kreischling gefunden, was wir analysieren müssen. Wir können nichts ausschließen. Eine Krankheit. Ein Zutun von Magiern. Könige, die andere Länder mit diesen Monstern stürzen wollen."
„Vielleicht sogar Hexer, die damit mehr Geld machen möchten." ergänzte Karya kleinlaut.
Ava merkte, wie Geralt neben ihr leise brummte. Kater. Muss sein Gedanke gewesen sein. Es war unwahrscheinlich, dass ein Hexer zu selchen Mitteln greifen würde, um Geld zu machen. Aber auszuschließen war es nicht. Vor allem nicht bei den Schülern der Katzenschule. Dennoch wollte sie zumindest für diese Nacht Frieden haben. „Wir warten ab. Keine Anklage ohne Beweise. Wir werden abwarten, was die Blutanalyse bringt. Dann werden wir weitersehen."
Die Gruppe blieb noch eine Weile am Feuer zusammen, ehe sich Alastor als erstes wieder an seine Arbeiten machte.
Karya lauschte begeistert den Geschichten von Ciri, während Geralt und Ava sich still und heimlich in den Wald zurückzogen und einen nächtlichen Spaziergang nachgingen. Beide beschlossen jedoch ihre Schwerter mitzunehmen. Man wusste nicht immer, was man in den Wäldern zu erwarten hatte.
Die Augen der Elfin waren alles andere als gut zu gebrauchen in der Nacht. Wie alle ihrer Artgenossen litt auch sie unter Nachtblindheit. Jedoch hatte sie früh gelernt, sich geschickt in der Dunkelheit zu bewegen. Sodass es sie kaum mehr störte. Wenn die Not zu groß war oder Ava auf Mission höchst aufmerksam sein musste, griff sie gerne auf eine abgeschwächte Variante des Hexentranks Katze zurück. Damit sah sie fast so gut wie Geralt.
Die beiden liefen fast die ganze Strecke über schweigend nebeneinander. Der Hexer führte sie mit sicheren Schritten durch den Wald bis sie an einen Hügel kamen. Dort half Geralt der Elfe hinaufzuklettern. Auch wenn sie dank des Trankes eigentlich gar nicht darauf angewiesen war.
Als Ava den Gipfel des Hügels erklommen hatte, verschlug es ihr die Sprache bei der Schönheit der Natur.
Über ihr war ein sternenklarer Himmel zu sehen. Der Mond schien hell und ließ den Wald um sie herum in eine schwarz-weiße Kulisse tauchen.
Das, was sie erkannte, war für die Elfin wunderschön.
Viel zu selten hatte sie mehr die Zeit, die Schönheit der Welt zu betrachten und sich ihr hinzugeben.
Etwas berührte sie an der Hand und lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Hügel.
Als sie sich herumdrehte, entdeckte sie wohl noch eine größere Überraschung, als die wundervolle Sternennacht.
Der Hexer saß im Gras. Auf einer Decke, die Ava eigentlich aus ihrem Zimmer als Tischdecke kannte.
Darauf eine dicke Kerze, die Ava sich sonst immer entflammte, wenn sie lesen wollte. Der Hexer schnipste einmal und die Kerze brannte auf.
Ava zog erstaunt die Brauen an. „Du hast meine Tischdecke und mein Leselicht ziemlich unsachgemäß entwendet."
Grinsend holte Geralt etwas hinter seinem Rücken hervor.
Ava trat näher und setzte sich auf die rot-weiße Tischdecke, während Geralt zwei Stück Torte herausholte.
„Bei den Göttern, Geralt! Du überraschst mich ja richtig!" sagte die schöne Elfe mit einem breiten Lächeln auf den Lippen und nahm sich sogleich die Torte. „Du bist ja richtig romantisch geworden!"
Ava hielt die Nase über die Torte und schnupperte daran. Sie roch fantastisch. Sie konnte Vanille, Buttercreme, einen leichten Hauch von geriebener Zitrone und vor allem Himbeeren riechen.
Geralt hielt ihr eine kleine Kuchengabel hin. „Meine Entschuldigung für deine Kopfschmerzen von heute Morgen."
Ava schnappte sie sich und gabelte sich sogleich ein Stück Torte auf, was schneller in ihrem Mund verschwand, als der Hexer recht sehen konnte.
Das Stück Torte zerging wie Butter auf ihrer Zunge. Eine Geschmacksexplosion der aller feinsten Sorte. Süße. Früchte. Himbeeren. Sahne.
Ava kam nicht umhin die Augen zu schließen und sich dem Gefühl ihrer kuchenverliebten Seele hinzugeben.
Ganz zur Freude des Hexers. „Ich hoffe, deine Gedanken bleiben bei der Torte."
Als die Elfe die Augen wieder öffnete, schien sie nicht einmal Lust zu haben, sich auf einen kleinen Schlagabtausch mit den Hexer einzulassen. Stattdessen seufzte sie zufrieden. „Das ist das beste Stück Kuchen seit langer Zeit, Geralt. Wie hast du es geschafft, all das hier vorzubereiten?"
Geralt zuckte mit den Achseln und schnüffelte selbst wie ein Hund an seinem Stück, ehe er etwas davon probierte. „Wer sagt, dass ich mit Ciri gleich zu euch gekommen bin?"
„Bifft fu nifft?" Die Hälfte des Stücks Torte versank im kleinen Mund der Elfin. Hätte der Hexer nicht gesehen, wie sie selbst nur wenige Minuten zuvor einen ganzen Linseneintopf vernichtet hätte, hätte man glauben können, Avamiel wäre komplett ausgehungert gewesen.
„Nein." erklärte Geralt trotzdem und aß weiter. Er war zwar selbst kein allzu großes Leckermäulchen wie Ava, aber auch er gönnte sich hin und wieder, immer wenn es gerade einmal passte, eine kleine Süßigkeit. Meist nur auf Reisen und auch dann nur, wenn er alleine war. „Im Dorf gab es einen Bäcker. Bei dem bin ich fündig geworden. Die meisten Torten standen zwar schon seit dem Angriff des Kreischlings hinter der Kuchentheke, aber dieser hier roch noch frisch. Ich hoffe, er kann als Entschuldigung dienen."
Na super, dachte Ava für einen Moment. Womöglich war die Torte schon mindestens eine Woche alt. Aber man schmeckte es ihr nicht an und Geralt hatte an sie gedacht. Das zählte.
Mit einer weiteren Gabel voll war das Stück Torte weg und Avamiels Bauch vollkommen gefühlt und glücklich. „Angenommen, Hexer."
„Sehr schön!"
Ava ließ den Hexer noch sein Stück essen, ehe sie den Teller zur Seite und stellte und aufstand. Ganz zur Verwunderung des Hexers.
„Tja." begann sie und verschaffte sich kurz einen Überblick vom Hügel aus. „Du hast mich gesättigt, mich umworben, mir geschmeichelt und mich absolut zufrieden gestellt. Jetzt fehlt nur noch eins, bis ich den legendären Hexer bitten kann, mich in mein Zelt zu begleiten."
„Was?" Geralt zog die Brauen zusammen. Er verstand von Avas Worten nicht allzu viel. Sollte er aber auch nicht.
Ava grinste breit. „Fang mich!" rief sie und flitzte davon.
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