Das Geschenk der Zauberin

Es war mitten in der Nacht als sich die Truppe in der Küche versammelt hatte. Alle in Nachtmänteln und Morgenröcken.

Sie alle saßen am Tisch, der nur von zwei dicken Kerzen beleuchtet wurde.

Ava stand an der Stirnseite des Tisches. Neben ihr Geralt, der ihr eine dünne Decke um die nackten Schultern gelegt hatte.

Er und all ihre Freunde hörten ihren Worten zu. Sagten nichts.

Erst als Ava zu Ende gesprochen hatte, war es Rittersporn, der die eingekehrte nachdenkliche Stimmung unterbrach. „Du sagst also, dass jemand deinen Geist angezapft und in das Verließ hat kommen lassen, in dem dieser Karlth und noch jemand stand, die gemeinsam über dieses Serum sprachen, dass die Monster zu Bestien verwandelt?"

Ava nickte stumm.

„Und die sprachen davon, dass sie das Serum aus dem Blut von Element-Elfen hergestellt haben?"

Alastor brummte grimmig auf. „Hörst du überhaupt mal zu? Sie hat gesagt, dass sie sich in dieser körperlosen Gestalt umsehen konnte und Kerker gesehen hat, die randvoll mit Element-Elfen gefüllt waren!"

„Wie kann das nur sein?" flüsterte Karya ängstlich.

Ava zuckte emotionslos mit den Schultern. „Wenn sich eine Element-Elfe fortpflanzt, kommt am Ende immer eine neue Element-Elfe heraus. Egal ob Menschenmutter oder Menschenvater. Unsere Gene dominieren immer. Daher gibt es nur einen logischen Schluss für all Kinder und Babys, die ich gesehen habe. Karlth und seine Männer haben die Frauen meiner Art vergewaltigt. Haben sie dazu gezwungen, sich zu vermehren, damit sie ihren perfiden Plan verwirklichen können." Die Elfin sah angewidert zu Boden. „Erst die Tests an normalen Monstern und Anderlingen und zum Schluss kommen wir dran. Mit einem halben duzend meiner Art und diesen verdammten Zeug, könnten sie Herrscher über so viele Länder werden. Vielleicht wollen sie die Kinder aber auch verkaufen, um sich so Macht zu sichern und die Verbündeten in trockene Lacken zu bringen.
In diesen Kerkern waren fünfzig, vielleicht auch sechzig Leute meiner Art! Die könnten damit die Welt unter ihre Herrschaft bringen!"

Der Barde fluchte leise vor sich hin.

„Das ändert die Lage dramatisch." murmelte Ciri nachdenklich.

Sigrun schüttelte aufgebraust den Kopf. „Eine Art, die längst ausgestorben ist. Wir müssen sie befreien. Sie alle."

„Ja. Jeden einzelnen." erwidere Geralt sogleich.

Wieder kehrte Stille am Tisch ein. Jeder sah schweigend vor sich selbst.

Nur das Knistern der Kerzen war lange das einzige Geräusch, dass zu hören war.

„Und du bist dir sicher, dass du nicht einfach nur geträumt hast?" fragte Rittersporn mit vorsichtiger leise Stimme die Elfin.

Diese schüttelte sogleich ihren Kopf. „Nein. Ich habe sowas schon mal erlebt. Gewisse Magier und Zauberinnen sind in der Lage, die Seele eines anderen auf Reisen zu schicken. Das was ich gesehen habe, war echt. Man hat mich genau in diesen Moment dorthin geschickt als Karlth und dessen Freund geredet haben. Wahrscheinlich gerade im Schichtwechsel." Leise fügte sie hinzu: „Ich wünschte es wäre nur ein Traum gewesen."

Rittersporn nickte leicht, hielt dann jedoch inne. „Aber wer soll dich das gesehen lassen haben?"

Statt einer Antwort sah Ava zu Ciri, die fast zeitgleich die Elfin ansah.

Die Antwort lag stillschweigend in der Luft.

Yennefer.

„Aber wie kann das sein? Ihr habt ihr doch das Gedächtnis gelöscht!" fragte die Zwergin.

Alastor schwieg und senkte den Blick. Die Antwort schien er jemand anderem zu überlassen.

Es war Ciri, die sich leicht räusperte. Sie und Alastor waren es, die mit dem Aussetzen der Zauberin angesetzt waren. „Ich habe mit ihr geredet. Kurz bevor Alastor und ich ihr das Getränk geben wollten. Ich habe ihr gesagt, wie sehr ich mich für sie schäme. Wie sehr ich über ihr Verhalten enttäuscht bin. Wie wichtig mir das Leben hier ist. Wie wichtig es mir ist, dass Geralt mit Avamiel glücklich ist."

Auch wenn die Elfin noch den Kopf gesenkt hatte, wurden ihre Wangen bei der Aussprache dieses Kompliments puderrot. Sie schien doch einen guten Eindruck hinterlassen zu haben.

„Ihr kennt ja Yennefer. Erst hat sie so getan, als wäre ihr alles egal. Aber dann hat sie sich entschuldigt und gesagt, dass sie die Dinge rückgängig machen würde, wenn sie könnte. Also habe ich gesagt, dass es längst nicht zu spät ist, das richtige zu tun." Vorsichtig sah Ciri ein jeden in der Runde an. Geralt war der letzte, den sie ansah und dessen Blick sie hielt. „Alastor und ich haben beschlossen, sie so gehen zu lassen."

Ava bemerkte, wie der Hexer sich davon abhalten musste, den Belehrten zu spielen. Sein Atem ging schneller. Seine Brust hob sich schwer. Sein Blick musste bereits reichen, um seiner Tochter das schlechte Gewissen schmecken zu lassen.

„Ich weiß, in welche Gefahr ich Ava dadurch gebracht habe, aber ich glaube, dass man Yen trauen kann. Sonst hätte Ava doch jetzt nicht diesen seltsamen Traum gehabt."

Ava hob den Blick erneut an. Lächelte sanft der aschblonden Frau zu. „Ich vertraue dir, Ciri. Und auf deine Entscheidungen. Das tue ich bei einem jeden hier. Und wenn du sagst, dass wir ihr vertrauen können, werde ich deine Entscheidung nicht in Frage stellen. Womöglich rettet sie meiner Art gerade damit das Leben."

„Und was ist jetzt der Plan?" wollte Sigrun wissen. „Bleibt alles beim alten? Wir gehen zu Emhyr und suchen nach Unterlagen?"

„Nein." sagte Avamiel zugleich im festen Ton. „Es geht hier um mein Volk. Um meine Leute, die gequält, misshandelt und unterdrückt werden. Wir werden sie befreien. Wir alle!"

Ava spürte den Blick des Hexers auf sie ruhen. Er war alles andere als zufrieden damit. Sie mit ihrem Geweih.

„Wir haben keine Zeit zu verlieren. Nächste Nacht schlagen wir zu. Wir werden mit einem Portal reisen. Gefahr hin oder her. Sigrun, Kayra, Alastor, Rittersporn und Dorn werden die gefangenen Element-Elfen aus den Kerkern befreien und sie durch das Portal hierher bringen. Ich werde mich sogleich heute Nachmittag mit Anna Henrietta in Verbindung setzen. Sie wird uns einen Ort nennen, an dem die Elfen sicher sind."

„Die Mühe kannst du dir sparen." murmelte der Hexer etwas lauter und nachdenklich in den Raum hinein.

Avas fragender Blick ließ ihn weitersprechen. „Vor ungefähr eine zwei, drei Monaten, als ich schon mal hier in der Gegend war, gab es ein Räuberversteck. In einer ländlichen Gegend. Ich habe es durch Zufall gefunden. Es war ein verlassenes altes Dorf. Acht oder Zehn halbwegs gut erhaltene Häuser, die die Räuber besetzt hatten. In der Nähe eines Flusses. Als ich mit ihnen fertig war und das Dorf der Stadt zurückgeben wollte, sagte man mir, das niemand großes Interesse mehr hätte. Das Dorf wurde verlassen, weil angeblich ein Geist umher spukte. Ich ging zurück, untersuchte alles und fand eine Mittagserscheinung. Ein wenig außerhalb des Dorfes. Die Räuber müssen sie gar nicht mitbekommen haben. Ich bekämpfte sie. Ging wieder zurück zum nächsten Dorf. Keiner glaubte daran, dass dieser Ort je mehr friedlich sein würde. Also gehe ich davon aus, dass das Dorf immer noch leer steht. Wenn die Elfen anpacken, könnten sie daraus ihr Dorf machen und mit dem Schutz der Herzogin würden sie dort ein friedliches Leben haben. Es ist auch nicht allzu weit weg von meinem Weingut. Vielleicht eine halbe bis Dreiviertel Stunde mit dem Pferd."

Ava Lächeln wurde größer. „Das klingt fast schon zu perfekt, um wahr zu sein. Dann werde ich Kontakt mit Anna Henrietta deshalb suchen und sie bitten, ihnen Schutz zu gewähren."

Ava legte eine kleine künstlerische Pause ein. Wartete bis Ciri und auch Geralt sie ansahen. Ihnen beiden und sich selbst hatte sie noch keine Aufgaben zugeordnet.

Kampfeslustig grinste sie dem Hexer zu. „Für uns drei habe ich eine besondere Aufgabe ausgewählt. Wir drei werden uns um diesen Karlth kümmern. Wir lassen ihn reden. Egal unter welchen Mitteln. Und wenn er gestanden hat, werden wir seine Machenschaften ans Licht führen."

Ciris Mundwinkel zuckten. „Du willst ihn töten?"

„Nein." antwortete Ava sogleich. Der Klang ihrer Stimme ließ jedoch eine gewisse Lüge darin schweben. „Ich kann nicht aus Rache heraus töten. Dazu bin ich nicht fähig. Was mit ihm geschieht werdet ihr beiden entscheiden. Ich vertraue euren Entscheidungen."

Der Blick der jungen Hexerin wurde starr vor Wut. „Wenn es nach mir ginge, müsste ich da nicht lange überlegen. Jeder Mann der eine Frau solches Leid antut wie es Karlth den Elfen angetan hat, gehört der Schwanz abgeschnitten!"

Geralts erschrockener Blick zu seiner Ziehtochter ließ Ava schmunzeln. Wie der Vater so die Tochter. Geralt schien das immer noch häufig zu erschrecken. „Wir werden es sehen." brummt er ihr zu. Dann galt sein Blick Ava. „Du willst dich ihm zeigen?"

Ihr rechter Munwinkel hob sich ein Stück an. Der Blick der Elfe war voller Kampfesgeist. „Ja. Wer sich mit dem Teufel anlegt, muss damit auch rechnen, dass er irgendwann vor der eigenen Haustüre steht!"

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