Thescelosaurus (14.11.2018)
- ARTIKEL DER WOCHE -
Thescelosaurus neglectus (Vernachlässigte wunderbare Echse)
1913 von Charles W. Gilmore
Familie: Parksosauridae
Länge: ♂ bis zu 4,3m, ♀ bis 3m
Gewicht: ♂ bis 300kg, ♀ bis 75kg
Die flinken Thescelosaurier leben in kleinen Familienclans von selten mehr als zehn Tieren, die von einem erwachsenen Männchen angeführt werden. Männchen sind bis zu dreimal so groß und schwer wie die Weibchen und haben eine gräulich-grün geperlte, ledrige Haut, die von einem hellvioletten Aalstrich geziert wird. Weibchen sind um einiges zierlicher und braun-gelb gestreift, sie haben einen grünen Aalstrich auf dem Rücken und sind vor Feinden sehr viel besser getarnt als ihre größeren, männlichen Artgenossen. Die Jungtiere sind von einem hellbeigen Flaum bedeckt, der sich im Erwachsenalter zu einigen dicken, dunklen Filamentborsten verwächst.
Thescelosaurier laufen auf zwei Beinen, sind tag- und dämmerungsaktiv und suchen vor allem am frühen Morgen und am späten Abend nach Nahrung. Nachts schlafen sie und verlassen sich dabei ganz auf ihre Tarnung. Tagsüber verbringen sie ihre Zeit häufig damit, weite Wanderungen zu unternehmen und legen dabei häufig Strecken von mehr als 150km zurück. Sie sind die meiste Zeit des Jahres nicht an eigene Reviere gebunden, weshalb es nur sehr selten zu Auseinandersetzungen mit anderen Clans kommt.
Manchmal schließen sich sogar zwei wandernde Clans miteinander zusammen, um Inzucht zu vermeiden. Bei so einem Zusammenschluss finden erbitterte Rangkämpfe zwischen den männlichen Alphatieren statt. Ähnlich aggressiv zeigen sich auch weibliche Thescelosaurier, wenn sie einen Brutplatz gefunden und für sich in Anspruch genommen haben. Anders als das übrige Jahr ist bei den Tieren dann ein starkes Territorialverhalten zu beobachten. Bei innerartlichen Kämpfen kann es mitunter sehr rabiat zugehen, wenn die Tiere ihre komplette Körperfülle einsetzen und sich gegenseitig rammen, mit den Vorderfüßen nacheinander schlagen und mit den bekrallten Füßen heftige Tritte austeilen. Zu ernsten Verletzungen kommt es in der Regel aber nicht, wenn die Weibchen untereinander ihren Bau verteidigen: Im Gegensatz zu anderen Dinosauriern graben Thescelosaurus-Weibchen für ihren Nachwuchs nämlich Höhlen in die Erde, in die sie sich während sie brüten und in den ersten Wochen ihren Nachwuchs versorgen zurückziehen. Erst wenn die Jungtiere groß und kräftig genug sind, den Bau zu verlassen, schließen sie sich ihren nomadischen Artgenossen wieder an.
Gegen Raubtiere können Thescelosaurier sich dagegen kaum zur Wehr setzen, daher sind Thescelosaurier äußerst scheue und sehr flinke und wendige Fluchttiere. Sie erkennen eine Gefahr schon aus weiter Entfernung, denn verfügen über hervorragende Augen, Ohren und eine exzellente Witterung. Während die anderen Herdenmitglieder fressen oder schlafen, hält immer eines der Tiere aufmerksam Wache. Bei Gefahr stößt es einen hellen Pfiff aus, der die anderen Herdenmitglieder warnt, so dass sich der ganze Clan schnell in Bewegung setzen und fliehen kann. Dabei sind sie sehr ausdauernde Läufer und können ihre Höchstgeschwindigkeit von beinahe 60km/h fast eine Stunde lang halten, ohne müde zu werden. Das macht sie zu den ausdauerndsten Läufern der späten Kreidezeit.
Obwohl sie eher scheu sind, sind Thescelosaurier sehr neugierig und verhältnismäßig klug. Allerdings werden Jungtiere, denen noch die Erfahrung der Älteren fehlt, wegen ihrer Unvorsichtigkeit oft zur Beute von strategisch vorgehenden Jägern wie Acheroraptoren oder Pectinodons.
Trivia:
Im Jahr 2000 erregte das Fossil eines Thescelosaurus unter Fachleuten besonders Aufsehen, als man darin die Struktur eines fossilen Herzens entdecken konnte. Wie heutige Vögel verfügte Thescelosaurus über ein vogelähnliches Herz mit zwei durch eine Scheidewand getrennten Kammern und jeweils zwei Vorkammern. Dieses Vierkammerherz wurde als deutlicher Beleg dafür genommen, dass Dinosaurier einen gleichwarm bleibenden Stoffwechsel besaßen – so wie auch wir Menschen.
Die bisherigen Funde von Thescelosaurus weisen zum Teil erhebliche Unterschiede hinsichtlich ihrer Körpergröße auf. Die größten Individuen maßen über vier Meter Länge und hatten ein geschätztes Gewicht von über 300kg, während einige der kleineren Individuen nur gerade einmal auf die Hälfte dieser Ausmaße kamen – und das, obwohl auch sie mit großer Sicherheit bereits ausgewachsene Exemplare repräsentieren. Die Wissenschaftler deuten dies als einen Beleg für Geschlechtsdimorphismus (geschlechtlich bedingte Größenunterschiede). In „Die weißen Steine" wird diese Theorie aufgegriffen und der größere Morph als männlich, der kleinere als weiblich interpretiert.
Das Anlegen von Bruthöhlen ist für Thescelosaurus zwar nicht direkt nachgewiesen, allerdings für einige recht enge Verwandte aus der Unterfamilie der Orodromini wie Oryctodromaeus, die ebenfalls zu den Parksosauriden gezählt werden. Ausgehend davon, dass die größeren Morphen für eine grabende Lebensweise wohl zu groß gewesen sind, wird das Tunnelgraben in „Die weißen Steine" nur von den kleineren Weibchen währen der Brutzeit übernommen.
Dieses Kapitel wurde am 07.12.2018 noch einmal überarbeitet.
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