Die Schritte makellos polierter Schuhe hallen über den frisch gewischten Boden der Fitnesshalle. Zielstrebig bewegen sie sich auf das Podium zu, steigen hinauf und verharren dort – unter den wachsamen Blicken der versammelten Schülerschaft.

Zufrieden lässt der Schulleiter den Blick über die jungen Menschen schweifen, die aufrecht und regungslos vor ihm stehen, die Augen erwartungsvoll auf ihn gerichtet. Nur das leise Rauschen der Klimaanlage durchbricht die angespannte Stille, in der die Aufregung dieses besonderen Momentes spürbar ist.

Einen Augenblick lang genießt er die sich ihm bietende Ordnung und Disziplin, bevor er seine Stimme an die nächste Generation richtet.

"Vor fast fünfhundert Jahren brach die alte Welt in sich zusammen. Weltweite Kriege, verheerende Naturkatastrophen und die Gier machthungriger Herrscher führten die Menschheit an den Rand der Auslöschung. Inmitten des Chaos trafen unsere Vorfahren eine Entscheidung – eine radikale, aber notwendige. Sie errichteten eine Stadt unter einer Kuppel, fernab der zerstörten Zivilisation, geschützt vor den Fluten, den Stürmen und der Unbarmherzigkeit der Natur. New World wurde zum letzten Zufluchtsort der Menschheit.

Doch Rettung bedeutete nicht Frieden. Schon nach wenigen Jahren wuchs unsere Zahl zu schnell, die Ressourcen reichten nicht aus, uns alle zu versorgen, die Ordnung begann zu bröckeln. Während einige Privilegierte die Kontrolle über die Stadt behielten, wurden andere in den Untergrund gedrängt. Die Schattenseite unserer Gesellschaft formte sich – eine Welt aus Dunkelheit und Neonlichtern. Nightvale entstand. Die Neons, jene, die sich durch Reichtum und Einfluss behaupteten, lebten im Glanz der Stadt. Die Shadows hingegen kämpften im Untergrund ums nackte Überleben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich gegen die Herrschaft der Reichen erhoben. Der Gleichstellungskrieg begann.

Wie jedes Jahr gedenken wir heute dem Tag, an dem dieser Krieg endete. Die Shadow Soldiers siegten – und mit ihrem Sieg kam ein neues Zeitalter. Wir erkannten, dass uneingeschränkte Freiheit unseren Untergang bedeutete. Dass Überleben Ordnung brauchte. Und so einigten wir uns auf eine neue Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der jeder Mensch in Würde lebt, in der Ressourcen gerecht verteilt und Geburten kontrolliert werden. Ein System, in dem niemand hungern muss.

Der einst höchste Turm der Stadt, ein Symbol der alten Mächtigen, wurde zum Hope Tower umgebaut – ein Mahnmal, das uns erinnert: Wir dürfen nie wieder in Chaos verfallen.

Unsere Regeln sind einfach, aber unumstößlich. Unser Artifical Intelligence Resource Assistent verbindet uns, optimiert uns, verteilt Ressourcen effizient. Unsere Partnerwahl folgt wissenschaftlichen Kriterien – keine Zufälle, keine Fehler. Jedes Kind, das in diese Welt geboren wird, erhält die besten Bedingungen. Und wir wagen es, vorsichtig zu wachsen. Die Kuppel konnte wieder geöffnet werden, wir haben neues Land kultiviert, doch wir vergessen nie: Disziplin hält uns am Leben. Planung ist unsere Prämisse. Unsere Gesellschaft funktioniert – weil wir sie funktionieren lassen.

Und nun steht ihr hier, an der Schwelle zum Morgen. Ihr werdet ein Teil dieser Ordnung, ein Glied in der Kette, die unsere Existenz sichert. Heute seid ihr Schüler. Morgen seid ihr unsere Zukunft. Mit dem Eintritt in euer Erwachsenenleben werdet auch ihr dieser Welt einen wichtigen Wert beisteuern. Ihr könnt wahrlich stolz auf euch sein."

Er wirft einen letzten Blick auf seine Schützlinge. Dann wendet er sich ab und verlässt die Bühne, wobei er den Blick auf den großen Bildschirm freigibt. Der Film wird ihnen den Ablauf der Zeremonie erklären. Doch der Schulleiter weiß: Nichts kann sie wirklich auf die Welt vorbereiten, von der sie ab morgen ein Teil sein werden.