Kapitel Vier
Die Schneiderin hatte sich mit dem Schmied zusammengetan und präsentierte mir kaum eine Woche später eine Rüstung, als ich gerade vom Kampftraining mit Silan kam. Ich legte meine Krone ab, zog mir die Rüstung gleich über und staunte. Es passte perfekt. Jedes einzelne Teil saß an der richtigen Stelle und die Beweglichkeit war trotz der Schwere unfassbar groß. Ich drehte mich, beugte mich und bestaunte die Zwischenräume, die meine Schneiderin mit einem besonders robusten und dickem Leder unter dem Kettenhemd ausgefüllt hatte. Ich schlüpfte noch in die Schuhe und tatsächlich konnte ich sie mir auch selbst zumachen. „Na dann zeig mal, was du kannst!" sprach Mithrandir und warf mir ein Schwert zu. Ich fing es am Griff und schmunzelte. „Und du glaubst, dass du besser bist?" fragte ich etwas zu sehr von mir selbst begeistert. „Gegen jeden anderen nicht, aber jetzt sind die Kräfte verteilt!"
Natürlich hatte ich gedacht, dass ich ihn überwältigen konnte, Mithrandir war für mich nur ein alter Mann, doch er hatte mich schon nach den ersten paar Hieben entwaffnet und zu Boden gerungen. „Tut mir leid, ich habe mich wohl geirrt!" sprach er und half mir wieder hoch. „Ich dachte, du wärst besser!" erklärte er grinsend und so schlug ich ihm leicht auf die Schulter. „Na wen haben wir denn hier?" Ich drehte mich fragend um und schmunzelte dann. „Meister Elrond! Ich dachte, Ihr wärt zu beschäftigt!" Ich legte mein Schwert ab und kam auf ihn zu. Hinter ihm sah ich eine ganze Schar von Soldaten, aber wie Mithrandir schon gesagt hatte, waren es mit denen von Celeborn nur etwa dreitausend Mann. Trotzdem brauchte ich jede Unterstützung und über Elrond freute ich mich sowieso immer. „Ich habe Ersatz gefunden, man kann mich wohl ein oder zwei Wochen entbehren!" sprach er und grinste.
„Bitte, lasst uns drinnen sprechen!" bat ich und so gingen wir hinein. Ich tauschte schnell noch die Rüstung gegen ein bodenlanges, silbernes Kleid mit dunkelgrünen Verzierungen darauf. Meine Krone waren zwei einfache Silberflechtungen, die durch kleine Smaragde unterbrochen wurden. In der Mitte trug ich einen dünnen Smaragd, der mit kleineren weißen Edelsteinen geschmückt war und die Form eines Ahornblattes trug. Meine Krone war schlicht, und doch elegant und verdeutlichte genau die Macht, die ich selbst ausstrahlte. Sie passte perfekt zu mir.
Ich betrat die große Halle und so drehten sich Mithrandir und Elrond um. Er staunte nicht schlecht, als er mich von oben bis unten musterte. „Verzeiht, dass ihr so lange warten musstet!" sprach ich, doch Elrond winkte nur ab. „Ihr seid wunderschön, Lady Neladil!" merkte er an und lächelte. „Bitte, lasst den Titel weg. Ich bin Neladil und Ihr kennt mich!" meinte ich etwas unbeholfen. „Neladil, ich bin Elrond, wie du sicher schon weißt!" sprach er und schon lachten wir. Ein kurzer Lichtblick, bis mein Blick zu einem der Fenster glitt und ich die Berge sah.
„Silan, wie viele haben wir?" fragte ich und lief um den Tisch herum, auf dem die Karte von Melén lag. „Hinter mir stehen insgesamt noch etwa siebentausend Soldaten. Zusammen mit den dreitausend Mann von Lord Celeborn und Meister Elrond machen das zehntausend Soldaten." rechnete er vor und schob insgesamt zehn Figuren auf der Karte vor das Gebirge. „Der Drache sitzt hier" erklärte Mithrandir und stellte einen weiteren Spielstein daneben. „Allerdings gibt es zwei Eingänge zur Höhle." setzte er fort und Silan nickte. „Fünftausend pro Eingang. Ein Atemstoß und jeweils die Hälfte davon erliegt den Flammen. Das ist unser größtes Problem! Wir brauchen etwas, das entweder uns davor schützt, oder dem Drachen das Maul verschließt!" brabbelte ich vor mich hin.
„Wir könnten versuchen den einen Eingang zu verschütten, sodass sie eingesperrt ist. Dann hätten wir nur noch eine Stelle." schlug Silan vor und zog drei der rechten Figuren ab. „Aber dann kommen wir schlechter an ihren Bauch heran. Nur dort ist sie verwundbar." meinte ich und biss mir auf die Lippe. Lange Zeit diskutierten wir und stellten die verschiedensten Pläne auf, doch letztendlich blieb es bei der einfachsten und hoffentlich auch siegreichen Variante. Wir würden einen der beiden Eingänge verschütten, während auf der anderen Seite um Leben und Tod gekämpft wird, wie noch nie. Wir wollten sie in die Enge treiben und auf Flügel und Maul zielen, damit sie weniger gefährlich wird und wir einfacher an den Bauch herankommen würde. Natürlich wäre es auch dabei ein Sieg, der auf der Kippe stand, doch es war wahrscheinlich unser einziger Versuch und wenn dieser scheitern würde, wäre ganz Melén den mörderischen Klauen von Azula geliefert. Diese gruselige Monstrosität musste einfach sterben, sonst könnte ich mein Volk und das anderer nicht beschützen.
„Lady Neladil, ein Brief für Euch!" sprach die junge Elbin und reichte mir das Blatt Pergament. „Aus dem Düsterwald von Prinz Legolas!" fügte sie hinzu. Mit großen Augen sah ich sie an und schickte sie dann raus, den Brief wollte ich allein öffnen. Eilig packte ich den Brief aus und sah auf das Bild, welches mir Legolas gemalt hatte. Es zeigte einen großen Drachen und einen kleinen, blonden Ritter, der dem Drachen den Kopf abschlug. Ich musste doch schmunzeln, Legolas war einfach wunderbar und zuckersüß. Das Bild betrachtete ich noch eine Weile und legte es dann zur Seite, es war noch ein Brief dahinter.
Thranduils Handschrift war wunderschön - geschwungen und doch klar lesbar. Schon beim überfliegen musste ich lächeln, ich roch klar und deutlich Lavendel. Schon als ich bei ihm im Schloss war, hatte er immer nach Lavendel gerochen, ich liebte diesen Geruch. Langsam las ich eine Zeile nach der anderen. Zu erst ging es um Legolas und darüber, wie sehr er sich über den blauen Stein von mir gefreut hatte. Danach schrieb er von dem Bild und dass Legolas hoffte, er dürfte auch mitkämpfen und dann würde er den Drachen selbst erlegen. Schmunzelnd stand ich auf und ging ans Fenster, die frische Luft vertrieb ein wenig die Röte in meinem Gesicht. Bis vor kurzem wusste ich nicht, wie viel mir die beiden bedeuteten, ich kannte sie doch eigentlich kaum. Sie waren mir sofort ans Herz gewachsen.
Die letzten Zeilen wurden dann doch persönlicher. Er schrieb über meinen Vater und wie gut er ihn kannte. Mir stiegen wieder Tränen in die Augen, doch ich hielt sie zurück. Auch Thranduil hatte einen schweren Verlust, Calen war gestorben. Sie war die Königin, seine Frau, die Mutter seines Sohnes. Wahrscheinlich hatte er ewig gebraucht, diese Zeilen zu schreiben, mir wäre es nicht anders ergangen. Schließlich schaffte er den Bogen und entschuldigte sich, dass er keine Soldaten schickte. Die Sache mit dem Drachen ging ihm nah, ich hatte von den Verlusten und seinen schrecklichen Verletzungen gehört. Er hoffte, dass wir es dennoch schaffen könnten und bot mir Zuflucht an, falls es dazu kommen sollte.
Seufzend setzte ich mich an meinen Tisch und schrieb eine Antwort. Ich freute mich über das Bild des kleinen Prinzen und schrieb, dass ich ihm gerne noch weitere schicken könnte. Dann bedankte ich mich kurz und schrieb von unserem Plan. Zwar würde es mir nichts mehr nützen, wenn ich erst einmal vor der Drachendame stehen und von ihrem heißen Atem ummantelt werden würde, allerdings wollte ich, dass er sah, wie ich bis zum Schluss kämpfte. Er durfte sich und Legolas nicht aufgeben, wenn Calens Tod auch noch so schwer war. Ich schrieb, dass er mit Legolas auch in Melén jederzeit willkommen war, egal was passieren würde. „Lächle mehr!" waren meine letzten Worte, bevor ich unterschrieb und alles trocknen ließ.
Mit einem schiefen Lächeln und einem großen Seufzer schickte ich den Brief los und sah dem Boten aus dem Fenster hinterher. Elrond hatte zu Hause in Bruchtal ein paar Schwierigkeiten und musste leider wieder abreisen, doch er ließ mir seinen Leibwächter als kleine Entschädigung da. Mithrandir und Silan ritten an meiner Seite, als ich das Heer durch das Tal bis vor den Fuß des Gebirges führte. Wir verteilten uns und so schickte ich Silan mit Celeborns Truppen vor den rechten Eingang der Drachenhöhle.
Meine Kampfkünste waren katastrophal, aber zum Glück war dies kein Kampf gegen Orks oder andere Wesen in meiner Größe. Ich führte ja eigentlich nur die Truppen an und gab Befehle, doch diese Befehle entschieden über Leben und Tod, Sieg oder Niederlage, Azula oder Melén. Wenn alles klappen würde, wären wir gegen Mittag siegreich und abends wieder daheim, doch das bezweifelte ich stark. Azula war nicht einfach irgendein Drache, sie war eine blutrünstige Bestie, die Spielchen liebte.
Ich bekam Gänsehaut, als ich auf einer kleinen Anhöhe stand und genau auf den Höhleneingang sehen konnte. Es war Kalt hier oben, aber meine Rüstung schützte mich vor dem eisigen Wind. Die Sonne hatte in den letzten Tagen den restlichen Schnee geschmolzen und dennoch hatten wir kaum mehr als fünf Grad. Mithrandir stand neben mir und rauchte seine Pfeife. „Schwachstellen?" fragte er prüfend. „Die Feuerhöhlen neben der Luftröhre im Kieferbereich, aber es ist durch das Maul schwer zu erreichen. Die Stirnmitte, dahinter sitzt das Gehirn, allerdings ist die Haut nur zwischen den Schuppen dünn. Der Bauch, genauer Unterbauch. Die Haut ist zwar schwer zu erreichen, wenn sie nicht gerade fliegt, aber es ist der verwundbarste Punkt." erklärte ich und seufzte, das würden wir niemals schaffen.
Ich schickte regelmäßig einen der Soldaten in die Höhle, mit ungutem Gefühl. Sie blieben auf meine Anweisung nicht lange und berichteten nur knappen Bericht, aber wir brauchten unbedingt eine bessere Übersicht. Wenn wir blind reingehen würden, könnten wir ihr direkt vor das Maul laufen. Immer wieder erstattete man mir Bericht, wie genau die Drachendame lag und wie weit Silan war. Er sollte mit seinen Männern die Decke zum einstürzen bringen, wenn wir sie überraschend auf der anderen Seite angreifen würden. Es war riskant, unsere Ressourcen würden einen Sieg nur knapp aushalten und das auch nur mit hohen Verlusten.
Meine Soldaten schliffen ihre Schwerter, schnitzten an ihren Bögen und schrieben letzte Briefe an ihre Familien. „Offizier Silan bittet um weitere Männer, die Höhlendecke scheint dicker zu sein, als vermutet!" berichtete mir ein Bote und so seufzte ich und lief vor ihm auf und ab. „Schickt Elronds restliche Soldaten, es sollte reichen." meinte ich und nickte einem Soldaten zu, der die Truppe führte. Seine Männer erhoben sich und sogleich griffen auch alle anderen nach den Waffen, doch ich winkte ab und so beruhigten sie sich alle wieder.
„Mithrandir, du bist bitte der erste, der hier verschwindet, wenn alles kippt!" wies ich ihn an und richtete meine Rüstung. „Das ist leider nicht möglich, ich versprach deiner Mutter, dass ich dich sicher zu ihr zurückbringe!" meinte er, doch da ließ ich nicht mit mir reden. „Dann bist du hiermit von deiner Pflicht entbunden." sprach ich und hoffte, er würde einknicken, doch dafür kannte ich ihn anscheinend nicht gut genug. „Ich bleibe bis zum Schluss! Es wäre dumm von dir, mich einfach wegzuschicken!"
Was sollte ich machen? Ob Zauberer oder nicht, ich konnte ihn tatsächlich nicht einfach entbehren, doch er war für andere weitaus nützlicher, als hier an meiner Seite auf dem Schlachtfeld zu stehen. „Mithrandir, andere brauchen deine Fähigkeiten dringender, als ich! Du bist kein Soldat." begann ich. „Du brauchst mich genauso wie alle anderen auch! Außerdem bist du auch kein Soldat!" meinte er und fuchtelte mit den Armen in der Luft herum. „Ich bin Lady von Melén, ich bin hier, um meine Soldaten zu unterstützen und mein Volk von dem Leid zu befreien!" rechtfertigte ich mich und kam ihm gefährlich näher.
Wir hatten noch eine Weile gestritten und uns über die Vor- und Nachteile unterhalten, bis ein lautes Krachen mich aus dem kleinen Zelt zu den Waffen riss. Ein elendiges Stöhnen und Kreischen folgte und schon eilte ein Bote zu mir. „Der andere Eingang muss schon eingestürzt sein, da ist etwas schief gelaufen!" sprach ich noch bevor er ankam und so nickte er. „Verdammt!" fluchte ich und gab den Offizieren einen Wink. Sie positionierten sich und ihre Truppen wie abgesprochen und dann erklang ein nächstes Kreischen. Es war Azula, sie schien Schmerzen zu haben. „Los!" rief ich und so liefen die ersten Soldaten dicht gedrängt an der Höhlenmauer entlang. Sie verschwanden im inneren des pechschwarzen Höhlenloches.
Gespannt warteten wir auf ein Zeichen, doch ich schickte schon die nächsten los. Ein helles Flackern aus der Gruft ließ nichts Gutes erwarten und so kam es auch. Ein paar Elben mit Brandwunden retteten sich an die frische Luft und wälzten sich durch die tobenden Flammen auf dem feuchten Boden herum. Mich durchzuckte ein fürchterlicher Schmerz, ich war für ihre Wunden und die ganzen Verluste verantwortlich. „Wir preschen nach dem nächsten Stoß vor!" rief Mithrandir den Offizieren zu und sprang von dem Fels herunter.
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