Silence (36)
Es war die Ruhe vor dem Sturm, die alle verstummen ließ. Es nagte an ihren Knochen, an ihren Gedanken, an ihren Kräften, dass in wenigen Stunden eine Schlacht beginnen würde. Und niemand wusste, ob er es überlebte. Es war diese Stille voller Unruhe, welche sich über das Internat gelegt hatte. Einige saßen und grübelten, andere tigerte wild umher. Ein Zeichen der Ruhelosigkeit. Manch einer war sogar schon richtig heiß auf den Kampf. Jungkook gehörte nicht dazu. Angst breitete sich wie ein Lauffeuer durch seinen kompletten Körper, sodass er bei jedem noch so kleinen Geräusch zusammenzuckte. Wie sollte er so kämpfen? Wieder kam ihm das Wort 'bereit' in den Sinn. Er war es nämlich keineswegs. Niemand der Anwesenden. Auf einen Krieg konnte man nicht vorbereitet sein, zumindest nicht seelisch.
"Hier", Jimin hielt ihm eine warme Tasse mit Kakao hin. Seinen Körper ließ er neben dem Schwarzhaarigen nieder. Der Gestaltwandler hatte sich in ihr Zimmer verzogen und saß an der Heizung. Schon seit dem Morgen war ihm unentwegt kalt, weswegen er sich hierher gesetzt hatte. Er hatte Hoffnungen, dass das Heißgetränk auch sein Inneres erwärmte. Dort war gerade ein tiefer, eisiger Winter eingebrochen, hatte alles eingefroren, wobei jede Bewegung stockend und langsam war.
"Weißt du, wie ich die anderen kennengelernt habe?", fragte der Orangehaarige und starrte an die gegenüberliegenden Wand. Jungkook schüttelte stumm den Kopf. Er wusste das von Taehyung, aber die anderen hatten sich noch nicht dazu geäußert. Ein kleines Lächeln stahl sich auf das schöne Gesicht des Faes.
"Meine Mutter hat dieses Internat gegründet, demzufolge bin ich schon von Anfang an hier. Die ersten Schüler waren nur Menschen aus der naheliegenden Stadt gewesen. Erst ein Jahr später kamen die Fae."
Der Schwarzhaarige verstand wie sich sein Manacara gefühlt haben musste, als einziger Fae. Er war ein Außenseiter. Jemand, der nicht wie sie war, ein Alien. Ohne das er es wollte, bekam er Mitleid, aber er wusste, dass Jimin das nicht brauchte. Er war stark.
"Namjoon kam als Erster. Er hatte damals schon diese Art, der man sofort vertrauen musste. Er war offen und seine Intelligenz hat mich aus den Socken gehauen. Er war und ist ein wandelndes Lexikon."
Jungkook sah das Leuchten in seinen Augen, weswegen er automatisch lächeln musste.
"Es war Oktober. Die Blätter fielen unentwegt von den Bäumen. Unsere Begegnung war grandios. Er wollte gerade einen seiner Koffer die Treppe hochschleppen, als der Griff abgerissen ist. Alles stolperte direkt auf mich zu, da ich unten am Treppenansatz stand."
Jetzt kicherte der Orangehaarige und der Gestaltwandler konnte nicht anders als zu lachen. Danach nahm er einen Schluck von seinen Kakao. Er schmeckt fantastisch, sowas leckeres hatte er seit Ewigkeiten nicht mehr getrunken.
"Yoongi und Hoseok kamen zusammen. Zuerst dachte ich, dass Schicksal wollte sie verarschen. Sie waren so gegensätzlich, dass ich mich zu Beginn unserer Freundschaft immer lustig gemacht habe. Während Yoongi gern schlief, war Hoseok immer Feuer und Flamme für Aktivitäten. Yoongi blieb gern drin und musizierte, wobei Hoseok lieber draußen etwas unternahm, wie Tanzen oder Fußball. Hoseok war offen für neue Menschen, Fae oder andere Wesen. Yoongi liebte das Alleinsein.
Oft hatte der Blondschopf solch regenverfangene Tage, die Hoseok mit seinem Kilowatt-Lächeln erhellen konnte. Und da verstand ich die Götter. Sie hatten eine gute Wahl getroffen."
Jungkook nickte. Ja, das war ihm ebenfalls aufgefallen und durch Taehyung ergänzten sie einander perfekt.
"Jedenfalls saß ich gerade auf 'unserer' Bank hinten im Wald, als die beiden samt Gepäck angelaufen kamen."
Jimin hielt kurz inne, um nicht gleich loszulachen. Der Schwarzhaarige wäre beinahe angesteckt wurden. Doch er konzentrierte sich auf die Stimme seines Nachbarn.
"Bis heute weiß ich nicht, wo sie herkamen. Das Gravierendste war jedoch, dass Hoseok auf einem Laubhaufen ausrutschte und Yoongi daraufhin mit gezogen hatte. Du kannst dir den Blick von Yoongi gar nicht vorstellen. Erst perplex und schlagartig wütend. Es war eine Mischung aus allem."
Er konnte es sich gut vorstellen. Auch wenn Yoongi sehr ruhig und zurückhaltend war, manche Emotionen konnte man ihm vom Gesicht ablesen.
Kurz herrschte Ruhe, in denen beide die Informationen sacken ließen. Jimin erlebte seine Erinnerungen nochmals und das freute Jungkook.
"Die stärkste und früheste Erinnerung an Jin war, als er zum zweiten Schuljahr nach den anderen kam und völlig in Pink einen riesen Aufstand machte, weil einer seiner unzähligen Koffer fehlte."
Der Schwarzhaarige konnte gar nicht mehr an sich halten und lachte lauthals los. Ein Klatschen konnte er sich nicht verbieten. Tränen glitzerten in seinen Augen.
"Er war mir von Anfang an sympathisch. Er hatte diese Ausstrahlung, die mein einfach sofort mochte. Mit ihm konnte man immer gut reden. Er half, in dem er einfach zuhörte und einen in den Arm nahm."
Der Gestaltwandler nickte. Das war im Allgemeinen Jins Wesen und Jungkook war froh ihn zu kennen.
"Taehyung und meine erste Begegnung war, wie soll ich sagen, speziell? Wir haben uns auf dem Dach getroffen, auf dem er gerade eine dreistöckige Torte verputzte."
Überrascht starrte der Größere den Orangehaarigen an. Das war ihm neu, aber es passte zu dem Blauhaarigen wie die Faust aufs Auge.
"Ich weiß nicht, wo er sie her hatte. Jedoch hatte er mich nach einem kurzen Moment voller abschätzender Blicke wortlos zu sich geholt. Zusammen haben wir dann die Torte gegessen."
Erneut musste der Schwarzhaarige lachen. Ihm fiel auf, dass die Anspannung sich etwas von seinem Körper gelöst hatte und auch, dass er so viel grinsen musste, wie schon lange nicht mehr.
Es war ein schönes Gefühl.
Jimin starrte ihn daraufhin an. Er schaute in seine Seele, in sein tiefstes Inneres. Seine Augen, die Jungkook so sehr liebte, schienen ihn von innen zu wärmen.
"Und dann kamst du und die Welt war kein vergessenes Wispern unter einer dicken Staubschicht mehr, sondern ein lebendiges, wildes Leuchten, welches mich errettete."
Der Orangehaarige blickte ihn weiterhin unverwandt an.
"Ich habe dir bisher noch nicht danken können. Danke, dass du mein Licht bist, dass du bei mir bist, dass du die Dunkelheit um mich herum und in mir zum Erlöschen bringst."
In Jungkooks Augen glitzerten Tränen. Es war einerseits vor Freude und andererseits, weil er es noch nicht fassen konnte.
"Ich bin dir dankbar, dass du mir klar gemacht hast, dass Hoon-jaes Tod nicht meine Schuld war und ich endlich beginnen kann daran zu wachsen. Es wird noch dauern, aber ich denke, eines Tages werde ich über seine und meine Geschichte lachen können."
Der Schwarzhaarige strich behutsam über die Wange des Faes.
"Lass uns zusammen heilen", hauchte er und verband ihre Lippen miteinander.
Es war verrückt. Jungkook hätte vor einem Jahr nicht gedacht sich in einen Fae zu verlieben, geschweige denn seinen Manacara zu finden. Und jetzt küsste er Jimin zwischen diesen ehrlich, kitschigen Worten, die er brauchte, um zu heilen.
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Hallöchen meine lieben Leser und Leserinnen!! WEITER GEHT'S
Vergangenheit! Yeaaah!!! Ich liebe es mir immer auszudenken, wie sich alle kennengelernt haben. Man hat so viel Freiraum. Es ist fantastisch.
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Erin🌸
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