Loss (25)
Der Tag begann wie jeder andere und doch würde heute etwas passieren. Er fühlte es. Jimin schlief noch, während sich Jungkook stillschweigend aus dem Bett hievte. Heute war wieder so ein Tag, an dem er sich so erschöpft fühlte, obwohl er ausreichend Schlaf gehabt hatte. Es war, als wäre er in Watte gepackt wurden. Alles zog an ihm vorbei und nichts konnte ihn irgendwie aufheitern. Zumindest nicht so richtig.
"Es ist Samstag, warum bist du so früh wach?", grummelte der orangehaarige Fae und drückte sich ein Kissen auf den Kopf.
Er zuckte die Achseln, auch wenn der andere es nicht sehen konnte.
"Ich brauche frische Luft."
Er lief ohne Plan durch das fast leere Gebäude. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, als er in die kühle Morgenluft trat. Er spürte die Luft in seinen Lungen. Ein wundervolles Gefühl. Doch das angenehme Gefühl hielt nicht lange, denn eine langsame Gestalt näherte sich aus dem Wald. Sie humpelte und sah verletzt aus. Jungkook rannte auf sie zu. Nachdem er vor der Person zum Stehen kam, wurde dem Schwarzhaarigen speiübel. Es war Sunmi. Aber....aber wie war das möglich? War sie nicht in Jeju? Allerdings war das nicht einmal das Erschreckendste, sondern viel mehr ihre Wunden, diese abertausenden Wunden an ihrem grazilen Körper.
Es sah aus wie ein Schlachtfeld.
"Was.......ist passiert?", brachte er mühsam hervor. Seine Hand zitterte, als er ihre berührte. Die Schwarzhaarige sackte zusammen wie ein Kartenhaus. Jungkook fing sie auf.
"Jung....kook", krächzte sie.
Irgendwas brach in seinem Inneren. Ihre Stimme klang so leise, so gebrochen, so kaputt. Er konnte sie kaum verstehen. Fragen über Fragen explodierten in seinem Kopf. Was war ihr widerfahren? Wer hat ihr das getan? Wo war sie die ganze Zeit gewesen?
"Schau mich an", flüsterte sie. Er wollte nicht. Ihre Stimme klang so endgültig. Als wäre sie dem Tode nahe und das wollte er nicht akzeptieren. Er wollte, dass sie bei ihm blieb.
"Bring.....bring das hier zu Go-eun. Du weißt wer er ist."
Die Fae kramte einen Stein aus ihrer Tasche. Er funkelte türkis. Und der Gestaltwandler kannte ihn nur zu gut.
Sie schluckte und hustete. Ihre Augen wurden glasig. Ihre Hand strich über seine Wange.
"Meiner schöner, großer Jungkook. Dich aufwachsen zu sehen, war ein Trost für mich, da ich nie," sie stockte kurz, "nie selbst Kinder haben konnte. Du bist mein größtes Glück."
Ihr Lächeln wurde schmaler. Schwächer. Müder. Vor den Augen des Gestaltwandlers spielten sich Erinnerungen ab. Erinnerungen an ihre Zeit zusammen. Seine Atmung wurde schneller und schneller. Er glaubte verrückt zu werden.
Jungkook war wie vom Donner gerührt. Der Schmerz ihn ihren Augen war nicht zu übersehen. Tränen fielen auf ihre Wange. Seine Tränen. Er bekam keine Luft mehr. Die Welt stand still. Wieder einmal. Jungkook kannte dieses Gefühl nur zu gut. Das Gefühl eines Verlustes.
"Geh nicht. Lass mich nicht allein."
"Du bist niemals allein", hauchte sie.
Nichts anderes vermittelte die Abwesenheit von Leben mehr als die Augen von jemanden, der gerade gestorben war. Die Augen waren etwas wachsames, aufgewecktes. Doch nun zeigten Sunmis nicht die leiseste Regung. Augen besaßen das gewisse Etwas, dass uns zu einem fühlenden, lebenden Wesen machte. Mittlerweile war die Schule aufgewacht. Jungkook merkte wie sich einige Fae hinter ihnen versammelten. Darunter Jimin und Yoongi. Niemand kam zu ihm oder rührte ihn an. Es vergingen zehn, nein, zwanzig Minuten, in denen er Sunmi in seinen Armen vor und zurück wiegte. Er starrte auf ihre leblosen Körper, der selbst im Tod noch eine Schönheit war.
Ohne Vorwarnung durchzuckte ihn eine grelle unbändige Wut. Und aus seinen Händen wurden Krallen, während aus seinem Kopf Hörner schossen. Ein Bild hatte sich in seinem Kopf verankert und nach wenigen Sekunden, in denen sein Körper sich vollends verformt hatte stieß er ein lautes Brüllen aus und schoss in die Lüfte. Mit Sunmi in einer seiner Krallen.
An einer Lichtung abseits der Schule, abseits des Lärms und des Lebens ließ er sich nieder. Sachte legte er Sunmi in die Mitte. Ihre Haut hatte sich zu einem schneeweiß verwandelt und ihre Lippen, welche einem Lächeln glichen, waren nicht mehr rot.
"Scheinbar waren wir als Familie nicht für einander bestimmt", fing er tonlos an.
"Aber für eine kleine Ewigkeit fühlte es sich so an."
Seine Tränen tropften unaufhörlich auf das saftig grüne Gras. Binnen Sekunden wurden seine Schluchzer hemmungslos. Es klang wie Klagelaute eines Sterbenden. Denn im Grunde genommen tat er das. Die Liebe, die Sunmi empfand, erfüllte sie mit einer solchen Kraft, dass ihre Füße anfingen Wurzeln zu schlagen, um Jungkook etwas zu hinterlassen, während sich ihre Arme dem Himmel und den Sternen entgegenstreckten. Ihr totes Herz schmerzte, weswegen ihre zarte Haut zu Rinde wurde. Ihr Lächeln wurde zum Rascheln des Windes in tausenden Blättern. Jungkook beobachtete das Schauspiel mit tränenverschleiherter Sicht. Ein Baum riesigen Ausmaßes erwachte vor ihm zum Leben. Die pinken Blätter umspielten sein Gesicht. Doch das brachte ihn nicht zum Aufhören und er schrie und weinte weiter, mit einer solchen Intensität, die ihm die Kraft raubte. Wieso war die Welt so unfair zu ihm? Stundenlang saß er da. Einsam vor dem Baum mit nichts als dem Licht der Sterne über sich. Selbst durch diese Schönheit fühlte er sich nicht besser. Er fühlte sich leer und müde. Aber schlafen konnte er nicht. Er wollte es auch nicht.
"Jungkook", hörte er eine sanfte Stimme hinter sich. Wie in Zeitlupe drehte er sich um. Vier Fae standen da. Alle weiblich. Die Rektorin lächelte traurig und kam langsamen Schrittes auf ihn zu.
"Sie war wie eine zweite Mutter für mich", flüsterte er.
"Ich kann mich noch gut an unsere erste Begegnung erinnern", fing er an. Die vier Fae warteten geduldig.
"Es war Sonntag. Ich saß Zuhause in der Küche und backte mit meiner Mum Kuchen und dann kam sie rein. Von oben bis unten mit Dreck beschmiert. Ihre einzige Aussage dazu war: Der Garten habe sie so zugerichtet."
Eine Lächeln wollte sich auf sein Gesicht stehlen, doch es gefror auf halber Strecke. Sie war tot und er war wie jedes Mal immer noch am Leben. Warum starb er nicht einfach?
"Sunmi war zu gut für diese Welt", sagte eine der Fae. Er nickte und sprach die alten Worte, die ihm als Kind beigebracht wurden.
"Die Dunkelheit versteht dich, das Licht leitet dich. Geh deinen Weg in die nie endenden Lande der Fruchtbarkeit. Tritt über und kehre Heim."
Dann brach eine Dunkelheit über ihn ein, die er noch nie zuvor gespürt hatte.
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Guten Abend!
Drama!!!!
Es wird Zeit, dass etwas nicht schönes passiert. Es kann ja schließlich nicht immer Friede Freude Eierkuchen sein xD
Feel free to comment!
Erin🌸
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