Clock {1}


Es war Mitternacht, die Straßen waren leer, und alle Glocken in der Stadt fingen an zu singen.
Es war keine schöne, klangvolle Melodie, sondern viel mehr ähnelte es einem quälenden Schrei. Seine Augen waren mit einem Mal geöffnet. Er hörte trampelnde Schritte, doch er blieb in seinem Bett. Ansonsten würde er nur Ärger bekommen und den hatte er in den letzten zwei Tagen schon genug erduldet. Er drehte sich auf die Seite und versuchte den Lärm der Uhren und Wecker auszublenden. An Schlaf war dennoch nicht zu denken, nachdem jemand sein Zimmer betrat. Er war überrascht, dass nicht abgeschlossen war, denn normalerweise öffnete niemand seine Tür vor Acht am nächsten Morgen.
"Du musst mitkommen, Jungkook."
Es war niemand Fremdes, der sprach. Ihre Stimme konnte der Junge unter Tausenden wiedererkennen. Sunmi. Das Dienstmädchen in diesem Haus. Sie war Eine der Wenigen, die sich um ihn kümmerte, seine Wunden versorgte und ihm auch heimlich Essen zu kommen ließ.
"Was ist los?", fragte Jungkook und rieb sich die Augen, um anschließend umständlich aufzustehen.
"Ich rette dich vor einer Hochzeit und jetzt komm. Der Lärm wird sie nicht lange aufhalten", sprach die Schwarzhaarige hastig und zog ihn aus seinem Zimmer. Der Flur war dunkel und leer. Keiner der anderen Dienstmädchen oder Hausbewohner war zu sehen, aber der Lärm war allgegenwärtig. Mittlerweile klopfte Jungkooks Herz in seiner Brust so heftig, dass er dachte, es würde jeden Moment zerplatzen. Es war keine gute Idee. Er fühlte es. Sie würden ihn finden.
"Sunmi, wir sollten zurückgehen. Dieser Fluchtversuch wird genauso scheitern wie die anderen Male", flüsterte der Junge und zerrte an ihrer Hand.
Sie drehte sich zu ihm und der Griff um sein Handgelenk verfestigte sich.
"Ich habe deinen Eltern versprochen dich zu retten. Jetzt ist die Zeit dafür."
Hinter ihnen hörten sie Schritte, weshalb Sunmi begann loszurennen. Jungkook war noch völlig in Trance. Seine Eltern hatten die Schwarzhaarige beauftragt ihn zu beschützen? Warum? Der Tod der Beiden lag etwas mehr als zehn Jahre zurück. Er konnte sich an diese Nacht erinnern und er verdrängte sie so gut es ging. Was er da miterlebt hatte, reichte an Grausamkeiten für sein ganzes Leben aus.
Die Dunkelheit umhüllte sie, als die beiden in die Nacht hinaustraten. Ein Auto stand etwas Abseits des Anwesens. Die Kühle der Nacht schloss sich wie eine Hand um sie. Es schüttelte ihn und er kuschelte sich in seine dünne Jacke.
Gekreische konnte man aus dem Haus hören und Jungkook war sich bewusst, dass sie seine Abwesenheit bemerkt hatten.
"Wo fahren wir hin?"
Doch Sunmi antwortete nicht, sondern bedeutete ihm nur einzusteigen, was der Junge auch tat. Ein Gefühl regte sich in ihm. Eins, dass er schon lange Zeit nicht mehr verspürt hatte. Hoffnung.
Vielleicht würde er jetzt endlich frei sein. Frei von diesem Gefängnis.
Sunmi startete den Motor. Jetzt gab es kein zurück mehr, das wussten sie.
Verschwommene Lichter rauschten an ihnen vorbei, während Jungkooks Augen immer träger wurden. Aber er hielt sich wach.

"Was meintest du vorhin mit meinen Eltern?"
"Die Zeit würde jetzt nicht dafür ausreichen", sagte sie. Ihr Blick war starr auf die leere Straße gerichtet. Jungkook hätte es wissen müssen. Sie war schon immer sehr verschlossen und trotzdem hatte sie sich stets um ihn gekümmert. Sie erhörte immer seine Geschichten aus der Schule, seien sie noch so merkwürdig gewesen. Wann immer er Hilfe brauchte bei den Hausaufgaben oder in Sachen Liebe. Sie war da. Sie war an seiner Seite. Sie war und ist wie eine zweite Mutter für ihn. Die Schwarzhaarige schenkte ihm Liebe, als er sie am Nötigsten brauchte.
Er ließ das Fenster herunter und bemerkte, dass die Luft nach Meer schmeckte.
Das Meer? Was wollten sie hier?
Fisch war für Jungkook schon seit frühester Kindheit etwas, dass er hasste. Er konnte diese Tiere weder riechen noch essen, weswegen er sie größtenteils mied. Wieso sie aus gerechnet jetzt an einem Hafen hielten, erklärte sich ihm erst, nachdem sie ausgestiegen waren und zu einer Kiste liefen. Sie war groß und ausgepolstert mit dünnen Decken. Der Junge hätte problemlos hineingepasst.
"Du wirst in diese Kiste steigen", hörte er Sunmi hinter sich sagen.
Er legte seine Stirn in Falten.
"Bitte was?"
Keine zehn Pferde würden ihn da rein bekommen. Lieber würde er wieder in das Anwesen, in seine Kammer, zurückkehren.
"Es ist nur zu deinem besten. So kommst du unbemerkt von dieser Insel runter. Ich schicke dich zu einer Bekannten von mir."
Die Schwarzhaarige wollte ihn wirklich per Post über das Meer verfrachten? Langsam begann Jungkook sich zu fragen, ob sie nicht doch wahnsinnig wurde. Das konnte doch unmöglich ihr Ernst sein. Ihr ungeduldiger Blick sagte etwas anderes. Widerwillig kniete sich der Junge in die Kiste hinein.
"Und was ist mir dir? Wie kommst du hier weg?", fragte er und hinderte sie am Schließen der Kiste.
"Ich bleibe."
"Nein. Dann bleibe ich auch. Ohne dich weiß ich doch nicht, was ich machen soll!", entfuhr es ihm erschrocken. Nein. Sie durfte ihn nicht verlassen. Nicht noch jemand, den er liebte. Ihre Hand fand seinen Haarschopf. Ihr Lächeln wurde liebevoll und wehmütig.
"Du bist gewachsen. An diesen ganzen schrecklichen Erlebnissen. Verluste formen uns zu anderen, oftmals freundlicheren Kreaturen. Meine Mission ist es, dich zu beschützen. Und noch etwas anderes zu erledigen. Danach komme ich."
Jungkook glaubte ihr, aber er wollte es trotzdem nicht akzeptieren. Sie waren eine Familie. Eine Familie hielt zusammen. Blieb zusammen.
Etwas Metallisches glitzerte in der Hand von Sunmi. Jungkook konnte im ersten Moment gar nicht realisieren, was es war, als es schon in seine Haut drang. Eine Spritze.
"Schlaf gut, wir werden uns wiedersehen", hörte der Junge noch, bevor seine Lider sich schlossen.
Sunmi klappte den Deckel auf die hölzerne Schachtel und wünschte sich, es gäbe eine andere Möglichkeit. Dann ging sie einige Schritte beiseite, um den Hafenarbeitern ihre Arbeit zu überlassen. Die Kiste wurde mit einem Kran auf ein Schiff verladen.
"Denkst du, er wird klarkommen?", eine weibliche Stimme ließ die Schwarzhaarige herumfahren. Hye-rim stand im Schatten eines Containers. Sie kannten einander von einer Zeit, bevor Sunmi in den Dienst von Jungkooks Peinigern getreten war.
"Das wird er. Seine Zeit ist jetzt gekommen." 

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Einen wunderschönen guten Abend und willkommen zu meiner zweiten Jikook Fanfiktion!

Das erste Kapitel ist noch etwas undurchdringlich, aber das gibt sich in den nächsten Kapitel. Xd

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Erin🌸

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