Abschied nehmen
Ehe sie auf ihr Team zuging, seufzte sie tief. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Ihr Abschied sollte nicht so abrupt eintreten und doch tat er es. Ironischerweise bedeutete, dass das sie das erste Mal in ihrem Leben nicht wusste, was sie danach tun sollte. Schließlich hatte sie ihr gesamtes bisheriges Leben nichts anderes gemacht. Diesen Gedanken schob sie immer wieder zur Seite, da es ihr schwerfiel, darüber nachzudenken, doch auf Dauer würde sie sich dem stellen müssen.
Nun lag es aber in ihrer Verantwortung ihren Posten neu zu besetzen. Ihren Nachfolger einzuweisen sollte ihre letzte Amtshandlung sein und innerlich wusste sie, dass sie alles versuchte ihre Pension hinauszuzögern. Vermutlich hatte sie sich auch deshalb so viel Zeit gelassen, sich darauf festzulegen, wer am besten für diese Position geeignet war, doch wusste sie, dass es im Grunde ein reines Ausschlussverfahren war.
Sobald sie den Bereich des Teams erreichte, hatte sie deren gesamte Aufmerksamkeit inne. Um sie nicht lange zu stören, bat Hetty Agent Blye ohne Umschweife zu sich. Sie konnte spüren, wie sich Unbehagen bei Kensi breitmachte und hatte das Bedürfnis, sie zu beruhigen.
Um der Atmosphäre etwas die Spannung zu nehmen, bat Hetty Agent Blye sich zu setzen. Obwohl sie sich bewusst war, dass sie die gefürchteten Worte so oder so irgendwann aussprechen musste, rang sie mit sich. Es fiel ihr wirklich nicht leicht. Solange war das nun ihr Platz gewesen und jetzt war es an der Zeit für sie zu weichen. Natürlich wusste sie, dass es vermutlich kaum jemand Besseren für diese Position gab, aber dennoch schmerzte sie ihr Abschied schon jetzt.
Hetty schund nochmals Zeit, indem sie Kensi, wie es für sich üblich war, erst mal einen Tee an. Den fertigen Tee hatte sie abgestellt und ohne auch nur eine weitere Sekunde Zeit zu verlieren, unterbreitete Hetty ihrem Noch - Agent das Angebot. Sie war sich ihrer Wahl sicher. Kensi war die Richtige für diesen Posten. Zeitgleich war ihr aber auch bewusst, dass Agent Blye unentbehrlich für den Außeneinsatz war. Aus diesem Grund hatte sie sich etwas überlegt. Es hatte ihr viel Überzeugungskunst abverlangt, um Director Vance zum Einlenken zu bringen, aber sie hatte es geschafft.
Denn wenn jemand in der Lage war, im Außeneinsatz, in einer Führungsposition und ihr Privatleben vielleicht irgendwann mit Nachwuchs zu meistern, dann war das Kensi Blye. Deshalb könnte sie, sofern sie die Stelle annahm, weiterhin gelegentlich in den Außendienst und im Hintergrund in beratender Funktion fungieren. Trotzdem würde Kensi die meiste Zeit im Büro verbringen und von hier mehrere Teams und Operationen kontrollieren.
Zusätzlich war Hetty sich dem Umstand bewusst, dass das eine große Veränderung für die Dienststelle des NCIS war. Doch nicht unbedingt im Negativem. Es wurde Zeit für frischen Wind. Frischen Wind, denn niemand zu gut wie Miss Blye einbringen können würde.
Kensi bat sie um Bedenkzeit, die sie sehr gut nachvollziehen konnte. Schließlich wäre das eine enorme Umstellung für sie und sie musste, dass erst mal unter einen Hut bekommen. Hetty erinnerte sich noch gut daran, wie das für sie damals war. Der Director Leon Vance hat sie an einem Morgen im November aus heiterem Himmel angerufen und mit Nachdruck gebeten, die Außendienststelle in Los Angeles zu übernehmen, da ihre Vorgängerin Lara Macy einfach verschwand. Sie befand sich zu dem Zeitpunkt in Europa und hatte nichts zu riskieren. Hatte keine Kinder, war nicht verheiratet und plante zu diesem Zeitpunkt auch nichts in diese Richtung. Deshalb nahm sie die Chance an.
Wenige Tage später stand Kensi dann plötzlich wieder vor ihrem Tisch und nahm das Angebot an. Der Monat danach verging im Nu. Die Übernahme gestaltete sich zu Anfang etwas schwieriger als gedacht. Denn der SecNav hatte da so ihre Bedenken. Aber sobald Miss Blye und sie ein gemeinsames Tempo hatten, gelang alles fast wie am Schnürchen. Gemeinsam überzeugten sie sie und sicherten sich sogar ihr volle Unterstützung.
Ihre letzte Arbeitswoche verging so schnell, wie sie gekommen war, und trug auch erheblich zu der ungewöhnlich unbehaglichen Stimmung bei. Sie hatte versucht, sich von den Mitarbeitern mit einzelnen Teekränzchen gebührend zu verabschieden, aber das kam bei vielen nicht sehr gut an. Von ihrem Team hatte sie es noch nicht über sich gebracht, Abschied zu nehmen. Das war ihnen auch aufgefallen, das wusste sie. Vorgestern war sie Mr. Deeks aufgelauert, als dieser sich darüber ausgelassen hatte, doch hatte er, als sie ihm die Möglichkeit gab, seine Meinung zu äußern, den Mund gehalten.
Und jetzt stand sie da und bedachte ihren Schreibtisch ein letztes Mal mit einem wehmütigen Blick. Die letzte Kiste stand weitgehend gepackt auf dem Sekretär und wartete darauf, geschlossen zu werden. Nachdenklich hatte sie den letzten Schluck ihres exotischen Tees von den Malediven genommen und dann auch diese Utensilien in die Umzugsbox gepackt. Anschließend hatten ihre Füße sie quasi von allein zum Team getragen.
Die Verabschiedungen waren höchst emotional. Agent Hanna hatte ihr zuletzt sogar, dass „du" angeboten, wohingegen Agent Callen sich lediglich zu einer Umarmung hatte hinreißen lassen. Kensi und Deeks hatten sie ebenso umarmt und sie dazu „zwangsverpflichtet", mindestens einmal im Monat in der Bar vorbeizuschauen und bei einem Feierabenddrink mitzutrinken.
Nell und Eric hatten eine kleine Diashow vorbereitet, die selbst Hetty zu Tränen gerührt hatte. Die Bilder zeigten die schönsten, aber auch die nicht so prickelnden Momente ihrer gemeinsamen Zeit. Von ihrem ersten gemeinsamen Weihnachten über die Beerdigung von Michelle Hanna, Sams Frau bis hin zu der Hochzeit von Kensi und Mr. Deeks waren alle bewegende Ereignisse eingeflossen. Gegen Ende des Videos konnte sie nicht verhindern, dass die ein oder andere Träne sich ihren Weg gebahnt hatte. Das Resultat daraus war, dass sich alle in den Armen lagen und noch eine ganze Weile in Erinnerungen schwelgten.
Als Nell sich von ihr verabschiedet hatte, hatte sie ihr eine gebrannte CD mit der Diashow in die Hand gedrückt und sich mit tränendurchnässtem Gesicht bei ihr für alles bedankt. Beale hingegen hatte vor sich hin gestottert, ehe er sie einfach umarmt hat und versprochen hat, ihr zu Ehren einmal die Woche ordentliche Schuhe anzuziehen. Aber als sie gefragt hatte, ob das auch für seine kurzen Hosen galt, erwiderte er nur, dass das nicht „drinnen" war.
Sie musste schmunzeln, denn manche Dinge würden sich einfach nie ändern. Und das wollte sie auch gar nicht.
~1020 Wörter
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