It's time to begin
„Nimm doch den scheiß Ball an. So schwer kann das doch nicht sein. Nicht die Arme so nehmen", er zeigte ihm wie er seine Hände hielt und ging dann fließend in die richtige Position über "sondern so." In seiner überheblichen Art machte er es ihm noch ein paar mal vor.
"Wie kann er nur so gemein sein?"Missbiligent verzog ich meinen Mund. "Wieso denn gemein? Er bringt ihm doch nur die richtige Technik bei." Sie hockte sich hin und band sich einen ihrer Schnürsenkel, das Spiel würde in nächster Zeit eh nicht weiter verlaufen. Wenn Phillip, der ja sicher selbst die Technik perfekt beherrschte, sich erst mal an einer Sache festgebissen hatte dann dauerte es bis er zufrieden gestellt war.
Es kotzte mich an das er jedes Mal mit diesem Mist durchkam. Unser Sportlehrer interessierte das überhaupt nicht, eher wirkte er von Phillips Szenerie amüsiert. „Wenn's nur das wäre, nein er erniedrigt ihn und das vor allen anderen. Nur weil Max nicht so sportlich ist wie andere oder eine andere Körperstatur hat. Und keiner tut etwas dagegen." Fast wäre ich versucht gewesen mit dem Fuß wütend auf dem Boden aufzustampfen.
Und sie, Mary-Kate, auch bekannt als MK hatte wirklich die Nerven unbeteiligt mit der Schulter zu zucken. „Du tust doch auch nichts dagegen."
Meine im Kopf kreisenden wütenden Gedanken hielten abprubt inne.
Mein Körper wurde stocksteif.
Sie hatte vollkommen recht, anstatt Max zu helfen oder ihn zu verteidigen stand ich wie alle anderen rum und schaute nur zu. Und das mir das erst MK klar machen musste, zeigte wohl wie tief ich bereits gesunken war. Nichts gegen MK aber ein Unschuldsengel war sie definitiv nicht.
Dabei wollte ich doch anders sein, agieren und nicht bloß reagieren. Ein "Macher" sein. Im Grunde war ich nicht besser als Phillip. Und der sagte wenigstens was er dachte, auch wenn das absoluter Bockmist war, er log sich dabei wohl selbst nicht an.
Unwohl rieb ich mir über die Arme.
Ich hatte jetzt genau zwei Chancen. Entweder nutzte ich die Gelegenheit um endlich mal aus meiner Haut zu kommen und das zu tun, was ich in meinen Gedanken schon längst durchgezogen hatte oder ich ließ es bleiben.
Ich wollte nicht nur daneben stehen, nicht nur zugucken. Es wäre doch eigentlich eine ganz einfache Sache.
Du gehst jetzt da rüber und sagst Phillip einfach das wir weiter spielen wollen, das Max das schon schafft. Es ist ja nur ein verdammtes Spiel.
Doch ich bewegte mich nicht vom Fleck, egal wie oft ich diesen Satz in meinem Kopf Phillip schon an den Kopf geschrien hatte. Der Druck in meinem Inneren baute sich immer weiter auf, mein Herz fing an einen eigenständigen Marathon zu laufen, von dem ich eindeutig nichts wusste und auch garantiert nicht begeistert war. Mein Atem wurde flacher, meine Hände schwitzig. Ich verlor jetzt weitaus mehr Schweiß als im gesamten Volleyballspiel heute und das sollte schon was heißen.
„Alles okey bei dir?" MK warf mir einen kurzen Blick zu, schnell nickte ich um nicht noch weitere ungewollt peinliche Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Doch sie hatte bereits den Blick auf einen unserer Teammitglieder gerichtet, der ihr irgendetwas zu erklären versuchte.
Ich und Mary-Kate waren keine richtigen Freunde. Eher Schulbekannte. Ich war mit ihr in meinem Sport, Religions und Mathe Grundkursen. Wenn dabei mal Gruppenarbeiten oder ähnliches anfiel, dann kamen wir miteinander aus. Aber mehr Kontakt oder Empfindungen könnte man in unsere Bekanntschaft nicht hineininterpretieren.
Es war auch gut so, ich meine warum sollte auch die MK sich auf meinen Stand herunterlassen als nur für ihre eigenen Befindlichkeiten?
Aber ich wollte nicht wie MK und ihre Coolen Kids sein. Ich wollte mich nicht nur um mich kümmern, ich will anders sein!
Also warum bewegte ich mich nicht vom Fleck?
Warum tat ich nicht was gegen diese strategische Vorgehensweise Phillips, Max Stolz zu vernichten?
Warum war ich nicht anders, nicht besser?
Und jetzt...bemitleidete ich mich schon wieder selber.
Klasse Maya, ganz toll.
Ich sollte jetzt sofort dahin geben.
Ich tat meinen ersten Schritt, mein Herz schlug wie ein Presslufthammer doch ich tat noch einen, und noch einen. Nebenbei wischte ich mir meine feuchten Handinnenflächen an meiner Hose ab. Ich wusste gar nicht warum ich so nervös war, eigentlich gab es ja keinen Grund dazu.
Ich war jetzt schon fast an dem Netzt das in der Mitte des Feldes hing, als der Sportlehrer die Trillerpfeife zwischen die Lippen nahm, tief Luft holte und einen langen schrillen Ton ausstieß.
Phillip der gerade erst so richtig in Fahrt gekommen war, hielt inne und drehte sich verärgert in meine Richtung um.
Sein zorniger Blick traf meinen, glitt dann durch mich hindurch weiter zum Lehrer. „Schluss jetzt mit dem Späßchen. Es wird weiter gespielt, oder wollt ihr alle null Punkte auf das Umsetzten der gelernten Technik und des Strategischen Spielaufbaus bekommen? Nein? Gut, dann gehts jetzt weiter. Ach und Max, reiß dich zusammen."
Schnell stellten sich wieder alle auf ihren Platz. Enttäuscht machte ich meine erst gerade gemeisterten Schritte wieder zurück. Es hatte etwas zweideutiges das ich rückwärts auf meine erst gerade verlassene Position hin ging. Ich bin kein Schritt weiter gekommen.
Mit einem tiefen und äußerst unzufriedenen Seufzer kam ich an meiner Position an und richtete meinen Blick auf den Ball.
Der Aufschlag des gegnerischen Teams war erfolgreich, der Ball flog über das Netz und wurde von MK gebloggt. Er flog wieder in das andere Feld wo Phillip ihn bekam. „Ihr sollt spielen, nicht die gesamte Zeit bloggen. Wozu habt ihr sechs Mitspieler in eurem Feld." Anscheinend war die Geduld unseres Lehrers auch zu ende, zum Glück waren es heute die letzten Stunden für alle.
Zum Schluss gewann das Team von Phillip, ich hatte den Ball ganze zwei mal rüber bekommen und musste zu meinem Glück keinen Aufschlag mehr machen.
Eigentlich konnte ich sehr gut Volleyball spielen, aber bei Aufschlägen wo alle nur auf einen warten und voraussetzten das der Ball auch rüber ging vermasselte ich es immer.
In der Umkleide redeten MK und ihre Freunde über Phillip, das er ja so cool wäre und gutaussehend und einfach absolut perfekt.
Zischend biss ich mir in meine Unterlippe um dem Ärger Luft zu machen und fragte mich, weshalb Gott mich nur so bestrafte.
Teenager Mädchen in der Spätpubertät haben auf jeden Fall eine Schwäche für Testosteron gesteuerte Jungs mit einem erhöhten Sexualtrieb. Und es nervte, gewaltig.
Dieses ganze geschmachte und Gelaber über oberflächliche Wahrnehmungen von Jugendlichen die doch eigentlich noch dabei waren ihre Selbstfindungsphase überhaupt zu finden.
Im Grunde war da also noch gar nichts ausgereift, daher weder perfekt noch gutaussehend.
Klar, meine Meinung war vielleicht ein bisschen extremistisch, aber dafür ziemlich einleuchtend und begründet.
Denn wenn man schon mal eine Wahl zwischen einem 22 jährigen und einem 18 jährigen hätte, würde zumindest mir meine Entscheidung nicht schwer fallen. Nicht das ich in irgendeiner weiße scharf auf einen Freund war.
Rein hypothetisch, einen körperlich und geistig ausgereiften Mann würde ich da definitiv vorziehen. Daher kam mir dieses vorgeschwärme ziemlich unwirklich und vor allem unbedacht rüber. Aber zum Glück war das jedem seine Entscheidung, weshalb ich mich ohne schlechtem Gewissen diesen Gesprächen durch einen schnellen Kleiderwechsel entziehen konnte.
Als meine Nase endlich einen frischen Luftzug witterte anstatt einer Duftwolke aus Schweiß, Parfum und Deo, schulterte ich meinen Rucksack und meine Sporttasche und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle.
Da es Donnerstag war und nach der neunten Schulstunde, traf ich auch keine anderen Mitschüler. Das Schulgebäude war leer, genauso wie die Parkplätze davor. Da die meisten in meinem Alter einen Mopedführerschein besaßen musste ich auch als einzige zum Bus. Ich hätte ihn jetzt genauso haben können, hatte aber ehrlich gesagt überhaupt keine Lust gehabt mir einen zu besorgen. Diese Phase des „In-Seins durch Moped" ist wohl an mir vorbei gerauscht.
Was soll's.
Ich legte nicht so viel wert auf Mottos oder oberflächliche Werte, am Ende brachten sie mich eh nicht weiter. All die Mädels in meinem Alter die perfekt gestylt in die Schule kamen, ganz ehrlich, wo nahmen die früh die Zeit dafür her?
Ich schaffte es ja grade so mir mein Frühstück zu schnappen und zum Bus zu rennen, außerdem würde Make-up bei mir eh nicht viel verbessern können.
Das klang jetzt eindeutig verbitterter als beabsichtigt.
Im Bus hörte ich gerne Musik, vor allem wenn es welche von Michael Jackson war. Man konnte dabei sehr gut abschalten, wie ich fand. Warum jetzt genau er mein Lieblingssänger war konnte ich nicht sagen, wenn man mal bedachte das er immer Angesagt blieb kannte ich wenige in meinem Alter den ihn genauso gerne hörten wie ich.
Er war und blieb einfach Zeitlos. Und das für mich erst recht.
Leider lagen meine Talente weder im Singen noch im Tanzen. Doch selbst für einen unmusikalischen Menschen wie mir war es schwer bei seinen Liedern still sitzen zu bleiben oder wenigstens mit zu Summen.
Ein im Takt mit wippendes Bein und ein leichtes klopfen auf dem Fenstersims konnte ich mir leider nicht verkneifen.
Ich bin untröstlich.
Als der Bus an meiner Haltestelle ruckelnd zum stehen kam, schwang ich mich aus der Tür und ging den Fußweg entlang, der aus der nicht ganz so kleinen Stadt Nelson, die sich in der British Columbia befand, führte. Es war Anfang Oktober und das Wetter konnte man schon als eisig bezeichnen. Die Bäume der Allee zeigten ihre nackten Äste und die loosen Blätter verteilten sich auf den Straßen. Der kalte Asphalt schmückte sich durch die bunten Farben des Herbstes und den grauen, durch Wolken verhangenem Himmel.
Zu meinem Haus musste ich ca. eine viertel Meile laufen, doch so lange hier noch keine Berge von Schnee lagen, bot sich das nicht als Problem an.
In dieser Zeit konnte man gut darüber grübeln was den Tag über passiert war. In der Schule, im Bus oder im eigenen Kopf. Neue Gedanken überdenken oder verstörende Eindrücke verarbeiten. Meine Natur brauchte das, denn ohne diese Prozesse würden sich die neu angesammelten Energien nicht auflösen können, angestaut in meinem inneren würde ich irgendwann einfach explodieren. Und das meine ich nicht wörtlich, dies passierte eher im Sinne von Migräne.
Da ist mir das verarbeiten doch lieber, auch wenn es anstrengend war und viel Gegenarbeit vom Ego bedeutete.
Nach ungefähr zehn Minuten und vielen bösen Worten an Phillip, natürlich nur in Gedanken da ich mir im leben nicht vorstellen konnte so etwas jemals laut zu sagen, kam mein Haus in Sicht. Es war schon sehr alt, stand einsam zwischen Linden und Birken und wirkte verlassen und etwas kraftlos. Die großen Steine die sich nebeneinander in den Himmel türmten wurden halb von Schlingpflanzen verdeckt, als hätten sie den Kampf um den ersten Blick gewonnen.
Ein verrostetes zwei Meter Tor versperrte den Weg zu der Eingangstür, gefolgt von einer Mauer die schon auseinander bröckelte. Ein ungleichmäßig gepflasterter Weg führte durch den verwilderten Garten. Das eigentliche Haus an sich, versteckt unter einer Schicht herbstlichem Orange, war düster. Geschmückt durch große, mit Vorhängen geschützten Fenstern, einer verblichenem Holztür mit eingeschnitzten Schnörkeln und spitz zulaufendem Dach stach es aus dieser Gegend heraus. Von außen sah es nicht wirklich Lebensbejahend aus, eher nach einem eingestaubten Spukhaus.
Wenn man den Pfad, der von Hecken umgeben war überwunden hatte, stand man vor einer zweistufigen Treppe die mit Blumentöpfen beschmückt war. Die Haustür war zweiflüglig, mit einem kleinen Briefschlitz darin.
Ich steckte den großen, typisch alt aussehenden Schlüssel in das Schloss und drehte zwei mal. Mit einem schweren Klicken öffnete sie sich und schnell schlüpfte ich hindurch.
Innen drin waren die Wände in warmen Farben wie rot, grün, gelb oder orange gestrichen. Die immer kalten Fließen wurden etappenmäßig von dazu passenden Teppichen verdeckt und die großen massigen Möbel verliehen dem Gemäuer Gemütlichkeit. Ich fühlte mich schon von Anfang an heimisch in den hohen Räumen die durch die großen Fenster so viel natürliches Licht zuließen.
Aus Gewohnheit rief ich in die Leere hinein das ich nun zu Hause wäre, natürlich reagierte keiner. Meine große Schwester Mona war nur am Wochenende hier anzutreffen, mein kleiner Bruder Milan bekam vom realen Leben eh nicht viel mit und meine Mutti befand sich noch in der Stadt zum arbeiten.
Ich ging nochmal zwei Treppenstufen nach oben, hing meine Jacke auf und stellte meine Schuhe direkt darunter. Eine Tür weiter, die den sogenannten 'kleinen Flur' vom 'großen Flur' trennte, ging es zu der Holztreppe, ich stellte an Ihrem Fuß meine Taschen ab und ging dann gerade Wegs gegenüber davon in den nächsten Raum.
Es war ein Aufenthaltsraum, mit Sofa, kleinen Tisch und einem antiken Schrank in dem sich Weingläser, Sammelgeschirr und Süßigkeiten befanden. Wenn man nach links ging, kam man in die Küche, nach rechts in das Zimmer von Milan. Meist wurde diese Tür aber verschlossen gehalten, zu den Zimmern meines Bruders gab es noch einen anderen Eingang, der vom 'großen Flur' her aus zu erreichen war.
Mein kleiner Bruder, der jüngste in der Familie um das nochmal betonen zu dürfen, hatte als einziger zwei Zimmer. Ich und Mona mussten uns mit einem zufrieden geben. Warum das so war wusste ich nicht genau, aber weil man durch sein erstes Zimmer gehen musste um ins zweite zu gelangen, dachten meine Eltern wahrscheinlich das dies das beste wäre.
Von wegen, jetzt verbreiteten sich die Sachen meines Bruders noch schneller als sowieso schon, außerdem hatte er ja so noch mehr Platz um haufenweiße Berge von Spielzeug zu kaufen und zu lagern, obwohl es jetzt nicht mehr aus Autos und Dinosauriern bestand, sondern eher mit Computerspielen und stylischen Sportschuhen ersetzt wurde. Immer wenn sich die Gelegenheiten ergaben zog Milan mich mit diesem Vorteil seinerseits auf, dabei war ich stolze ein und einhalbes Jahr älter als dieser Raufbold.
In der Küche holte ich mir was zu trinken und schaufelte auf einen roten Keramikteller etwas Kartoffeln mit grünen Bohnen darauf. Ganz allein setzte ich mich an den riesigen viereckigen Tisch, der in der Mitte des Raumes stand und an dem mindestens zwölf Personen Platz gefunden hätten, zog meinen Laptop heran den ich heute Früh hier stehen ließ und fuhr in hoch.
Ich aß zu schnell, das tat ich immer. Danach war mein schlechtes Gewissen groß, vor allem wenn sich dieses stopfende Gefühl im Magen breit machte. Jedes Mal nahm ich mir vor es nicht zu tun, richtig zu essen und jede Facette der Gewürze auszukosten, gelingen wollte es mir nie.
Nachdem ich fertig war ging ich samt Laptop auf dem "Bad" von Michael Jackson lief, die Treppe nach oben den Flur entlang, vorbei am Bad und an Monas Zimmer in mein eigenes. Meine Wände waren in einem Verlauf von hell nach dunkelblau geschwämmelt, die Zimmertür wie auch die Balkontür waren aus massivem Holz, mein Bett aus schwarzen Metallstangen geflochten, welche vier mal zu einem Balken wurden die sich fast bis an die Zimmerdecke arbeiteten. Daran waren Vorhänge befestigt die in gedeckten afrikanischen Farben wie gelb und orange gehalten wurden und meine Liegefläche gemütlich abschotteten. Eine bunte Tagesdecke in rot, blau und orange rundeten das bunte Ensemble der verschiedenen Farben ab. Gegenüber war an der Wand eine Pompejanische Wandmalerei verewigt worden. Darauf waren kleine Bäume mit Mirabellen abgebildet, hier und da kleine Vögel. Ich hatte das mit 14 Jahren in einer Zeitung zu Inneneinrichtungen die immer beim Zahnarzt rumlagen entdeckt, fotografierte es ab und bat noch am selben Tag meinen Vater um diese Wandmalerei in meinem Zimmer. Am gleichen Wochenende fing er an es zu malen und war nach 3 Monaten erst fertig geworden.
Er konnte wirklich göttlich zeichnen.
Den Rest des Nachmittag verbrachte ich auf dem Bett, hörte weiter Musik und löste meine Hausaufgaben. Ich machte mir einen Lern-Plan für meine ersten Klausuren die in drei Wochen anstanden und hatte danach sogar noch Zeit meine Pflanzen im Zimmer und Balkon zu gießen und ein Buch anzufangen. Ich war gerade mit dem zweiten Kapitel zuende als es an meine Zimmertür klopfte. Ich beugte mich aus dem Hängesitz, der auf dem überdachten Balkon hing raus und rief leise:„Komm rein." Die alte Türklinge wurde nach unten gedrückt, kaum zuhörendem Knarren schwang die Tür auf. Nach mir suchend lief Milan in mein Zimmer. Sein suchender Blick fand meinen und erkam mit raus und lehnte sich gegen das Geländer.
Milan war schon immer ein großes Kind gewesen, auch jetzt überragte er mich bei weitem. Seine rabenschwarzen Haare hatten mal wieder einen Schnitt nötig den er eh niemals zulassen würde, er war stolz auf seine Schulterlange glatte Pracht. Ich hatte einige Zeit gebraucht um mich an den Gedanken zu gewöhnen das ich und mein kleiner Bruder die selbe Haarlänge trugen. Jetzt war es zum Glück nicht mehr der Fall, ich hatte sie wachsen lassen.
"Was denn los?" Ich klappte auffordernt mein Buch zu und legte es auf den kleinen blauen Metallhocker der neben mir stand und nahm mir dafür die dampfende Teetasse. Schulterzuckend drehte er sich von mir weg, lehnte sich nun mit den Unterarmen auf und schaute über den angrenzenden Wald und die Brge hinweg in den Wolkenverhangenden Himmel. Das Bild was er dabei abgab war surreal und doch poetisch.
„Ach, ich musste einfach mal aus mein Zimmer raus, sonst hätten mich meine Gedanken noch erdrückt. Ablenkung war dabei dann auch keine Option." Ich nahm ein Schluck von dem noch warmen Getränk und genoss wie es durch meinen Körper lief und die Kälte vertrieb. Lächelnd erwiederte ich nur "Hättest ja auch gleich sagen können, das du deine Familie brauchst." Bei Milan musste man enorm darauf aufpassen das er nich verschwand, im Seelischen Sinne. Oft haben ich und Mama mit ihm Kuscheln müssen damit er sich nicht in sich selbst verlor. In den letzten drei Jahren wurde es außerdem schlimmer. Jetzt fiel mir auch auf das er ausgemergelter aussah als sowieso schon. Sein ausgeleihertes T-shirt hang locker über seinem schlaksigem Körper und seine Augen waren rot unterlaufen mit tiefen Ringen darum, die Haare stumpf und seine typische rot braune Haut, die wir alle von Papa geerbt hatten wirkte trocken.
Schnell hüpfte ich aus der Schaukel und bedeutete ihm sich selbst hinein zusetzten. Er kam meinem Vorschlag nach und ich setzte mich danach schräg zwischen seine Beine und legte meine an den Stoff an. Dann fischte ich aus einer Hosentasche Kopfhörer heraus und hielt sie ihm hin. Als er sie sich in die Ohrmuschel gesteckt hatte, schloss ich es an mein Handy welches auch auf dem kleinen Tisch lag an und spielte "Paroles, Paroles" von Dalida ab. Ich fand einfach das es zu seinem Thema gerade passte, er anscheinend auch denn er find an leicht zu Grinsen und legte dann dankbar einen Arm um meine Schulter.
So blieben wir, bis der Geruch von Baguette und geschmolzener Kräuterbutter uns aufschreckte.
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