5 - Der Doktor kommt
Es waren ein paar Tage vergangen, seit ich Napoleon kennengelernt hatte.
Wir verstanden uns echt gut.
Allerdings war Napoleon meistens den ganzen Tag auf der Weide und so langweilte ich mich oft, wenn nicht Clint oder Natasha ab und zu mal bei mir vorbei schauten.
Momentan lag ich in meiner Box im Einstreu und genoss die Sonne, die durch das Fenster schien.
Ruhig atmete ich ein und aus und war gerade dabei weg zu dösen, als ich Schritte hörte, die den Stall betraten.
Genervt, in meiner Ruhe gestört worden zu sein, richtete ich mich auf und schaute zur Boxentür.
Dort erschien Clint und Natasha. Natasha hielt, schwenkend, ein rotes Halfter, mit weißem Fell, in die Höhe, damit ich es sehen konnte.
Clint öffnete die Tür und Natasha kam zu mir, streifte mir das rote Halfter über den Kopf und klickte den gleichfarbigen Strick in den passenden Ring.
Mit einem leichten zug am Strick bedeutete Natasha mir aufzustehen.
Achtsam stemmte ich mich auf meine Vorderbeine und mit einem Ruck der Rest meines Körpers.
Ausgiebig schüttelte ich mich, was dank der Schmerzmittel auch ging, ohne das es weh tat.
Mit wackligen Schritten lief ich auf Natasha zu.
Ich folgte ihr aus der Box heraus und auf den harten Boden der Stallgasse.
Lobend klopfte Natasha meinen Hals und ich schnaubte, da der Staub, der dabei aufgewirbelt wurde mir in der Nase kitzelte.
Natasha blickte kurz auf ihre, nun dreckige Hand, und führte mich dann langsam die Stallgasse entlang.
In dem Stall befanden sich drei Pferdeboxen, zwei davon waren von Napoleon und mir bewohnt und die letzte war mit Gerümpel vollgestopft.
Interessiert schaute ich mich überall um und versuchte mir jedes kleinste Detail dieser wuderschönen Welt einzuprägen.
★★★
Natasha hatte mich zu der Außenwand des Stalls geführt, an der ein dicker Holzbalken, mit eisernen Ringen daran, befestigt worden war.
Dort hatte sie mich festgebunden und war dann wieder im Stall verschwunden.
Kurz darauf kam sie mit einer blauen Kiste wieder. Die Kiste stellte sie neben mich und öffnete sie.
Sie holte eine Bürste heraus und begann meine Beine abzubürsten.
»Das kitzelt, lass das.«
Ich drehte mich, soweit der Strick es zuließ, zu Natasha und stupste sie an.
Doch sie machte weiter, also begann ich meine Beine wegzuziehen.
»Hey! Lass das.«
Natasha schaute mich streng an und bürstete weiter.
Ich riss mich zusammen und versuchte still zu stehen. Unruhig schwang mein Schweif hin und her.
Endlich hörte Natasha auf und tauschte die Bürste in der Box mit einem runden Gummistriegel.
Mit dem striegelte sie den Staub aus meinen Fell, damit es wieder schön glänzte.
★★★
Mittlerweile hatte ich mich auf drei Hufe verlagert und hatte den vierten auf die Hufspitze gestellt.
Meine Augenlieder waren nur noch halboffen und entspannt atmete ich ein und aus.
Natasha hatte mich auf Hochglanz poliert und stand nun dreckig, aber stolz vor mir und betrachtete mich.
Schließlich ging sie noch einmal zu dem blauen Putzkoffer, sie hatte mir erzählt, das es so hieß und holte ein komisches Ding heraus.
Es war eine Art kürzer Stab, der am Ende ein gebogenes Metallteil hatte und auf der anderen Seite einige grob aussehende Borsten.
»Was ist das?«
Vorsichtig beschnupperte ich das Teil.
»Das ist ein Hufkratzer.« erklärte sie mir, als hätte sie mich verstanden »Hiermit entfernt man Dreck und Steinchen von den Hufen, damit es dir beim Laufen nicht weh tut.«
Sie klopfte mir kurz den Hals, dann strich sie mit einer Hand an meinem Bein entlang.
Da ich dort immer noch kitzelig war hob ich mein Bein und Natasha hielt es fest.
Vorsichtig schabte sie mit dem Hufkratzer in meinem Huf herum und entfernte kleine Steinchen, festgetretene Erde und Einstreu aus der Box aus meinem Huf.
Den Vorgang wiederholte sie bei allen Hufen, bis sie am letzten angekommen war.
Dort schabte sie an einer Stelle besonders lange herum und schließlich setzte sich ein Stein frei, der sich verhakt hatte.
Obwohl ich den Stein nicht bemerkt hatte, war es eine Erleichterung ihn dort weg zuhaben.
★★★
Zusammen mit Natasha war ich wieder in den Stall gegangen, doch statt mich direkt in meine Box zu führen, liefen wir nun zum bestimmt fünften Mal die Stallgasse entlang.
Nach einer Weile hatte sich auch Clint dazugesellt und hatte telefoniert.
Nach der siebten Runde kam der bärtige Mann wieder, der auch bei meiner Ankunft da stand und laut Natasha der Tierarzt war.
Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck schaute er mir und Natasha beim hin und her laufen zu.
Ihrgendwann rief er, dass wir versuchen sollten zu traben und das taten wie dann auch.
Nach einer Runde war ich dann allerdings schon ganz schön erschöpft und atmete schnell.
Der Arzt, sein Name war Doktor Anderson, kam zu mir und wollte meine Wunde abtasten.
»Finger weg!«
Ich legte meine Ohren an und grummelte als Warnung.
Der Arzt ließ sich davon aber nicht abhalten und brachte seine Hand an meinen Bauch.
So schnell, dass keiner Reagieren konnte, hatte ich meine Zähne in sein kariertes Hemd gegraben.
Erschrocken machte der Doktor einen Satz und riss dabei sein Hemd auf.
Von Natasha bekam ich einen Klapps auf die Nase und einen sehr strengen Blick.
»Lass das, sonst bekommst du einen Maulkorb.« drohte mir Clint.
Dr. Anderson hatte sich von seinem Schrecken erholt und tastete wieder meinen Bauch ab.
Natasha hielt mich extra kurz am Halfter und Clint hatte sich zwischen mich und den Arzt gestellt und blickte mich böse an.
»Okay,« meinte Dr Anderson nach ein paar Minuten »Hier sieht alles gut aus. Ich lasse Ihnen noch ein paar Schmerzmittel da und wechsle noch mal den Verband, dann wäre ich fertig. Alles weitere können wir ja im Haus besprechen.«
Zusammen mit Clint verschwand der Arzt aus dem Stall.
Natasha hatte meinen Kopf zu sich gedreht.
»Du kannst nich einfach Leute beißen.«
Unschuldig schaute ich ihr in die Augen und ließ für den extra Effekt die Ohren hängen.
Sie seufzte und brachte mich zurück in die Box. Natasha rieb mich noch trocken, weil ich doch viel geschwitzt hatte. Danach konnte ich mich endlich ausruhen, indem ich ein Nickerchen machte und Heu mümmelte.
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