Kapitel 7 - Verlust
Kapitel 7 – Verlust
Lithael sah flehend zu Mithrandir hinauf, doch dieser schien den Kopf geschüttelt zu haben, zwar nur leicht, dennoch nicht unbemerkt von Lithael.
„Ihr ... vermögt Taudir nicht zu helfen?", fragte er zaghaft und sein Letzter Funken Hoffnung schien sich aufzulösen.
„Vermochte ich ihm zu helfen, hätte ich es bereits getan und wäre nicht stillschweigend aufgebrochen", erwiderte Mithrandir.
Lithael nickte, ohne wahrzunehmen, was er gerade tat. Natürlich hätte Mithrandir geholfen. Wie hatte er so dumm sein können daran zu denken, Mithrandir hätte Taudir die Hilfe willentlich verwehrt?
„Dennoch werde ich mit Euch zurückkehren, vielleicht vermag ich es, seine Schmerzen ein wenig zu lindern." Mithrandir versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln und er schien sich auch nicht mit dem Schicksal des Elben abfinden zu wollen. Lithael nickte dankbar und schwang sich wieder auf sein Pferd.
„Maethor, nehmt mein Pferd, das Eure scheint mir den Weg hierher in hoher Geschwindigkeit zurückgelegt zu haben und eine Pause zu brauchen."
Lithael sah den Dúnadan erstaunt an, jedoch hielt er dessen Angebot für sehr sinnvoll und nahm dankend an. Aragorn überreichte ihm die Zügel des Hengstes und nannte Lithael seinen Namen, Bregolas.
Sogleich trieben Mithrandir und Lithael ihre Pferde an und waren schon bald hinter der Biegung des Elbenwegs verschwunden, und nur die dumpfen Laute der Hufe zeugten noch von ihrer Existenz.
Schweigend stieg Aragorn auf das Pferd des maethor, dann begaben auch er und Legolas sowie die Wächter, die alles mit stummem Erstaunen verfolgt hatten, sich auf den Weg zurück.
*
Lithael und Gandalf spornten ihre Pferde zu Höchstleistungen an und Gandalf wünschte sich einmal mehr die Geschwindigkeit Schattenfells. Er schollt sich einen Narren, dass er nicht früher daran gedacht hatte, Taudir wenigstens die Schmerzen, die den Elben sicher quälten, zu nehmen. Dennoch ließ sich daran nun nichts mehr ändern und er konnte nur noch versuchen, den kranken Elben so schnell wie möglich zu erreichen.
Die Bäume schienen vorüber zu fliegen, Gandalf nahm kaum den Weg vor sich und Lithael wahr, er verließ sich auf die Trittsicherheit seines Pferdes.
Bald, so kam es Gandalf vor, hatten sie den Palast wieder erreicht. Die Pferde wurden von ellyn übernommen und versorgt und Lithael und Gandalf hasteten zu den Hallen der Heilung. Lithael eilte voraus und wies Gandalf den Weg zum Zimmer Taudirs. Nestaron befand sich bei dem Elben, wischte ihm den Schweiß von der Stirn und flößte ihm immer wieder Wasser ein. Erstaunt sah er auf, als Lithael und Mithrandir eintraten.
„Ihr seid schnell zurückgekehrt, Lithael", begrüßte er den Wächter.
„Hîr Aragorn stellte mir zur Rückkehr sein Pferd zur Verfügung, sodass Mithrandir und ich den Weg in höchster Eile und Geschwindigkeit zurücklegen konnten.
„Und Mithrandir, vermögt Ihr Taudir zu helfen?", fragte Nestaron leise.
„Ich fürchte, ich kann ihn nicht heilen. Jedoch kann ich seine Schmerzen lindern", antwortete Gandalf und ging zum Bett.
„Das mag Taudir wohl erleichtern", meinte Nestaron. „Es tut mir leid, jedoch muss ich mich um weitere Verletzte kümmern. Ich überlasse Taudir Euch und bete zu Elbereth, dass es Euch gelingen mag, ihn von seinen Qualen zu erlösen." Der Elb legte kurz die rechte Hand an die Brust, dann verließ er den Raum und schloss leise die Tür.
Nun nahm Gandalf auf dem Stuhl platz. Er lehnte seinen Stab gegen die Wand und legte eine Hand auf Taudirs Stirn. Es war ganz still in dem kleinen Zimmer. Lithael hörte, dass Mithrandir Beschwörungen auf Quenya murmelte. Er schloss sich den Beschwörungen auf Sindarin an, jedoch vermochte er selbst nichts zu ändern, weshalb er Elbereth um Gnade mit Taudir anflehte.
Auf einmal hörte er, wie Taudir tief einatmete. Er sah den Freund lange an und bemerkte, dass dessen Atemzüge gleichmäßiger geworden waren und vielleicht auch tiefer. Die unruhige Bewegung seines Körpers hatte nachgelassen und auch die Augen rollten nicht mehr unter den Lidern.
„Mithrandir, habt Dank für Eure Hilfe", sagte Lithael und verbeugte sich tief vor dem Istar.
„Es war mehr als meine Pflicht, das zu tun, er wurde verletzt, um mich zu schützen. Ihr seid mir nichts schuldig", antwortete der Istar. „Ich werde mit Euch hierbleiben, bis sich etwas verändert, ob zum Guten oder zum Schlechten, auch wenn ich Frodo dann noch länger alleine lassen muss." Lithael sah Gandalf an. Seine Augen strahlten eine unaussprechliche Dankbarkeit aus, die Gandalf unwillkürlich ein leichtes, gutmütiges Lächeln entlockte.
*
Viel später als Gandalf und Lithael erreichten Aragorn, Legolas und die maethoer die Hallen des Waldlandreiches. Auch ihre Pferde wurden von jungen ellyn versorgt. Die Sonne stand mittlerweile hoch über dem Wald und ihre Strahlen erreichten den Boden.
„Maethoer, morgen, so denke ich, werden Mithrandir und Aragorn tatsächlich abreisen. Haltet euch bereit, ich werde euch zu gegebener Zeit holen lassen", sagte Legolas zu den Wachen. Diese verbeugten sich, dann eilten sie weg, ihren täglichen Pflichten nachzukommen.
„Nun, Estel, Taudir vermögen wir nun nicht mehr zu helfen. Doch sollten wir die Zeit, die wir auf so schmerzliche Weise erkauft haben, nicht ungenutzt verstreichen lassen. Erzähle mir etwas über die Hobbits, deren Landes Grenzen du so eifrig schützt. Ich wünsche mehr über sie zu erfahren, seit Mithrandir mir berichtete, was sich zurzeit im Besitz eines Hobbits befindet." Legolas vermied es, vom Herrscherring zu sprechen; Elben hatten manchmal ein zu feines Gehör und viele waren bei der Schlacht gegen Sauron dabei gewesen.
„Gut, mellon nín, doch lass uns das nicht hier draußen tun."
„Nein, in der Tat, das wäre nicht sehr klug." Legolas führte Aragorn durch die weiten Hallen, bis sie einen kleinen Garten im Herzen des Palastes erreichten. Obwohl die Luft kalt war, setzen sich Aragorn und er nebeneinander auf die Stufen, die aus dem Palast hinunter in den Garten führten, und Legolas hörte Aragorns Bericht über die Hobbits aufmerksam zu.
*
Kein Laut war zu hören in dem kleinen Zimmer außer Taudirs Atemzüge. Und auch diese schienen immer flacher zu werden. Gandalf stand stumm am Fußende des Bettes, Lithael hatte wieder neben seinem gwador platzgenommen und lauschte auf jedes Geräusch, dass dieser von sich gab. Die Atemzüge Taudirs lagen immer weiter auseinander. Lithael spürte einen leichten Druck an der Hand, die die Taudirs festhält, dann verstummten alle Geräusche. Lithael schien Taudir kurz fassungslos anzusehen, dann begriff er langsam. Vorsichtig platzierte er die Hände des Freundes, die rechte auf der Brust, dann küsste er ihn auf die Stirn. „Namarië, mellon, gwador nín, möge Mandos dich mit Wohlwollen in seinen Hallen aufnehmen", flüsterte er. Tränen sammelten sich in seinen Augen, ein großer Schmerz riss an seinem Herzen.
„Namarië, tirn veren en Eryn Lasgalen." Gandalf verneigte sich nach Art der Elben vor dem Mann, der sein Leben gab, um sein eigenes zu bewahren. „Sorgt Euch nicht, Lithael, Euer Freund war tapfer. Er wird den Weg in Mandos' Hallen finden und dort in Ehren leben können", versuchte Gandalf, den aufgelösten Elben zu beruhigen.
„Ich danke Euch, Mithrandir, für Euren Beistand. Ich wäre Euch dennoch sehr verbunden, wenn Ihr mich nun alleine ließet, damit ich Taudirs Körper würdig für das Begräbnis vorbereiten kann", brachte Lithael mit annähernd fester Stimme hervor. Gandalf drückte dem Elben die Schulter, dann verließ er den Raum.
*
Es war bereits dunkel, als Legolas und Aragorn wieder in die Hallen zurückkehrten.
„Ich danke dir für den ausführlichen Bericht, mellon", meinte Legolas und Aragorn lacht.
„Gerne, ich habe dieser Zeit doch nichts anderes zu tun, warum also nicht meinen ungebildeten Elbenfreund ein wenig über die Völker Mittelerdes aufklären?" Legolas sah Aragorn sprachlos an.
„Mein lieber Estel, das ..." Legolas fielen keine Worte ein, zumal Aragorn ja recht hatte. Er hatte sich nie viel um das kleine Volk geschert.
„Nun beruhige dich", lachte Aragorn und klopfte Legolas freundschaftlich auf die Schulter, „du kannst auch nicht alles wissen."
„Ja, da hast du vermutlich recht", gab sich Legolas geschlagen. „Nun kannst du doch noch eine Nacht länger die Behaglichkeit der elbischen Betten genießen, aber morgen brechen wir auf."
„Es wird wohl höchste Zeit sein, Gandalf will Frodo so schnell wie möglich erreichen."
„Nun denn, gehe und ruhe, der Tag morgen wird anstrengend genug." Legolas begleitete Aragorn noch bis zu dessen Kammer, dann verabschiedete er sich und machte sich auf den Weg zu seinen Gemächern. Bald vernahm er Schritte hinter sich.
„Ernil nín!" Legolas hielt an und drehte sich um. Ein ellon, der Kleidung nach zu urteilen einer der Heiler, stand hinter ihm und verbeugte sich schnell, als er den Blick des Prinzen auffing.
„Erhebt Euch und sprecht. Warum sucht Ihr mich zu so später Stunde noch auf?"
„Hîr nín, der Wächter, der mit Euch fortging, Aragorn und Mithrandir entgegen ..."
„Ja? So sprecht, was ist mit ihm?"
„Hîr nín, seine fae ist in Mandos' Hallen eingegangen."
Legolas schloss kurz die Augen, dann fasste er sich und setzte wieder seine kühle Maske auf. „Ich ... danke Euch. Geht nun, ich hörte, viele andere sind auch verletzt und benötigen Hilfe." Der Heiler verneigte sich und verschwand. Legolas änderte nun die Richtung und suchte erneut das Zimmer auf, in dem Taudir bis zuletzt geruht hatte. Als er klopfte und dann eintrat, war wieder nur Lithael in dem Raum, doch anscheinend schon länger, denn Taudirs Körper schien gewaschen, ein edles Gewand bedeckte ihn, das Haar ist kunstvoll geflochten, der Bogen fest in seiner Hand.
„Ich ..." Legolas brach ab, als er die geröteten Augen Lithaels sah. Dann wendet er sich zunächst dem Verstorbenen zu und legt die Hand an die Brust. „Namarië", flüsterte er, „Ihr wart wahrlich einer der Tapfersten."
„Ich danke Euch, dass Ihr gekommen seid", sagte Lithael leise.
„Ich werde auch dem Begräbnis beiwohnen", versprach Legolas. „Er hat es sich wahrlich verdient." Lithael nickte stumm.
„Morgen findet es statt, in aller Frühe, wenn die Sonne den Wald berührt." Legolas nickte, dann legte er Lithael kurz tröstend die Hand auf die Schulter, bevor er den Raum verließ.
Schnell eilte Legolas in den Thronsaal. Entgegen seiner Vermutung war Thranduil noch hier. Er schien einmal mehr dem Bericht einer Wache zuzuhören. Legolas wartete in einer der jetzt zur Nacht vielen dunklen Ecken der gewaltigen Halle, wenig Lust hatte er, heute noch eine weitere erschreckende Nachricht zu hören. Endlich entfernte sich der Wächter, er verließ den Thronsaal, ohne Legolas zu bemerken.
„Anhall-i-thirn, tretet nähre, wenn Ihr etwas zu berichten habt", ertönte Tranduils Stimme. Natürlich hatte er gesehen, dass Legolas den Saal betreten hatte, nichts entging dem Herrscher des Düsterwaldes. Also verließ Legolas den Platz im Dunkel und stieg hinauf zum Thron des Vaters. Während er die Stufen überwand, blickte er sich aufmerksam in der Halle um, doch kein Elb war zu sehen. Dementsprechend kurz und nachlässig fiel die Verbeugung vor Thranduil aus.
„Ich habe nichts zu sagen, was hier besprochen werden müsste", sagte Legolas und Thranduil nickte kurz. Hinter seinem Sohn stieg er die Treppe hinunter und gemeinsam verließen sie die gewaltige Halle.
Kaum hatte Legolas die Tür zum privaten Flügel geschlossen und Thranduil die Krone abgenommen, fing Legolas an zu sprechen.
„Adar, der Wächter, von ich dir berichtetet, ist heute Nachmittag verstorben." Abrupt bleibt Thranduil stehen.
„Tirn Taudir ist tot?"
„Ja, er ist, so wurde mir berichtet, friedlich eingeschlafen, nachdem Mithrandir ihm die Schmerzen genommen hatte."
„Ein wahrlich großer Verlust", meinte Thranduil nachdenklich, „kämpfte er doch bereits vor dreitausend Jahren tapfer und bewahrte mehr als nur den ein oder anderen vor dem Tod."
„Er hat bereits an dieser Schlacht teilgenommen?"
„So ist es. Und im Gegensatz zu anderen hat er Befehle eingehalten, die man ihm gab." Wehmütig dachte Thranduil an Oropher, der nur seines Stolzes wegen der Tod ereilt hatte.
„Ich habe den Tod eines solchen Kriegers verursacht!" Legolas schlug mit einer Faust gegen die Wand. „Ich alleine!" Thranduil trat hinter seinen Sohn und drehte ihn sanft wieder zu sich. Legolas ließ den Arm sinken und starrt zu Boden.
„Du weißt, dass du einen Fehler gemacht hast, ion nín. Ich weiß es auch. Dennoch bist du besser als es mein Vater war, vielleicht besser, als ich es bin. Denn du tatest dies, um zu beschützen, und nicht aus Stolz. Du musst lernen, die Folgen dessen zu sehen, was du tust, doch deine Taten sind von dem Willen beherrscht, alles und jeden zu schützen. Es ist wichtig, dass du aus dem lernst, was du getan hast."
Legolas sah seinen Vater lange an, bevor er antwortete. „Aber dennoch ist Taudir tot. Ich habe nichts unternommen, ich war hilflos, als es geschah, und ich war nun hilflos!" Wut und Verzweiflung spiegelten sich in seinem Gesicht.
„Ruhig, hên nín, ruhig. Lass Wut und Verzweiflung nicht über dich bestimmen. Du musst bei klarem Verstand sein, wenn du morgen Aragorn und Mithrandir sicher durch den Wald begleiten willst."
„Es tut mir so leid. Ein Elb ist meinetwegen gestorben, ein zweiter hat seinen gwador verloren", sagte Legolas leise. „Vielleicht bin ich überhaupt nicht fähig, einen so hohen Posten wie den des Hauptmannes einzunehmen."
Thranduil schüttelte den Kopf, dann nahm er Legolas in die Arme. Als er ihn so festhielt, fragt er sich, wann er seinem Sohn das letzte Mal auf diese Weise gezeigt hatte, wie sehr er ihn liebte. Es war sicher schon lange her.
„Sicher war es ein Fehler, ion nín, doch du gewinnst nichts, wenn du jetzt verzagst und an dir selbst zweifelst. Ich kann mir keinen fähigeren Hauptmann vorstellen als dich. Du sollst stärker werden, um ein andermal Elben vor dem Tod zu bewahren."
***
Ellyn: Plural von ellon
Namarië, mellon, gwador nín: Lebe wohl, Freund, mein Bruder.
Namarië, tirn veren en Eryn Lasgalen: Lebe wohl, tapferer Wächter des Düsterwaldes.
Hên: Kind
Ellyn: Plural von ellon
Namarië, mellon, gwador nín: Lebe wohl, Freund, mein Bruder.
Namarië, tirn veren en Eryn Lasgalen: Lebe wohl, tapferer Wächter des Düsterwaldes.
Ernil: Prinz
Hên: Kind
***
Das war's auch schon wieder. Ich hoffe, es hat euch – trotz der nicht ganz so sonnigen Handlung – gefallen. Ich bin sehr gespannt auf eure Meinungen, auch was die letzte Szene betrifft, also traut euch, ich werde mich wahnsinnig über jedes einzelne Review freuen!
Liebe Grüße
Annaeru
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top