Kapitel 13 - Abschied
Die Zeit bei seinem gwador hat Thranduil gutgetan, auch wenn seine Pflichten ihn viel zu früh in den Palast zurückgerufen haben. Doch seine Seele ist leichter geworden, sie scheint beinahe ein wenig der Unbefangenheit des kleinen Gildin angenommen zu haben. Erst jetzt, wo Eliel wieder hier ist, fällt Thranduil auf, wie sehr er ihm gefehlt hat. Der Sinda ist ihm schon seit er denken kann ein Freund, sie sind gemeinsam geflohen, sie sind gemeinsam von Doriath nach Lindon gezogen und schließlich weiter nach Rhovanion, haben gemeinsam die langen Reise bestritten, haben gemeinsam geholfen, das neue Reich Orophers aufzubauen. Und Eliel hat ihn aufgefangen, zuerst, als sein Vater gefallen ist, dann, als seine Mutter wegen der Trauer um ihren Mann geschwunden ist, und zuletzt, als seine Frau gefallen ist, als sich der Schatten aus Dol Guldur ausgebreitet hat.
Thranduil kommt zu dem Schluss, dass er ohne Eliel wohl nicht mehr in Mittelerde weilen würde, doch lenkt er seine Gedanken schnell auf erfreulichere Erinnerungen. Ihm kommen laue Abende in den Sinn, die er mit Eliel und seiner über alles geliebten Frau draußen bei einem guten Wein verbracht hat, singend, lachend, scherzend, später dann haben sie ihre Kinder beim Spielen beobachtet und einander derweil Geschichten aus längst vergangenen Zeiten erzählt, doch sind sie nie zu einem Ende gekommen, denn immer haben sie einander unterbrochen, um noch eine komische Begebenheit zu erzählen, bis schließlich die Nacht ganz hereingebrochen war und sie die Sterne betrachtet hatten. Manchmal hat seine Frau dann ihre Harfe geholt und sie haben gemeinsam gesungen, die müden Kinder in den Armen haltend. Wie oft war Legolas während des Sommers unter dem Sternenzelt Mittelerdes beim Klang der Harfe und vierer Stimmen in Thranduils Armen eingeschlafen, immer mit einem unschuldigen kindlichen Lächeln auf den Lippen.
Unweigerlich stiehlt sich bei dieser Erinnerung auch auf Thranduils Gesicht ein Lächeln. Wie sehr hat er diese Zeit genossen, obwohl ihn manchmal die Trauer überfallen hatte, dass sein Vater und seine Mutter all das nicht miterleben hatten können. Doch das Glück über das Geschenk, das ihm und seiner Frau zuteil geworden war, hatte die Trauer besiegt.
Da fällt ihm ein, dass die Männer, die er seinem Sohn hinterhergeschickt hat, noch nicht zurückgekehrt sind. Kälte legt sich über sein Herz und er springt vom Schreibtisch auf, auch wenn er nicht weiß, wohin er gehen soll. Schließlich macht sich Thranduil auf den Weg zum Tor, in der Hoffnung, dort etwas über die Männer zu erfahren. Die Wächter sind erstaunt, ihn dort zu sehen, nicht oft führen ihn seine Schritte zu ihnen. „Maethoer, habt Ihr Kunde von den Männern, die ich vor zwei Tagen ausschickte?", beginnt er das Gespräch, ohne auf die üblichen Formalitäten einzugehen.
„Aran nín, sie sind gestern gemeinsam mit der Gruppe aus Imladris zurückgekehrt. Man wollte Euch benachrichtigen, doch Ihr wart nicht mehr aufzufinden. Sie hatten einen Verletzten einer Patrouille bei sich, darum hat sich ihre Ankunft verzögert. Doch der Tag ist noch jung, sicher wird Euch einer der Männer aufsuchen, wenn sich die Sonne zeigt", gibt eine der Wachen Auskunft. Thranduil bedankt sich und kehrt zurück in die Tiefen seiner Hallen. Dort warten noch einige Dinge auf ihn, das neue Handelsabkommen zwischen Thal und dem Düsterwald ist nur eines davon.
Es sind seltsame Zeiten, und seltsame Zeiten erfordern neue Vereinbarungen, ein ganzer Berg an Unterlagen erwarten ihn. Die Königswürde bringt kaum mehr Vorteile als Nachteile mit sich, das muss Thranduil immer wieder erfahren. Als er die Tür zu seinem Arbeitszimmer schließt, muss er daran denken, wie unbedarft er früher gewesen ist. Er hat sein Dasein als Kronprinz als sehr angenehm empfunden, er hat nie wirklich damit gerechnet, das Amt seines Vaters antreten zu müssen. In seiner Vorstellung ist sein Vater immer der Herrscher des Grünwaldes gewesen, er selbst konnte ein recht unbeschwertes Leben genießen. Doch das Dunkel, das Böse aus Mordor hatte seine Vorstellung, seine Hoffnung vernichtet in dem Moment, in dem sein Vater gefallen ist.
Thranduil schüttelt den Kopf, versucht, den Schatten des Ostens aus seinem Herzen zu verbannen. Er nimmt die Krone vom Kopf und legt den Umhang ab, bevor er sich wieder an seinen Schreibtisch setzt. Heute wird ihn eh kaum jemand sehen.
Gerade hat er damit begonnen, die von Thal vorgeschlagenen Bedingungen durchzuarbeiten, als es an der Tür klopft. Resigniert lässt er die Feder sinken. Er braucht Ruhe, um das Vertragswerk durchzusehen, die Menschen sind gerissen, wenn es darum geht, sich Handelsvorteile zu verschaffen. Dennoch bittet er den Elben herein, erhofft er sich doch Neuigkeiten von seinem Sohn.
„Aran nín, ich bringe Kunde von ernil Legolas", beginnt der Wächter und Thranduil fordert ihn auf, rasch weiterzusprechen.
„Er ist Euch dankbar, dass Ihr ihm Männer hinterhergeschickt habt, doch es geht ihm bis auf eine Wunde am Kopf gut. Er wird Mithrandir und Aragorn noch bis zur Alten Furth begleiten, dann wird er zurückkehren. Er sollte in zwei, spätestens drei Tagen wieder hier sein."
Thranduil schließt kurz die Augen und atmet erleichtert auf. Legolas geht es gut.
„Ich danke Euch, maethor." Damit entlässt er den Mann.
Gedankenverloren sieht er aus dem Fenster, die Arbeit, die auf ihn wartet, liegt unberührt vor ihm. Draußen hat der Frühsommer längst alle Pflanzen und Tiere in seine warme Umarmung geschlossen, jedes Jahr entspringt dort neues Leben, junges Leben. Thranduil wird auf einmal schmerzlich bewusst, wie alt er schon ist. Seine Erinnerungen reichen weit zurück, weiter als die der meisten lebenden Wesen, die noch in Mittelerde wandeln. Nur wenige leben hier, die sich des ersten Zeitalters erinnern, der Könige, die damals geherrscht haben, mächtige Könige, grausame Könige. Viele derer, derer sich Thranduil noch gut erinnern kann, sind für andere nur noch Legenden, Mythen, Helden früherer Zeiten.
Er erblickt ein Rotkehlchen, das draußen vor seinem Fenster sitzt. Er steht auf, öffnet das Fenster und streckt die Hand nach draußen. Der kleine Vogel legt den Kopf schief, sieht ihn kurz aus schwarzen Augen an und hüpft dann auf seine Handfläche. Thranduil streichelt vorsichtig das Gefieder des Tieres. Es ist so klein und doch so unermüdlich. Doch sein Leben ist kurz, so wahnsinnig kurz, dass es Thranduil, wenn er sich an das zurückerinnert, was er bereits erlebt und getan hat, nicht länger vorkommt als ein Wimpernschlag.
Das Rotkehlchen reibt seinen kleinen Kopf an Thranduils Daumen, sieht ihn noch einmal an und flattert dann davon, hinein in die Tiefen des Waldes. Thranduil lächelt, während er dem Vogel hinterher sieht. Ein lauer Windhauch weht in sein Arbeitszimmer, und er beschließt, das Fenster offen zu lassen, die Natur nicht auszusperren, und setzt sich wieder an den Tisch. Doch seine Gedanken kommen nicht zur Ruhe, und diese Ruhe bräuchte er eigentlich, um seine Arbeit gewissenhaft auszuführen. Noch immer weilen seine Gedanken in der Vergangenheit, in längst vergessenen, besseren Zeiten, damals, bevor sich der Schatten Saurons und später Dol Guldurs über seine Lande ausbreitete. Sie gehen zurück bis zu König Thingol, bis nach Doriath. An alles kann er sich erinnern, sieht Farben und Banner vor sich, die Pracht der Elben, und gleichzeitig erscheint ihm diese Zeit so unendlich weit weg. Er weilt schon eine unvorstellbar lange Zeit auf Arda, und auch wenn man es seinem Körper nicht ansieht, fühlt er sich manchmal sehr alt.
Er sorgt sich noch immer um seinen Sohn, als wäre dieser ein ungestümer Elbling, doch auch Legolas wandelt schon eine große Zahl an Menschenjahren in Mittelerde, er weiß viel, er hat viele Fähigkeiten, ist längst kein Junge mehr, sondern ein maethor, wie so viele andere Elben seines Reiches. Er kann meisterhaft mit seinem Bogen umgehen, besser, als Thranduil es jemals gekonnt hat. Er denkt an jene Zeit zurück, in der er Legolas all das beigebracht hat, soweit er es vermochte. Das lange, weiße Messer, das er seinem Sohn damals zum Erreichen der Volljährigkeit geschenkt hat, trägt dieser noch immer stets bei sich und hat im Lauf der Jahre gelernt, vortrefflich damit umzugehen.
Seine Frau ist nie eine Kriegerin gewesen, sie hat Legolas das Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht, hat seine Liebe zu alten Geschichten und Liedern geweckt. Gemeinsam haben sie ihm Westron und ein wenig Quenya beigebracht. Doch als er seinen ersten kleinen Bogen geschenkt bekommen hat, ist er nicht mehr zu halten gewesen. Den ganzen Tag hat er auf dem Übungsplatz verbracht. Thranduil erinnert sich gut daran, dass er in diesen Tagen nur sehr selten etwas anderes getan hat, als seinem Sohn beim Schießen zuzusehen, ihm die Armhaltung und alles andere beizubringen. Anfangs hat Legolas abends über Blasen an den Fingern geklagt, doch mit der Zeit haben sich seine Finger an die Bogensehne gewöhnt. Dann ist er über jeden Pfeil zornig gewesen, der sein Ziel nicht in die Mitte der Zielscheiben gefunden hat, egal aus welcher Entfernung er geschossen hat.
Dann kam der tiefe Einschnitt in ihrer beider Leben, Tage, Wochen und Monate, in denen Legolas den Bogen nicht ein einziges Mal angefasst hat, in denen er geweint hat und abends mit den Büchern im Arm eingeschlafen ist, die seine Mutter ihm vorgelesen hat. Irgendwann hat er begonnen, sich mit dem Schießen abzulenken, wieder hat Legolas Tage um Tage draußen verbracht, hat mit niemandem gesprochen außer mit Thranduil.
Und irgendwann hatte er den Punkt erreicht, an dem kaum jemand mehr an ihn heranreichen konnte, an dem er selbst begonnen hat, jüngeren und auch einigen älteren Elben die Kunst des Bogenschießens beizubringen. Sie wäre stolz auf ihren Sohn gewesen.
Thranduil ballt die Hand zur Faust, als er einen Stich in seinem Herzen spürt, die tiefe Wunde dort ist nie verheilt und sie wird auch nie heilen.
Thranduils Blick fällt auf die Papiere, die vor ihm liegen. Er steht auf, holt sich einen Kelch und eine Karaffe mit Dorwinion-Wein. Als er einen Schluck nimmt, wird ihm bewusst, wie lange er sich keine Ruhe mehr erlaubt hat. Die Jagd draußen im Düsterwald ist mit jedem Jahr gefährlicher geworden, der Schatten Dol Guldurs lässt sich kaum noch zurückdrängen. Und für sein Vergnügen setzt Thranduil nicht das Leben seiner Männer aufs Spiel. Nach einem weiteren Schluck richtet er seine Gedanken wieder auf das Abkommen mit Thal. Die Menschen sind ungeduldig.
*
Lithaël blickt auf den kleinen Erdhügel, unter dem Taudirs Körper liegt. Beinahe jeden Tag ist er hier, kümmert sich um das Grab und sorgt dafür, dass der Sämling zu einem Baum heranwachsen kann. So viele Bäume stehen hier, so viele gefallene Elben. Eine unbestimmte Traurigkeit kommt über Lithaël, die nur teilweise in der Trauer um seinen gwador begründet liegt.
Viele Männer liegen hier, und beinahe ebenso viele Frauen, die meisten geschwunden nach dem Tod ihres Liebsten. Und sogar ein paar Kinder, Elblinge, die noch lange nicht erwachsen waren, sind an Trauer zugrunde gegangen. Lithaël kniet nieder und schließt die Augen, beginnt in seinen Gedanken ein Gebet, das sich irgendwann im Gesang seinen Weg nach draußen sucht. Er singt sich all seinen Schmerz von der Seele, seine Stimme verklingt, nur gehört von Tieren und Pflanzen, im Wald. Er ist sicher, Elbereth wird ihm zuhören, wird seinen Wunden helfen zu heilen.
Die Sonne, die durch die grünen Blätter ihre Strahlen zu Boden schickt, passt nicht zu Lithaëls Stimmung, sie passt nicht zu der lauernden Gefahr, der sie alle ausgesetzt sind. Jetzt, zur Mittagszeit, wenn die Sonne ihren höchsten Stand am hellblauen Himmel erreicht, ist die ganze Ruhestätte der Elben in goldenes Licht getaucht, das Grün des Grases und der anderen Pflanzen wirkt kräftiger und frischer als zu anderen Tageszeiten, verspricht Leben, auch dort, wo der Tod liegt.
Als Lithaël die Augen wieder öffnet, fühlt er sich leichter. Wie lange er von seiner Trauer gesungen hat, weiß er nicht, Zeit spielt für ihn an diesem Ort keine Rolle. Doch die Sonne steht tiefer als vorhin, das Grün scheint wieder matter. Langsam erhebt er sich und sein Blick fällt auf einen einzelnen anderen Elben, dort, weit hinten, am anderen Ende des Gräberfelds steht er, die Sonne lässt sein Haar golden schimmern. Lithaël erkennt sein Gesicht nicht und auch an der Kleidung lässt sich sein Stand nicht erkennen, und doch weiß er, dass dort hinten sein König steht. Dort, an der Stelle, an der die Königin liegt. Thranduil selbst kümmert sich um die Bäume, die auf den Gräbern seiner Mutter und seiner Frau wachsen, und um die Buche, die an aran Oropher erinnert, dessen Körper nie ins Waldlandreich zurückgebracht worden ist. Nie hat er jemand anderen mit dieser Aufgabe betraut.
Lithaël wendet sich wieder Taudirs Grab zu, doch er sieht noch, wie sich auch Thranduil auf die Knie sinken lässt, und ein Schauer durchfährt ihn, als des Königs Gesang über das Feld getragen wird. Lithaël versteht die Worte nicht, die Thranduil singt, es sind Worte auf Quenya, einer Sprache, die Lithaël nie gelernt hat, doch er spürt das, was diesen Worten innewohnt.
Noch ein wenig verbleibt er am Grab Taudirs, hört der Stimme des Königs zu, lässt die Trauer, die die Worte hervorrufen, zu. Doch irgendwann löst er seinen Blick von dem kleinen Hügel, der noch nicht mit Grün bedeckt ist, und verlässt die Ruhestätte der Elben leise, ohne dass sein König es bemerkt. Vielleicht hat er nicht einmal gemerkt, dass er nicht allein war.
Lithaël braucht noch einen Moment, um aus der Stille wieder zurückzukehren in die Gegenwart, in der er ein Krieger des Waldlandreiches ist. Sein Dienst beginnt heute bei Sonnenuntergang. Sein Geist ist ruhelos, doch er will keine Stille mehr. Schnell macht er sich auf zur Wachstube an den Toren der Hallen, dort sind seine Gefährten, die seine Gedanken in andere Richtungen lenken werden, weg von Trauer und Tod.
Auf dem Weg trifft er auf Tulkastor.
„Lithaël, ich grüße Euch!"
„Ich Euch ebenso, Tulkastor. Sagt, nun, da Ihr herausgefunden habt, jammert dieses Geschöpf noch immer so sehr?", fragt Lithaël. Tulkastor lacht.
„Sein Gebaren beim Verspeisen des Fisches ist beinahe schlimmer als die ewigen Selbstgespräche. Seine Zähne sind faul, und wenn er sie in den rohen Fisch bohrt, graut es mich."
„Warum seht Ihr ihm beim Essen zu?"
„Das war ein Fehler, in der Tat. Ich war zu neugierig, ob Gollum den Fisch wirklich isst und uns nicht nur hinters Licht geführt hat."
Lithaël nickt verstehend.
„Und nun, da ich dieses Gebaren gesehen habe, werde ich mich immer daran erinnern. Manchmal wäre die Gabe der Menschen, vergessen zu können, wirklich ein Geschenk." Lithaël lacht.
„Da habt Ihr recht, Tulkastor. Euer Dienst ist zu Ende?"
„So ist es. Ich bin auf dem Weg nach draußen, um die Finsternis und die abscheulichen Erinnerungen von dort unten zu verdrängen."
„Die Ablenkung suche auch ich, doch ich komme von draußen. Ihr habt sie mir gegeben, und dafür bin ich Euch sehr dankbar." Tulkastor lächelt und die beiden verabschieden sich voneinander, sie setzen ihre Wege in unterschiedliche Richtungen fort.
*
Als sie die Alte Furt erreichen, lässt Legolas seine Männer anhalten.
„Estel, hier trennen sich unsere Wege. Ihr setzt euren Weg nach Westen fort, über den Anduin und das Nebelgebirge, meine Männer und ich werden zu meines Vaters Hallen zurückkehren. Noch über die Furt mögen euch meines Volkes Pferde tragen, doch wir werden hier auf ihre Rückkehr warten und sie zurück in unsere Hallen nehmen, der Hohe Pass ist kein Ort für diese Tiere."
Aragorn nickt.
„Du hast recht. Wir sind dir und den Deinen zu großem Dank verpflichtet." Legolas lächelt leicht und lenkt Hwinia zu Gandalf hinüber.
„Cuio vae, Mithrandir. N' adovaned wîn aphadol."
„Cuio vae, Legolas, möge es bald geschehen." Legolas neigt den Kopf leicht und legt die rechte Hand auf sein Herz zum Gruß seines Volkes. Dann steigt er ab und geht zu Aragorn hinüber, der ebenfalls abgestiegen ist. Sie legen einander die linke Hand auf die Schulter.
„Richte Herrn Elrond, Elladan und Elrohir meine besten Grüße aus, wenn du sie triffst. Es ist zu lange her, dass ich sie selbst gesehen habe."
„Das will ich gerne tun", erwidert Aragorn.
„Und auch Arwen. Es möge nicht mehr viel Zeit vergehen, bis ich den Abendstern meines Volkes wieder mit eigenen Augen erblicke." Aragorn lächelt und nickt.
„Aragorn, es wird die Zeit kommen, da du dich über die anderen Menschen erheben und deinen Platz auf dem Throne Gondors einnehmen kannst. Solltest du je meine Hilfe brauchen, so zögere nicht, nach mir zu schicken. Keine Macht der Welt wird mich davon abhalten können, zu dir zu kommen."
„Annon le, Legolas."
„Doch nun verharrt nicht mehr, reitet, auf dass ihr eure Ziele bald erreichen möget." Beide steigen wieder auf die Rücken ihrer Pferde und legen die Hände auf die Herzen zum Gruß. Aragorn erhebt erneut die Stimme:
„Elen síla lúmenn' omentielvo, malonya."
„Sílatha uireb aen echin, mellon nín", erwidert Legolas lächelnd, dann neigen die beiden kurz die Köpfe voreinander, bevor Gandalf und Aragorn ihren Weg fortsetzen, ihre Pferde in die Fluten Anduins lenken.
***
Cuio vae ['kʊɪ̯ɔ'vaɛ]: Lebe/lebt wohl
N' adovaned wîn aphadol [nad'ɔvanɛd'wi:.n'af:adɔl]: Bis zu unserem nächsten Wiedersehen. (wörtl. Hin zu unserem folgenden Wiedertreffen)
Elen síla lúmenn omentielvo ['ɛlɛn'si:la'lu:mennɔmɛntɪ'ɛlvɔ]: Ein Stern scheint auf die Stunde unserer Begegnung. (Segenswunsch), Quenya
Annon le: Nach neuesten Erkenntnissen richtige Rekonstruktion für „Danke", besser als das vorher gebrauchte „Hannon le"
Malonya [ma'lɔnja]: Mein Freund, Quenya
Sílatha uireb aen echin ['si:laθa'ʊɪ̯rɛb'aɛn'ɛxɪn]: Möge er immer für dich scheinen.
***
Dass Aragorn hier Quenya spricht, ist keinesfalls bloßer Zufall oder Unachtsamkeit. Da er in Bruchtal aufwuchs, wo Quenya noch als nahezu lebendige Sprache gebraucht wird und auch das dort gesprochene Sindarin stark beeinflusst, ist es nur logisch, dass der gute Aragorn auch Quenya fließend spricht. Bei den Waldelben ist das Quenya hingegen nur als „Alte Sprache" (vgl. z. B. Altgriechisch bei uns) anzutreffen, weshalb Legolas den Quenya-Gruß zwar versteht (ist auch eine der bekanntesten Segensformeln), aber auf Sindarin antwortet. Ein kleiner Einblick in die Irrungen und Wirrungen der elbischen Sprachen. Siehe dazu auch , Kapitel 1, Faktum 11.
Da ich heute ein paar längere Wendungen verwendet habe, habe ich sie auch noch in Lautschrift aufgeschrieben, um euch eine Vorstellung davon zu geben, wie sich das „Elbische" angehört hat. Mein Dank gilt an dieser Stelle , der mir meine Sätze immer übersetzt.
Liebe Grüße
Annaeru
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