iste ego sum
Narcissus war wunderschön.
Begehrt und beliebt, wenn er durch die Strassen des kleinen, griechischen Dorfes schritt.
Blicke wurden auf ihn gerichtet - Lächeln zauberte er auf deren Lippen.
Schmachtend und tief seufzend sah man ihm nach.
Was für eine Schönheit er war - dieser Narcissus.
Seine Gangart war edel und zielgerichtet. Nie verlief er sich - und wusste stets, wohin er wollte.
Blieb nur stehen, wenn er es auch wirklich wollte.
Schenkte einem bloss einen Blick, wenn er sich selbst dessen auch wirklich sicher war.
In seinen Augen plätscherten sanfte Flüsse - seine wunderbare Haut liess sich durch das Sonnenlicht erstrahlen.
Seine Figur war männlich - muskulös und doch so elegant.
Seine Kleider passten ihm perfekt. Nie lag ein Saum verdreht oder sein Hemd hatte eine einzige Falte.
Seine Hosen nie befleckt und seine Schuhe stets sauber.
Seine braunen, wunderbaren Haare waren wild - und doch so perfekt um sein Gesicht geschmiegt.
Bewegten sich sanft bei jedem seiner Schritte.
"Oh, Narcissus! Möchtest du nicht mal mitreinkommen, mein Narcissus?"
"Narcissus, auf ein Glas Wein?"
"Wie wäre es mit einem morgendlichen Spaziergang im Garten, liebster Narcissus?"
Doch Narcissus lehnte jede Anfrage ab.
Jede Liebe oder Zuneigung war ihm nicht ebenbürdig - so dachte er.
Nichts war für ihn gut genug - absolut gar nichts.
Lächelnd und charmant ging er weiter.
Zu seinem Lieblingsplatz allein am See.
Von seiner eleganten Art war nichts mehr übrig, während er sich auf den Bauch ans Ufer legte und endlich atmen konnte.
Mit einem verliebten Blick sah er sein Spiegelbild im See an - es lächelte ihm ebenso zu.
Wie wunderschön - was für eine Perfektion er doch war.
Wie so oft hebte er die Hand und wollte das Gesicht im Wasser berühren - doch dies verzerrte das Bild bloss.
Er sah sich frustriert und verzweifelt in die Augen.
Hasste jeden Moment, wenn er blinzeln musste und so für eine kleine Ewigkeit sein wunderbares Gesicht nicht bewundern konnte.
Er wollte und konnte nicht mehr in dieser Welt der anderen Leute leben - welche nicht ein Anmass dessen waren, was er selbst war.
Wie sollte er leben könnten - wie sollte er je lieben können.
Wie in Trance starrte er immer noch in den See - auch wenn mittlerweile nicht mehr die Sonne ihn erhellte, sondern das sanfte Mondlicht.
Wollte nicht mehr weg - Narcissus, der so verliebt und gebannt war.
Sogar bloss der Gedanke daran, ihn zu verlassen - liess sein Herz schmerzen.
So blieb er über Tage und Nächte am See - bewegte sich nicht von der Stelle.
Hunger nahm er nicht wahr, nein - nicht einmal den Durst.
Müdigkeit liess seine Augen schliessen, doch er konnte sich nicht von diesem ihm perfekt bietenden Anblick lösen.
Dorfbewohner versuchten ihn zu retten - schrien ihn an und riefen nach ihm.
Was für eine Tragödie dies doch war - ihren wunderbaren Narcissus so verstört zu sehen.
Und so verstarb der Jüngling am See - immer noch stets in die Augen seines perfekten Seelenverwandten schauend.
An der Stelle an welcher Narcissus gelegen hatte - erblühte eine wunderschöne, hellgelbe Blume zu ihrem ersten Leben.
Eine Narzisse.
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