Kapitel 3

Der Unterricht zog sich hin, breitete sich aus wie eine klebrige Masse, die sie zu verschlucken drohte. Sie schaute aus dem Fenster in die rettende Freiheit und ließ ihren Gedanken freien Lauf, doch konnte sie sie nicht mehr einfangen, zu schnell liefen sie davon. Als die Schulglocke ertönte, zuckte sie zusammen, ihre Gedankenblase platzte. Sie ließ sich Zeit mit dem einpacken, damit all die wie auf Kommando in Panik geratenen Schüler hinaus stürmen konnten, nichts um sie herum sehend.

Sie ging als einer der letzten den Gang entlang, da spürte sie plötzlich, wie jemand etwas in ihre Hand schob. Sie drehte sich um und blickte direkt in die Augen des Jungen. Sie waren grün, fiel ihr jetzt aus nächster Nähe auf und erinnerten sie an das Schattenlicht der Wälder. Das alles geschah innerhalb ein paar Sekunden und sie blieb stehen während der Junge schnellen Schrittes weiterlief.

Sie öffnete ihre Hand und fand einen Zettel vor. Er hatte ihr einen Zettel zugesteckt. Jedes Mädchen würde wohl eine Notiz, die sie von einem Jungen zugesteckt bekommen hat, sofort öffnen. Doch sie fragte sich stattdessen, ob sie ihn nicht lieber wegwerfen sollte. Denn die allgemeine Frage lautete, was darin stand und sie wusste nicht, ob sie eine Antwort darauf wollte. Da dort alles stehen konnte, von 'Du bist meine heimliche Schwester' bis zu 'Hör auf mich anzustarren', wollte sie dieses Risiko nicht eingehen.

In einer einzigen Sekunde konnte sich alles ändern.

Die Menschen dachten viel zu wenig darüber nach. Wenn sie diesen Brief öffnen, wenn sie diesen Anruf annahmen, hat das nicht nur Auswirkungen auf den Einzelnen.

Wie der Schmetterling, der mit den Flügeln schlägt und ein Erdbeben auslöst.

Sie lief hinaus und blieb vor dem nächsten Mülleimer stehen. Sie wollte das Erdbeben nicht. Sie öffnete ihre Hand und ließ den Zettel fallen. Der Wind wurde stärker und schlug Wellen ans Ufer. Sie machte sich auf den Heimweg.

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