Dr.Who
Jade's Sicht
Viele kleine zerbrochene Keramikstücke verteilen sich über den gepflasterten Fußweg, welche vor wenigen Augenblicken noch eine wirklich schöne Vintage Vase bildeten.
Gequält schließe ich die Augen, um mich selbst zur Beruhigung zu zwingen, währenddessen steigen Maxwell und Pascal aus dem Wagen und scheinen sich prächtig über dieses Mischgeschick zu amüsieren.
"Wow, haben wir euch erschreckt oder hast du an unsere heiße Nacht gedacht?"
Es ist der Westafrikaner, der es nicht lassen kann, einen dummen Spruch in Richtung Leona abzulassen. Diese ergreift mit einer gehaspelten Entschuldigung die Flucht. Auf meine Rufe reagiert sie nicht mehr.
Gern wäre ich ihr hinterher gegangen, aber ich muss mich erst um die Scherben kümmern. Immerhin laufen neben Passanten auch noch Vierbeiner hier lang, dass sie sich an den spitzen Kanten schneiden, muss nicht sein.
"Ey, was ist mit ihr?"
"Du bist ein Idiot, das ist mit ihr."
Mit meiner Antwort auf Maxwell's belustigte Frage, drücke ich Pascal nach einer kurzen Begrüßung meine anderen Dekorsachen und Arko's Leine in die Hand und hocke mich hin, um das Desaster zu beheben.
"Ugh.. hast du vielleicht eine Tüte in deiner Prollkarre?"
Ich hab das Gefühl, dass sonst an jeder Ecke dieser Stadt Mülleimer stehen, aber ausgerechnet hier, wo aktuell einer von Nöten wäre, ist natürlich keiner vorhanden.
"Immer, aber Ich glaub' die ist 'n bisschen stark für dich."
Pascal entfährt ein Lachen wegen diesem Spruch, ich jedoch kann nur die Augen verdrehen.
"Man Jay, was ist denn los mit dir?"
Mit einem ungläubigen Blick, schaue ich zu Maxwell - der mir tatsächlich eine alte Einkaufstüte reicht - hoch und deute wortlos mit ausgebreiteten Armen auf die Scherben vor uns.
Es ist doch wohl offensichtlich, was los ist.
Seufzend geht er ebenfalls in die Hocke und hält die Tüte auf, damit ich die Keramikscherben hineinschmeißen kann.
"Was wolltest du eigentlich mit dem Teil?"
"Die war für Jonas' Wohnung."
Grinsend blickt Maxwell zu Pascal nach oben, dieser trägt ebenfalls ein schmunzeln auf den Lippen.
"Was? Ich dachte, die würde auf seinem Balkon ganz süß aussehen."
"Ist das ganze Zeug hier auch für die Wohnung?" Skeptisch wirft der Fotograf einen Blick auf den Inhalt der vollgepackten Einkaufstüten.
Unschuldig zucke ich mit den Schultern. "Vielleicht."
"Joe wird sich sicher über die vielen Kerzen und Lichterketten freuen."
Ein erneutes Augen verdrehen meinerseits.
"Steck dir deine Ironie sonst wo hin, er.. Aua!"
Ein ziehen in meiner Handfläche zwingt mich dazu meinen Satz abzubrechen und meine Hand aus der Tüte in der sich schon etliche Scherben befinden zu ziehen. Sofort tropft Blut aus meiner Hand auf den Boden und färbt das graue Beton in ein sattes rot.
"Fuck, das sippt ganz schön."
So schnell kann ich gar nicht gucken, da hat Maxwell sich sein Oberteil über den Kopf gezogen und auf meine Wunde gedrückt. Reflexartig ziehe ich meine Hand zurück.
"Lass, das geht schon."
Unsicher betrachte ich den langen Schnitt auf meiner linken Handinnenfläche.
"Nenenene, das geht nicht, pack das wieder drauf und steig ein. Save muss das genäht werden, diggi."
"Maxwell hat recht, dass sieht übel aus." Mit seinen Worten verträumt Pascal meine Einkaufstüten in den Mercedes und öffnet eine der Hinteren Türen, um Arko reinzulassen.
"Was ist mit der Tüte?"
Mit meiner unverletzten Hand, hebe ich die Mülltüte mit dem Scherben Inhalt nach oben. Genervt stöhnend nimmt Maxwell mir diese ab und stellt sie in den Kofferraum seines Autos.
"Und jetzt komm' und pass auf, dass du meine Sitze nicht einsaust!"
"Meinst du das ernst? Es ist doch überhaupt erst deine Schuld, dass das passiert ist!"
Etwas umständlich versuche ich mich mit einer Hand ordentlich anzuschnallen, währendessen nehmen Maxwell und Pascal vorne platz. Ersterer schnaubt amüsiert durch die Nase aus, bevor er den Motor aufbrummen lässt.
"Digga, was kann ich dafür, dass du dich an dem scheiß Teil schneidest?"
"Hättest du nicht gehupt wie ein Irrer hätte Leona das scheiß Teil erst gar nicht fallen gelassen! Und dann erwähnst du auch noch die Nacht zwischen euch, sie war Jungfrau und du posaunst.."
Erst als Maxwell und Pascal sich zu mir umdrehen, wird mir klar, was ich Trampel gerade hinausposaunt habe. Resigniert, weil es jetzt sowieso nicht mehr zu ändern ist, fahre ich mir durch die Haare. Dass sich plötzlich auf Maxwell's Gesicht ein breites Grinsen bildet, macht mich allerdings stutzig.
"Was?"
Er lacht nur.
Seufzend fordere ich ihn auf, mir gefälligst zu sagen, was so lustig ist.
"Deshalb ist sie abgehauen. Sie glaubt, dass ich ihr ihre Unschuld genommen habe." Es fällt ihm sichtlich schwer sein Lachen zu unterdrücken. "Sie soll sich nicht ins Hemd scheißen, sie ist immernoch Jungfrau."
Pascal, der nur ruhig daneben sitzt, dreht sich zurück und deutet Maxwell darauf hin langsam mal loszufahren. Dieser kommt der Bitte nach und fädelt sich in Hamburgs Abendverkehr ein.
"Du hast also gar nicht mit ihr geschlafen?"
"Nein Digga, wir waren viel zu besoffen. Da ging gar nichts mehr."
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Pascal mit dem was wir hier besprechen nicht hausieren geht, - warum sollte er auch - also spreche ich ganz ungeniert weiter.
"Aber sie hat mich total aufgelöst angerufen, weil sie halbnackt neben dir im Bett aufgewacht ist."
"Ja, wahrscheinlich weil sie sich im Suff ausgezogen hat und sich in mein Bett gelegt hat. Glaub mir, wenn ich sie gefickt hätte, würde sie sich unter Garantie daran erinnern."
Das klingt plausibel. Damit ist das Thema auch erledigt. Ich nehme mir vor, Leona so schnell davon zu berichten, dann hat ihr persönlicher Albtraum ein Ende und vielleicht verringert die Tatsache, dass mit Maxwell nichts lief sogar ihren Fluchtinstinkt, wenn es um dem Westafrikaner geht.
_
Nach längerer Fahrt kommen wir in der Notaufnahme an. Pascal hat sich aufgrund dessen, dass wir Arko nicht mit rein nehmen können, dazu entschieden, mit diesem spazieren zu gehen, während Maxwell darauf bestand mich zu begleiten.
Jetzt warten wir schon gefühlte Stunden auf einen Arzt, der sich meine Wunde ansieht.
"Könntest du dich bitte hinsetzen, du machst mich ganz nervös."
"Ne Diggi, was ist das hier für'n Saftladen?"
Kaum hat er lautstark diese rein rhetorische Frage ausgesprochen, kommt schon ein Mann in weiß auf uns zu. Die blonden Locken, welche ihm wirr vom Kopf abstehen, kommen mir bekannt vor, ich hab das Gefühl diesen Mann schon einmal gesehen zu haben. Scheinbar geht es ihm genauso, denn als er sich als Dr. Rocca vorstellt und von seiner Akte aufblickt legt er fragend seine Kopf schief.
"Hey, kennen wir uns nicht?"
Ich nehme seine mir dargebotene Hand entgegen und will gerade antworten, dass ich mir nicht sicher sei, aber da kommt er mir schon zuvor.
"Ah wie peinlich.. du bist das Kaffee-Mädchen."Als er das erwähnt, fällt mir unsere Begegnung auch wieder ein. Er ist der Kerl, der mir am Morgen von Leona's Anruf Kaffee über das Oberteil kippte.
"Was für ein Zufall, so sieht man sich wieder." Erneut wirft er einen Blick auf die Formulare. "Jade Elaine also. Hast du dir das mit dem Kaffetrinken doch nochmal anders überlegt, oder was verschafft mir die Ehre?"
Ich spüre Maxwell's argwöhnischen Blick auf diese zugegebenermaßen seltsame Situation, immerhin hat der mir nicht ganz Unbekannte Maxwell keinerlei Beachtung geschenkt. Als wären wir die Einzigen, die sich in dem sonst ruhigen Flur des Krankenhauses befinden. Das ändert sich, als eben dieser sich jetzt zu Wort meldet.
"Bist du Arzt oder Baggerfahrer? Digga, kümmer dich ma' jetzt um ihre Wunde an der Hand!"
Meinen mahnenden Blick in seine Richtung kommentiert er mit einem desinteressierten Schulterzucken.
"Ja, also.." Mir noch immer Maxwell's Shirt auf meine lädierte Hand drückend, erhebe ich mich von dem Stuhl im Wartebereich und gehe auf dem Mann im Kittel zu. "Ich habe mich an einer Keramikscherbe geschnitten."
Sein Blick fällt auf meine Hände und mit einem Kopfnicken gibt er mir zu verstehen, dass er sich darum kümmern wird.
"Gut, dann komm' mal mit." Er öffnet eine der vielen Türen und lässt mir den Vortritt.
"Und eyy Kumpel, Pfoten bei dir lassen!"
Ohne auf Maxwell's Bemerkung einzugehen, schließt der junge Arzt die Tür und ich setz' mich mit rollenden Augen auf die Liege.
"Dein Freund scheint ziemlich eifersüchtig zu sein, wenn ich das mal so anmerken darf. Jetzt kann ich verstehen, dass aus einem Treffen nichts wurde."
"Ohh nein, er.. er ist nicht mein Freund."
Mit erhobener Augenbraue und einem Lächeln auf den Lippen, streift er sich die obligatorischen Latexhandschuhe über die Hände, bevor er das einst helle - inzwischen jedoch rotgefärbte Shirt - von meiner verletzten Hand nimmt, um sich den tiefen Schnitt anzusehen und selbige zu reinigen. Ein schmerzhaften Zischen kann ich mir dabei nicht verkneifen.
"Übrigens kannst du mich Gérard nennen. Dr. Rocca nennt mich eigentlich nur die Belegschaft."
Kurz werfe ich einen unauffälligen Blick auf mein Gegenüber. Tatsächlich scheint der blonde Lockenkopf noch ziemlich jung, vielleicht in etwa Jonas' alter. Unter seinem offenen Arztkittel trägt er ein enges Shirt, worunter sich seine vermutlich gutgebaute Brustmuskulatur abzeichnet. Da sein Blick konzentriert auf seine Versorgung meiner Hand liegt, kann ich sein Gesicht nicht richtig erkennen, jedoch konnte ich vorhin schon seine blaue Augenfarbe erkennen. Man könnte Gérard als Stereotyp; Sunnyboy bezeichnen.
"Gut, die Finger sind bewegbar, also ist schonmal kein Nerv getroffen, dafür bestehen klaffende Wundränder, das muss auf jeden Fall genäht werden."
Mein Gesicht verzieht sich bei dieser Diagnose zu einer Fratze.
"Ist das wirklich nötig, ist doch nur ein Kratzer!?"
"Wenn du keine wulstige Narbe willst, dann wird das wohl nötig sein." Lachend dreht er sich auf seinem
Hocker um und besorgt die Utensilien, welche er zur Behandlung meiner Schnittwunde braucht.
Entervt lasse ich die - weniger als gedachte - Prozedur des Nähen meiner Handinnenfläche über mich ergehen.
"Also sollte die Wunde stark anschwellen, schmerzen oder sollte gar Austritt von Wundsekret und Eiter austreten, bitte erneut herkommen."
Diesmal bin ich diejenige die nickt, um ihm zu signalisieren verstanden zu haben.
"Alles klar, nach 10 Tagen kannst du zum Fäden ziehen kommen, bis dahin sollte alles soweit abgeheilt sein. Den Verband bitte nach 2-3 Tagen wechseln."
Während Gérard einen Wechselverband aus einem Aktenschrank fischt, hüpfe ich von der Liege. Wahrscheinlich bin ich zu schnell aufgestanden, denn kurz gerate ich ins schwanken. Dank Gérard bleibt mir der Fall auf dem Boden allerdings erspart, denn dieser fängt mich mit seinen Armen auf.
"Hey, vorsicht."
"Tut mir leid, irgendwie.."
Weiter komme ich nicht, denn plötzlich geht die Tür auf und unsere Köpfe rucken in diese Richtung.
Räuspernd löse ich mich von Gérard.
"Also uhm.. danke dafür und.." -"Was geht hier?"
Bevor Jonas die Situation irgendwie falsch interpretieren kann, gehe ich mit einem Lächeln auf ihn zu, lege ihm meine unverletzte Hand an seine Wange und drücke ihm einen Kuss auf. Einen Kuss, welchen er nicht erwidert, stattdessen liegt sein Blick auf dem dritten in diesem Raum. Er wirkt völlig fokussiert auf Gérard zu sein. Dieser scheint sich davon jedoch wenig einschüchtern zu lassen.
"Jade kam mit einer tiefen Schnittverletzung her, diese musste genäht werden und weil ich Arzt bin, nahm ich mir diese Angelegenhein an. Die linke Hand sollte bis zum Fäden ziehen nicht weiter belastet werden."
Besitzergreifend zieht Jonas mich in in seinen Arm und legt seine Hand in der Nähe meines Hinterns ab. Erst jetzt, als er ansetzt etwas zusagen fällt mir seine starke Alkoholfahne auf.
"Macht nichts, sie wichst sowieso mit rechts!"
Hat er nicht gesagt!?
Mir fällt alles aus dem Gesicht, doch bevor Gérard auf diese Höhlenmensch-artige Aussage, die Jonas selbst auch noch ziemlich amüsant zu finden scheint, eingehen kann, laufe ich auf ihn zu und nehme ihm die eingepackten Mullbinden aus der Hand.
"Tut mir leid, mein Freund ist manchmal ein ziemliches Arschloch!"
Mit diesen Worten, drehe ich mich um, greife Maxwell's Shirt und verlasse mit einem verachteten Blick in Jonas' Richtung das Behandlungszimmer.
Draußen treffe ich auf Carlos und Maxwell. Zweiterem drücke ich sein Oberteil gegen die Brust - welches er mit leicht angeekelter Miene entfaltet - und will an ihm vorbei gehen. Jedoch werde ich am Arm herumgewirbelt.
"Wie hast du mich da drin genannt?"
Mit zusammengekniffenen Augenbrauen blicke ich in das wutverzerrte Gesicht meines Freundes.
Ohne etwas zu sagen, nur mit einem Kopfschütteln befreie ich mich aus seinem groben Griff und laufe den Flur bis zum Ausgang entlang. Seine Rufe und die Tatsache, dass er mir folgt, ignoriere ich.
"Du sollst stehen bleiben!"
Abermals dreht er mich mit einem festen Druck am Oberarm zu sich zurück.
"Was war da gerade mit diesem Hurensohn?"
Bevor ich auf sein Hirngespinst antworte, entfährt mir ein anfestrengtes Seufzen.
"Nichts war da, ich habe mich lediglich behandeln lassen, aber du musst dich wieder einmal benehmen wie der letzte Idiot!"
"Das würde ich nicht, wenn du dich nicht Benehmen würdest wie eine Schlampe!"
Gern hätte ich ihn für diesen vollkommen lächerlichen Vorwurf geohrfeigt, doch viel zu geschockt über seine Aussage, entziehe ich mich schnaubend seinem Griff und funkel ihn aus kalten Augen an, bis ich im Augenwinkel erkennen kann, wie Pascal mit Arko auf uns zukommt.
Wortlos drücke ich mich an Jonas vorbei und nehme Pascal die Leine aus der Hand.
"Hast du ihm gesagt, dass ich hier bin?" Finster blicke ich in das Gesicht des Fotografens.
"Ja, wieso, was ist.." -"Danke, für nichts!"
Gereizt laufe ich auch an ihm vorbei.
"Prinzessin.." Zum dritten Mal an diesem Tag hält Jonas mich vom gehen ab. Bevor er meinen Arm greifen kann, weiche ich ihm diesmal jedoch aus.
"Fass mich nicht an!"
"Aber der Penner da drin durfte dich anfassen, ja?"
Fassungslos hebe ich meine Arme, nur um sie darauffolgend wieder sinken zu lassen. Ich weiß nicht was ich dazu noch sagen soll.
"Er ist Arzt, Jonas!" -"Frauenarzt oder was? Maxwell hat mir erzählt, dass der Pisser vorher schon an dir rumgegraben hat."
Mein Blick fällt verärgert auf die erwähnte Person und die restlichen zwei Männer im Hintergrund, ehe ich mich kopfschüttelnd umdrehen und nur noch mitbekomme wie Pascal Jonas davon abhält mir ein weiteres mal zu folgen.
Sauer über das Verhalten meines Freundes laufe ich.. ja wohin eigentlich? Ratlos bleibe ich stehen und ziehe meine Handy aus meiner Hosentasche, um Leona zu schreiben.
Als ich gerade die Tastensperre meines Telefons herausnehme, blinkt mir eine Nachricht von einer mir unbekannten Nummer entgegen. Mit gerunzelter Stirn beginne ich diese zu lesen.
'Arme Jade. Ich hoffe, die Wunde an deiner Hand heilt schneller als die in meinem Herzen, weil du es vorziehst einen Kriminellen an deiner Seite zu haben, anstatt einen Gentleman, der dich auf Händen trägt. Verlass ihn und sei meine Göttin!'
__
Oha, zuerst die Verletzung, dann ein Streit und jetzt eine gruselige Nachricht einer unbekannten Person. Oder doch nicht? Hab ihr eine erste Vermutung von wem diese sein könnte?
Fandet ihr Jonas' Verhalten ünnötig, oder könnte ihr seine Reaktion in diesem Augenblick nachvollziehen?
Schreibt mir sehr gern eure Meinung! (:
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