54. Kapitel
Scott nickt nur.
Auch wenn ich in den letzten Tagen tausende Umarmungen verteilt habe und mich eher so fühle, als könne ich selbst eine vertragen, drücke ich den Blonden.
„Wenn man keine Schuhe anhat, bist du eindeutig zu groß", stelle ich fest und schaue nachdenklich auf meine nackten Füße.
Das bringt mir endlich eine richtige Reaktion von ihm ein.
Leise lacht er auf und zuckt entschuldigend mit den Schultern.
„Was ist los?", frage ich, nachdem wir eine Weile geschwiegen und in die Kühle des Morgens geatmet haben.
„Du lagst schon richtig", meint Scott, seine Stimme noch rau und verschlafen, er hört sich müde an.
„Das habe ich mir schon gedacht", sage ich, unterdrücke im letzten Moment den Drang, diesen Satz trocken zu sagen.
„Mitch ist ein Langschläfer, der bekommt das hier nicht mit. Wir können auch gerne noch ein Stück gehen", schlage ich vor, als der Sänger weiter stumm bleibt.
Kaum dass wir uns einige Schritte vom Bus entfernt haben, fängt er auf einmal an, zu erzählen.
„Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Mitch ist die ganze Zeit damit beschäftigt, unsere Vergangenheit so gut wie möglich zu ignorieren oder zu leugnen. Ich weiß nicht, wie viel ich sagen darf, wie viel für ihn okay ist. Ich hasse die Momente in Interviews, in denen wir gefragt werden, ob wir uns schon mal geküsst haben, wie unser erster Kuss ablief, ob wir zusammen sind. Weil ich nie weiß, wie ich reagieren soll. Das ist auch der wahre Grund, wieso ich Mitch nach solchen Fragen immer anschaue. Es liegt nicht daran, dass ich meinen Blick nicht von ihm lösen kann, sondern daran, dass ich erst wissen will, was er sagt, bevor ich antworte."
Ich setze zu einer Antwort an, doch Scott unterbricht mich, redet weiter.
Es ist, als hätte sich eine Blockade gelöst, als könne er auf einmal darüber sprechen, und ich spüre, wie erleichtert er darüber ist.
„Ich meine, natürlich schaue ich Mitch gerne an, er ist meine Queen, aber bei Interviews ist eben das der Grund. Aber auch sonst, ich... Ich habe keine Ahnung, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen soll, weil ich weiß, dass ich so tief in der Friendzone drinstecke wie kein anderer, aber es fühlt sich so falsch an, nicht mit Mitch darüber zu reden... Wir erzählen uns sonst alles! Es ist so, als würde ich ein Geheimnis vor ihm haben, und ich weiß, dass es geheim bleiben muss, weil sonst schon wieder alles auseinanderbricht, und trotzdem will ich nicht, dass er es nicht weiß. Es fühlt sich an, als würde ich ihn betrügen. Und gleichzeitig lüge ich mich damit selbst an. Ich sage mir morgens, mittags, abends, bei Konzerten, beim Filmen von Superfruit, immer wieder, dass es vorbei ist, dass ich endlich damit abschließen muss. Aber es geht nicht. Ich weiß selbst, dass es nicht geht, dass ich Mitch nie vergessen werde, dass die Narben niemals heilen werden... Weil ich..."
Wieder ziehe ich ihn in eine Umarmung, doch diesmal nicht nur, um ihm den Halt zu geben, den er gerade jetzt braucht, sondern auch, um zu verstehen, was hier gerade passiert.
Scotts Atem ist zittrig, er kämpft mit sich, will den Satz, welchen er eben abgebrochen hat, vollenden, doch er schafft es nicht.
„Er hat mir innerhalb der ersten Minuten klar gemacht, dass er nie wieder was in die Richtung mit mir machen will und jetzt doch wieder eher auf Mädchen abfährt.", höre ich Mitchs Stimme in meinem Kopf.
„Du meintest, dass ihr während dem Sing-Off noch mal kurz...", fange ich zögernd an, ich will ihn nicht verletzen, aber doch wissen, ob ich Recht habe. Ob so eine einfache Lösung hinter Scömìche liegen kann.
„Rumgemacht haben? Ja, aber es war komisch. Mitch hat sich in dem halben Jahr verändert, und irgendwann wurde mir klar, dass er mich zwar noch mochte, aber nur als besten, nicht als festen Freund. Ich habe es akzeptiert, wollte ihn um mich haben, wenigstens auf ihn aufpassen können. Auch wenn mir klar war, dass es mein Herz brechen würde, sollte er mal einen anderen festen Freund haben", seufzt Scott.
Und wieder stolpere ich über diesen einen Satz, bin mir so sicher, ihn schon einmal gehört zu haben.
„Ich habe es akzeptiert."
Fassungslos antworte ich nicht, zu verblüfft von dem, was ich in den letzten Tagen über Scömìche gelernt habe.
Der Ship schlechthin existiert nicht - wegen einem einzigen, großen Missverständnis.
„Scari!", höre ich dann Mitchs hohe Stimme, „Es gibt Frühstück!"
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