42. Kapitel
„Ich muss hier raus", sage ich, meine Stimme bricht, der Zusammenbruch hat mich heiser gemacht.
Kevin schaut mich eine Weile an, bevor er mir antwortet.
„Du kannst nicht ewig vor Problemen wegrennen", meint er dann, und es hört sich so an, als hätte er selbst schon zu viele Erfahrungen damit gemacht.
Ich will protestieren, will sagen, dass ich nur eine kurze Auszeit brauche, doch dann realisiere ich es selbst.
Der Anschlag in Frankfurt.
Meine in sich zusammenbrechende Pflegemutter.
Schulstress, der sogar Lucia fast durchdrehen lässt.
Fragen, auf die ich nicht logisch eine Antwort suche.
Und jetzt auch noch Amavi.
Vor all dem fliehe ich.
Ich hätte wieder zu irgendeinem Therapeuten gehen können, ich hätte meiner Pflegemutter helfen sollen, ich hätte mich neben Lucia durchs Abi kämpfen sollen.
Ich hätte darauf warten können, dass ich mich an den Anschlag erinnere, statt den viel unmöglicheren Weg zu gehen und die Antworten bei Pentatonix zu suchen.
Aber ich breche unter dem Gewicht.
Und es ist so viel leichter, einfach zu fliehen.
Hätte mich Frankfurt nicht sowieso an den Anschlag erinnert, mich verrückt gemacht?
Ich weiß nicht, wann wir wieder im Tourbus ankommen.
Es fühlt sich komisch an, die anderen in ihrem gewöhnten Tagesablauf zu sehen, während Avi, Kevin und Esther wie vom Erdboden verschluckt sind.
„Wir fahren erst morgen weiter", meldet sich Phips irgendwann kurz, woraufhin Kirstie ebenfalls verschwindet und Scömìche und ich alleine sind.
„Wir überleben das jeden Tag aufs Neue, mache dir keine Sorgen um Avi. Er wird sich auch irgendwann wieder aufrappeln", seufzt Mitch, als er bemerkt, wie ich hinter der Sängerin her blicke. „Ihr habt euch bestimmt einfach schon dran gewöhnt", murmele ich, doch wende mich wieder den Beiden zu.
Die im Übrigen schon wieder kuschelnd nebeneinander liegen.
Scott bemerkt meinen Blick als Erster.
„Du wolltest Antworten haben, als du losgefahren bist, oder?", fragt er mit einem leichten Seufzer. Mitch schaut ihn an, wohl wissend, was jetzt kommt.
Ich nicke müde.
Das hat mich erst dazu gebracht, vor allem zu fliehen.
Oder?
„Du bekommst sie so oder so, weil es total unhöflich von uns ist, unsere Lebensretterin im Dunklen tappen zu lassen", sagt Mitch schulterzuckend.
„Nichts von den folgenden Dingen bedeutet, dass wir zusammen sind", warnt er mich noch, dann beginnt Scott mit ihrer Lebensgeschichte.
Ich höre schweigend zu, sage nichts, als er dazu kommt, dass sie früher mal zusammen waren.
Nur ein Grinsen muss ich mir verkneifen, als er damit fertig ist, was mich selbst verblüfft.
Wie kann ich nach dem heutigen Tag noch lächeln?
Zuhause wäre ich ins Bett gefallen und hätte geschlafen, einfach, um alles zu verarbeiten.
Oder um vor Dingen davonzurennen.
„Nachdem du also unser Leben auswendig kennst, wie sieht es bei dir aus? Irgendwelche Geständnisse?", grinst Mitch neugierig.
Ihn scheint es wenig zu stören, gerade jemanden in Scömìche eingeweiht zu haben.
„Ich shippe euch trotzdem noch", meine ich trocken.
Scott stöhnt theatralisch auf.
„Und zu deinem Liebesleben?"
Mitch sieht nicht so aus, als würde er locker lassen, weswegen ich mich aufsetze und mit den Schultern zucke, bereit, jegliche Anschuldigungen von mir zu weisen.
„Single", antworte ich, hoffe, dass er doch davon ablässt, doch der Tenor denkt gar nicht daran.
„Nein, ich hatte noch nie eine Affäre mit meiner besten Freundin", unterbreche ich ihn dann, was ihn und Scott wenigstens kurz zum Lachen bringt.
„Im Ernst. Selbst ich bin manchmal davon überzeugt, dass Scömìche wahr ist, wenn ich die ganzen Tweets sehe. Bist du dir sicher, dass an Amavi nichts dran ist?"
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