Kapitel 5
Das, was Olivia sah, als sie aus dem Tunnel trat, verschlug ihr den Atem. Sie standen auf einer grasbewachsenen Lichtung, die im Sternenlicht geradezu unheimlich zu leuchten schien. Und überall waren Katzen. Das war ihr Lager. Rechts wurde es von einer Felswand begrenzt, an der einige junge Katzen sich im Klettern übten. Auf der anderen Seite lag ein umgestürzter Baum, der eine Schutzwand zum Wald darstellte. Seine Krone war mit dem Brombeerwall hinter Olivias Rücken verwoben und seine Wurzeln, die in einer Mulde lagen bildeten eine Höhle, in der man vor Wind und Wetter geschützt war. Direkt links von ihr war ein Strauch, unter dem Olivia mehrere schlafende Katzen erspähte. Sie war völlig überfordert, so hatte sie sich das Lager nicht vorgestellt. Niemals wäre sie auf die Idee gekommen es könne hier so viele Katzen geben. "Komm mit Nachtbrise, der Bau von Felskralle ist hier hinten." lotste Sandrose sie in den hinteren Teil des Lagers. Hier neben der Mulde wuchsen viele Farne und ein seltsamer Duft nach unbekannten Kräutern stieg Olivia in die Nase. "Dort ist der Heilerbau, wenn du verletzt bist bekommst du dort Kräuter. Streifenfell hält sich oft dort auf, sie ist verrückt nach Heilkunde!" Klärte Sandrose sie auf, als sie merkte, wie neugierig Olivia in Richtung der Farne sah. Dann sprang sie in die Mulde und verschwand in der Höhle unter den Wurzeln. Olivia hörte wie Sandrose dort zu jemandem sprach, dann rief Sandrose sie herein. Unsicher kraxelte sie in die Mulde und trat in die Höhle. Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten erkannte Olivia Felskralle, der auf einem Bett aus Moos saß und sie neugierig beobachtete. "Hallo Nachtbrise, schön dich zu sehen", sagte er und forderte Sandrose mit einem Kopfnicken auf, den Bau zu verlassen. "Wieviel hat Sandrose dir erklärt?" Fragend blickte er Olivia an. "Sie hat mich gefragt, wer mein Mentor sei und als ich gesagt habe, dass ich keinen hätte hat sie mich hierher gebracht. Was ist ein Mentor?" Felskralle schmunzelte. "Wir bilden die jungen Katze aus, wir bringen ihnen das Jagen und Kämpfen bei. Das machen die Mentoren. Jede Katze bekommt einen Mentor zugeteilt, der mit ihr trainiert." "Heißt das, dass ich jetzt auch einen Mentor zugeteilt bekomme?" Fragte Olivia eifrig und dachte dabei an Sandrose und Federgras. "Ja, so ist es. Ich werde dir einen Mentoren zuteilen, der mit dir und den anderen Jungkatzen trainiert." Aufgeregt fuhr sie ihre Krallen ein und aus. "Werde ich dann richtig kämpfen lernen? Und jagen?" "Natürlich Nachtbrise, nur unsere besten Kämpfer und Jäger werden als Mentoren ausgewählt. Komm rein Federgras!" Erstaunt drehte Olivia sich um, als Federgras mit einem Kaninchen im Maul den Bau betrat. "Sei gegrüßt Felskralle, hallo Nachtbrise!" Begrüßte diese die beiden. "Ist das dein erster Fang?" Federgras nickte stolz. "Gut gemacht", lobte Felskralle. "Federgras!" Rief Sandrose von draußen "Kommst du?" Federgras nickte Olivia und Felskralle zum Abschied zu, dann lief sie aus der Höhle. "Ihr kennt euch also auch schon." Stellte der Kater fest. Olivia nickte. "Na dann, höchste Zeit dir einen Mentoren zu suchen" , sagte Felskralle und deutete ihr, ihm aus dem Bau zu folgen. Als sie auf die Lichtung traten hatte Olivia das Gefühl, alle Katzen würden sie anschauen. Felskralle lief zielgerichtet auf das Gestrüpp nahe am Eingang zu, also folgte sie ihm einfach. Vor dem Strauch blieb sie stehen und wartete. Einen Augenblick später trat Felskralle mit einem weiteren Kater unter den Zweigen hervor. Dann liefen die beiden auf die Lichtung und Felskralle kauerte sich auf den Stamm des umgestürzten Baumes. Olivia folgte ihnen zögernd. "Zeit für eine Versammlung!" Rief Felskralle und Katzen strömten von allen Richtungen dazu. "Dies ist Nachtbrise" setzte er an und winkte sie mit dem Schwanz zu sich."Eisstern wird von Heute an, bis zu der Nacht, in der Nachtbrise ihren vollen Status erreicht ihr Mentor sein und ihr beibringen, wie sie sich als Nachtkatze zu verhalten hat." Zustimmendes Gemurmel erhob sich von den Katzen. Eisstern trat auf Olivia zu und leckte ihr einmal über die Stirn. "Willkommen!" Schnurrte er und setzte sich neben sie. Nach und nach leerte sich die Lichtung wieder. In dem Moment, als Olivia den Kopf wandte, um Eisstern zu fragen, was sie machen würden löste sich seine Gestalt auf. Sie erschrak und sprang zurück. "Er ist nur aufgewacht, keine Sorge." Hörte sie eine Stimme hinter sich. "Du bist Goldpfote, oder?" Olivia erinnerte sich, dass Sandrose ihn so genannt hatte. "Ja, und du bist Nachtbrise, herzlichen Glückwunsch! Eisstern ist echt ein super Jäger. Selbst im Winter wenn es richtig kalt ist fängt er noch was. Ist es das erste Mal, dass du siehst wie jemand aufwacht?" Sie nickte. "Ich habe mich total erschreckt." Gab sie zu. "War nicht zu übersehen", schnurrte Goldpfote belustigt. Olivia beobachtete ihn genauer. Er war etwas größer als sie, aber wohl kaum sehr viel älter. Goldpfote hatte breite Schultern und sah insgesamt ziemlich muskulös aus. Sein Pelz war hellbraun gesprenkelt, wie Eichenlaub in der Sonne, und lag glatt und glänzend auf seinen Schultern. Plötzlich spürte Olivia ein komisches kribbeln in den Pfoten, im gleichen Moment war alles wie im Nebel. "Bis bald!" Hörte sie Goldpfote sagen.
Das nächste was sie hörte war ihr Wecker. Sie wunderte sich, schließlich war morgen Samstag, doch dann fiel es ihr wieder ein. Seufzend griff sie auf ihren Nachttisch und wühlte sich zurück in die Kissen.
"Pass doch auf!" Erschrocken sprang Olivia zur Seite. Sie war plötzlich mitten im Lager aufgewacht.
Aber klar, da war sie ja auch eingeschlafen.
Sie entdeckte Goldpfote, der gerade eine Maus fraß. Das kam ihr überhaupt nicht komisch vor, auch gar nicht ekelhaft. Im Gegenteil, sie spürte plötzlich, dass sie großen Hunger hatte.
Auf leisen Pfoten schlich sie zu ihm, doch er hatte sie schon gehört. "Na, an deinem Jagdkauern musst du aber noch arbeiten." Neckte er sie."Ich hatte ja auch noch gar kein Training!" Versuchte sie sich zu rechtfertigen. "Macht doch nichts", schmunzelte Goldpfote und leckte sich die letzten Reste von der Maus vom Kinn. "Ich habe jetzt gleich Training. Du kannst bestimmt mitkommen, jetzt wo Eissturm aufgewacht ist."Olivia nickte. Sie fühlte sich voller Tatendrang. "Komm mit! Silbersturm hat gesagt, ich solle zur Trainingswiese kommen, sobald ich hier fertig sei." Gemeinsam verließen die jungen Katzen das Lager. "Ist Silbersturm dein Mentor?" Wandte Olivia sich an ihren Nebenmann. "Silbersturm ist eine Sie.""Oh Mist, tut mir leid!" Ein Glück, dass Olivia Fell hatte, sonst wäre sie bestimmt ganz rot geworden. Als die Beiden ein Gebüsch umrundeten blieb Goldpfote stehen. "Hier ist es, wie sind da." Vor ihnen lag eine Wiese, auf der mehrere Jungkatzen mit ihren Mentoren Kampfzüge trainierten. Eine silbergraue bildhübsche Kätzin trat auf die beiden zu. "Hallo Goldpfote, wen hast du den da mitgebracht? Ist das nicht Nachtbrise?""Ja, das bin ich", sagte Olivia mit einem Anflug von Stolz, dass diese fremde Katze ihren Namen kannte. "Silbersturm, kann Nachtbrise heute mit uns trainieren, Eisstern ist eben aufgewacht", bat Goldpfote. "Gerne, Konkurrenz ist immer gut", schnurrte Silbersturm und begann sofort mit dem Training. "Goldpfote, du greifst Nachtbrise an und sie versucht sich zu verteidigen. Aber die Krallen bleiben eingezogen!" Olivia wurde flau im Magen, doch sie traute sich nicht zu widersprechen.
Goldpfote kauerte sich auf den Boden und sprang sie an. Instinktiv wich Olivia aus, er sprang ins Leere und verlor sein Gleichgewicht. "Verdammt!" Fauchte er und rappelte sich auf. Als er Olivia kurz darauf ein weiteres Mal ansprang schaffte sie es nicht auszuweichen und er schmiss sie um. "Schütz deinen Bauch Nachtbrise! Und Goldpfote, halte deine Beine näher am Körper!" Riet Silbersturm ihnen. Olivia nahm ihre ganze Kraft zusammen und schob Goldpfote mit allen Vieren von sich. Augenblicklich sprang sie auf und stürzte sich auf ihn. "Stop!" Rief Silbersturm. Erschrocken führen die Beiden auseinander. "Goldpfote, was hättest du besser machen können?" Fragte Silbersturm. Olivia entspannte sich, sie hatte nichts Falsches gemacht. "Vielleicht hätte ich mich auch direkt aufrichten sollen?" Überlegte Goldpfote. "Ganz richtig, wenn du liegst arbeitest du defensiv, wenn du aber stehst und springen kannst, kannst du auch offensiv reagieren. Versteht ihr das?" Die Jungen Katzen nickten. "Können wir es nochmal versuchen?" Bat Olivia. "Sicher, aber dieses Mal greifst du zuerst an. Goldpfote, was musst du tun?""Eben habe ich Nachtbrise umgeschmissen, das heißt ich muss versuchen mein Gleichgewicht zu halten, damit ich offensiv reagieren kann." Stellte er fest und kauerte sich mit peitschendem Schwanz hin. Olivia und er starrten sich in die Augen. Dann sprang Olivia, aber Goldpfote war vorbereitet. Er drückte sie mit seinem Gewicht zu Boden. "Gnade!" Winselte Olivia. Als Goldpfote sein Gewicht von ihrem Rücken nahm sprang sie auf und brachte ihn zu Fall. "Hah! Da hast du dich wohl zu früh gefreut!" Witzelte sie und die beiden rollten über die Lichtung. Sie waren fix und fertig, als Silbersturm sie anwies, zurück zum Lager zu gehen. Goldpfote zeigte Olivia die Schlafplätze für die Schüler und sie fiel in einen tiefen Schlaf.
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