Kapitel 21

"Schön, dass du auch mal hier auftauchst!" Warf Olivias Vater ihr entgegen, als sie das Haus betrat.
"Tut mir leid!"

Wie kam sie da jetzt ohne großen Aufwand raus?

"Was hast du überhaupt an? Und was ist in der Tüte?"
"Ich bin nass geworden, deswegen bin ich auch bei Theo geblieben, in der Tüte sind meine nassen Sachen und Theo hat mir was anderes gegeben."
Dass in der Tüte ein gruseliges Buch und die Klamotten von Ky waren, mussten ihre Eltern ja nicht unbedingt wissen.
"Gib mir die Tüte ruhig, dann schmeiß ich das ganze in die Wäsche." Ihre Mutter trat aus der Küche.

Mist, was jetzt?

"Ähm...also ich wollte noch die Zettel aus den Taschen rausholen, weil...ähh...das ist ja sonst doof wegen der Waschmaschine und so..."

Puh, hoffentlich glaubte ihre Mutter das.

"Okay und deine Schuhe? Stopfst du die nachher noch mit Zeitung aus, bitte."
"Ja klar, mach ich. Ich spring mal eben unter die Dusche, in Ordnung?"
"Mach das und zieh dir bitte einen anderen Pulli an, der hier ist ja nicht zum aushalten."
Olivia schmunzelte, dann streifte sie ihre Schuhe ab und ging nach oben. Die Tüte mit den Klamotten schmiss sie ins Bad, das Buch nahm sie mit in ihr Zimmer. Sie wollte es sich später noch Mal ansehen. Nach kurzem Zögern legte sie es unter ihr Bett. Es war noch immer feucht, doch sie wollte nicht riskieren, dass die Seiten Wellen schlugen. Also packte sie Kurzerhand den fetten Atlas drauf. Dann ging sie Duschen. Sie nahm absichtlich keinen frischen Pullover mit.

Wollte sie damit ihre Eltern ärgern, oder lag es daran, dass die Sachen von Ky waren? Quatsch, wenn sie Theo gehört hätten, dann hätte sie das Zeug genauso gut angelassen, oder?
Egal!

Sie band ihre nassen Haare zu einem lockeren Dutt und zog sich dicke Kuschelsocken über, ehe sie nach unten lief.

"Du hast ja noch immer diesen furchtbaren Pulli an!" Warf ihr Sandra entgegen, sobald sie das Wohnzimmer betrat.
"Nett, dass du mich so freudig begrüßt", erwiderte Olivia ihrer Mutter und sah dabei absichtlich an ihr vorbei aus dem Fenster. Ihre Mutter lachte und beteuerte, dass es nicht so gemeint gewesen sei. Großzügig wie sie war vergab Olivia ihr und ließ sich neben sie auf das Sofa fallen.
"Süße, wir machen uns Sorgen, wenn du uns nicht sagst, wo du bist", begann ihre Mutter, doch Olivia schüttelte den Kopf. "Nicht jetzt", flüsterte sie, legte ihren Kopf in den Schoß ihrer Mutter und schlief in Sekundenschnelle ein.

Es dauerte einen Augenblick, bis sie wusste, wo sie war, als sie sich auf der Lichtung im Wald wiederfand. Sie verscharrte ihr Erbrochenes und machte sich auf den Weg ins Lager. Die Zeit kam ihr länger vor, da sie noch sehr müde von ihrem Anfall war. Je näher sie dem Lager kam, umso langsamer wurde sie. Schließlich blieb sie stehen.

Wie sollte sie Eisstern begegnen? Hatte Ky schon mit ihm gesprochen?

Als sie hörte, wie einige Katzen sich nährten duckte sie sich ins Unterholz.
Sie hatte Glück, dass sie auf einem viel begangenem Pfad unterwegs war, sodass die verschiedenen Gerüche den Ihren überdeckten. Sandrose und Federgras kamen um eine Wegbiegung. Olivia duckte sich noch tiefer und hielt die Luft an.

Sie kam sich wie ein Eindringling in ihrem eigenen Lager vor!

Die beiden Kätzinnen zogen in zügigem Schritt an ihr vorbei. Erleichtert atmete sie aus. Sandroses Schwanzspitze zuckte.
"Federgas, hast du das auch gehört?"
Olivia hatte Mühe, die Mentorin zu verstehen, welche stehen geblieben war und an einem Strauch schnupperte.
"Hm...hm, Sandrose, ich weiß nicht, was heute mit dir los ist, ständig denkst du, irgendwer würde uns beobachten."
"Unsinn, ich dachte nur, ich hätte was gehört."
"Als ob mir das nicht auffallen würde, die ganze Zeit drehst du dich um, sprichst unheimlich leise oder beäugst misstrauisch das Unterholz."
"Wohl kaum Federgras, ich glaube du bist heute ziemlich empfindlich."
Endlich liefen die Beiden weiter in Richtung Lager. Ihr Magen knurrte, gut, dass Sandrose und Federgras schon weg waren, denn sonst wäre sie sicherlich entdeckt worden. Sie beschloss zu jagen, verwarf ihren Plan jedoch wieder, als sie über ihre Pfoten stolperte, weil ihre Erschöpfung immer schwerer zu ignorieren war. Sie seufzte, vertröstete ihren Magen auf die nächste Nacht und kehrte zur Lichtung zurück. Eisstern würde Ärger machen, wenn sie zwei Nächte in Folge nicht auftauchte, aber da sie sowieso nicht zurechnungsfähig für ein Training war konnte sie es ebenso gut bleiben lassen.

Keine halbe Stunde später wachte sie wieder auf. Ihre Mutter war aufgestanden und hatte Olivias Kopf auf ein Kissen gebettet. Genüsslich räkelte sie sich.
"Machst du bitte noch deine Schuhe?"
War von ihrer Mutter aus der Küche zu hören. Kurz darauf ertönte lautes Gepolter. "Verdammte Schei...benkleisterfabrik!"
Olivias Mundwinkel zogen sich unwillkürlich nach oben. "Kann man helfen?"
"Ne, alles gut, kümmre du dich mal um deine Schuhe." Seufzend stand sie auf. Einen kurzen Moment schwankte alles, doch sie fing sich schnell und ging in den Flur, um sich mit ihren Schuhen zu beschäftigen. Sie zuckte zusammen, als es klingelte. "Gehst du?" Bat ihre Mutter sie. Mit einer Hand strich sie sich die Haare aus dem Gesicht, mit der anderen öffnete sie.
"Oh...Hallo"
Ein knappes "Hei" war die Antwort.
Olivias Mutter trat aus der Küche hinter sie. "Guten Tag, was kann ich für dich tun?"
"Ehh...ich bin ein Kumpel von Theo und wollte auf dem Weg nach Hause Olivias Fahrrad nur kurz vorbei...ähh...bringen."

Peinlich, jetzt musste sie ihren Eltern die nächste Lüge auftischen.

"Ja ich bin dann auch schon wieder weg, man sieht sich!"
Olivia brachte gerade so ein "Tschüss" heraus, da war Ky auch schon verschwunden.

Man, der Kerl schien es echt eilig zu haben!

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