Nach der Dämmerung
„Ugh, nicht schon wieder..."
Hera stöhnte genervt als erneut ein Mann auf sie zukam, der absolut nicht die Person war, auf die sie wartete. Ihr Partner hätte vor zwei Stunden hier sein sollen. Vor zwei verdammten Stunden. Und sie wusste nicht einmal, ob sie sauer oder einfach nur besorgt sein sollte. Noch war sie sich nicht sicher, wie zuverlässig er war, immerhin waren sie erst seit ein paar Wochen zusammen unterwegs, aber so lange hatte er sie bisher noch nie versetzt. Außerdem zog er Ärger an wie ein Magnet... Aber dank seiner Abwesenheit hatte sie gerade ihre eigenen Probleme.
„Was macht denn so eine hübsche junge Frau wie Sie an einem Ort wie diesem?", erkundigte sich die Stimme eines Mannes.
Die Twi'lek fuhr herum. Die Stimme gehörte zu dem Mann, der sie schon eine ganze Weile so komisch angestarrt hatte, bevor er auf sie zugekommen war. Sie schätzte ihn auf Mitte zwanzig, er war gut gebaut und trug weiße Rüstung.
»Ausgerechnet einer von den hirnverbrannten Imperiumstruppen... Na das hat mir ja gerade noch gefehlt...«
Zudem hatte er fürchterlichen Mundgeruch und rückte der jungen Frau für ihren Geschmack ein wenig zu sehr auf die Pelle. Es war ein Problem, mit dem sie schon oft konfrontiert worden war. Als Twi'lek kam man in dieser Galaxie oft kaum zwei Meter weit, ohne von irgendeinem Schnösel oder Gangidioten mit einem Sexspielzeug verwechselt zu werden. Es war eine befriedigende Vorstellung, den Blaster, den sie in ihrem Stiefel verbarg, hervor zu ziehen, und ihm ihrem gegenüber einfach in den Mund zu schieben, aber so etwas konnte sie sich nicht leisten. Das hieß allerdings nicht, dass sie das alles sang- und klanglos über sich ergehen lassen musste.
„Ich könnte Sie genauso fragen, was Sie hier verloren haben.", knurrte sie. „Aber würde ich Sie hübsch nennen wäre das gelogen. Also, und ich werde sie das nur ein mal so höflich fragen. Was wollen Sie von mir?", erkundigte sie sich in einem gereizten Tonfall.
„Ach, wir wollen doch nicht gleich unfreundlich werden, oder? Ich möchte doch nur einen netten Abend mit einer hübschen jungen Dame wie die verbringen. Ist das denn ein Verbrechen?"
Der Unterton in seiner Stimme gefiel ihr ganz und gar nicht. Als er eine Hand auf ihren Hinterkopf legte, schlug sie sie weg.
„Fass mich nicht an.", fauchte sie, aber er grinste nur.
„Da ist aber jemand sensibel."
„Sie sollten gehen.", sagte sie mit drohendem Unterton in der Stimme.
„Sind wir nicht niedlich?"
Wieder packte er ihren Kopf, diesmal ihr Kinn, und bewegte ihren Mund auf seinen zu.
„Letzte Warnung, lass mich los und lass mich in Ruhe!"
„Bring mich dazu.", sagte er, legte seine Arme um sie und zog sie noch näher an sich heran.
„Hör mal, wenn du nicht ein Lichtschwert durch dir Brust haben willst, würde ich vorschlagen, du lässt mich los."
Er lachte bloß.
„Du? Eine Jedi? Das ist lächerlich. Die Letzten wurden vor Jahren ausgelöscht."
Sie schüttelte den Kopf.
„Ich rede nicht von mir, und er ist auch keiner von den Guten."
Die Twi'lek zappelte ein wenig um ihre Schultern zu befreien.
„Wer soll das denn sein? Dein Freund, schätze ich? Wenn du denkst das macht mir Angst, dann hast du dich geschnitten."
Sie grinste und schaute ihn ernst an.
„Oh, du solltest Angst haben. Ab und an kann er ganz schön unheimlich werden."
Der Mann lachte spöttisch.
„Ich wette du hast nicht mal einen Freund, von der Lichtschwert-Sache ganz zu schweigen. So wie du die Leute behandelst würde es mich wundern."
„Oh, ich kann äußerst charmant sein, wenn ich will, aber ich weiß, welche Leute gut um mich zu haben sind, und welche nicht."
„Was für eine temperamentvolle junge Dame du doch bist... Es wäre solch ein Spaß, eine Frau wie dich zu brechen. Was hat dein Meister für dich bezahlt, hm? Ich wette, man könnte einen fairen Preis aushandeln."
„Ich. Bin. Keine. Sklavin.", murmelte sie, ihre Stimme kalt wie Eis.
Jetzt war ihr endgültig der Kragen geplatzt. Verflucht, es gab nichts, was Hera mehr hasste, als die Darstellung ihrer Spezies in der Öffentlichkeit. Die Diskriminierung von Aliens war schon vor der Machtübernahme des Imperators ein Problem gewesen, aber unter dem Imperium war es noch schlimmer geworden, besonders, da man die jahrelange Sklavereigeschichte ihres Volkes einfach nicht ernst zu nehmen schien.
„Was für eine Schande. Ich hätte dir liebend gern ein paar Manieren beigebracht. Aber das wird dann wohl anders gehen müssen. Na komm, Süße, gehen wir." Er packte sie am Handgelenk. Auf ihren Versuch hin, sich zu befreien, verfestigte sich sein Griff nur. „Bin mal gespannt, ob sich deine Lippen so hübsch anfühlen, wie sie aussehen."
„Würdest du das gerne mit meinem nicht existenziellen Freund ausdiskutieren?", erkundigte sie sich, und der Sturmtruppler fuhr genau lange genug herum, damit sie nach ihrem Blaster greifen und ihn an seinen Kopf halten konnte. „Zum Glück seid ihr so blöd wie ihr ausseht...", murmelte sie. „Das Einzige, was du heute Abend zu spüren bekommen wirst, ist ein Laser aus meinem Blaster, wenn du nicht auf der Stelle deine dreckigen Hände von mir nimmst und mich in Ruhe lässt.", drohte die junge Frau, und der Mann tat auf der Stelle was sie sagte und stolperte rückwärts. Es klackte laut als seine Rüstung gegen die Theke knallte. Der Gesichtsausdruck der Twi'lek war noch immer todernst und sie hörte nicht auf, den Lauf ihres Blasters auf ihn zu richten. „Ich habe es höflich versucht, aber da deine primitive Spezies diese Sprache offensichtlich nicht spricht, hoffe ich für dich du verstehst zumindest »hau ab oder ich lasere dir den Kopf weg«.", knurrte sie, und er wich noch weiter zurück.
„D-das würdest du doch nicht wirklich tuen, oder?"
„Stell mich doch auf die Probe.", sagte Hera grinsend, und so schnell, wie der Mann aus der Bar verschwunden war, hatte sie schon länger niemanden mehr rennen sehen.
Sie schüttelte bloß den Kopf, seufzte und schob den Blaster zurück an ihren Stiefel, um anschließend wieder Platz zu nehmen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihre Lekku unbewusst aufgestellt hatte. So sehr hätte sie schon lange niemand mehr gereizt. Von den umliegenden Leuten hatte sie niemand beachtet, oder zumindest hatte ihr niemand geholfen – keiner, der eine Wahl hatte, war dumm genug, sich freiwillig mit den Imperialen anzulegen. Als ein paar Minuten später endlich ein bekanntes Gesicht in der Tür erschien, seufzte sie erleichtert auf. Sie winkte ihn zu sich herüber und gab ihm ein unauffälliges Zeichen, dass sich Imperiale am anderen Ende der Cantina befanden. Er nickte. Er verstand. Sie würden wieder ein Pärchen geben müssen.
Die Twi'lek verschränkte die Arme, als ihr Partner neben ihr Platz nahm.
„Wie schön, dass du dich doch noch dazu bequemt hast, hier aufzutauchen."
„Wie geht's dir?", fragte er und schaute sie entschuldigend und ein wenig besorgt an.
Der ehemalige Jedi fühlte sich schuldig, weil er sie so lange hatte warten lassen. Sie stöhnte.
„Frag lieber nicht. Gruseliger Abend. Das Positive daran ist, ich glaube ich kenne inzwischen sämtliche Vollidioten der Gegend, weil die mich inzwischen alle schon angemacht haben... Ich meine ich war schon auf vielen eher rückständigen Planeten, aber was nichtmenschliche Spezies angeht sind die Ansichten hier so veraltet, dass Gorse fast schon Coruscant gleich kommt."
Dass sie damit Coruscant vor der Machtübernahme des Imperators meinte, musste nicht einmal ausgesprochen werden, und das war auch besser so, denn inzwischen hatten die Sturmtruppler am anderen Ende der Cantina sich zu ihnen umgedreht.
„Das ist meine Schuld... ich hätte früher hier sein müssen."
„Hättest du. Zwei Stunden früher, Kanan. Du bist zwei Stunden zu spät."
„Entschuldige. Dieses Geschenk, dass du haben wolltest, zu besorgen, hat etwas länger gedauert als geplant, und dann bin ich unterwegs auch noch in ein paar Freunde rein gerannt, die mich partout nicht gehen lassen wollten, obwohl ich ihnen gesagt habe, dass du wartest."
„Solange du das Geschenk, hast ist das schon okay. Du hättest mich ja wenigstens anfunken können und sagen, dass du dich verspätest...."
Er nickte.
„Nochmal, es tut mir leid. Wir haben vollkommen die Zeit vergessen... aber mach dir um dein Geschenk mal keine Sorgen, dass ist genau da, wo es sein sollte."
Sie seufzte erleichtert. Er hatte also die Daten. Gut. Und er war schon wieder erwischt worden. Weniger gut. Aber das erklärte die Verspätung.
»Wie ein Magnet, ich sag es ja...«
„Na ja, während du anderswo Spaß hattest, hat einer der Sturmtruppler hier mich mit einem Spielzeug verwechselt."
Sie schauderte bei der Erinnerung. Ihr Partner ballte die Fäuste, und sie konnte sehen, dass er tatsächlich sauer war.
„Okay, sag mir wo der Arsch ist und ich falte ihn zusammen."
Das ging zu weit. Das ging viel zu weit. Niemand hatte das recht, so mit seiner Hera umzugehen. Dass sie nicht wirklich seine Freundin war, änderte nichts daran, was Kanan für sie empfand, und nur zu gerne hätte er ihr jeden dieser Idioten für immer vom Hals gehalten.
Sie hob eine Braue.
„Süßer, du bist doch nicht wieder betrunken, oder?"
„Natürlich nicht. Hab ich nicht mehr, seit wir von Gorse runter sind."
Das war schamlos gelogen, und das wusste sie. An dem Abend als sie Gorse verlassen hatten, hatte selbst Hera getrunken, weil ihr alles zu viel gewesen war, und das obwohl sie eigentlich so gut wie nie trank und Alkohol auch nicht wirklich vertrug. Kanan hingegen... Kanan war seitdem mehr oder weniger jeden Abend betrunken gewesen, aber bisher hatte sie sich immerhin darauf verlassen können, dass er auf den Missionen selbst nüchtern war. Dieses Gerede, was sie hier abzogen, war nichts weiter als Geplänkel, um die Aufmerksamkeit der Imperialen von sich zu lenken.
„Und du wolltest mich für das Date in einer Bar treffen, weil...?"
Hinter der Aussage steckte ein echter Vorwurf, auch wenn sie im ersten Moment harmlos klang. Kanan hatte den Treffpunkt tatsächlich vorgeschlagen, weil er sich angeboten hatte und er, falls er verfolgt worden wäre, sich hier unters Volk mischen konnte, anstatt sofort zurück zur Ghost zu rennen und fliehen zu müssen. Das Letzte, was sie sich leisten konnten, war, dass das Schiff vom Imperium als feindlich registriert wurde. Aber warum es ausgerechnet diese Bar hatte sein müssen, war Hera nicht ganz klar.
„Also... na ja... Zum einen ist das hier einer der nettesten Orte in der Gegend.", erklärte er, und der Teil war leider nicht gelogen. Kanan war schon mal hier gewesen, und das hier gehörte noch zu den »freundlicheren« Lokalen. „Zum anderen kenne ich den Barbesitzer und-"
Hera verdrehte die Augen. Es hätte sie kein bisschen gewundert, wenn das tatsächlich stimmte. Bisher hatten sie noch kaum eine Cantina betreten, in der Kanan nicht von mindestens einer Person begrüßt worden war.
„Netter Versuch. Können wir jetzt bitte gehen? Ich fühle mich als würde ich von allen Seiten angestarrt werden..."
„Könnte man es ihnen denn verübeln, die Augen nicht von einer wunderschönen Frau wie dir abwenden zu können?", sagte er mit flirtendem Unterton in der Stimme.
Sie boxte ihm gegen die Schulter.
„Kanan, ich mein's ernst, können wir bitte gehen? Ich fühl mich hier nicht wohl."
Natürlich war das nicht der Hauptgrund, warum sie gehen wollte. Eigentlich wollte sie einfach nur möglichst schnell und unauffällig verschwinden, um sich auf der Ghost in Ruhe die Daten ansehen zu können.
„Ach komm schon, können wir nicht wenigstens für einen Drink bleiben?"
„Oh? Ich dachte, du wolltest nicht mehr trinken?"
„Hey, wer redet denn von Alkohol? Die haben hier auch wirklich guten... uh... Saft."
„Saft? Ernsthaft? Verarsch mich nicht. Lass uns bitte einfach zu mir nach Hause gehen, ich wette da finden wir auch eine Beschäftigung."
Sie grinste ihn an. Er wusste, dass es ihr Spaß machte, ihn damit aufzuziehen, was er für sie empfand, aber er störte sich nicht daran.
„Was wäre ich denn für ein Mensch, wenn ich das ablehnen würde."
Er erhob sich und reichte ihr seine Hand.
„Wir sollten vielleicht lieber hinten raus, falls das geht.", schlug sie vor, und Kanan nickte kurz.
Hera hatte keine große Lust, nochmal in die Leute reinzurennen, die sie vorhin zurückgewiesen hatte, und die sammelten sich für gewöhnlich vor dem Eingang der Cantina, um ihr eine Abreibung zu verpassen.
Als sie draußen durch die bis auf das schwache Licht der Sterne dunklen Gassen das Stadt zurück zur Ghost liefen, fing Hera wieder an zu sprechen.
„Wie lange warst du hier?"
„Ein halbes Jahr."
„Und warum bist du weg?"
„Lustige Geschichte... Ich hab ein wenig mit der Tochter des Barbesitzers rumgemacht, als wir betrunken waren, und dann hat sie mir nen Antrag gemacht. Ihr Freund fand das irgendwie nicht so witzig. Ich meine geheiratet hätte ich sie sowieso nicht, aber..."
Hera verdrehte die Augen.
„Was wäre bloß aus dir geworden, wenn ich dich nicht gefunden hätte, hm?"
Er lächelte ein wenig.
„Wahrscheinlich einer von den Vollidioten, die dich da drin angebaggert haben."
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, so einer warst du schon, als ich dich gefunden habe. Nur lange nicht so rassistisch."
„Ha ha."
„Aber, falls dich das beruhigt, wenn ich die Wahl zwischen denen und dir hätte, würde ich sehr viel lieber mit dir schlafen."
»Oh, klasse, jetzt macht sie sich wieder über mich lustig...«
„Deine Lekku zucken übrigens unglaublich süß im Mondlicht."
Hera warf ihm einen entnervten Blick zu. Sie hatte nicht vor, ihm zu verraten, dass sie das immer nur dann taten, wenn es ihr schlecht ging, und auch nicht, dass sie jemandem von dem Lichtschwert erzählt hatte, das der Jedi angeblich nicht mehr besaß. Sie wusste, dass es Dinge gab, über die er mit ihr noch nicht sprechen konnte, und das akzeptierte sie, weil es ebenso Dinge gab, über die zu sprechen sie nicht bereit war.
Als sie bei der Ghost ankamen, verzog sie sich sofort allein in ihre Kabine, um die Daten zu entschlüsseln.
„Gute Nacht, Kanan Jarrus."
Und wieder waren ihre Lekku aufgestellt. Es war erstaunlich. Dieser Mann trieb sie schneller in den Wahnsinn, als es in der Galaxie irgendjemand sonst konnte. Aber es war nicht seine Schuld. Er konnte nicht wissen, was für ein Tag heute war, und dass es wohl kein übleres Timing gegeben hätte, um sie so lange warten zu lassen, dass sie fürchten musste, ihm sei etwas zugestoßen.
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