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Yoongi konnte es nicht glauben, dass Hoseok es nur mit wenigen Sätzen geschafft hatte ihn davon zu überzeugen, Namjoon mit aufs Feld und die Koppel zu nehmen. Gut, er hatte schon vorgehabt Namjoon die Unschuld der Welt zu nehmen, aber das es gleich bei einem Spaziergang sein musste, vor allem schon jetzt so früh, behagte ihm nicht so ganz. Namjoon war aber bisher immer total brav gewesen, hatte nicht mal einen Fluchtversuch gewagt und war sogar Still geblieben, als der beschissene Typ von „Golden Houses" vor der Tür stand. An sich hatte Namjoon sich also damit eine sehr angenehme vertraute Position zwischen ihnen aufgebaut.

Keiner von ihnen hatte eine Drohung wahr machen müssen, zumal Yoongi bisher keine wirkliche Ausgesprochen hatte. Deswegen war Yoongi auch gerade dabei die zweite Fessel um zu Modellieren. Wobei nicht ganz. Er sucht eigentlich nur den zweiten Führstrick von Danbis Mutter. Dieser würde ihm heute gute Dienste leisten können. Ein Risiko eingehen wollte Suga dann doch nicht, auch wenn er sich sicher war, schneller zu sein als der Schnöselsohn. In einer Holzkiste hinten im alten Stall fand er sie schließlich und hatte somit alles zusammen was er brauchte.

„Komm her.", rief er Namjoon zu, der schon von Hoseok bescheid wusste, dass er zugesagt hatte. Nervös tippelte Namjoon von einem Fuß auf den anderen, als Yoongi ohne weitere Worte zu ihm trat und ihm ein Shirt in die Hand drückte. „Zieh dich um. Dann gleich die Hose.", erklärte Yoongi und blieb Knapp dabei. Jetzt musste er noch einschüchternd sein. Langsam nickte Namjoon und seine Wangen wurden rot, als er sich sein Oberteil über den Kopf zog. Ihm war es wohl immer noch unangenehm und aus irgendeinem Grund jetzt noch mehr, als zuvor. „Beeilung. Ich lasse Danbi ungern warten.", knurrte Yoongi also und tatsächlich begann Namjoon schneller zu machen.

Der Ältere fackelte nicht lange und legt Namjoon, nachdem dieser stand, das Hundehalsband um. Danach hängte er den Führstrick ein und verband beides mit einem Zahlenschloss, das sich Yoongi von Jungkook geliehen hatte. Die Augen des Platinblonden wurden so groß wie Teller und Yoongi kam nicht drum herum darüber belustigt zu sein. Wieder stellten diese verschreckten Augen etwas mit ihm an, sodass er nicht anders konnte als den Jüngeren an der Leine ein Stück näher zu ziehen und zu flüstern: „Dachtest du ich lasse meine Beute einfach frei laufen?" Zufrieden beobachtete der Dunkelhaarige wie Namjoon eine Gänsehaut bekam und schluckte.

Allerdings machte Yoongi sich nun an die Fußfessel und hatte nur wenige Augenblicke später diese auch gelöst. Es war schon witzig wie er der einzige hier war, der in der Lage war diese Dinger zu öffnen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ihm der Bauer das beigebracht hatte und er somit die speziellen Punkte kannte. Das Grinsen das ihn beschlich versteckte er nicht, naja, wenn man es genau nahm, war es ja versteckt, trug er ja die Maske.

Namjoon sagte auf dem Weg nichts und Yoongi genoss die Stille der Natur. Fast konnte er vergessen, dass er eine Leine in der Hand hatte und eine zweite Person hinter ihm her trottete. Zuerst gingen sie sich noch mal das Feld anschauen. Yoongi hatte schließlich vor es zu bestellen und da musste er schauen wie viel er machen musste. Ganz in seinem Element und sich daran erinnert was er gelesen, sowie was der Bauer gesagt hatte lief er einmal sein Feld ab und begutachtete es von allen Seiten. Einen Hasen schreckte er dabei auf, doch das bemerkte er kaum. Er kam zu dem Fazit das einmal Regen er noch abwarten sollte, bevor er sich dafür entschied etwas zu pflanzen. Zudem sollte er wohl zusammen mit Danbis Hilfe das Feld einmal umgraben. Ob er die Zeit dafür noch hatte?

Nachdenklich schaute er einmal in den Himmel, zog es hinten am Horizont zu? Wegen den Bäumen konnte Yoongi nicht allzu viel erkennen, entschied aber dass er es heute noch umgraben sollte. Besser jetzt wo er Zeit hatte, als dann wenn alles matschig war und man in der Erde versank. „Was machen wir? Gehen wir zurück?" Namjoons Frage erschrak Yoongi ein wenig, doch er ließ sich nichts anmerken. „Wir holen den Pflug und Danbi. Wir müssen das Feld umgraben." Immer wieder war Yoongi froh darüber das der Bauer Danbis Stall, mit all ihren Sachen auf ihrer Koppel gebaut hatte. So mussten sie nicht noch einmal zurück zum Hof, sondern konnten einfach zu Danbi und zurück zum Feld, dieser Weg war definitiv der Kürzere.

Danbi begrüßte sie lautstark und ließ sich von Yoongi kräftig durchkraulen, bevor dieser sie vor den Pflug spannte. „Sie ist unheimlich schön.", meinte Namjoon und half Yoongi sogar unaufgefordert. „Sie ist das was noch von ihrem Vorbesitzer geblieben ist, mitsamt dem Hof und Feld. Verkaufen könnte ich sie nie, aber eine Gesellschaft ist leider sehr teuer.", erklärte Yoongi und spürte mal wieder wie sehr ihn Danbi entspannte. „Soll ich dir ein paar Geschichten erzählen?" Überrascht schaute Namjoon Yoongi an, nachdem dieser es vorschlug. „Wenn du magst?"

Den Weg zurück zum Feld erzählte Yoongi Namjoon sämtliche Geschichten, die er erlebt und mitbekommen hatte. Er erzählte sie neutral, ohne jegliche Gefühle zuzulassen und erwähnte sich selbst auch in keinster Weise. Er erzählte die Geschichten von alten Freunden, von den Obdachlosen, von alten Bekannten und von Fremden. Er erzählte die Geschichte des Tätowierers, die nicht mal Hoseok kannte, die von der Frau vom Markt, von dem Mann und dessen abgebranntes Haus, von dem kleinen einsamen Mädchen und dem Bruder der deren Mutter vorm Selbstmord bewahren musste.

Ja, Yoongi kannte viele Geschichten, viele Leute hatten ihm ihre Geschichten erzählt, bei vielen war er selber Teil davon, manche hatte er aber auch nur erzählt bekommen. Doch eines hatten die Geschichten alle gemeinsam und das war Leid. Als Namjoon während der vierten Geschichte begann zu weinen, dachte Yoongi nicht daran ihn zu trösten, nein ganz bestimmt nicht. Tränen zu vergießen über Vergangenes brachte nichts, das hatte Yoongi am eigenen Leib erfahren müssen. Weinen brachte nicht mehr, als nur ein wenig Erleichterung. „Warum erzählst du mir solche schrecklichen Geschichten?", fragte Namjoon, als sie beim Feld ankamen. „Weil sie Wahr sind."

Auch wenn Namjoon ein paar Meter von Yoongi entfernt stand, konnte er hören wie geschockt dieser war, denn das Schluchzen hatte sich eingestellt. Und erstickt wurde er nur gefragt „Was?" Yoongi rammte mit seinem Gewicht den Pflug in den Boden, während er freudlos lachte. „Die Geschichten sind wahr, jede einzelne die ich dir erzählt habe hat jemand erlebt. Die Welt besteht eben auch aus Leid und Ungerechtigkeit. Selbst wenn wir hier nicht ungerecht leben sollten, werden es andere irgendwo anders tun."

Einen Moment ließ der Dunkelhaarige Namjoon, bevor er ihn schroff aufforderte ihm gefälligst bei der Arbeit zu helfen. Tatsächlich beklagte sich Namjoon wenig, er half mit, war aber sehr schnell außer Atem, obwohl eigentlich Danbi die meiste Arbeit hatte. Yoongi ließ Namjoon die Stille auf dem Weg zurück zum Hof zum Nachdenken. Es musste wohl sehr viel sein, was nun im Kopf des Jüngeren durch ging. „Gehört eine der Geschichten zu euch?", fragte Namjoon, als schon der Hof in Sichtweite kam. Wieder einmal machte sich dessen Klugheit bemerkbar. „Nein."

Yoongi verfluchte sich, das sein nein nicht so entschieden geklungen hatte, wie es hätte sein sollen. Klar, weder Jungkook, Jin oder Hoseok kamen in einer der Geschichten drin vor, er hingegen als Nebencharakter schon in der ein oder anderen. Allerdings fragte Namjoon nicht weiter nach. Er schien mal wieder zu spüren, dass er am besten jetzt die Klappe hielt. Das letzte Stück liefen sie schweigend bis Namjoon plötzlich vor der Scheunentür stehen blieb. „Danke, dass du mir das erzählt hast. Ich hab gar nicht gewusst wie schlimm es einem wirklich ergehen kann." Yoongi nickte nur, sein Ziel für heute hatte er wohl erreicht. Namjoon mit seinem schlauen Köpfchen schien wohl verstanden zu haben, warum er ihm diese Geschichten erzählt hatte.

Allerdings bewegte sich Namjoon noch immer keinen Schritt, als Yoongi eintreten wollte. „Erzählt ihr mir vielleicht irgendwann eure Geschichten?" Das sofortige Misstrauen das Yoongi spürte und die angespannte kampfbereite Haltung die er annahm, konnte er nicht verhindern, schaffte es aber sich zusammen zu reißen und erst zu Namjoon zu blicken. Wieder strahlten seine Augen nur Ehrlichkeit aus, Neugier auf die Antwort auf die Frage und Unschuld aus. „Irgendwann vielleicht.", antwortete also Yoongi der gegen diese verdammten Augen wieder es nicht schaffte anzukommen.

Jetzt kam Namjoon anstandslos mit, ließ die Umfesslung ebenso über sich ergehen und kommentierte es nicht weiter, dass Yoongi ihm nur einen Teller mit einem Butterbrot hinstellte. Anbei bemerkte er, dass ihnen langsam das Brot ausging und ein Blick in die Vorräte zeigte, dass er morgen wohl einkaufen gehen musste. Gut das ihnen Jin gestern den ersten Erlös gebracht hatte. Auch wenn Yoongi einkaufen überhaupt nicht leiden konnte, würde er es wohl machen müssen. Jungkook hatte morgen seinen absoluten freien Tag, seinen Zocker-Tag und war dementsprechend nicht aus dem Haus zu bringen und Hoseok musste morgen wieder arbeiten, blieb also nur noch er übrig. 

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