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Namjoon hatte das Gespräch mit Yoongi noch zu denken gegeben. Er hatte sich an dem Abend nicht mehr auf das Buch konzentrieren können, welches er mitgenommen hatte. Nein, ganz und gar nicht. Er hatte die erste Seite aufgeschlagen und den erstens Satz der Einleitung gelesen, das sogar mehrmals. Doch selbst nach dem er aufhörte mitzuzählen, etwas was er eh nicht gemacht hatte, hatte er aufgegeben den Satz zu verstehen und hatte das Buch zur Seite gelegt. Aus dem Fenster schauen fiel ebenso weg, da die Fensterläden immer abends von jemandem geschlossen wurden. Wer es diesmal gewesen war konnte Namjoon nicht sagen, da sie geschlossen waren nachdem er sein Zimmer wieder betreten hatte.
Es war wirklich seltsam. Eigentlich dürfte Namjoon doch gar nicht solch eine Sympathie und Verständnis für seine Entführer aufbringen. Eigentlich sollte er einen Weg nach draußen suchen, eigentlich sollte er so schnell wie möglich wieder nach Hause wollen, doch das war irgendwie nicht so ganz der Fall. Die Gruppe war interessant und auch wenn Namjoon so gut wie nichts wusste, hatte er das Gefühl bald mehr herauszufinden, wenn er sich hier wirklich einschmeichelte. Und je mehr er wusste, desto besser war es ja schließlich für die Polizei später um die Gruppe zu finden. Namjoon setzte darauf, dass sein Vater ihn schon mithilfe der Polizei suchte. Vor allem da er ja seit mehreren Tage für ihn schon verschwunden sein musste.
Da fiel ihm das Video wieder ein über das sie geredet hatten. Was wohl alles gefordert war? Wahrscheinlich nur Geld. Lösegeld. Sein Lösegeld. Er war sich sehr sicher, dass sein Vater das besitzen würde. Dafür hatten sie genügend Geld. Die Gruppe hatte gemeint, dass sie es brauchten weil sie Schulden hatten. Aber wo hatten sie denn Schulden? Wie kam es überhaupt dazu dass sie Schulden hatten? Und was an dieser Sache schien alle so wütend zu machen? Es musste irgendwas mit Ungerechtigkeit zu tun haben. Nicht um sonst hatte Suga etwas gesagt gehabt von Wegen sie könnten sich Gegenwehr nicht leisten.
Namjoon seufzte, durch solcherlei Gedanken war er noch sehr lange wach geblieben und hatte jetzt, soweit er vermutete, bis in den Mittag geschlafen. Er war hungrig. So unregelmäßiges Essen war er nicht gewohnt, vor allem das es meistens auch so wenig war. Daheim hatte er immer Auswahl gehabt oder durfte sich etwas bestellen. Aber es war immer regelmäßig gewesen, darauf hatte sein Vater wert gelegt. Ob er sich in der Küche bedienen durfte, wenn er niemanden dort vorfand? Wohl lieber nicht. Da war er sich einfach zu unsicher.
Trotzdem traute sich Namjoon vor die Tür zu blicken. Im Flur sah er keinen. Auch das Badezimmer war nicht belegt, sonst wäre die Tür zu. Das Bisschen, das er vom Wohnzimmer sehen konnte, war auch leer. Wo wohl alle waren? JK bestimmt irgendwo oben, da wohin er immer Verschwand. Oder jemand war in der Küche, aber Namjoon traute sich nicht hinaus. Von seinem Zimmer aus konnte er die Küche nicht einsehen, dafür müsste er ein paar mutige Schritte wagen und das packte er nicht. Sein Mut hatte ihn irgendwie verlassen.
Wahrscheinlich weil ihn das Heimweh jetzt doch packte. Er wollte zurück in sein Bett, in seine Wohnung, in sein Leben. Er vermisste es. Sehr. Er vermisste es irgendwas tun zu können. Hier konnte er nichts tun. Hier saß er und blickte ins nichts. Er seufzte auf. Plötzlich klingelte es. Ob das die Polizei war? Oder jemand anderes? Ob derjenige ihn befreien konnte? Noch bevor Namjoon auch nur irgendeine Chance hatte zur Tür zu gehen, polterte JK die Treppe herunter und funkelte ihn mit einem wütenden Blick an.
Schluckend zog sich Namjoon wieder in sein Zimmer zurück, aber blickte durch einen kleinen Spalt, den er sich ließ. Dafür musste er sich zwar ganz schön verbiegen, aber es funktionierte. JK öffnete ruppig die Tür und sagte, noch bevor die Person davor etwas erwidern konnte eisig. „Was wollen Sie? Wir haben Ihnen schon das letzte mal gesagt das Ihre Anwesenheit auf diesem Grundstück nicht erwünscht ist!" Namjoon konnte hören wie die Person sich räusperte, doch was sie danach sagte, verstand er nicht. „Hauen Sie ab! Lassen Sie uns in Ruhe, bevor ich mich vergesse!", antwortete JK harsch und knallte so schwungvoll die Tür zu, dass Namjoon erschrocken zusammenzuckte.
Dann schrie JK frustriert auf, ballte die Fäuste und ließ seine ganze Wut an der Wand neben der Tür aus. Erschrocken beobachtete Namjoon, wie der andere tobte und sich die Knöchel wirklich blutig schlug. Was auch immer das für ein Typ war, Namjoon hatte jetzt noch einen Grund mehr, sein Zimmer nicht zu verlassen. Der Platinblonde hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verging. Doch erst als JK seinen Kopf erschöpft gegen die Wand sinken ließ nahm Namjoon wahr, das die Schultern des jungen Mannes bebten. Er war sich aber nicht sicher, ab sie das vor Wut oder wegen etwas anderem taten. Dann hörte der Platinblonde wie eine Tür geöffnet wurde.
Durch den Schlitz sah er Suga, wie dieser einen gefüllten Rucksack, neben JK fallen ließ und diesen danach sanft über den Kopf streichelte. „Er war hier nicht wahr?" JK nickte nur auf Sugas Frage. Es war seltsam zu sehen, wie sanft Suga sein konnte, wenn er wollte. Tröstend strich er dem anderen nämlich über den Rücken und schaffte es, dass JK sich an der Wand angelehnt hinsetzte. „Du kannst froh sein das ich gerade zurückgekommen bin und unterwegs sammeln war.", meinte Suga leise und kramte aus dem Rucksack ein paar Dinge hervor. „Hier ich dachte du würdest dich freuen.", meinte er nach einer Weile, in der Namjoon nicht erkennen konnte was passierte.
„Danke. Wirklich.", meinte JK und erhob sich. Von dem ungezähmten emotionalen JK war jetzt kaum mehr etwas zu erkennen. Er hatte wieder diese Haltung die Namjoon von ihm kannte. „Die meisten Geräte habe ich jetzt durch. Ach so, wenn du seins haben magst hol es dir einfach ab. An dem habe ich wie besprochen noch nicht gearbeitet." Suga nickte verstehend und schulterte wieder seinen Rucksack, während JK aus Namjoons Blickwinkel verschwand. Wahrscheinlich ging er wieder die Treppe hoch.
„Ah, den da hab ich im Übrigen vergessen. Solltest du vielleicht noch kümmern.", meinte JK noch und Namjoon schloss schnell die Tür. Er war gemeint. Ganz bestimmt war er gemeint. Tatsächlich ging nur wenig später seine Zimmertür wieder auf und Suga trat ein. Er war angespannt und die Wut sprühte aus seinen Augen. Heute, das erkannte Namjoon hatte, er wohl keine Chance mehr, mehr über sie zu erfahren, das würde nur in einem Desaster für ihn enden. „Hier", schroff drückte der Braunhaarige Namjoon eine Schüssel in die Hand und verschwand wieder aus dem Zimmer.
Etwas irritiert betrachtete Namjoon die Kekse in der Schüssel. Sie waren selbstgebacken, das erkannte man. Zögerlich nahm Namjoon einen Bissen und versuchte ganz langsam zu essen. Er hatte keine Ahnung, wie oder ob er heute Abend etwas zu essen gab und wenn, wann. Da sollte er sich möglichst an diesen Keksen satt gegessen haben. Das war schwieriger als erwartet, denn die Kekse waren so lecker, das er nachdem er die Schüssel leer hatte, noch mehr Appetit und Hunger auf mehr Kekse hatte.
Nochmal versuchte er sich mit dem Buch abzulenken, doch wieder schaffte er es nicht den ersten Satz zu verstehen. Nicht weil das Thema für ihn zu schwer oder kompliziert war, sondern weil er erst jetzt wirklich registrierte, dass er die Chance gehabt hatte auf sich aufmerksam zu machen! Diese Person wer auch immer es gewesen war, hätte ihn retten können! Wie dumm war Namjoon eigentlich, das er sich nur von einem Blick JKs so einschüchtern ließ? Aber so wie die beiden auf die Person reagiert hatten, bestand doch auch die Möglichkeit das die Person noch böser war oder? Diese Möglichkeit wäre auch da und in dem Fall, war es gut das Namjoon still geblieben war.
Außerdem waren ja da immer noch die Drohungen. Gut J-Hope war zwar gerade nicht da, aber JK hatte die Macht sein Leben zu zerstören. Er hatte es zwar ernst gemeint, sehr ernst, aber was wenn es ein bluff gewesen war? Bei J-Hope war sich Namjoon sicher dass es kein Bluff war, dieser hatte schließlich wirklich geschossen, aber bei JK war er sich nicht sicher. Doch auch hier kam Namjoon der Gedanke, dass er es am besten nicht darauf anlegen wollte. Er wollte nicht riskieren schlechter als jetzt behandelt zu werden.
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