08
Yoongi hatte seine Beine an seinen Körper angezogen und saß auf seiner Fensterbank. Nur der Mond der von draußen herein schien erleuchtete das Zimmer. Sein Fenster hatte er geöffnet und blickte seit geraumer Zeit hinaus. Es rauschte in seinen Ohren, obwohl es still war. Er konnte wieder die Stimmen vernehmen, wie sie ihn anbrüllten. Er konnte wieder die Hände auf seiner Haut spürten, wenn sie ihn bestraften. Er biss sich auf die Lippe, versuchte die Gefühle zu unterdrücken. Er wusste nicht warum, aber der Kontakt mit Namjoon hatte alles wieder hervorgerufen.
Alles was in seinem beschissenen Leben passiert war. Tatsächlich hatte es aber erst begonnen, als Namjoon hier war. Irgendwas an Namjoon löste diese alten Gefühle wieder in ihm aus. Während er ihn abgeschleppt hatte, ihn einlud und das Motorrad holte, war alles noch normal gewesen. Aber vielleicht auch, weil er da nur im Kopf seine Beute hatte. Namjoon gehörte dazu. Er war seine Beute und vielleicht war es genau der Gedanke den Yoongi angst machte. Er war auch nur ein Besitz gewesen.
Am liebsten wollte er Namjoon gehen lassen, wissend das es jetzt kein Zurück gab. Er war irgendwie froh dass sich Hoseok um ihn kümmerte. Vielleicht hatte Yoongi ja auch Angst, dass Namjoon etwas herausfinden würde. Das nach all der Zeit die er nun schon unbemerkt stahl, etwas schief gehen könnte. Es machte ihn nervös. Er wusste Hoseok würde wirklich schießen, bestand die Gefahr das Namjoon flöhten gehen könnte. Er wusste dass sie genug Ackerfläche hatten um jemanden unbemerkt verschwinden zu lassen. Sie könnten ihn aber auch, wie Jungkook scherzhaft vorgeschlagen hatte, stückweise an seinen Vater zurück schicken, doch das war grausam.
Und so grausam wollte nicht mal Yoongi sein. „Stehlen ist solange du keine herzen stiehlst nicht das Grausamste der Welt. Pass auf das du keine Herzen stiehlst.", vorsichtig widerholte Yoongi die Worte von dem Mann, der ihm mitunter am wichtigsten war. Der Mann der ihn aufgezogen hatte. Hatte er mit dem Platinblonden ein Herz gestohlen? Oder hatte er damals etwas anderes gemeint? Allerdings hatte das Ekelpaket von Vater wirklich mal eine außerordentliche Lektion verdient. Wobei es in erster Linie um das Geld auch ging. Sie brauchten es. Mehr denn je.
Kurz hatte er in die Augen des Platinblonden sehen können, als er die Fesseln gelöst hatte. In ihnen hatte er Dinge gesehen, Sachen gefühlt, denen er seit Ewigkeiten nicht mehr begegnet war. Namjoons Augen waren ähnlich wie seine. Und es erschreckte Yoongi. Niemals hätte er gedacht noch einmal in die Augen des Mannes zu sehen, der ihm das Überleben beigebracht hatte. Auch wenn Yoongi zugeben musste, dass Namjoon Augen schon anders waren hatten sie eine verblüffende Ähnlichkeit. Irgendwie gönnte Yoongi Namjoon diese Augen nicht, wollte nicht an all das erinnert werden.
Hoseok hatte aber trotz dessen Recht. Namjoon konnte nichts dafür, dass er so geboren wurde, mit diesem Vater geboren wurde, mit diesen Augen. Yoongi hatte nicht vor sich zu entschuldigen. Das würde er nicht schaffen und irgendwie sah er auch kaum einen Grund dazu. Alles was er tat hatte einen Grund und er würde sich nicht dafür entschuldigen, was er in der Vergangenheit gemacht hatte. Das hatte er noch nie. Würde es auch nie. Sonst hatte er das Gefühl in der Vergangenheit zu leben und das wollte er nicht. Zukunft und Gegenwart waren wichtiger.
Nur Hoseok tat ihn ein wenig leid. Der Schwarzhaarige hatte es am allerwenigsten verdient geschlagen zu werden und auch wenn Yoongi es seinem besten Freund nicht antun wollte, war der Impuls einfach stärker gewesen. Der hass aufs angeschrien werden war stärker gewesen. Aber auch dafür würde er sich nicht entschuldigen. Hoseok kannte seine Makel, er würde es auch so verstehen. Er verstand Yoongi immer, außer in Situationen wie jetzt. Wo Yoongi sich selbst nicht verstand. Es war alles und nichts das Yoongi so unheimlich wütend machte.
Im Wald hatte er getobt, hatte sich richtig gehen lassen, hatte gegen Bäume getreten, war gerannt, hatte stumm geschrien, stumm gebrüllt und geweint, bis er den Abhang herunter gefallen war. Unten hatte er den leichten ablenkenden körperlichen Schmerz mehr als begrüßt, war dort lange einfach liegen geblieben, hatte der Natur gelauscht, Käfer und Vögel beobachtet. Dann war er irgendwann aufgestanden und war über einen Umweg an den Bach zurück geschlendert. Hatte unterwegs sogar kurz Bienen beim Sammeln und ein Häschen beobachtet.
Für einen Moment hatte er sich ganz frei gefühlt. Nicht mehr belastet durch das was alles passiert war. Selbst sein schlechtes Gefühl hatte ihn in Ruhe gelassen. Er wusste das Hoseok noch einmal mit ihm reden wollte, legte seine Worte zurecht und überlegte was der Schwarzhaarige nochmal alles gesagt hatte. Er kam an der Pferdekoppel vorbei, hatte seine Stute noch kurz gekuschelt, bevor er zum Haus zurückgekehrt war. Da war auch sofort sein schlechtes Gefühl zurückgekehrt weswegen er noch eine geraucht hatte, bevor er sich Hoseok gestellt hatte.
Das Gespräch war definitiv nicht so verlaufen, wie Yoongi es sich schlussendlich zu Recht gelegt hatte, aber er hatte Hoseok verständlich machen können, wie durcheinander er gerade war. Das war die Hauptsache. Durcheinander traf es auch sehr gut. Und wie durcheinander er war. Durcheinander mit dem hier und jetzt. Dem vergangenen. Er spürte wie er wieder wütend wurde und schluckte es herunter.
Konzentrierte sich ganz und gar auf die Geräusche die von draußen herein kamen. Eine Eule, die schuhute, ein Fuchs der durch ein Gebüsch schlich und der Wind der das Rascheln der Blätter zu ihm trug. Dann öffnete er die Augen und Blickte hinaus. Sein Fenster war im Gegensatz zu Jungkooks und Hoseoks Zimmern nicht zum Hof sondern zum Wald ausgerichtet. So konnte er die Bäume sehen und entdeckte sogar ein paar Fledermäuse die umher flatterten.
Nun saß er also hier am Fenster, schaute hinaus und wollte einfach wieder vergessen. Zum Abendessen war er nicht gegangen, auch wenn er wusste das Jin gekocht hatte. Jungkook hatte ihm essen vor der Tür abgestellt und es später auch wieder abgeholt, nachdem Yoongi es nicht angerührt hatte. Ihm war nicht nach essen. Er hatte das Gefühl das ihm gleich schlecht werden würde, wenn er aß und dabei die Erinnerungen im Kopf hatte. So schlecht das er nicht lange das essen bei sich behalten würde. Vorsichtig stand Yoongi auf.
Er hatte sich nach seiner Ankunft geduscht, weswegen seine Haare noch leicht feucht und durch die draußen herrschende kälte auch kalt waren. Auch seine nackten Füße waren kalt. Hoseok würde sich wahrscheinlich beschweren wenn er so durchgekühlt zu ihm kam. Doch Yoongi war es recht egal. Er wollte vergessen, wollte nur noch fühlen und nicht mehr denken. ER brauchte jetzt Hoseoks Ablenkung.
Auf dem Weg schnappte er sich noch die Kontaktlinsen, die Maske und seine Mütze, bevor er sein Zimmer verließ. Flink fischte er noch ein Kondom aus der Schachtel im Flur, bevor er langsam die Tür zu Hoseoks Zimmer öffnete. „Wer ist da?", fragte der Schwarzhaarige sofort und blickte von dem Buch auf das er las. Er kniff seine Augen ein bisschen zusammen, denn nicht mehr als zwei Kerzen erleuchteten den Raum „Yoongi?"
Angesprochener legte seine Sachen auf den Nachttisch auf dem Hoseok nun auch sein Buch ablegte. Der Jüngere rutschte zur Seite und machte Yoongi Platz um mit ins Bett zu kriechen. „Du bist voll kalt! Warst du wie...", beschwerte sich Hoseok tatsächlich, doch wurde von Yoongi unterbrochen, als dieser ihn in einen Kuss zog. Dann drückte Yoongi dem anderen das Verhütungsmittel in die Hand. „Lass mich bitte vergessen." Hoseok zog ihn als Antwort, als Bestätigung, in einen zweiten Kuss, pustete danach die Kerzen aus und widmete sich ganz Yoongi.
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